Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Abschwung. Für das Jahr 2019 prognostiziert das IAB in seiner aktuellen Prognose ein geringes Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts von 0,4 Prozent. 2020 könnte die Talsohle durchschritten werden und die deutsche Konjunktur wieder an Fahrt gewinnen. Bei der Erwerbstätigkeit rechnen wir trotz der konjunkturellen Schwäche noch mit einem Plus von 380.000 Personen in diesem und 120.000 im nächsten Jahr. Allerdings entwickelt sich der Arbeitsmarkt deutlich schwächer als in den vergangenen Jahren. Die Arbeitslosigkeit sinkt im Jahresdurchschnitt 2019 noch um 70.000 Personen, der Jahresdurchschnitt 2020 wird dann aber auf dem Stand von 2019 bleiben.

Gesamtwirtschaftliche Entwicklung

Die deutsche Konjunktur befindet sich seit dem dritten Quartal 2018 auf einer Talfahrt. Zwar ist die Wirtschaftsleistung 2018 im Jahresvergleich real um 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen, allerdings zeigte sich im dritten und vierten Quartal 2018 bereits eine deutliche Verlangsamung. Sondereinflüsse wie die Nachholeffekte infolge der Verzögerungen bei Kfz-Zulassungsverfahren und die überaus gute Baukonjunktur aufgrund des insgesamt milden Winters begünstigten die Wirtschaft. Somit startete Deutschland mit einem realen Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 0,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal zunächst gut ins Jahr 2019. Allerdings schrumpfte die Wirtschaftsleistung bereits im Folgequartal um 0,1 Prozent und knüpfte somit an die Werte von 2018 an. Die Konjunktur wird durch die außenwirtschaftlichen Entwicklungen gedämpft. Die Sorgen über einen ungeregelten Brexit sind gewachsen, und ebenso kommt die Zuspitzung der Handelskonflikte speziell zwischen den USA und China zum Tragen.

Die Schwächephase beeinträchtigt in Deutschland insbesondere den Außenhandel. Im ersten Quartal 2019 wurden die Exporte noch von den Nachholeffekten in der Automobilindustrie positiv beeinflusst. Im zweiten Quartal waren diese Effekte nicht mehr spürbar und die Exporte ließen deutlich nach. Auch die Importe waren im zweiten Quartal rückläufig. Insgesamt bremste der Außenhandel das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal 2019 stark. Die momentanen Exporterwartungen deuten auf einen weiteren Rückgang hin.

Die Investitionen legten im ersten Halbjahr 2019 zu. Die Baukonjunktur wurde durch die milde Witterung zu Beginn des Jahres begünstigt und fiel im ersten Quartal außerordentlich gut aus. Im zweiten Quartal fiel dieser Sondereffekt weg und die Bauinvestitionen sanken. Bei den Investitionen in Ausrüstungen ist gleichfalls ein starker Anstieg zu Beginn des Jahres zu beobachten, der sich im zweiten Quartal abflachte. Trotz nach wie vor sehr guter Finanzierungsbedingungen dürften sich die Investitionen nur verhalten entwickeln: Die Kapazitätsauslastung lässt nach und die Investitionsgüterproduzenten erwarten eine weitere Abschwächung der Konjunktur.

Der Konsum stützt die binnenwirtschaftliche Nachfrage nach wie vor. Ausschlaggebend war zu Beginn des Jahres 2019 der private Konsum, ebenfalls begünstigt durch die Nachholeffekte bei den Kfz-Zulassungen, während im zweiten Quartal 2019 der Staatskonsum eine tragende Rolle übernahm. Die Anschaffungsneigung wie auch das Konsumklima insgesamt befinden sich auf hohem Niveau, allerdings lässt die Stimmung der Verbraucher nach. Unterstützend wirkt im Hinblick auf den Konsum der weitgehend robuste Arbeitsmarkt. Die Beschäftigung nimmt noch immer zu. Die Einkommen steigen, davon profitiert der private Konsum, und dem Staat eröffnen sich weiterhin finanzielle Spielräume.

