Auch daran war – wen wundert’s noch? – Corona schuld. Denn auch im IAB waren große Präsenzveranstaltungen über lange Zeit hinweg nicht mehr möglich. Und so wurde das, was als Antrittsvorlesung gedacht war, denn auch eher zu einer Zwischenbilanz, die Bernd Fitzenberger zu seiner nunmehr fast dreijährigen Amtszeit als Direktor des IAB zog. Eine Amtszeit zumal, die sich eben wegen der Corona-Krise, aber auch wegen des Krieges in der Ukraine so ganz anders entwickelt hatte, als Bernd Fitzenberger selbst dies im Herbst 2019 erahnen konnte. Beide Krisen stellten und stellen auch die IAB-Forschung vor bis dato ungekannte Herausforderungen. Auf diesen Umstand wiesen auch die fünf Laudatorinnen und Laudatoren hin, die sich im vollbesetzten Casino der Bundesagentur für Arbeit (BA) eingefunden hatten, um dem IAB im Allgemeinen und Bernd Fitzenberger im Besonderen ihre Referenz zu erweisen. Als prominente Zuhörerin im Publikum hatte sich auch die vormalige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles eingefunden, die im August 2022 ihr neues Amt als neue Vorstandsvorsitzende der BA antritt.
Scheele: „Wenn man das IAB an seiner Seite hat, kann man glücklich sein!“
Den Auftakt im Reigen der Grußworte übernahm Detlef Scheele, dem es ein Herzensanliegen war, dem IAB in seiner letzten Rede als bald aus dem Amt scheidender Vorstandsvorsitzender der BA seinen Dank auszusprechen. „Wenn man das IAB an seiner Seite hat, kann man glücklich sein!“, befand Scheele, der unumwunden einräumte, häufig zum Hörer gegriffen zu haben, um sich rückzuversichern, dass sein „fundiertes Halbwissen als BA-Chef“ auch vom breit gestreuten Expertenwissen am IAB gedeckt ist. Zugleich verlieh der erfahrene Arbeitsmarktpraktiker seiner Hoffnung Ausdruck, dass auch das IAB selbst vom stetigen Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis profitiere.
Ramb: „Ich schätze die Unabhängigkeit und Differenziertheit des IAB“
Einer Herausforderung der besonderen Art hatte Dr. Yvonne Kaiser zu meistern, Abteilungsleiterin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales und Mitglied im Präsidium des Verwaltungsrats der BA. Denn ihr kam die Aufgabe zu, ein doppeltes Grußwort zu überbringen – was ihr, so viel Lob muss sein, auch aufs Vortrefflichste gelang. Im ersten Teil ihres Grußworts übermittelte sie Bernd Fitzenberger und dem IAB den Dank von Christina Ramb, derzeit Vorsitzende des Verwaltungsrats der BA, die es sich – da verhindert – nicht nehmen ließ, ihre Dankesworte schriftlich festzuhalten und via Präsidiumskollegin Kaiser in die Veranstaltung einzubringen. Darin lobte Ramb unter anderem die hochfrequenten Befragungen, die das IAB zu Beginn der Corona-Pandemie in einem erheblichen Kraftakt aufgesetzt hatte, und wünschte sich, dass das IAB weiter engagiert Wirkungsforschung betreibe. Dass sie die „Unabhängigkeit und Differenziertheit des IAB“ zu schätzen wisse, gehörte ebenfalls zu den Botschaften, die sie den Anwesenden überbringen ließ – ebenso wie ihren Dank an Bernd Fitzenberger für dessen Bestreben, die Berufsforschung am IAB zu stärken.
Gebers: „Das IAB hat immer schnell und flexibel auf sich ändernde Umstände reagiert“
Im zweiten Teil ihres Grußworts wiederum sprach Kaiser im Auftrag von Leonie Gebers, parlamentarische Staatssekretärin im BMAS, die ebenfalls verhindert war, aber umso größeren Wert darauf legte, ihren Dank ebenfalls in schriftlicher Form zu übermitteln. So zitierte Kaiser sie unter anderem mit folgendem Statement: „Bernd Fitzenberger und das IAB haben immer wieder unter Beweis gestellt, dass sie in der Lage sind, schnell und flexibel auf sich ändernde Umstände – und damit auf den geänderten Informations- und Beratungsbedarf von Politik und Praxis – zu reagieren.“ Auch Gebers verwies in diesem Zusammenhang auf die hochfrequenten Befragungen, die das IAB im Eiltempo aus der Taufe gehoben hat, um zeitnah Daten zur Corona-Krise zu generieren.
