Friktionen beinträchtigen das Funktionieren von Arbeitsmärkten und können dadurch Arbeitskräfteengpässe verschärfen, die Arbeitsmarktpartizipation benachteiligter Gruppen erschweren und Lohnungleichheiten vergrößern. Der internationale IAB-Workshop „Institutions and Frictions in the Labor Market“ nahm die Ursachen und Implikationen von Friktionen in den Blick. Die Teilnehmenden gingen Faktoren auf den Grund, die ein reibungsloses Funktionieren von Arbeitsmärkten verhindern, und beleuchteten, welche gesetzlichen Regelungen, politischen Maßnahmen und Normen solche Hemmnisse beheben oder verschärfen. Die Erkenntnisse aus diesem Workshop liefern wichtige Antworten für die Politik und das Arbeitsmarktgeschehen.

Seit geraumer Zeit steigt in Deutschland und anderen entwickelten Ländern die Arbeitsmarktanspannung. Dies führt zu zunehmenden Schwierigkeiten der Betriebe, passendes Personal zu finden und zu rekrutieren. Arbeitsmarktfriktionen – also Faktoren, die ein reibungsloses Funktionieren des Arbeitsmarkts verhindern – verschärfen diese Entwicklung noch. Institutionen wie gesetzliche Bestimmungen und Regelungen spielen dabei eine wichtige Rolle: Sie können Friktionen hervorrufen, sie können sie aber auch abbauen oder gar beseitigen. Am 13. und 14. November 2025 kamen deshalb führende Forschende zu diesem Themenfeld am IAB zusammen, um beim internationalen Workshop „Institutions and Frictions in the Labor Market“ ihre neuesten Erkenntnisse vorzustellen.

Das friktionslose Standardarbeitsmodell des Arbeitsmarkts scheitere nicht selten an der Realität, darauf wies IAB-Direktor Bernd Fitzenberger hin, der den Workshop eröffnete. Um die Arbeitsweise des Arbeitsmarkts tiefgreifend zu verstehen und fundierte Politikberatung leisten zu können, sei es daher notwendig, zu untersuchen, wie Friktionen entstehen, wie sie mit Institutionen zusammenhängen und welche Auswirkungen sie auf das Geschehen am Arbeitsmarkt haben. Als Beispiele für Institutionen am Arbeitsmarkt nannte Bernd Fitzenberger unter anderem den Mindestlohn und die Lohnverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden. Beide Instrumente sind grundsätzlich in der Lage, arbeitgeberseitige Marktmacht auszugleichen und somit zu einer effizienteren Arbeitsmarktallokation zu führen. Andererseits könnten Friktionen entstehen, wenn Löhne über dem markträumenden Niveau gesetzt werden.

Wie Institutionen die Lohnbildung beeinflussen

Nach einer weiteren einführenden Begrüßung durch Nicole Gürtzgen, Leiterin des Forschungsbereichs „Arbeitsmarktprozesse und Institutionen“ am IAB, griff die Keynote-Speakerin Jeanne Tschopp, Assistenzprofessorin an der Universität Bern, die Rolle der Gewerkschaften bei der Lohnbildung auf. So zeigte sie am Beispiel der USA, wie Gewerkschaften nicht nur die Löhne von Gewerkschaftsmitgliedern, sondern auch die von Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern beeinflussen. Dabei betonte sie zwei wesentliche Wirkungskanäle: Einerseits erhöhen nicht gewerkschaftlich organisierte Firmen die Löhne, um eine gewerkschaftliche Organisation der Belegschaft zu unterbinden. Andererseits bestimmen Gewerkschaftslöhne die Outside-Optionen von Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern. Die kann dazu führen, dass auch nicht organisierte Firmen die Löhne erhöhen, um das Abwandern der Belegschaft zu Firmen mit Gewerkschaften zu verhindern. Daraus schloss Jeanne Tschopp, dass der Rückgang des Organisationsgrads in den USA einen großen Einfluss auf den Durchschnittslohn hatte, wobei auch die Löhne von Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern betroffen waren.

Auch andere Teilnehmende behandelten den Einfluss von Institutionen auf die Lohnbildung. Alexander Moog von der Universität Mainz diskutierte, wie die Einführung des Mindestlohnes in Deutschland geringqualifizierte Arbeitnehmer/-innen mit Migrationshintergrund dazu bewegt, zu Betrieben mit höheren Löhnen zu wechseln, wobei dies auch mit einer höheren Umzugsneigung dieser Gruppe zusammenhängt. Vinzenz Pyka von der Universität Erlangen-Nürnberg stellte die Ergebnisse seiner Studie zur Wirkung des Tariftreuegesetzes auf Löhne vor. Das Gesetz verpflichtet die Betriebe, ihre Arbeitnehmer/-innen nach einem repräsentativen Tarifvertrag zu entlohnen, wenn sie staatliche Aufträge annehmen. Die Einführung des Gesetzes hat die Löhne der betroffenen Arbeitnehmer/-innen in Ostdeutschland erhöht.

