6. September 2017 | Migration und Integration
Wie stark engagieren sich Betriebe bei der Qualifizierung von Migranten?
Die Bildungsbeteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund zu erhöhen, ist eine gesellschaftliche Daueraufgabe — nicht nur, um deren Integration zu verbessern, sondern auch um Fachkräfteengpässen entgegenzuwirken. Zwar ist der Akademikeranteil bei den Personen mit Migrationshintergrund fast ebenso hoch wie bei denen ohne Migrationshintergrund, doch zeigen sich deutliche Unterschiede beim Anteil der Personen ohne beruflichen Bildungsabschluss. So verfügten im Jahr 2014 laut aktuellem Bildungsbericht 37 Prozent der Migrantinnen und Migranten zwischen 25 und 64 Jahren über keinen beruflichen Bildungsabschluss – bei Menschen ohne Migrationshintergrund sind es elf Prozent. Dies schmälert nicht nur deren Erwerbs- und Einkommenschancen, sondern potenziell auch ihre Teilhabe am kulturellen und gesellschaftlichen Leben.
Der hohe Anteil an Geringqualifizierten bei Migranten kann sich auch negativ auf deren Weiterbildungsbeteiligung auswirken, obschon diese im Zuge des rapiden technologischen Wandels immer wichtiger wird. So nahmen im Jahr 2012 22 Prozent der Personen mit Migrationshintergrund an Weiterbildungsmaßnahmen teil, wohingegen es bei Personen ohne Migrationshintergrund 38 Prozent waren. Dies weist eine 2013 im Rahmen des Adult Education Survey erschienene Studie aus.
Aufgrund des dualen Systems der Berufsausbildung und des großen Anteils der betrieblich veranlassten Weiterbildung spielen die Betriebe in der Aus- und Weiterbildung in Deutschland eine besonders wichtige Rolle. Allerdings liegt bislang nur wenig empirische Evidenz zu betrieblichen Qualifizierungsmaßnahmen für Menschen mit Migrationshintergrund vor.
Im Rahmen des IAB-Betriebspanels wurden die Betriebe im Jahr 2016 danach gefragt, ob es bei ihnen Maßnahmen gibt, die darauf ausgerichtet sind, ausländische Arbeitskräfte zu integrieren. Neben verschiedenen weiteren Maßnahmen wurde dabei auch nach Aktivitäten im Bereich der Aus- und Weiterbildung gefragt. Diese stehen im Fokus des vorliegenden Beitrags. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu beachten, dass sich die genannte Frage auf die betriebliche Integration ausländischer Arbeitskräfte im Allgemeinen bezieht – und nicht auf spezielle Migrantengruppen wie beispielsweise Geflüchtete. Zudem sei angemerkt, dass es jeweils im Ermessen der befragten Betriebe liegt zu beurteilen, welche Aktivitäten sie als Integrationsmaßnahmen verstehen. Doch auch wenn wir nicht genau wissen, ob die Betriebe z.B. die Ausbildung von Personen, die schon in Deutschland zur Schule gegangen sind, oder die Weiterbildung von langjährig Beschäftigten als Integration betrachten, machen unsere Ergebnisse deutlich, dass die Qualifizierung ausländischer Arbeitskräfte sowohl für die Unternehmen als auch die Erwerbstätigen Chancen bietet: So können Betriebe Fachkräfte gewinnen und ausländische Arbeitnehmer zusätzliche Beschäftigungs- und Integrationschancen erhalten.
Unsere Analysen zeigen, dass vier von zehn Betrieben Maßnahmen zur Integration ausländischer Arbeitskräfte anbieten. Dabei betrachten wir nur Betriebe, die bereits ausländische Arbeitskräfte beschäftigen und die mindestens 50 Mitarbeiter haben. 23 Prozent dieser Betriebe stellen Praktikums- und Traineeplätze für ausländische Arbeitskräfte zur Verfügung, und 19 Prozent bieten Unterstützung im Alltagsleben. 18 Prozent der von uns betrachteten Betriebe geben an, Ausbildungsplätze zur Integration ausländischer Arbeitskräfte zu Verfügung zu stellen; Maßnahmen der Nach- und Teilqualifizierung sind in 13 Prozent der Betriebe zu finden (vgl. Abb. 1).