Im laufenden Jahr ist angesichts der Indikatorenlage keine Verbesserung der Konjunktur zu erwarten. Im Jahr 2020 könnte die Talsohle durchschritten werden und die Entwicklung an Fahrt gewinnen, sofern nicht zusätzliche Negativfaktoren auftreten. Insgesamt erwarten wir für 2019 ein Jahreswachstum des realen BIP von 0,4 Prozent (Prognoseintervall ±0,2 Prozentpunkte). Für 2020 prognostizieren wir eine Zunahme der Wirtschaftsleistung um 1,1 Prozent (Prognoseintervall ±1,2 Prozentpunkte). In den beiden Jahren schlagen Kalendereffekte von -0,04 und +0,37 Prozentpunkten zu Buche.

Arbeitsmarktentwicklung im Überblick

Die Erwerbstätigkeit folgt seit 13 Jahren einem Aufwärtstrend, mit kurzer Unterbrechung im Krisenjahr 2009. Zugleich hat die Arbeitslosigkeit deutlich abgenommen, wenngleich strukturelle Probleme etwa bei der Passung nach Qualifikation sichtbar sind. Der aktuelle Konjunkturabschwung bremst die positive Entwicklung deutlich. Dies betrifft vor allem konjunkturabhängige Bereiche wie das Verarbeitende Gewerbe und die Zeitarbeit. Von einem Beschäftigungseinbruch ist der deutsche Arbeitsmarkt aber weit entfernt.

Das ist darauf zurückzuführen, dass die Beschäftigung seit der Krise 2009 deutlich robuster auf konjunkturelle Schwankungen reagiert als zuvor, wie Sabine Klinger und Enzo Weber in einem 2019 erschienenen Beitrag für die Ökonomenstimme argumentieren. Der Aufwärtstrend der Beschäftigung wird stattdessen von Faktoren wie dem Wachstum des Dienstleistungsbereichs, etwa bei Pflege, Erziehung und Informations- und Kommunikationstechnik, sowie der hohen Zuwanderung gestützt. Zudem führt die zunehmende Knappheit von Arbeitskräften dazu, dass Betriebe sich Beschäftigte nicht selten auch unabhängig von der aktuellen konjunkturellen Lage sichern. Diese Einschätzung zeigt sich auch am Entlassungsrisiko, das auf dem niedrigsten Wert seit der Wiedervereinigung liegt. Das entlastet die Arbeitslosigkeit und stützt den Beschäftigungsanstieg. Der Arbeitsmarkt dürfte daher trotz negativer Einflussfaktoren wie den internationalen Handelskonflikten und dem Brexit relativ robust bleiben. Lesen Sie hierzu auch die Beiträge „Mögliche Auswirkungen der internationalen Handelskonflikte auf den deutschen Arbeitsmarkt“ sowie „Folgen des Brexit für Deutschland: Dämpfer für die Konjunktur, nicht für den Arbeitsmarkt“ von Enzo Weber im IAB-Forum.

Die Rekrutierungsprobleme haben dagegen zugenommen, die Dauer der Stellenbesetzungsprozesse ist deutlich gestiegen. Das Potenzial für weitere Beschäftigungszunahmen wird an seine Grenzen gelangen. Denn das Erwerbspersonenpotenzial wird selbst bei Berücksichtigung prognostischer Unsicherheit im kommenden Jahrzehnt demografiebedingt deutlich abnehmen (lesen Sie hierzu auch den Forumsbeitrag „Belastbare Methoden statt Kaffeesatzleserei – wie IAB-Forscher das künftige Arbeitskräfteangebot prognostizieren„) und steigt schon kurzfristig kaum noch. Bereits im Prognosezeitraum schwächt das die Beschäftigungszunahme, wobei dieser Knappheitseffekt angesichts des weniger dynamischen Arbeitskräftebedarfs im Konjunkturabschwung etwas gedämpft wird.

Entwicklung der Arbeitslosigkeit

Der Rückgang der Arbeitslosigkeit wird sich mittelfristig fortsetzen, begünstigt durch die zunehmende Knappheit an Arbeitskräften. Für die nächsten Monate lässt die Arbeitslosigkeitskomponente des IAB-Arbeitsmarktbarometers aber konjunkturbedingt steigende Arbeitslosenzahlen erwarten. Für den Jahresdurchschnitt 2019 ergibt sich in unserer Prognose eine Abnahme der Arbeitslosigkeit um 70.000 Personen (Prognoseintervall ±20.000). Im Jahr 2020 nimmt die jahresdurchschnittliche Arbeitslosenzahl minimal auf 2,28 Millionen zu (Prognoseintervall ±140.000).

