Die Sanktionen im Bürgergeld sind viel zu stark abgemildert worden, ist in der öffentlichen Debatte immer wieder zu hören. Forschungsergebnisse zeigen: Sanktionen wirken, sind aber kein Allheilmittel. Und sie haben auch nicht intendierte Wirkungen.

Das IAB betreibt umfangreiche Forschung zu den Wirkungen von Sanktionen in der Grundsicherung. Im Folgenden bieten wir Ihnen einen Überblick über ausgewählte Befunde zu diesem Forschungsfeld.


Sanktionen sind wichtig, aber kein Allheilmittel

  • Sanktionen, jetzt „Leistungsminderungen“ genannt, sind ein Mittel, um die Mitwirkung der Leistungsberechtigten zu fördern.
  • Die Mehrheit der Sanktionen wird wegen nicht wahrgenommener Termine ausgesprochen, nur eine Minderheit wegen Jobverweigerung.
  • Aktuelle Angaben für den Zwölf-Monatszeitraum Mai 2023 bis April 2024 zeigen, dass rund 86 Prozent der Leistungsminderungen auf Meldeversäumnisse zurückgehen.

Abbildung 1 zeigt, dass Sanktionen im Falle von bei Männern unter 25 Jahren häufiger zu Übergängen in ungeförderte versicherungspflichtige Beschäftigung führen. Untersucht wurden Fälle bei unter 25-jährigen Männern in Westdeutschland.


Sanktionen sind ein zweischneidiges Schwert – Befunde aus Wirkungsanalysen

  • Leistungsbeziehende gehen infolge einer Sanktion (ex post) und infolge eines höheren Risikos, sanktioniert zu werden (ex ante), beschleunigt in Erwerbsarbeit über.
  • Aufgrund einer Sanktionierung kommt es verstärkt zur Aufnahme niedrig entlohnter Beschäftigungsverhältnisse.
  • Für sanktionierte Leistungsbeziehende findet eine Studie, dass anfängliche positive Beschäftigungseffekte sich längerfristig umkehren.
  • Sanktionierte Leistungsbeziehende ziehen sich auch verstärkt vom Arbeitsmarkt zurück.

Quelle: Wolf, Markus (2024): Ex-ante-Effekte von Sanktionen in der Grundsicherung: Bereits die Möglichkeit einer Sanktionierung zeigt Wirkung. IAB-Kurzbericht Nr. 15.


Sanktionen sind ein zweischneidiges Schwert – Befunde aus Befragungen von Mitarbeitenden der Jobcenter und von Leistungsbeziehenden

Befragungen liefern weitere Hinweise auf Ex-ante-Wirkungen:

  • Jobcentermitarbeitende sehen Sanktionen als wichtig an, um bestimmte Gruppen von Leistungsberechtigten zu erreichen.
  • Sanktionierte Leistungsberechtigte selbst stimmen überwiegend der Aussage zu, dass alle Leistungsbeziehenden ohne die Möglichkeit von Sanktionen machen würden, was sie wollen

Sie liefern aber auch Hinweise auf nicht wünschenswerte Wirkungen für die Betroffenen, zum Beispiel:

  • verstärkte psychische Belastungen
  • Verlust des Vertrauens zur für sie zuständigen Integrationsfachkraft des Jobcenters
  • bei hohen Leistungsminderungen (mehr als 30 % des Regelbedarfs) drohende Sperrungen der Energieversorgung oder gar Wohnungsverlust.

Leistungsminderungen im Bürgergeld sind weit moderater als vor der Reform

  • Leistungsminderungen beim Bürgergeld fallen mit 10 Prozent des Regelbedarfs für einen Monat bei Meldeversäumnissen und bei einer ersten Pflichtverletzung nach § 31 SGB II deutlich geringer aus als die 10 beziehungsweise 30 Prozent des Regelbedarfs für drei Monate vor der Bürgergeldeinführung.
  • Analysen zu Wirkungen der Leistungsminderung im Bürgergeld liegen noch nicht vor.
  • Eine Befragung von Mitarbeitenden aus sieben Jobcentern liefert überwiegend skeptische Bewertungen des Bürgergelds: 73 Prozent der Befragten finden, dass verminderte Sanktionen eher nicht oder auf gar keinen Fall beibehalten werden sollten. 55 Prozent der Befragten sehen eine Verschlechterung bei der Erreichbarkeit, 63 Prozent befürchten geringere Anreize, eine neue Arbeit aufzunehmen.