Auch Kaiser selbst machte aus ihrer Wertschätzung für das IAB keinen Hehl. Insbesondere den IAB-Newsletter weiß sie nach eigenem Bekunden sehr zu schätzen. Denn dieser sei trotz wechselnder beruflicher Stationen „die eine Sache gewesen, die sie seit 2011 niemals abbestellt hat“.
Möslein: „Ein richtig netter und hilfsbereiter Kollege“
Das dritte Grußwort oblag Prof. Kathrin Möslein, Vizepräsidentin der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), an der Bernd Fitzenberger seit Oktober 2020 einen Lehrstuhl für Quantitative Arbeitsökonomik innehat. Aus Sicht von Möslein war die Berufung von Bernd Fitzenberger nicht nur ein großer fachlicher, sondern auch ein menschlicher Gewinn für die FAU: „ein richtig netter und hilfsbereiter Kollege“. Sie erinnerte unter anderem daran, dass die renommierte Joachim-Hertz-Stiftung ihm Ende 2020 einen hoch dotierten Wirtschaftspreis für das „beste Forschungswerk“ verliehen hat. Auch profitiere die FAU von der starken Medienpräsenz Fitzenbergers, dem sie überdies attestierte, dass „er als Lehrstuhlinhaber in nicht einmal zwei Jahren in der FAU sehr sichtbar wurde“. Auch zeigte sie sich beeindruckt von seiner Forschung „im Dialog mit den Daten“. Der Standort Nürnberg habe von der intensiven Kooperation zwischen FAU und IAB sehr profitiert.
Gathmann: „Die drei Jahre waren ein voller Erfolg!“
Prof. Christina Gathmann, Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats des IAB, hob in ihrer Laudatio die „hervorragende wissenschaftliche Karriere“ von Bernd Fitzenberger hervor. Er habe mit seinen Arbeiten Generationen von jungen Ökonominnen und Ökonomen geprägt, unter anderem dadurch, dass er zwei DFG-Forschungsschwerpunktprogramme mit initiiert und koordiniert hatte. Gathmann erinnerte daran, dass Fitzenberger selbst schon im Jahr 2004 erstmals in den Wissenschaftlichen Beirat des IAB berufen worden war und sich dort rasch den Ruf eines kritischen, aber lösungsorientierten Wegbegleiters erworben habe. Auch ihre Bilanz zu Fitzenbergers Wirken als Direktor des IAB hätte kaum positiver ausfallen können: „Die drei Jahre waren ein voller Erfolg!“.
Winkler: „Das IAB leistet einen wichtigen Beitrag zum Funktionieren des deutschen Sozialstaats“
Werner Winkler, Vorsitzender des Personalrats im IAB, würdigte in seinem Grußwort die positive Entwicklung des IAB in Fitzenbergers Amtszeit. Institutsleitung und Personalrat hätten in dieser Zeit auf vielen Feldern gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet – von der Ausgestaltung des Tenure-Track-Verfahrens über das Gesundheitsmanagement bis hin zur Dienstvereinbarung „Arbeitszeit“, um nur einige Beispiele zu nennen. Auch das IAB insgesamt sieht Winkler gut aufgestellt. Es leiste einen wichtigen Beitrag zum Funktionieren des deutschen Sozialstaats.
Im Anschluss an die fünf Grußworte ließ es sich auch IAB-Vizedirektor Prof. Ulrich Walwei nicht nehmen, Bernd Fitzenberger seinen Dank dafür auszusprechen, dass er sich auf das „Abenteuer“ eingelassen habe, Direktor des IAB zu werden. Auch Walwei pries Fitzenbergers fachliche Kompetenz und dankte ihm für die stets konstruktive und kollegiale Zusammenarbeit in schwierigen Zeiten.
Der so Gelobte sah es im Rückblick fast schon als Vorteil, dass aus der geplanten Antrittsvorlesung erst mal nichts wurde – war er doch anfangs nach eigenem Bekunden einer veritablen Fehleinschätzung erlegen: „Ich dachte, ich kenne das IAB. Das war eine Illusion“, bekannte er zu Beginn seines Vortrags selbstkritisch. Das hat sich nach drei Jahren als Direktor des IAB gründlich geändert. Seinen Vortrag wollte Fitzenberger denn auch nicht als „Antrittsvorlesung“, sondern als „Zwischenbericht“ verstanden wissen („Drei Jahre am IAB – Arbeitsmarktforschung und Politikberatung während der Corona-Krise“).
