14. Oktober 2024 | Betriebliche Arbeitswelt
Wer neben dem Studium mit den „richtigen“ Kollegen jobbt, kann die beruflichen Startchancen vielfach verbessern
Gökay Demir , Friederike Hertweck , Malte Sandner , Ipek Yükselen
Laut einer repräsentativen jährlichen Umfrage des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) gingen in den letzten 20 Jahren gleichbleibend knapp über 60 Prozent der Studierenden in Deutschland neben ihrem Studium einer Erwerbstätigkeit nach (siehe Abbildung 1).
Viele Studierende decken durch einen oder mehrere Jobs einen Teil ihrer Lebenshaltungskosten: Sie verdienen sich zumeist einige hundert Euro monatlich dazu und können so die Unterstützung, die sie durch ihre Eltern oder das BAföG erhalten, aufstocken (lesen Sie dazu einen 2020 im IAB-Forum erschienenen Beitrag von Ipek Yükselen und Ko-Autor*innen). Zudem können sie sich damit praktische Erfahrungen, Einblicke in Unternehmen oder Soft-Skills aneignen und wertvolle berufliche Kontakte knüpfen, die für ihr künftiges Erwerbsleben von Nutzen sein können.
Gut 40 Prozent aller Studentenjobs befinden sich im Gastgewerbe oder im Einzelhandel
In Deutschland arbeiten Studierende in einer Vielzahl von Branchen und Tätigkeiten. Gut 40 Prozent jobben im Gastgewerbe oder im Einzelhandel. Die Jobs in diesem Bereich sind größtenteils studienfachfremd und dienen in der Regel vorwiegend zur Sicherung des Lebensunterhalts. Im Folgenden werden Studentenjobs im Einzelhandel oder im Gastgewerbe daher als „überwiegend fachfremd“ bezeichnet, sofern es sich nicht um Praktika oder Werkstudenten-Tätigkeiten handelt. Alle übrigen studentischen Tätigkeiten werden als „tendenziell fachnah“ eingestuft.
Um die Art der studentischen Erwerbstätigkeit zu erfassen, werden administrative Daten einer deutschen Universität von Studierenden der Abschlussjahre 2003 bis 2016 mit den entsprechenden Sozialversicherungsdaten verknüpft. Die heutigen Erwerbsmuster von Studierenden dürften von den verwendeten Jahren nicht allzu stark abweichen.
Wie Abbildung 2 zeigt, lag der Anteil von Studentenjobs im Gastgewerbe und im Einzelhandel bei den Studierenden dieser Universität für alle hier betrachteten Abschlussjahrgänge zwischen 32 und 46 Prozent. Im Detail zeigt sich, dass etwa 23 Prozent der Studentenjobs im Gastgewerbe, 19 Prozent im Einzelhandel, 14 Prozent in wissenschaftlichen Berufen, 10 Prozent im Gesundheits- und Sozialwesen und das restliche Drittel in anderen Branchen ausgeübt wurden.
Unabhängig von der Branche können Kolleginnen und Kollegen, mit denen Studierende enger zusammenarbeiten, ein bedeutendes Netzwerk bilden, wenn es um den Berufseinstieg nach Abschluss des Studiums geht. Beispielsweise können sie die Studierenden bei Firmen als Mitarbeiter*innen empfehlen, ihnen Stellenangebote zukommen lassen, sie für das weitere Studium motivieren, was ebenfalls Auswirkungen auf den Berufseinstieg hätte, oder über Einstiegsgehälter sprechen.
Derartige Formen der Unterstützung und Beratung können je nach Studentenjob sowie je nach Fähigkeiten und Kenntnissen der Kolleginnen und Kollegen sehr unterschiedlich ausfallen. Da keine Daten über deren tatsächliche Fähigkeiten oder Kenntnisse vorliegen, wird im Folgenden hilfsweise die Höhe des individuellen Lohns als Indikator für deren Fähigkeiten verwendet – ein in der arbeitsökonomischen Literatur übliches Vorgehen. Denn höhere Löhne gehen im statistischen Mittel mit höheren Qualifikationen einher.
