Da das Risiko, sich mit dem SARS-CoV-2-Virus zu infizieren, je nach Beruf sehr unterschiedlich ist, sind berufs- und tätigkeitsspezifische Arbeitsschutzmaßnahmen erforderlich. Das IAB hat daher einen Index entwickelt, um das bei der Ausübung eines Berufes bestehende Ansteckungsrisiko quantifizieren zu können. Eine gemeinsame Analyse mit der AOK Bayern verdeutlicht dessen Aussagekraft in der aktuellen Pandemie.

Nicht erst die Covid-19-Pandemie hat gezeigt, dass die Ausübung bestimmter Berufe, zum Beispiel der medizinischen Gesundheitsberufe, mit einem unmittelbaren Infektionsrisiko verbunden ist. Aufgrund des speziellen Gefahrenpotenzials einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus ist es in allen Berufen mit einem erhöhten Infektionsrisiko notwendig, besondere Arbeitsschutzmaßnahmen zu treffen. Die außerordentliche Gefahr bei Covid-19 ergibt sich daraus, dass die Infektion in manchen Fällen schwerwiegende Gesundheitsschäden verursacht oder sogar tödlich enden kann. Zudem sind die Infektionsrisiken äußerst hoch, weil auch symptomfreie Personen ansteckend sein können.

Für die Zeit der Covid-19-Pandemie wurden neue Arbeitsschutzregeln formuliert (lesen Sie hierzu auch den Forumsartikel „Betrieblicher Arbeitsschutz in der Corona-Krise“). Es gibt allerdings bislang keine umfassenden Informationen über berufsspezifische Ansteckungsrisiken. Vielmehr müssen die jeweiligen Arbeitgeber im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung das tätigkeitsbedingte und im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöhte Infektionsrisiko feststellen. Gesicherte Hinweise auf ein potenziell erhöhtes, tätigkeitsbedingtes Infektionsrisiko ergeben sich lediglich aus den von den Unfallversicherungsträgern erstellten branchenspezifischen Covid-19-Arbeitsschutzregeln. Um berufsspezifische Empfehlungen für geeignete Arbeitsschutzmaßnahmen geben zu können, sind jedoch systematische Informationen darüber notwendig, in welchen Berufen ein erhöhtes Ansteckungsrisiko besteht.

Zwar sind die beruflichen Arbeitsbedingungen nur ein Faktor von vielen, denn auch die betrieblichen Arbeitsbedingungen oder die Wohnsituation beeinflussen das Infektionsgeschehen erheblich. Es lassen sich allerdings ansteckungsrelevante Arbeitsbedingungen identifizieren, mit denen man anhand der typischerweise in einem Beruf vorzufindenden Arbeitsbedingungen – unabhängig von Betrieb und Arbeitsplatz – das berufsspezifische Ansteckungsrisiko und entsprechende Arbeitsschutzmaßnahmen bestimmen kann.

Die Nähe zu anderen, potenziell infizierten Personen ist ausschlaggebend

Das Coronavirus SARS-CoV-2 wird „vorrangig und mit hoher Ansteckungsrate über luftgetragene Tröpfchen (Aerosole) aus den Atemwegen Infizierter auf weitere Personen übertragen“ (Tröpfcheninfektion). Das bedeutet, beim Husten und Niesen, aber auch beim Atmen und Sprechen, noch stärker beim Schreien und Singen, werden Aerosole ausgeschieden, die ansteckend sein können. Dementsprechend zeigt eine Studie des wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), dass nicht nur Beschäftigte in den Gesundheitsberufen mit höherer Wahrscheinlichkeit eine Krankschreibung aufgrund von Covid‑19 erhielten, sondern auch Beschäftigte in Berufen, in denen ein Kontakt mit anderen Personen unvermeidbar ist. Eine andere Studie, die im April 2020 im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, weist darüber hinaus darauf hin, dass man sich mit SARS-CoV-2 auch infizieren kann, wenn man mit Material oder Objekten umgehen muss, in oder auf denen sich das Virus befindet, und danach Augen, Nase oder Mund berührt (Schmierinfektion). Daher sind Beschäftigte, die bei Ausübung ihres Berufes mehr oder weniger engen persönlichen Kontakt mit anderen Personen haben oder mit potenziell infizierten Gegenständen in Kontakt kommen, einem erhöhten berufsspezifischen Ansteckungsrisiko ausgesetzt.