Ausgehend von der Entwicklung im bisherigen Jahresverlauf wird die SGB-III-Arbeitslosigkeit im Jahr 2019 voraussichtlich gut 820.000 Personen umfassen; das sind 20.000 mehr als 2018. Die SGB-II-Arbeitslosigkeit sinkt noch einmal merklich und beträgt im Jahresdurchschnitt 1,45 Millionen. Zu dem Rückgang um 90.000 Personen gegenüber dem Vorjahr trägt auch ein erheblicher statistischer Unterhang zum Jahreswechsel 2018/19 bei. Für das Jahr 2020 prognostizieren wir kaum Änderungen; die Stagnation der Gesamtarbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr gilt für beide Rechtskreise auf ähnliche Weise.

Entwicklung der Erwerbstätigkeit und der Arbeitszeit

Die Erwerbstätigkeit wird weiter zunehmen. Die Beschäftigungskomponente des IAB-Arbeitsmarktbarometers ist zwar über die vergangenen Monate deutlich gefallen, liegt aber immer noch klar im positiven Bereich. Wir erwarten im Jahresdurchschnitt 2019 eine Zunahme um 380.000 Erwerbstätige (Prognoseintervall ±30.000). Im Jahr 2020 gibt es ein weiteres Plus von 120.000 auf dann 45,35 Millionen Personen (Prognoseintervall ±220.000).

Der weitaus größte Teil des Beschäftigungsaufbaus findet im Dienstleistungssektor statt. So werden die Öffentlichen Dienstleister, Erziehung, Gesundheit mit +190.000 im Jahr 2019 beziehungsweise +130.000 Beschäftigten im Jahr 2020 mit Abstand die höchsten Beschäftigungsgewinne erzielen. Für das Produzierende Gewerbe ohne Baugewerbe rechnen wir in den nächsten vier Quartalen mit einem leichten Rückgang, der vor allem im Zusammenhang mit dem Strukturwandel im Fahrzeugbau und dem schwachen Export steht. Ab Mitte 2020 erwarten wir indes keinen weiteren Stellenabbau.

Trotz eines grundsätzlich robusten Arbeitsmarkts schlägt sich inzwischen die seit einem Jahr andauernde konjunkturelle Schwäche auch bei den verschiedenen Formen der Erwerbstätigkeit nieder. Am deutlichsten sichtbar wird dies bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Deren Zahl steigt zwar weiterhin, wächst aber deutlich langsamer als in den vergangenen Jahren. Die Zahl der Beamten steigt leicht, während die Zahl der marginal Beschäftigten und der Selbstständigen weiterhin sinkt.

Die schwache Konjunktur senkt in beiden Prognosejahren die Arbeitszeit der Erwerbstätigen. Nach einem Rückgang um -0,4 Prozent in diesem Jahr führt im nächsten Jahr jedoch ein starker Kalendereffekt von fast vier zusätzlichen Arbeitstagen unterm Strich zu einem Anstieg der Arbeitszeit der Erwerbstätigen um 0,4 Prozent. Die weiter steigende Erwerbstätigkeit führt 2019 und 2020 abermals zu Höchstständen beim Arbeitsvolumen: Das Produkt aus durchschnittlicher Arbeitszeit und Erwerbstätigenzahl nimmt im laufenden Jahr um 0,5 Prozent auf 62,64 Milliarden Stunden zu, im Jahr 2020 auf 63,05 Milliarden Stunden (+0,7 %). Bei einem schwachen BIP-Wachstum von 0,4 Prozent bleibt 2019 die Stundenproduktivität unverändert. Für 2020 erwarten wir bei einer Erhöhung der wirtschaftlichen Aktivität um 1,1 Prozent einen Anstieg der Arbeitsproduktivität je geleisteter Stunde um 0,5 Prozent.