Institutionen als Türöffner für benachteiligte Gruppen

Gut ausgestaltete Institutionen können aber auch die Arbeitsmarktchancen benachteiligter Gruppen erhöhen. Dies zeigte Karolin Hiesinger vom IAB anhand ihrer Studie zur Beschäftigung von Schwerbehinderten im Kontext der Schwerbehindertenquote in Deutschland: Firmen beschäftigen lieber mehr schwerbehinderte Arbeitnehmer/-innen, statt die sonst fällige Strafzahlung zu leisten, wenn sie firmengrößenbedingt eine höhere Schwerbehindertenquote erfüllen müssen. Der Beitrag von Pia Heckl vom ifo Institut zielte hingegen auf die Arbeitsmarktchancen von älteren Langzeitarbeitslosen ab. Sie führte aus, dass subventionierte temporäre Arbeitsplatzgarantien zu einer deutlich höheren Arbeitsmarktbeteiligung dieser Gruppe auch nach dem Auslaufen des Programms führen.

Die Arbeitsmarktchancen von Migrant/-innen und Geflüchteten sind ebenfalls stark von der Ausgestaltung gesetzlicher Bestimmungen betroffen. Ein wichtiger Aspekt für den Arbeitsmarkterfolg dieser Gruppen ist die berufliche Anerkennung. Selina Gangl von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentierte Forschungsergebnisse, wonach Geflüchtete mit formell anerkannten Berufsabschlüssen höhere Beschäftigungschancen, höhere Löhne und eine höhere Lebenszufriedenheit haben. Dem Gegenüber stellte Wilbur Townsend von der University of California, Berkeley seine Arbeit zur gesetzlichen Restriktion von Arbeitsplatzwechseln für Migrant/-innen in Neuseeland vor. Solche Restriktionen führen dort zu niedrigeren Löhnen von Migrant/-innen, aber auch von manchen einheimischen Arbeitnehmer/-innen. Gesetze, die auf Migrant/-innen abzielen, können aber auch den Erfolg von heimischen Firmen beeinflussen. Bernhard Schmidpeter von der Universität Linz demonstrierte dies am Beispiel der USA: Durch ein neu eingeführtes Visa-Programm erhöhte sich dort der Umsatz und die Überlebenswahrscheinlichkeit der Firmen, die aufgrund des Programms ausländische Arbeitnehmer/-innen einstellen konnten.

Mobilitätskosten verhindern, dass Arbeitnehmer/-innen und Firmen zusammenfinden

Neben internationaler Migration ist auch die nationale Mobilität ein wichtiger Faktor für das ordnungsgemäße Funktionieren von Arbeitsmärkten. Jedoch stellen Mobilitätskosten eine schwerwiegende Friktion dar, die oftmals verhindert, dass Arbeiternehmer/-innen und Firmen zusammenfinden. Eine Möglichkeit, um Mobilitätskosten für Arbeitnehmer/-innen zu senken, ist die Ausgestaltung von Steueranreizen in Form einer Pendlerpauschale. Wie Elke Jahn vom IAB zeigte, führt eine Erhöhung dieser Pauschale zu vermehrten Wechseln von Arbeitnehmer/-innen zu Betrieben, die höhere Löhne zahlen – dafür wird eine längere Pendelzeit in Kauf genommen. Ein anderer Weg, um Mobilitätskosten zu senken, ist die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. Dazu präsentierte Maike Steffen von der Technischen Universität Dresden ihre Forschungsergebnisse, wonach die Ausweitung der Homeoffice-Möglichkeiten nach der COVID-19-Pandemie in den geeigneten Berufen mit höherer Beschäftigung einherging, aber auch mit niedrigeren Löhnen.

Neben monetären Mobilitätskosten existieren auch nicht-monetäre Gründe für eine eingeschränkte Mobilität von Arbeitnehmer/-innen. Olatz Román von der Universität Mannheim identifizierte in diesem Zusammenhang die Überschneidung von beruflichen Beschäftigungsmöglichkeiten von Paaren als wichtigen Faktor beim Wechsel zwischen Regionen. So sind Paare in Berufen mit einer hohen regionalen Konzentration weniger mobil – es sei denn, die Regionen, in denen beide Berufe vertreten sind, überschneiden sich stark. Dabei erlangen mobile Arbeitnehmer/innen nicht nur mehr Beschäftigungsmöglichkeiten, sondern können auch makroökonomische Schocks besser absorbieren, wie Yannick Reichlin von der Universität Bocconi am Beispiel von Energiepreisschocks demonstrierte: Arbeitsplatzwechsel ermöglichen es, gestiegene Kosten durch Lohnsteigerungen auszugleichen.