Fünf potenziell ansteckungsrelevante Arbeitsbedingungen

Um die berufsspezifischen Ansteckungsrisiken zu messen, wird die berufliche Expertendatenbank BERUFENET der Bundesagentur für Arbeit genutzt. Diese erlaubt es, die folgenden fünf potenziell ansteckungsrelevanten Arbeitsbedingungen zu unterscheiden:

  • Infektionsgefahr durch Umgang mit infizierten Menschen
  • enger Körperkontakt mit Menschen
  • Einsatz von Desinfektionsmitteln
  • betreuender Umgang mit Menschen
  • physischer Kundenkontakt.

Auf der Hand liegt, dass Berufe, in denen man direkt mit infizierten Menschen in Kontakt treten muss, einem erhöhten Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind. Dies gilt jedoch auch für Berufe, in denen ein enger Körperkontakt mit Menschen unvermeidbar ist oder Abstandsregeln nicht eingehalten werden können. Darüber hinaus sind Berufe, in denen Oberflächen oder Gegenstände desinfiziert werden müssen, mit einem erhöhten Ansteckungsrisiko verbunden; und das nicht nur, wenn man im Krankenhaus beschäftigt ist. Der Einsatz von Desinfektionsmitteln selbst erhöht das Ansteckungsrisiko natürlich nicht, aber es ist ein Indikator dafür, dass bei der Ausübung des Berufes der Kontakt mit potenziell infizierten Oberflächen und Gegenständen unvermeidbar ist.

Die Betreuung bestimmter Personengruppen aufgrund der dabei erforderlichen Nähe zueinander ist ebenfalls mit einem erhöhten Ansteckungsrisiko verbunden, auch wenn ein direkter Körperkontakt theoretisch vermeidbar wäre. Ähnliches gilt für die Ausübung von Berufen, in denen es häufig physischen Kundenkontakt gibt. Um das berufsspezifische Ansteckungsrisiko zu bestimmen, wurde aus diesen fünf Einzelindikatoren ein gewichteter Index gebildet (siehe Infokasten „Daten und Methoden zur Ermittlung des berufsspezifischen Ansteckungsrisikos“).

Nicht nur Gesundheitsberufe sind betroffen

Betrachtet man alle Berufe, weist weniger als ein Viertel ein erhöhtes berufsspezifisches Ansteckungsrisiko auf. Allerdings unterscheiden sich die verschiedenen Berufe diesbezüglich deutlich voneinander, wie der Blick auf unterschiedliche Berufssegmente zeigt (siehe Abbildung).

Die Abbildung zeigt das berufsspezifische Ansteckungsrisiko für verschiedene Berufsgruppen sowie den jeweiligen Beitrag unterschiedlicher Risikofaktoren. Das mit 35 Prozent größte Gesamtrisiko weisen Gesundheitsberufe auf. Dazu trägt mit 15 Prozentpunkten vor allem der Umgang mit infizierten Menschen bei. Es folgen Reinigungsberufe mit 18 und Sicherheitsberufe mit 8 Prozent. Deutlich geringer ist das Risiko für andere Berufsgruppen. Quelle: Eigene Berechnungen, BERUFENET (2016), Statistik der Bundesagentur für Arbeit (30. Juni 2016). © IAB