Entwicklung des Erwerbspersonenpotenzials

Während der Einfluss der Migration auf das Erwerbspersonenpotenzial an Bedeutung verliert, wird der negative demografische Trend immer stärker. Die zuletzt deutlich gestiegene Erwerbsbeteiligung nimmt 2020 erheblich schwächer zu. Im Zusammenspiel aus demografischer Entwicklung, Erwerbsbeteiligung und Migration ergibt für das Jahr 2019 eine Zunahme des Erwerbspersonenpotenzials um 220.000 Arbeitskräfte. Damit steigt das Erwerbspersonenpotenzial auf 47,65 Millionen. Für 2020 prognostizieren wir nur noch ein geringes Plus von 0,1 Prozent (40.000 Personen), so dass das Erwerbspersonenpotenzial mit dann 47,69 Millionen in etwa auf dem Niveau von 2019 verharrt.

Fazit

Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Abschwung. Beträchtliche Risiken etwa bezüglich der internationalen Handelskonflikte oder des Brexit bestehen nach wie vor. Das schwächt auch die Arbeitsmarktentwicklung: Die Erwerbstätigkeit steigt langsamer, die Arbeitslosigkeit wird wohl stagnieren.

Dennoch bleibt der Arbeitsmarkt insgesamt gegenüber dieser konjunkturellen Schwäche relativ robust. Der deutsche Beschäftigungsaufschwung war nicht durch konjunkturelle Exportstärke getrieben – und wird mittelfristig auch nicht wegen einer Exportschwächung enden. Gleichwohl wird er sich nicht mehr über viele Jahre fortsetzen – nicht weil die Unternehmen keine Leute mehr suchen werden, sondern weil das Arbeitskräftepotenzial derartige Beschäftigungssteigerungen gar nicht mehr hergeben wird (lesen Sie hierzu auch den Beitrag „Das sind die Gründe für unseren stabilen Arbeitsmarkt“ von Enzo Weber in der Tageszeitung „Die Welt“).

Im Abschwung sollte man indessen vorbereitet sein. Kurzarbeitsprogramme können Betrieben helfen, eine Durststrecke zu überwinden. Solange die Lage nicht derart eskaliert, dass die Weltwirtschaft in eine lange und schwere Rezession fällt, sind die mittelfristig orientierten Aufgaben aber wichtiger. Zeiten einer Auftragsflaute sollten Betriebe beispielsweise nutzen, um – auch mit öffentlicher Unterstützung – intensiv in die Weiterbildung ihrer Beschäftigten für die digitale und ökologische Transformation der Wirtschaft zu investieren.

 

Die ausführliche Fassung der IAB-Arbeitsmarktprognose finden Sie im IAB-Kurzbericht 18/2019.

 

Literatur

Bauer, Anja; Fuchs, Johann; Hummel, Markus; Hutter, Christian; Klinger, Sabine; Wanger, Susanne; Weber, Enzo; Zika, Gerd (2019): IAB-Prognose 2019/2020: Konjunktureller Gegenwind für den Arbeitsmarkt. IAB-Kurzbericht Nr.  18.

Fuchs, Johann; Söhnlein, Doris; Weber, Brigitte; Weber, Enzo (2018): Belastbare Methoden statt Kaffeesatzleserei – wie IAB-Forscher das künftige Arbeitskräfteangebot prognostizieren. In: IAB-Forum, 18.4.2018.

Klinger, Sabine; Weber, Enzo (2019): Knappheit treibt Beschäftigungswachstum. In: Ökonomenstimme, 8.5.2019.

Weber, Enzo (2018): Mögliche Auswirkungen der internationalen Handelskonflikte auf den deutschen Arbeitsmarkt. In: IAB-Forum, 9.7.2018.

Weber, Enzo (2019): Folgen des Brexit für Deutschland: Dämpfer für die Konjunktur, nicht für den Arbeitsmarkt. In: IAB-Forum, 7.2.2019.

Weber, Enzo (2019): Das sind die Gründe für unseren stabilen Arbeitsmarkt. In: Die Welt, 30.4.2019, S. 2.

 

 

Bauer, Anja; Fuchs, Johann; Hummel, Markus; Hutter, Christian; Klinger, Sabine; Wanger, Susanne; Weber, Enzo; Zika, Gerd (2019): Arbeitsmarktprognose 2019/2020: Arbeitsmarkt trifft auf konjunkturellen Gegenwind, In: IAB-Forum 25. September 2019, https://www.iab-forum.de/arbeitsmarktprognose-2019-2020-arbeitsmarkt-trifft-auf-konjunkturellen-gegenwind/, Abrufdatum: 18. December 2024

 

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