6. November 2025 | IAB-Debattenbeiträge
Ausbildungsmarkt weiter tief in der Krise: Politik und Betriebe sind gefordert
Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge zu Beginn des Ausbildungsjahres ist 2024 wieder auf 487.000 gesunken. Damit ist die langsame Erholung seit dem starken Einbruch 2020 zum Ende gekommen. Die Zahl lag nach Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung um 7,3 Prozent unterhalb des Wertes von 2019. Somit konnte der Corona-Einbruch in der Ausbildung bisher nicht aufgeholt werden – ein Alarmsignal für die Fachkräftesicherung angesichts der Tatsache, dass laut Analysen des IAB alterungsbedingt weitaus mehr Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung in Rente gehen, als neu Ausgebildete nachkommen.
Trotz der seit nahezu drei Jahren anhaltenden wirtschaftlichen Schwächephase bieten viele Betriebe weiterhin Ausbildungsplätze in großer Zahl an. Deren Zahl stieg zwischen 2022 und 2024 sogar um 0,9 Prozent, während die Zahl der offenen Stellen am Arbeitsmarkt insgesamt im gleichen Zeitraum (jeweils drittes Quartal des jeweiligen Jahres) um 29,7 Prozent zurück ging.
Laut IAB-Betriebspanel verharrte der Anteil unbesetzter Ausbildungsstellen 2024 mit 33 Prozent nahe seinem bisherigen historischen Höchststand von 35 Prozent im Jahr 2023. Besonders hart betroffen sind Kleinstbetriebe mit 58 Prozent wie auch die Branchen Baugewerbe und personennahe Dienstleistungen mit 44 beziehungsweise 40 Prozent.
In der Mehrzahl der Fälle findet sich schlicht und ergreifend kein ausreichendes Bewerberangebot. Oft scheitert die Besetzung an – aus Sicht der Betriebe – mangelnder Ausbildungsreife oder daran, dass geeignete Bewerberinnen und Bewerber kurzfristig abspringen.
Gleichzeitig wurden 2023 29,7 Prozent aller Ausbildungsverhältnisse vorzeitig beendet – ein neuer Höchststand. Die Gründe reichen von falschen Erwartungen über mangelnde Passung bis hin zu fehlender Betreuung im Betrieb. Zugleich ging die Zahl der erfolgreich abgeschlossenen Ausbildungen seit 2020 stark zurück (circa minus 7,5 Prozent), nachdem sie sich Ende der 2010er Jahre wieder erholt hatte.
Alles dies zeigt, dass es dem Arbeitsmarkt an neuen Fachkräften mangelt. Dies nehmen auch die ausbildenden Betriebe so wahr. Deshalb erreichte die Übernahmequote von Auszubildenden mit erfolgreichem Abschluss im Jahr 2024 mit 79 Prozent einen neuen Höchststand.
Das Gesamtbild ist dennoch dramatisch, wäre aber verständlich, wenn es das Ergebnis eines Rückgangs der Zahl junger Menschen wäre, für die eine betriebliche Ausbildung in Frage kommt. Tatsache ist aber, dass trotz vieler unbesetzter Ausbildungsplätze die Zahl junger Erwachsener ohne Berufsabschluss stark ansteigt.
Rund 2,9 Millionen Menschen im Alter von 20 bis 34 Jahren verfügen laut dem Berufsbildungsbericht 2023 über keinen Berufsabschluss, besonders häufig Menschen mit Migrationshintergrund. Viele Jugendliche mit Ausbildungswunsch finden keine passende Ausbildungsstelle, andere entscheiden sich angesichts von Unsicherheit und Orientierungslosigkeit für einer längeren Schulbesuch oder gehen einer Helfertätigkeit nach, die kurzfristig finanziell attraktiv erscheint.
All dies lässt auf ein gravierendes Matching-Problem schließen: Ausbildungsangebote und Ausbildungsnachfrage passen oft nicht zusammen.
Die aktuelle Ausbildungsmarktbilanz der Bundesagentur für Arbeit (BA) zeigt für das neue Ausbildungsjahr (Stand September 2025) einen Anstieg der Bewerberzahlen bei gleichzeitig sinkendem Stellenangebot. Die Zahl der bei der BA gemeldeten Bewerber stieg um 2,8 Prozent auf 444.000, während die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen um 4,8 Prozent auf 494.000 zurückging.
In den aktuellen Zahlen zum Stellenrückgang spiegelt sich die nun schon drei Jahre andauernde Wirtschaftsschwäche wider. Der leichte Bewerberanstieg wiederum könnte auf die verschlechterten Jobchancen im Helferarbeitsmarkt zurückzuführen sein. Die Zahl unversorgter Bewerberinnen und Bewerber stieg dennoch auf knapp 40.000, den höchsten Wert seit 2007.
Trotz der Tatsache, dass die Ausbildungsstatistik der BA den Ausbildungsmarkt nur unvollständig abbildet, da sie lediglich die gemeldeten Bewerberinnen und Bewerber sowie die gemeldeten Stellen berücksichtigen kann, belegen die aktuellen Zahlen das weiter bestehende gravierende Matching-Problem.
Das Matching-Problem hat mehrere Ursachen
Drei Punkte, die das Matching-Problem verdeutlichen: Erstens hat die Attraktivität der beruflichen Ausbildung gelitten. Akademische Bildungswege gelten vielfach als sichere, modernere, besser bezahlte oder flexiblere Alternativen. Gleichzeitig zeigen aktuelle Studien, dass modernisierte Ausbildungsberufe – etwa mit aktualisierten Ausbildungsordnungen und neuen Technologien – durchaus Vorteile bieten: Junge Absolventinnen und Absolventen verfügen über aktuelle Kompetenzen, die ihnen höhere Löhne sowie bessere Arbeitsmarkt- und Aufstiegschancen sichern.