Wie erwartet, ist das berufsspezifische Ansteckungsrisiko vor allem in den medizinischen und nichtmedizinischen Gesundheitsberufen mit durchschnittlich etwa 35 Prozent am höchsten. Das heißt: Gegenüber Berufen ohne ansteckungsrelevante Arbeitsbedingungen ist das Ansteckungsrisiko in den medizinischen und nichtmedizinischen Gesundheitsberufen um 35 Prozent höher. Danach folgen die Reinigungsberufe mit durchschnittlich 18 Prozent und Sicherheitsberufe mit durchschnittlich 8 Prozent. Aber auch in den sozialen und kulturellen Dienstleistungsberufen und den Handelsberufen bestehen berufsspezifische Ansteckungsrisiken.

Ein Blick auf die Bedeutung der Einzelindikatoren zeigt, dass bei den medizinischen und nichtmedizinischen Gesundheitsberufen nicht nur die Infektionsgefahr durch Umgang mit infizierten Menschen eine entscheidende Rolle für die Höhe des berufsspezifischen Ansteckungsrisikos spielt, sondern auch der enge Körperkontakt und der Kundenkontakt. Bei den Reinigungsberufen ist der Kontakt mit potenziell infizierten Oberflächen und Gegenständen am relevantesten und bei den Sicherheitsberufen das Infektionsrisiko.

Je nach Einzelindikator sind unterschiedliche Berufe besonders betroffen

Betrachtet man jeweils die fünf Berufsgruppen mit dem höchsten berufsspezifischen Ansteckungsrisiko, sowohl insgesamt als auch für die fünf Einzelindikatoren, finden sich die höchsten Werte sehr häufig bei den medizinischen Gesundheitsberufen (siehe Tabelle). Berufe in der Human- und Zahnmedizin (zum Beispiel Facharzt/-ärztin für Zahnmedizin), in der Arzt- und Praxishilfe (zum Beispiel Medizinische/r Fachangestellte/r), in der Gesundheits- und Krankenpflege, Rettungsdienst und Geburtshilfe (zum Beispiel Hebamme/Entbindungspfleger) sowie Berufe in medizinischen Laboratorien weisen sowohl für das berufsspezifische Ansteckungsrisiko insgesamt als auch für fast alle fünf Einzelindikatoren mit Ausnahme des physischen Kundenkontakts die höchsten Werte auf.

Die Tabelle zeigt für Berufsgruppen mit dem höchsten berufsspezifischen Ansteckungsrisiko, um wieviel Prozent dieses Risiko erhöht ist. Dabei wird zwischen dem Ansteckungsrisiko insgesamt und einzelnen Risikofaktoren (zum Beispiel physischer Kundenkontakt) unterschieden. Die folgenden Berufsgruppen weisen das am stärksten erhöhte Gesamtrisiko auf: Human- und Zahnmedizin 69%, Arzt- und Praxishilfe 66%, Gesundheits- und Krankenpflege, Rettungsdienst und Geburtshilfe 63%, Medizinisches Laboratorium 57 %, Bestattungswesen 45%. Quelle: Eigene Berechnungen, BERUFENET (2016), Statistik der Bundesagentur für Arbeit (30. Juni 2016). © IAB

Je nach Einzelindikator ergeben sich aber auch für eine Reihe anderer Berufsgruppen erhöhte Werte. So liegt die erhöhte „Infektionsgefahr durch Umgang mit infizierten Menschen“ beispielsweise für Berufe in der Gewerbe- und Gesundheitsaufsicht (wie den Fachkräften in der Hygieneüberwachung) bei durchschnittlich 40 Prozent. Beim „engen Körperkontakt mit Menschen“ weisen Berufe im Bestattungswesen (zum Beispiel Fachwirt/-in Bestattung) und in der Altenpflege die höchsten Werte auf.

Der „Einsatz von Desinfektionsmitteln“ geht nicht nur in den medizinischen Gesundheitsberufen und Reinigungsberufen sehr häufig mit einem erhöhten berufsspezifischen Ansteckungsrisiko einher, sondern mit durchschnittlich 81 Prozent auch in Berufen der Hauswirtschaft und Verbraucherberatung (zum Beispiel im Beruf Hauswirtschafter/-in).

