22. Dezember 2017 | Podium
Die Digitalisierung birgt viele Herausforderungen – auch im Hinblick auf das Engagement von Beschäftigten
Jutta Rump, Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Internationales Personalmanagement und Organisationsentwicklung an der Hochschule Ludwigshafen, ging zu Beginn der Veranstaltung auf die Digitalisierung als zentralen Megatrend ein. Sie unterstrich dabei deren Einbettung in die demografischen und gesellschaftlichen Trends.
Für Rump, die in Ludwigshafen auch das Institut für Beschäftigung und Employability leitet, stellen sich in diesem Kontext mehrere zentrale Fragen, wie: Was bedeuten diese Trends für die sozialen Systeme, für Führung und Zusammenarbeit? Warum wird nicht mehr für die Aus- und Weiterbildung der Beschäftigten getan? Sind die insgesamt 341 Ausbildungsberufe und die 4.500 Studiengänge angepasst? Aus den auf betrieblicher Ebene bereits erfolgten Anpassungen resultiert außerdem die Frage nach der ökonomischen und strategischen Dimension dieser Veränderungen. Da es im Zuge der Digitalisierung neben positiven auch negative Beschäftigungseffekte geben wird, stellt sich zudem die Herausforderung, die Betroffenen in dieser Situation mitzunehmen.
Balance zwischen traditioneller und moderner Welt
Die Unternehmen, so Jutta Rump weiter, müssten ein Nebeneinander von traditioneller und moderner Welt ausbalancieren. Bei der Frage, wie Kommunikations- und Kooperationsregeln sowie Führung in mobilen Kontexten aussehen, sollte die menschliche Komponente besonders beachtet werden, um ein gutes Betriebsklima zu erhalten. Und nicht zuletzt gelte es zu klären, wie das Regelwerk für Erreichbarkeit und Verfügbarkeit aussehe, und ob die Flexibilität der Arbeitszeit angesichts des Fachkräftebedarfs opportun sei. So führt die Wissenschaftlerin selber als Führungskraft zum Beispiel mit jedem ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Zeitverhandlungen.
Da die Sicherheit eines Berufes, Arbeitsplatzes und Beschäftigungsverhältnisses immer weiter zurückgeht, ist es umso wichtiger, die Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten. Diese ruht auf den drei Säulen Kompetenzen, Motivation und Gesundheit, die deshalb auch zentral für ein ganzheitliches Personalmanagement sind. Rump plädierte dafür, beim talentorientierten Ansatz an den Stärken zu arbeiten und Handlungsbedarf im Blick zu haben.
Um eine Vielzahl von Aufgaben bewältigen und ein umfangreiches Anforderungsprofil erfüllen zu können, müssten Führungskräfte einen fach- und mitarbeiterorientierten Führungsstil beherrschen. Gemeint ist hier ein transformationaler, eher inspirierender Stil, der positiv auf Verhaltensänderungen und Einstellung einwirkt. Dies alles sei nicht mehr durch Einzelpersonen, sondern nur im Team abzudecken. Führung werde also partizipativer und demokratischer, so Rump. Auch gemischte Teams werden wichtiger. Experimentierräume sind notwendig, denn bislang gibt es keine allgemeingültige Lösungen.
Engagement-Index als Instrument einer lernenden Organisation
Dr. Friedrich Stanzel vom Österreichischen Bundesministerium für Finanzen (BMF) befasste sich mit dem Engagement-Index. Im Zentrum seines Beitrags stand der psychologische Arbeitsvertrag: Wie ist es zu schaffen, dass Mitarbeiter nicht nur zufrieden, sondern leidenschaftlich, engagiert und ausdauernd im Interesse des Arbeitgebers tätig sind? Stanzel machte dabei deutlich, dass Engagement-Befragungen keine Befragungen zur Mitarbeiterzufriedenheit sind.
Michael Steuer, als Stanzels Mitarbeiter für die Mitarbeiterbefragungen zuständig, stellte den Engagement-Index des BMF vor. Ziel sei es, dieses Instrument im Sinne einer lernenden Organisation zu nutzen, Stärken zu erhalten und an Schwächen zu arbeiten. In der Befragung des BMF wurden insgesamt 60 Items erhoben. Der Index „Intrinsische Motivation/Engagement“ setzt sich dabei aus unterschiedlichen Aussagen in der Ich-Form zusammen, wobei Aussagen zur Motivationslage von besonderer Bedeutung sind.