Damit wird deutlich: Die duale Ausbildung muss angesichts des rasanten wirtschaftlichen Wandels konsequent modernisiert werden, um ihre Attraktivität zu erhöhen.
Zweitens gibt es eine große Zahl an Jugendlichen, die von Betrieben als nicht ausbildungsreif eingeschätzt werden, für eine Ausbildung grundsätzlich jedoch in Frage kommen. Hier ist auch auf die deutlichen Rückgänge in den Schulleistungen und die negativen Folgen der Corona-Krise auf die Schulausbildung zu verweisen.
In die Ausbildung dieser Jugendlichen zu investieren und die Betriebe dabei zu unterstützen, ist sowohl sozial- als auch integrationspolitisch geboten und angesichts des Fachkräftemangels eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Nicht zuletzt ist es wichtig, junge Menschen mit Migrationshintergrund für eine Berufsausbildung zu gewinnen, die bislang seltener als Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund eine Berufsausbildung absolvieren.
Drittens stockt der Prozess der Berufsorientierung und der Berufswahlentscheidung. Jugendliche tun sich schwer mit der Berufswahl und verschieben die Ausbildungsentscheidung und Berufswahlentscheidung in die Zukunft.
Der hohe Umfang von Gap-Jahren, also gewollter oder in Kauf genommener Auszeiten, sowie der vermehrte Besuch weiterführender Schulen nach dem ersten Schulabschluss zeigt, dass der Einstieg in Ausbildung oder Beruf für viele Jugendliche mit hohen Hürden verbunden ist. Der Besuch weiterführender Schulen oder von Maßnahmen des Übergangssystems garantieren nicht den Einstieg in eine Berufsausbildung. Die Nutzung von betriebsnahen Maßnahmen im Übergangssystem ist eher rückläufig.
Um den Ausbildungsmarkt aus der Krise zu führen, bedarf es eines Bündels von Maßnahmen: eine intensivere und zugleich zielgruppenorientiertere Berufsorientierung an Schulen, gezielte Unterstützung für benachteiligte Jugendliche, attraktivere Ausbildungsbedingungen und frühzeitige Erfahrungen von Jugendlichen in Betrieben.
Die Betriebe und Berufsschulen sollten Azubis individueller begleiten und auch unkonventionelle Bildungsbiografien berücksichtigen. Die zahlreichen staatlichen Unterstützungsangebote hierfür können eine Hilfe sein, sind aber vielen Betrieben und Jugendlichen oft nicht bekannt. Der Zugang zur Nutzung dieser Angebote muss noch niederschwelliger werden.
Und last-but-not-least: Eine höhere und für die Menschen spürbare gesellschaftliche Wertschätzung kann helfen, wieder mehr Jugendliche für eine betriebliche Ausbildung zu gewinnen.
In aller Kürze
- Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist 2024 wieder gesunken und liegt rund 7 Prozent unter dem Niveau von 2019. Trotz wirtschaftlicher Schwäche bieten Betriebe weiterhin viele Ausbildungsplätze an, doch ein Drittel davon bleibt unbesetzt.
- Die Zahl junger Erwachsener ohne Berufsabschluss steigt, zugleich beklagen viele Betriebe eine mangelnde Ausbildungsreife.
- Notwendig ist eine Steigerung der Attraktivität der betrieblichen Ausbildung, eine intensivere und zugleich zielgruppenorientiertere Berufsorientierung, eine individuellere Begleitung in Ausbildung und eine gesellschaftliche Aufwertung der beruflichen Bildung.
Literatur
Bundesagentur für Arbeit (2025). Monatsbericht zum Arbeits- und Ausbildungsmarkt Oktober 2025. 30.10.2025.
Fitzenberger, Bernd; Kosyakova , Yuliya (2025): Ungenutzte Potenziale: Migration und Ausbildung. In: IAB-Forum, 19.11.2025.
Fitzenberger, Bernd; Leber, Ute; Schwengler, Barbara (2025): Aktuelle Ergebnisse aus dem IAB-Betriebspanel: Steigende Übernahmequote bei rückläufiger Zahl erfolgreich beendeter Ausbildungsverträge. IAB-Kurzbericht Nr. 14.
Janssen, Simon (2019): Entwerten neue Technologien bisheriges Berufswissen? Lehren aus einer empirischen Fallstudie. In: IAB-Forum, 7.3.2019.
Weller, Sabrina Inez; Christ, Alexander; Milde, Bettina; Granath, Ralf-Olaf (2024): Der Ausbildungsmarkt im Jahr 2024 – Analysen auf Basis der BIBB-Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge und der Ausbildungsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit zum Stichtag 30. September. Bundesinstitut für Berufsbildung.
Dieser Beitrag ist in einer früheren Fassung bereits am 28.10.2025 als Standpunkt bei table.media erschienen.
Bild: auremar/stock.adobe.com
DOI: 10.48720/IAB.FOO.20251106.01
Fitzenberger, Bernd (2025): Ausbildungsmarkt weiter tief in der Krise: Politik und Betriebe sind gefordert, In: IAB-Forum 6. November 2025, https://iab-forum.de/ausbildungsmarkt-weiter-tief-in-der-krise-politik-und-betriebe-sind-gefordert/, Abrufdatum: 6. November 2025
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Autoren:
- Bernd Fitzenberger

Prof. Bernd Fitzenberger, PhD, ist Direktor des IAB und Professor für Quantitative Arbeitsökonomik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.