Die Art des beruflichen Netzwerkes aus einem Studentenjob macht einen Unterschied beim späteren Lohn
Tatsächlich zeigt sich, dass Hochschulabsolvierende von einem Netzwerk aus Kolleginnen und Kollegen mit höherem Qualifikations- und Kenntnisniveau, ablesbar an deren Lohnhöhe, profitieren. Studierende, die mit Personen zusammenarbeiten, deren Verdienst im gleichen Tätigkeitsfeld 10 Prozent über dem Durchschnitt der Beschäftigten liegt, die in demselben Unternehmen dieselbe Tätigkeit ausüben, erhalten beim Berufseinstieg im Schnitt einen Lohn, der um etwa ein Prozent höher liegt als der durchschnittliche Einstiegslohn aller Studierenden.
Dieser Lohnvorteil konzentriert sich fast ausschließlich auf Absolvierende, die zuvor in einem eher fachnahen Studentenjob tätig waren. Dies deutet darauf hin, dass sie durch ihre ehemaligen Kolleg*innen zum Teil spezifisches Wissen erworben hatten, das ihnen später beim Einstieg in den Beruf zugutekam. Ratschläge oder Vorbilder von besserverdienenden Kolleg*innen in der Gastronomie oder im Einzelhandel, die meist keinen spezifischen Bezug zum Studium haben, dürften hingegen – zumindest nach den Ergebnissen der hier vorliegenden Studie – eher selten einen konkreten Nutzen für den späteren Berufsstart haben.
Umso intensiver die Zusammenarbeit mit guten Kollegen, desto größer die positiven Effekte
Studierende haben Jobs von sehr unterschiedlicher Dauer und wechseln ihren Job im Schnitt häufiger als andere Beschäftigte. Die hier betrachteten Studierenden übten parallel zu ihrem Studium im Durchschnitt 3,7 unterschiedliche Studentenjobs aus. Bezüglich der Netzwerkeffekte zeigt sich aber, dass nur Jobs von mindestens dreimonatiger Dauer einen positiven Einfluss auf den Berufsstart haben. Möglicherweise hilft nur ein intensiver berufsbezogener Austausch mit überdurchschnittlich gut verdienenden Kolleg*innen den Studierenden dabei, etwaige Wissenslücken und Unsicherheiten am Beginn der Karriere zu reduzieren und so ihre beruflichen Startchancen zu verbessern.
Allerdings wirkt sich ein Netzwerk mit vielen gut bezahlten Kolleg*innen nicht auf die Abschlussnote im Studium aus. Diese dienen den Studierenden also nicht als Vorbilder, die sie zu mehr Fleiß im Studium motivieren oder ihnen möglicherweise Tipps geben, die sich direkt oder indirekt in einer besseren Abschlussnote niederschlagen. Auch wechseln Berufseinsteiger*innen, selbst dann wenn sie ein besonders gut bezahltes Netzwerk haben, ihren Job nicht schneller oder häufiger. Sie sind jedoch produktiver, weil sie dank dieses Netzwerks ihre Fähigkeiten auch langfristig verbessert haben.
Fazit
Ein Großteil der Studierenden arbeitet neben dem Studium. Diese Arbeit dient zwar oft in erster Linie der finanziellen Unabhängigkeit und dem Erlernen praktischer Fähigkeiten. Studierende erhalten damit jedoch auch die Chance, sich ein berufliches Netzwerk aufzubauen, das ihnen den Berufseinstieg nach dem Ende des Studiums erleichtern kann.
Wenn Studierende in überwiegend studienfachnahen Bereichen jobben und dort mit tendenziell hoch bezahlten und damit im Schnitt mit besonders qualifizierten Kolleg*innen zusammenarbeiten, finden sie nach Abschluss ihres Studiums oft schneller einen Job. Dieser wird zudem oft besser entlohnt als die späteren Jobs ihrer Kommiliton*innen, die dieses Netzwerk nicht mitbringen.