In diesem spannte der 59-Jährige einen weiten inhaltlichen Bogen – und demonstrierte damit einmal mehr, wie gut er ungeachtet seiner Detailkenntnis und methodischen Exzellenz die Arbeitsmarktforschung in ihrer gesamten thematischen Breite überblickt. In seiner Präsentation griff Fitzenberger fünf verschiedene Themenfelder heraus.
Erstaunliche Resilienz der Entwicklung des Arbeitsmarkts
Auch wenn Corona kurzfristig einen deutlich negativen Effekt auf Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit hatte, hat der deutsche Arbeitsmarkt die Pandemie nach Fitzenbergers Einschätzung erstaunlich gut verkraftet: So liegt die Zahl der Erwerbstätigen mittlerweile bei deutlich über 45 Millionen – und damit sogar höher als vor Beginn der Krise. Und auch der pandemiebedingte Anstieg der Arbeitslosigkeit ist zwischenzeitlich wieder wettgemacht.
Neue Daten braucht das Land – und zwar schnell
Auf den immensen und akuten Informations- und Beratungsbedarf, den die Corona-Krise in der Fachöffentlichkeit ausgelöst hat, reagierte das IAB mit einer in seiner Geschichte beispiellosen „Erhebungsoffensive“. Binnen kürzester Zeit brachte das Institut über ein Dutzend zusätzlicher beziehungsweise erweiterter Datenerhebungen auf den Weg, in denen unter anderem abgefragt wurde, wie stark Betriebe unterschiedlicher Branchen zu unterschiedlichen Zeitpunkten von der Pandemie betroffen waren.
Home-Office: Aus der Not eine Tugend machen
Dass die Nutzung von Home-Office in der Pandemie deutlich angestiegen ist, belegen – zugegebenermaßen wenig überraschend – auch die Zahlen des IAB. Aufschlussreich ist indes der Befund aus einer IAB-Befragung, dass die Beschäftigten nach eigener Einschätzung die Effizienz ihrer Arbeit durch Home-Office verbessert haben. Diese wünschen sich denn auch mehrheitlich möglichst viel Flexibilität, wenn es um die Nutzung von Home-Office geht.
Von der Vermessung der Kurzarbeit
Für „gescheitert“ erklärte Fitzenberger den Versuch des IAB, auf Basis von zeitnahen Betriebsbefragungen und üblichen Hochrechnungsverfahren die Zahl der Menschen in Kurzarbeit in Echtzeit zu bestimmen. Obwohl diese in der Pandemie steil nach oben schnellte, wurde sie in den Befragungen des IAB (aber auch des Münchner ifo-Instituts) deutlich überschätzt. Die entsprechenden Schätzwerte lagen um über eine Million höher als die tatsächlichen Zahlen, wie sich später herausstellte. Dafür gab es laut Fitzenberger eine Reihe von Gründen. Der wichtigste: Betriebe mit Kurzarbeit nahmen häufiger an Befragungen teil als solche ohne Kurzarbeit. Glücklicherweise entdeckte das IAB die Problematik rechtzeitig und hat die unzutreffenden Schätzwerte daher auch nie veröffentlicht.
Corona-Krise des Ausbildungsmarkts: vom Vorbild zum Patienten
Ausführlich widmete sich Fitzenberger in seinem Vortrag der Krise des Ausbildungsmarkts, die sich durch Corona nochmal verschärft hat – ein Thema, mit dem sich der Volkswirt schon seit Jahren intensiv auseinandersetzt. In den letzten Jahren, so Fitzenbergers Diagnose, hat sich der Ausbildungsmarkt – auch aus demografischen Gründen – grundlegend gedreht: Während bis Mitte der 2000er Jahre die Zahl der ausbildungsplatzsuchenden Jugendlichen die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze deutlich überstieg, hat sich dieses Verhältnis zwischenzeitlich ins Gegenteil verkehrt. Viele Betriebe suchen heutzutage händeringend Auszubildende, finden aber keine – auch wenn die betroffenen Betriebe nach eigenen Angaben mittlerweile durchaus bereit sind, Kompromisse, etwa bei der schulischen Qualifikation, einzugehen.
doi: 10.48720/IAB.FOO.20220720.01
Schludi, Martin (2022): „Ich dachte, ich kenne das IAB. Das war eine Illusion“, In: IAB-Forum 20. Juli 2022, https://www.iab-forum.de/ich-dachte-ich-kenne-das-iab-das-war-eine-illusion/, Abrufdatum: 18. December 2024
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Autoren:
- Martin Schludi