Such- und Einstellungsfriktionen sowie Arbeitsplatzpräferenzen beeinflussen das Verhalten von Akteuren am Arbeitsmarkt

Neben den Mobilitätskosten haben auch die Kosten bei der Suche nach einem Arbeitsplatz oder nach Beschäftigten wichtige Implikationen für das Geschehen am Arbeitsmarkt. So kann zum Beispiel die Ermittlung der Leistungsfähigkeit von Bewerber/-innen sehr kostspielig sein. Die Arbeitssuche durch soziale Kontakte kann hierbei die Kosten senken, indem die Unsicherheit hinsichtlich der Leistungsfähigkeit reduziert wird. Anna Zaharieva von der Universität Bielefeld präsentierte eine Studie, die aufzeigt, dass – im Vergleich zu formalen Suchkanälen – die Suche über Kontakte zu ehemaligen Kolleg/-innen mit höheren Löhnen einhergeht, während die Suche über Kontakte zu Freund/-innen zu Arbeitsstellen mit niedrigeren Löhnen führt. Auch Präferenzen der Arbeitnehmer/-innen für bestimmte Arbeitgeber können sich auf die Arbeitsplatzsuche und -wahl auswirken. So zeigen die Forschungsergebnisse von Bianca Haustein von der Universität Erlangen-Nürnberg, dass Arbeitnehmer/-innen für gewisse Annehmlichkeiten von Arbeitsplätzen, wie etwa für einen geringeren Arbeitsdruck oder mehr freie Tage, zu Lohnzugeständnissen bereit sind. Ein ähnliches Ergebnis präsentierte Amelie Bank von der Universität Basel: Arbeitnehmer/-innen haben abhängig von ihrem sozioökonomischen Status unterschiedliche Präferenzen für Tätigkeiten, die digitale Kompetenzen erfordern.

Aus der Perspektive der Firmen spielen Einstellungsfriktionen wie die Kosten der Suche nach geeigneten Arbeitnehmer/-innen eine wichtige Rolle für die firmenseitige Arbeitsnachfrage. Denn diese Friktionen können verhindern, dass Firmen ihre optimale Beschäftigungsmenge erreichen. Die Einstellungsfriktionen können sich zwischen Firmen und auch Regionen deutlich unterscheiden. Jan Cornelius Peters vom Thünen-Institut verdeutlichte dies in seiner Studie: Betriebe in ländlichen Regionen erhalten weniger Bewerbungen und brechen den Suchprozess öfter ab. Jedoch spielen Betriebscharakteristika in diesem Zusammenhang eine größere Rolle als die regionale Komponente. Tim Kovalenko vom IAB ging in seinem Vortrag darauf ein, wie Betriebsräte durch Informationsforderungen und das Einspruchsrecht bei Neueinstellungen zu zusätzlichen Einstellungsfriktionen führen. So benötigen Betriebe mit Betriebsräten mehr Zeit von der Entscheidung für einen Kandidat/-in bis zum ersten Arbeitstag.

Eine Möglichkeit, die Suchkosten von Firmen zu reduzieren, zeigte Selcen Cakir von der Boğaziçi Üniversitesi: transparente Lohnangebote in Ausschreibungstexten. Ihre Studie dokumentiert, dass solche Ausschreibungen in der Türkei mit schnelleren Besetzungen der offenen Stellen einhergehen. Dennoch werden solche transparenten Lohnangebote selten genutzt. Die Suchkosten von Firmen sinken auch, wenn ihre Arbeitskräftefluktuation abnimmt: Laut Carolin Linckh vom BIBB geht eine intensive Einarbeitung von neuen Beschäftigten mit stabileren Beschäftigungsverhältnissen einher. Jedoch ist die Einarbeitung neuer Beschäftigter ebenfalls mit Kosten verbunden – und stellt damit selbst eine typische Einstellungsfriktion dar. Überdies zeigte Lennart Ziegler von der Central European University, dass aus Firmenperspektive die Arbeitsmarktanspannung eine wichtige Bestimmungsgröße für Suchkosten ist. So führt eine große Anzahl an Bewerber/-innen zu kürzeren firmenseitigen Suchprozessen.