Ausbildungsplätze
Da nicht alle Betriebe in der Ausbildung engagiert sind, bietet es sich an, die Analyse weiter auf nur jene Betriebe zu beschränken, die tatsächlich Ausbildungsplätze anbieten. Insgesamt 72 Prozent der ausbildungsberechtigten Betriebe mit 50 und mehr Beschäftigten haben im Ausbildungsjahr 2015/2016 Lehrstellen auf dem Ausbildungsstellenmarkt angeboten. Betrachtet man aus dieser Gruppe diejenigen Betriebe, die zugleich ausländische Mitarbeiter beschäftigen, so haben rund 28 Prozent von ihnen Ausbildungsplätze zur Integration ausländischer Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt. Dieses Ergebnis legt nahe, dass 28 Prozent der Betriebe bereit sind, einen gewissen Aufwand zur Integration zu leisten, den sie bei Einheimischen in der Regel nicht erbringen müssten. Dabei überrascht es nicht, dass größere Betriebe häufiger Ausbildungsplätze für Migranten anbieten als kleinere, da sie eher über die organisatorischen, finanziellen und personellen Voraussetzungen hierfür verfügen. Diese Differenzierung nach der Betriebsgröße wird in Abbildung 2 deutlich. Dabei ist zu beachten, dass aus den hier gezeigten Größeneffekten keine Aussage dazu abgeleitet werden kann, ob größere Betriebe im Verhältnis zu ihrer Beschäftigtenzahl überproportional viele Ausbildungsplätze anbieten.
Betrachtet man nur die ausbildungsaktive Betriebe, so wächst der Anteil derjenigen Betriebe, die Ausbildungsplätze zur Integration ausländischer Arbeitskräfte zur Verfügung stellen. Hier scheinen also wichtige Potenziale zu liegen, um den gewachsenen Stellenbesetzungsproblemen im Bereich der Ausbildung zu begegnen, die sich aufgrund der demografischen Entwicklung und der gewachsenen Hochschulaspirationen junger Menschen verschärfen.
Nach- und Teilqualifizierungen
Insgesamt haben 90 Prozent aller Betriebe mit mindestens 50 Beschäftigten im ersten Halbjahr 2016 die Weiterbildung ihrer Belegschaft gefördert, indem sie diese zumindest teilweise finanziert beziehungsweise ihre Beschäftigten zum Zweck der Weiterbildung von der Arbeit freigestellt haben. Von diesen Betrieben haben 14 Prozent ausländischen Arbeitskräften spezifische Maßnahmen der Nach- oder Teilqualifizierung angeboten, um ihre Integration in den Arbeitsalltag zu befördern. Auch hier zeigt sich – wenig überraschend – eine Differenzierung nach der Betriebsgröße, die jedoch weniger deutlich als bei der Ausbildung ausfällt (vgl. Abb. 3). Da überdurchschnittlich viele Migrantinnen und Migranten, wie bereits erwähnt über keinen beruflichen Bildungsabschluss verfügen, stellen gerade für diese Gruppe Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, in denen bestimmte Zertifikate erworben oder Berufsabschlüsse nachgeholt werden können, eine wichtige Möglichkeit dar, um deren Position am Arbeitsmarkt zu verbessern.
Auch wenn sich unsere Analysen auf die Qualifizierung ausländischer Arbeitskräfte im Allgemeinen beziehen, sei abschließend nochmals auf die spezifische Situation Geflüchteter hingewiesen, deren Integration in die Betriebe und den Arbeitsmarkt derzeit stark diskutiert wird. Eine Ausbildung ist für viele Geflüchtete ein wichtiger Ansatzpunkt, um die Beschäftigungschancen zu verbessern, aber auch um den Aufenthaltsstatus aufrechtzuerhalten. Oftmals sind dabei Praktika das Eintrittstor für eine betriebliche Berufsausbildung. Vor dem Hintergrund zunehmender Stellenbesetzungsprobleme im Bereich der Ausbildung können auch die Betriebe langfristig von dieser Gruppe profitieren. Aktuelle Studien liefern zwar Hinweise darauf, dass die Betriebe die Ausbildung junger Geflüchteter durchaus als wichtige Integrationsaufgabe betrachten. Zugleich machen sie deutlich, dass die Betriebe sich auf diesem Handlungsfeld (noch) zurückhalten. Dies dürfte insbesondere Sprach- und Qualifikationsdefiziten der Geflüchteten sowie rechtlichen und bürokratischen Hürden geschuldet sein.
Literatur
Autorengruppe Bildungsberichtserstattung (2016): Bildung in Deutschland 2016. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Migration und Integration. Bielefeld.
Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) (2016): Inklusives Wachstum für Deutschland 5: Migrantenunternehmen in Deutschland zwischen 2005 und 2014. Ausmaß, ökonomische Bedeutung, Einflussfaktoren und Förderung auf Ebene der Bundesländer.
Bilger, Frauke; Gnahs, Dieter; Hartman, Josef; Kuper, Harm (2013): Weiterbildungsverhalten in Deutschland. Resultate des Adult Education Survey 2012. Bertelsmann: Bielefeld.
Brücker, Herbert; Fendel, Tanja; Kunert, Astrid; Mangold, Ulrike; Siegert, Manuel; Schupp, Jürgen (2016): Geflüchtete Menschen in Deutschland – Warum sie kommen, was sie mitbringen und welche Erfahrungen sie machen. IAB-Kurzbericht Nr. 15.
Autoren:
- Lutz Bellmann
- Sandra Dummert
- Ute Leber