Quelle: Beckmann, Fabian et al. (2024): Erfahrungsbilanz Bürgergeld: Jobcenterbeschäftigte sehen kaum Verbesserungen. DIW-Wochenbericht Nr. 17, S. 251–259.


Abbildung 2 zeigt, dass seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie der Anteil der Sanktionierten deutlich zurück ging. Als Sanktion wird hier die Leistungsminderung betrachtet und deren Quote in Prozent von Januar 2018 bis Mai 2024 abgetragen. Die meisten Leistungsminderungen wurden im Herbst 2018 ausgesprochen. Am niedrigsten Lag die die Quote im Sommer 2020. Dort lag sie zwischen 0 und 0,5 Prozent.


Abbildung 3 zeigt, dass sich der Großteil der Jobcentermitarbeitenden gegen verminderte Sanktionen ausspricht.


Die Forderung nach verschärften Leistungsminderungen dominiert die politische Debatte

  • Ende des Jahres 2023 wurden 100 Prozent Sanktionen für sogenannte Totalverweigerer angekündigt. Eine entsprechende Regelung (§ 31a Abs. 7 SGB II) trat bereits Ende März 2024 in Kraft.
  • Auch bisherige Vorschläge der CDU/CSU und der vormaligen Ampel-Regierung gehen in Richtung verschärfter Sanktionsregeln.
  • § 31a Abs. 7 SGB II ist so voraussetzungsvoll, dass nur sehr wenige Sanktionen dieser Art zu erwarten sind. Erste Einschätzungen dazu gehen in diese Richtung.

Die Vorschläge werden der Komplexität des Themas nicht gerecht!


Was bei Reformen der Leistungsminderungen dringend beachtet werden sollte!

  • Die angesprochenen Wirkungen auf Beschäftigungsübergänge (ex post und ex ante) ebenso wie Hinweise auf ihre Wirkung auf die Erreichbarkeit der Leistungsbeziehenden dürfen nicht aus dem Blick geraten.
  • Es sollten kaum wünschenswerte Wirkungen für sanktionierte Leistungsbeziehende wie das Sperren ihrer Energieversorgung (insbesondere bei hohen Sanktionen) vermieden werden.
  • Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019 müssen Sanktionen verhältnismäßig sein. 100-Prozent-Sanktionen sind nur unter sehr restriktiven Bedingungen möglich.
  • Die Ausgestaltung der Regeln sollte so erfolgen, dass sie möglichst einfach handhabbar sind. Andernfalls wird in der Praxis davon kaum Gebrauch gemacht, was ihre Wirksamkeit in Frage stellt.

Eine Sanktionsreform sollte daher . . .

  • . . . auf sehr hohe Leistungsminderungsbeträge verzichten (möglichst nicht mehr als 30 % des maßgebenden Regelbedarfs), sodass sehr starke kurzfristige Einschränkungen der Lebensverhältnisse der Betroffenen vermieden werden und keine ergänzenden Sachleistungen oder geldwerte Leistungen gewährt werden müssten.
  • -. . . stärker auf Verhältnismäßigkeit achten: Eine zumutbare Arbeit abzulehnen, sollte beispielsweise strenger sanktioniert werden als die Ablehnung einer Maßnahmenteilnahme, deren Integrationswirkung im Einzelfall nicht sicher ist.

 

Bild: M. Schuppich/stock.adobe.com

DOI: 10.48720/IAB.FOO.20250310.01

Wolff, Joachim (2025): Bedarf es schärferer Leistungsminderungen beim Bürgergeld?, In: IAB-Forum 10. März 2025, https://www.iab-forum.de/bedarf-es-schaerferer-leistungsminderungen-beim-buergergeld/, Abrufdatum: 12. March 2025

 

Diese Publikation ist unter folgender Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht: Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International (CC BY-SA 4.0): https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de