Arbeitsmarktanspannung und monopsonistische Macht auf dem Arbeitsmarkt haben weitreichende Auswirkungen

Die Arbeitsmarktanspannung erhöht nicht nur die Suchkosten, sie hat auch Auswirkungen auf die Weiterführung von eigentümergeführten Firmen, wenn die Leitung in Rente geht. So zeigte Martin Simmler vom Thünen-Institut, dass in angespannten Arbeitsmärkten die Wahrscheinlichkeit der Firmenschließung höher ist, wenn die Leitung im Renteneintrittsalter ist. Eine mögliche Erklärung wäre fehlendes passendes Personal bzw. alternative Beschäftigungsmöglichkeiten aufgrund von Arbeitskräfteknappheiten in angespannten Arbeitsmärkten. Torberg Falch von der Norges Teknisk-naturvitenskapelige Universitet ging ebenfalls auf Arbeitskräfteknappheiten ein. In seinem Forschungsbeitrag fokussierte er sich auf die Knappheiten des Lehrpersonals in Norwegen und demonstrierte, dass diese in Rezessionen schwächer ausgeprägt sind. Typischerweise sinkt die Arbeitsmarktanspannung in Rezessionen, was es den Schulen erlaubt, offene Lehrerstellen zu besetzen.

Die aufgeführten Marktunvollkommenheiten am Arbeitsmarkt, wie Suchfriktionen und Präferenzen für bestimmte Arbeitgeber, können zu arbeitgeberseitiger Marktmacht führen. In den resultierenden sogenannten monopsonistischen Arbeitsmärkten haben Arbeitgeber Lohnsetzungsmacht und setzen die Löhne typischerweise unter dem Marktlohn. Nikhil Datta von der University of Warwick präsentierte einen weiteren Grund für das Auftreten von Monopsonmacht: die unvollständige Berücksichtigung aller passenden Stellenangebote bei der Stellensuche. Er führte aus, dass auf Online-Stellenplattformen die ersten Stellenanzeigen typischerweise überproportional viele Bewerbungen erhalten. Dieses Verhalten könnte zu arbeitgeberseitiger Marktmacht und niedrigeren Löhnen führen. Harald Dale-Olsen vom Institutt for Samfunnsforskning zeigte hingegen, wie sich die Monopsonmacht über den Konjunkturzyklus hinweg verhält: In angespannten Arbeitsmärkten während konjunktureller Hochphasen ist sie geringer, in Rezessionen mit weniger angespannten Arbeitsmärkten hingegen höher. Einen weiteren Beitrag zum Verständnis von Monopsonmacht leistete auch Štěpán Jurajda von CERGE-EI. Er demonstrierte, dass Lohnerhöhungen eines Arbeitgebers für Geringqualifizierte dazu führen, dass auch andere, in der Nähe ansässige Arbeitgeber ihre Löhne erhöhen. Diese strategischen Lohnanpassungen, die auf die lokale Ebene beschränkt sind, können ebenfalls als Evidenz für Arbeitgebermarktmacht gesehen werden.

Insgesamt verdeutlichte der Workshop, dass Arbeitsmärkte nicht der neoklassischen Idealvorstellung entsprechen. Es existieren weitreichende Friktionen, die Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage beeinflussen und dadurch auch die Lohnbildung beeinträchtigen. Institutionen spielen dabei eine wichtige Rolle: Sie können Friktionen erzeugen und verstärken, aber auch gezielt abbauen und Benachteiligungen verringern. Die vorgestellten Beiträge zeigten, wie Lohnbildung, Arbeitsmarktchancen benachteiligter Gruppen, Mobilität, Such- und Einstellungsprozesse sowie monopsonistische Marktmacht eng miteinander verwoben sind. Sie machten zugleich deutlich, dass durchdachte arbeitsmarktpolitische Instrumente einen wichtigen Hebel darstellen, um Engpässe zu entschärfen, Teilhabe zu verbessern und Effizienzgewinne zu realisieren. Die im Workshop gewonnenen Erkenntnisse liefern damit wertvolle Ansatzpunkte für eine evidenzbasierte Arbeitsmarktpolitik.

 

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DOI: 10.48720/IAB.FOO.20251216.01

Gürtzgen, Nicole; Kovalenko, Tim (2025): Arbeitsmärkte funktionieren selten reibungslos: Neue Erkenntnisse zu Friktionen und Institutionen liefert ein internationaler Workshop, In: IAB-Forum 16. Dezember 2025, https://iab-forum.de/arbeitsmaerkte-funktionieren-selten-reibungslos-neue-erkenntnisse-zu-friktionen-und-institutionen-liefert-ein-internationaler-workshop/, Abrufdatum: 17. December 2025

 

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