Das durch einen Studentenjob aufgebaute Netzwerk wirkt sich jedoch nicht auf die Abschlussnote im Studium oder auf die Zahl der Jobwechsel in den ersten Jahren nach dem Berufseinstieg aus.
Vielmehr dürften Studierende über ihre Netzwerke aus Studentenjobs vor allem vom Wissen und von den Empfehlungen ihrer Kolleg*innen hinsichtlich ihres Berufseinstiegs profitieren. Die Bedeutung von Studentenjobs geht somit deutlich über den finanziellen Aspekt der Deckung der Lebenshaltungskosten während des Studiums hinaus.
In aller Kürze
- Studentenjobs sind für viele Studierende von großer Bedeutung. Aktuell arbeiten rund 60 Prozent der Studierenden neben dem Studium.
- Neben der teilweisen Deckung der Lebenshaltungskosten können Studentenjobs dazu beitragen, Praxiserfahrung zu sammeln und ein eigenes berufliches Netzwerk aufzubauen.
- Sofern dieses Netzwerk auch aus Kontakten mit überdurchschnittlich gut bezahlten Kolleg*innen besteht, führt es nach Abschluss des Studiums dazu, dass Studierende eine höher bezahlten Einstiegsbeschäftigung finden. Hierbei spielen vor allem Studentenjobs in eher studienfachnahen Bereichen eine Rolle.
- Das berufliche Netzwerk wirkt sich aber nicht auf die Abschlussnote im Studium oder auf die Zahl der Berufswechsel in den ersten Jahren nach dem Berufseinstieg aus.
Daten und Auswertung
Grundlage für die Analysen zu Netzwerkeffekten von Studentenjobs ist eine Verknüpfung von Daten aller Graduierten einer deutschen Universität mit deren Sozialversicherungsdaten. Diese verknüpften Daten enthalten sowohl Informationen zum Studium (zum Beispiel Studienfach, Immatrikulationsdatum) als auch Informationen zu ihren Beschäftigungen vor, während und nach dem Studium.
Studentenjobs werden über die Meldungen der Arbeitgeber an die Sozialversicherung identifiziert. Diese Daten enthalten Informationen zum Start- und Enddatum aller gemeldeten Beschäftigungen. Somit können Zeiträume identifiziert werden, in welchen die Personen studiert haben – und die entsprechenden Beschäftigungen als Studentenjobs.
Da sich Studierende ihre Jobs für gewöhnlich selbst suchen und diese auch vom jeweiligen Studienfach abhängen können, ist es wichtig, derartige Selektionseffekte in der statistischen Analyse zu berücksichtigen. Der Effekt, dass sich Studierende für unterschiedliche Branchen, Unternehmen und Studienfächer entscheiden, wurde daher in den Analysen zu Netzwerkeffekten von Studentenjobs herausgerechnet.
Literatur
Bernhard, Christoph; Jugenheimer, Nele; Sandner, Malte; Yükselen, Ipek (2020): To work or not to work? A case study on the structure of student employment and its possible effects on students’ jobs during the Corona crisis. In: IAB-Forum, 20.11.2020.
Bild: dikushin/stock.adobe.com
DOI: 10.48720/IAB.FOO.20241014.01
Demir, Gökay; Hertweck, Friederike; Sandner, Malte; Yükselen, Ipek (2024): Wer neben dem Studium mit den „richtigen“ Kollegen jobbt, kann die beruflichen Startchancen vielfach verbessern, In: IAB-Forum 14. Oktober 2024, https://www.iab-forum.de/wer-neben-dem-studium-mit-den-richtigen-kollegen-jobbt-kann-die-beruflichen-startchancen-vielfach-verbessern/, Abrufdatum: 22. November 2024
Autoren:
- Gökay Demir
- Friederike Hertweck
- Malte Sandner
- Ipek Yükselen