Welche individuellen und institutionellen Faktoren können die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten hemmen und welche fördern sie? Antworten auf diese Fragen gab eine gemeinsame Online-Veranstaltung des OECD Berlin Centre und des IAB zum Thema „Wie gut gelingt die Integration von Geflüchteten in den deutschen Arbeitsmarkt?“. Sie fand am 4. Dezember dieses Jahres im Rahmen der Reihe „OECD-Gesellschaftssalon“ statt.

Eine aktuelle IAB-Studie zur Arbeitsmarktintegration Geflüchteter in Deutschland zeigt, dass deren Erwerbstätigkeit über die Zeit hinweg deutlich zugenommen hat. Auch im internationalen Vergleich ist dieser Aufwärtstrend bemerkenswert. Allerdings wirken bei Frauen und Männern teilweise unterschiedliche Faktoren hemmend auf die Beschäftigung. Beispielsweise könnten eine verbesserte Kinderbetreuung, Sprachförderung und eine intensivere Unterstützung bei der Anerkennung der mitgebrachten Qualifikationen die Integration von geflüchteten Frauen weiter voranbringen.

Prof. Dr. Yuliya Kosyakova (IAB) stellte eingangs die Entwicklung der Zahl Schutzsuchender in Deutschland dar, differenziert nach anerkannten, abgelehnten und noch offenen Schutzstatus. Geflüchtete sind häufig weniger gut auf ihre Migration vorbereitet als andere Zuwanderungsgruppen und sehen sich daher mit größeren Hürden am Arbeitsmarkt konfrontiert. Kosyakova illustrierte zudem ein deutliches Gendergefälle: Frauen stoßen auf spezifische Barrieren. Gleichwohl steigt über die Zeit die Qualität der Beschäftigung Geflüchteter signifikant an.

Nichtsdestotrotz erschweren Wohnsitzauflagen und fehlende formale Anerkennung vorhandener Qualifikationen die Integration. Etwa die Hälfte der Arbeitsaufnahmen kommt über persönliche Netzwerke zustande. Für eine nachhaltige Eingliederung in den Arbeitsmarkt sind der Abbau institutioneller Hürden, eine frühzeitige Aktivierung, die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie ein integratives gesellschaftliches Klima von zentraler Bedeutung.

Integration ist in diesem Zusammenhang als wechselseitiger Prozess zu verstehen, bei dem sowohl die Einstellung der heimischen Bevölkerung als auch die staatliche Unterstützung und die individuellen Vorstellungen über eine angemessene Beschäftigung zusammenspielen.

An das Impulsreferat schloss sich eine Expertenrunde aus Politik und Praxis an, moderiert von Nicola Brandt, Leiterin des OECD Berlin Centre. Es diskutierten Dr. Gunilla Fincke vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Dr. Thomas Liebig, Arbeitsmarktexperte bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), und Dr. Florian Janik, Oberbürgermeister der Stadt Erlangen.

Janik: „Wir brauchen den richtigen Mindset“

Aus Sicht von Florian Janik gelingt Integration nur, wenn die Bevölkerung und die Kommunen eine unterstützende Grundhaltung einnehmen. Sprachkurse, ein breites Spektrum an arbeitsmarktpolitischen Förderinstrumenten sowie eine gelebte Willkommenskultur sind hierfür essenziell. Geflüchtete sollten dabei nicht nur als ökonomische Ressource, sondern auch als menschliche Bereicherung wahrgenommen werden.

Liebig: „Es zeigt sich ein Aufholprozess“

Thomas Liebig hob hervor, dass die Integration geflüchteter Menschen in den deutschen Arbeitsmarkt im internationalen Vergleich mitunter zeitverzögert erfolgt. Dies liegt jedoch auch daran, dass in Deutschland von Beginn an großen Wert auf die Qualität der Beschäftigung gelegt wurde. Liebig betonte, dass die Erwerbstätigkeit der Geflüchteten mehrere Jahre nach ihrem Zuzug in Deutschland im internationalen Vergleich recht hoch ist.

Fincke: „Die frühe Unterstützung ist der richtige Weg“

Nach Ansicht von Gunilla Fincke ist die Ausgestaltung der Wohnsitzauflage ein wichtiger Faktor. Diese entfällt jedoch, sobald eine Beschäftigung aufgenommen wird. Frühe Unterstützung, eine klare Integrationsperspektive und die Vermeidung von Erwerbsunterbrechungen sind ihrer Meinung nach entscheidende Erfolgsfaktoren. Ihrer Einschätzung nach werden die Beschäftigungsverbote zahlenmäßig überschätzt.

Anerkannten Geflüchteten steht eine breite Palette arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen zur Verfügung. Evaluationsergebnisse zeigen, dass dieser Weg Erfolg verspricht. Gunilla Fincke wünschte sich, dass die genannten Befunde für Geflüchtete, die mit Umfragedaten ermittelt wurden, ebenfalls auf Basis von administrativen Daten repliziert werden.

In der Diskussion wurden auch die geplanten Kürzungen bei den Integrationssprachkursen angesprochen. Einer aktuellen, als IAB-Kurzbericht 10/2024 publizierten Studie zufolge haben diese Sprachkurse besonders positive Effekte für die Erwerbstätigkeit weiblicher Geflüchteter. Kürzungen könnten sich daher negativ auf ihre Arbeitsmarktintegration auswirken. Dieser und weitere Aspekte sollen in künftigen Veranstaltungen vertieft werden.

 

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DOI: 10.48720/IAB.FOO.20241227.01

Bellmann, Lutz; Kosyakova , Yuliya (2024): Integration hat hohe Bedeutung für Arbeitsmarkt und Gesellschaft, In: IAB-Forum 27. Dezember 2024, https://www.iab-forum.de/integration-hat-hohe-bedeutung-fuer-arbeitsmarkt-und-gesellschaft/, Abrufdatum: 5. January 2025

 

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