Beim „betreuenden Umgang mit Menschen“ zeigt sich, dass Lehrtätigkeiten an allgemeinbildenden Schulen (zum Beispiel Lehrer/-innen an Förderschulen), aber auch Berufe in der nicht ärztlichen Therapie und Heilkunde (zum Beispiel Physiotherapeut/-in) hohe Werte aufweisen. Beim „physischen Kundenkontakt“ sind die Werte vor allem in den Verkaufsberufen und im Bereich der Gastronomie sehr hoch.

Rolle des berufsspezifischen Ansteckungsrisikos bei einer SARS-CoV-2-Infektion

Um zu testen, ob das berufsspezifische Ansteckungsrisiko etwas über die Wahrscheinlichkeit aussagt, sich mit dem SARS-CoV-2-Virus zu infizieren, wurden Daten der AOK Bayern von knapp zwei Millionen Versicherten im Jahr 2020 analysiert, die Informationen über laborbestätigte SARS-CoV-2-Infektionen sowie die Berufe der Versicherten enthalten. Vorteil dieser Daten ist, dass individuelle Risiken wie Alter, Geschlecht, aber auch Inzidenzzahlen am Wohnort berücksichtigt werden können.

Darüber hinaus wurde mit einbezogen, dass in manchen Berufen das Tragen von Schutzkleidung typisch ist und schon vor der Corona-Pandemie den Arbeitsalltag geprägt hat. Damit lässt sich zeigen, inwieweit das Tragen von Schutzkleidung vor einer Infektion geschützt hat oder noch nicht ausreichend war. Außerdem wurde dafür kontrolliert, dass manche Berufe ganz oder teilweise aus dem Homeoffice erledigt und damit die Infektionswahrscheinlichkeit gesenkt werden konnte (siehe Infokasten „Analyse der Rolle des berufsspezifischen Ansteckungsrisikos für eine SARS-CoV-2-Infektion“).

Die Analysen zeigen: Je höher das berufsspezifische Ansteckungsrisiko, desto höher die Wahrscheinlichkeit, sich mit dem Virus zu infizieren. Präziser ausgedrückt: Wenn der Index des beruflichen Ansteckungsrisikos um einen Prozentpunkt steigt, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, sich mit dem SARS-CoV-2 Virus zu infizieren, um 0,02 Prozentpunkte. Dabei weist die Infektionsgefahr durch Umgang mit infizierten Menschen den höchsten Erklärungsgehalt auf, gefolgt vom engen Körperkontakt, dem Einsatz von Desinfektionsmitteln, dem betreuenden Umgang mit Menschen und zuletzt dem physischen Kundenkontakt.

Die Möglichkeit, seinen Beruf im Homeoffice erledigen zu können, hat das Infektionsrisiko gesenkt, das Tragen von Schutzkleidung hingegen erhöht. Dies deutet darauf hin, dass die bereits zuvor bestehenden Schutzmaßnahmen nicht ausreichend vor einer Infektion schützen und erweiterte Maßnahmen in bestimmten Berufen sinnvoll sind.

Fazit

Um eine Infektion mit dem SARS-CoV-2 Virus am Arbeitsplatz zu vermeiden und gleichwohl eine möglichst effiziente Arbeitsorganisation sicher zu stellen, ist es wichtig, die Arbeitsschutzmaßnahmen einerseits so strikt wie nötig und andererseits so erträglich und praktikabel wie möglich zu gestalten.

Der hier präsentierte Index zur Messung des berufsspezifischen Ansteckungsrisikos zeigt auf, in welchen Berufen spezifische Arbeitsschutzmaßnahmen notwendig sind, um die Ansteckungsrisiken zu minimieren. Da Branchen in ihrer beruflichen Zusammensetzung oftmals sehr heterogen sind, können nun die bislang branchenspezifischen Empfehlungen durch berufsspezifische Empfehlungen ergänzt werden.

Daten und Methoden zur Ermittlung des berufsspezifischen Ansteckungsrisikos

Die Expertendatenbank BERUFENET der Bundesagentur für Arbeit stellt online kostenlos Informationen über alle knapp 4.000 in Deutschland bekannten Berufe zur Verfügung. Sie wird vor allem bei der Berufsberatung oder bei der Arbeitsvermittlung eingesetzt. Die Informationen haben Berufsexperten auf Basis von Ausbildungsordnungen oder Stellenausschreibungen herausgearbeitet.

Für die Berechnung des beruflichen Ansteckungsrisikos werden Informationen über die Arbeitsbedingungen genutzt. Insgesamt ist etwa 3.300 Berufen mindestens eine von 73 standardisierten Arbeitsbedingungen zugeordnet, zum Beispiel „enger Körperkontakt mit Menschen“. In den Einzelberufen werden diese Arbeitsbedingungen nochmals durch Zusätze in Klammertexten präzisiert. Zum Beispiel wird die Arbeitsbedingung „Umgang mit Chemikalien“ durch einen Klammerzusatz präzisiert. Dieser gibt an, mit welchen Chemikalien in einem bestimmten Einzelberuf umgegangen werden muss, beispielsweise „Umgang mit Chemikalien (z.B. Desinfektionsmittel)“. Für die Generierung des Index werden sowohl die standardisierten Arbeitsbedingungen als auch die Arbeitsbedingungen mit den jeweiligen Klammerzusätzen verwendet. Um den Gesamtindikator „berufliches Ansteckungsrisiko“ zu bestimmen, wird ein gewichteter Index aus fünf Einzelindikatoren berechnet:

  • Erhöhtes Infektionsrisiko, das sich durch den Umgang mit infizierten Menschen, nicht Tieren, ergibt (Gewicht von 5)
  • Enger Körperkontakt mit anderen Menschen (Gewicht von 4)
  • Umgang mit Desinfektionsmitteln: Umgang mit Chemikalien oder Arbeit mit technischen Geräten, Maschinen und Anlagen mit Klammerzusatz „desinf“, wenn es sich nicht um einen Umgang mit Tieren, Pflanzen und Maschinen handelt (Gewicht von 3)
  • Umgang mit Menschen mit Behinderung, Umgang mit Kindern und Jugendlichen, Umgang mit alten Menschen, Umgang mit kranken und verletzten Menschen (Gewicht von 2)
  • Physischer Kundenkontakt: Arbeit in Verkaufsräumen, in medizinischen Einrichtungen/ Praxen und in Sporteinrichtungen (Gewicht von 1)

Für jeden der rund 3.300 betrachteten Einzelberufe nehmen die fünf Einzelindikatoren zunächst den Wert 1 an (wenn eine entsprechende Arbeitsbedingung vorliegt) oder den Wert 0 (wenn keine entsprechende Arbeitsbedingung vorliegt). Anschließend werden die Einzelindikatoren noch gewichtet, indem berücksichtigt wird, dass Arbeitsbedingungen, die zuerst genannt werden, ein höheres Gewicht erhalten, als Arbeitsbedingungen, die in der Reihenfolge weiter hinten stehen. Diese Einzelindikatoren werden anschließend mit den unter Punkt 1 bis 5 genannten Gewichten zu einem Gesamtindikator „berufliches Ansteckungspotenzial“ zusammengefasst, der zwischen 0 und 100 Prozent liegt. Die Reihenfolge der Einzelindikatoren innerhalb des Gesamtindikators ergibt sich dabei aus einer Regression der Einzelindikatoren auf die Wahrscheinlichkeit, sich mit dem Virus anzustecken.

Zur besseren Übersichtlichkeit werden verschiedene Berufsaggregate betrachtet: Berufssegmente sowie Berufsgruppen der Klassifikation der Berufe 2010 (KldB 2010). Um bei der Aggregation zu berücksichtigen, dass Einzelberufe mit hohen Beschäftigtenzahlen die verschiedenen Indikatoren stärker beeinflussen als Einzelberufe mit einer kleinen Beschäftigtenzahl, werden die Indikatoren mit den jeweils aktuellen Beschäftigtenzahlen gewichtet.


Analyse der Rolle des berufsspezifischen Ansteckungsrisikos für eine SARS-CoV-2-Infektion

Der Datensatz stammt aus anonymisierten Leistungs- und Versichertendaten der AOK Bayern. Die Stichprobe beschränkt sich auf Personen, die am 1.2.2020 pflichtversichert waren, mindestens bis zum 31.12.2020 versichert blieben oder innerhalb von 30 Tagen nach einer möglichen Covid-Infektion verstarben. Die Personen waren am 1.2.2020 mit einem gültigen 5-stelligen Berufsschlüssel erwerbstätig, hatten gültige Angaben zum Wohnort und waren zwischen 15 und 67 Jahre alt. Der Stichprobenumfang beträgt 1.873.671 Personen.

Die zu erklärende Variable der Regression ist eine binäre Variable, die den Wert 1 annimmt, wenn für eine Person eine laborbestätigte SARS-CoV-2-Infektion (ICD-GM U07.1) im Krankenhaus oder durch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines niedergelassenen Arztes gemessen wurde. Um die Effekte der berufsspezifischen Impffortschritten auszuschließen, wird der Beobachtungszeitraum auf den Zeitraum vom 1.2.2020 bis zum 31.12.2020 beschränkt (die ersten wenigen Impfungen in Deutschland fanden am 26.12.2020 statt, so dass ein relevanter Teil der Belegschaft nicht vor Ende des Jahres immunisiert werden konnte). Nach diesen Kriterien infizierten sich 17.879 Personen oder 0,9542 Prozent der Stichprobe mit Covid-19.

Diesen Datensatz wird über den 5-stelligen Berufsschlüssel mit den erstellten Einzelindikatoren verknüpft und eine logistische Regression mit Kontrollvariablen für Alter, Geschlecht, Gehalt, Informationen zu Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung sowie kumulierte Covid-19-Inzidenzen im Kreis des Wohnortes und den Wohnorttyp geschätzt.

Zusätzlich zu den Einzelindikatoren, aus denen der Index zum „beruflichen Ansteckungsrisiko“ gebildet wird, wird der Regression auch das Potenzial, aus dem Homeoffice zu arbeiten, hinzugefügt (approximiert durch Arbeitsbedingungen wie Bildschirmarbeit, Arbeit in Unterrichts-/Schulungsräumen, Arbeit in Büroräumen). Ebenso hinzugefügt wird das Tragen von Schutzkleidung (abgebildet durch die gleichnamige Arbeitsbedingung mit dem Klammerzusatz „Einweghandschuhe“, „[…] zum Schutz vor Keimen, Bakterien und Infektionen“ und „Kittel und Mundschutz“).

Die Regression des Index auf die SARS-CoV-2-Infektionen weist einen hochsignifikanten und positiven Koeffizienten aus. Dies zeigt: Je höher das berufliche Ansteckungsrisiko ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, sich mit dem Virus zu infizieren.

Bauer, Anja; Grienberger, Katharina; Matthes, Britta ; Jucknewitz, Roland; Schramm, Anja (2021): Berufe und Covid-19-Pandemie: Wie hoch ist das berufsspezifische Ansteckungsrisiko?, In: IAB-Forum 21. September 2021, https://www.iab-forum.de/berufe-und-covid-19-pandemie-wie-hoch-ist-das-berufsspezifische-ansteckungsrisiko/, Abrufdatum: 24. November 2024