Die wichtigsten Motivationstreiber, so das Ergebnis, sind ein sicherer Arbeitsplatz, flexible Arbeitsstunden und das Gefühl, gute Arbeit zu leisten. Probleme zeigten sich im BMF bei den Entwicklungsmöglichkeiten. Deshalb wurden sechs Berufsbilder entwickelt, damit sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selber einordnen und erkennen können, welche Entwicklungsmöglichkeiten für sie bestehen.
Der Engagement-Index des BMF, so die Referenten, biete Führungskräften eine hervorragende Grundlage für die Gespräche mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Weiterhin werden daraus zwei bis drei Handlungsfelder bei den einzelnen Dienstbehörden abgeleitet.
Aus- und Weiterbildung als Katalysator für Engagement
Michael Schmid, Leiter der Weiterbildungsakademie der Audi AG, zeigte, dass Aus- und Weiterbildung als Katalysator für Engagement fungieren können. Derzeit befindet sich die Automobilindustrie in einem Spannungsfeld. Schmidt ging in diesem Zusammenhang auf Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz und des Lernens von Start-Ups ein. Der Prozess der Ableitung von Zukunftskompetenzen und der Qualifikationsbedarfe führt zur Bestimmung von Maßnahmen wie Rekrutierung, Kompetenzentwicklung oder Personaltransfer.
Schmid ging außerdem auf verschiedene digitale Lernformate ein. So werde „Gameing“ die Lernwelt revolutionieren. Virtual Reality, also die Möglichkeit in eine virtuelle 360-Grad-Welt einzutauchen und mit dieser zu interagieren, und Augmented Reality, also die Möglichkeit die Realität mit zusätzlichen Informationen unter anderem in Form von Animationen, Videos, statischen oder bewegten dreidimensionalen Objekten anzureichern, vermittele Lernspaß. Audi bietet beispielsweise in einem Kooperationsprojekt mit der Technischen Hochschule Ingolstadt seit dem 1. Oktober 2017 einen Weiterbildungskurs „Elektromobilität“ für Entwicklungsingenieure und mit der privaten Online-Akademie Udacity eine Reihe von Kursen mit Schwerpunkt Robotik/Big Data an.
Zentrale Rolle der Führungskultur
Lars Heemann und Caroline Meschke vom Versicherungskonzern Allianz SE stellten vor, wie heute und künftig in der internationalen Allianz-Gruppe Mitarbeiterengagement gemessen und gemanagt wird. Sie berichteten über die Erneuerungsagenda des Unternehmens, das sich wie die gesamte Versicherungsbranche im Umbruch befindet. Bestandteile dieser Agenda sind unter anderem eine konsequente Kundenorientierung, eine durchgängige Digitalisierung und eine integrative Leistungskultur – also eine Kultur, in der sowohl Leistung als auch das Miteinander zählen.
Im Zuge dieses Wandels kommt der Führungskultur eine zentrale Rolle zu. Sie lässt sich durch Kundenorientierung, unternehmerisches Denken und Handeln, teamorientierte Führung und Vertrauen charakterisieren. Feedback ist wichtig. Um zu verstehen, wo die Organisation steht, werden relativ viele Surveys durchgeführt. Die beiden Referenten nannten als Beispiele hierfür den jährlichen weltweiten Engagement-Survey der Allianz-Gruppe, die sogenannte Fragebox und die People-Attributes-Befragung. So wurden basierend auf einer weltweiten Befragung der Führungskräfte des Konzerns die vier oben genannten „People Attributes“ mit je drei zugehörigen Verhaltensweisen entwickelt, um das Ziel einer integrativen Leistungskultur zu erreichen. Sie bestimmen die Erwartung an die Verhaltensweisen jeder einzelnen Person im Unternehmen. Entscheidend, so Lars Heemann und Caroline Meschke, sei aber der Dialog, der auf der Basis dieser Ergebnisse stattfinde. Abschließend präsentierten sie Beispiele für verschiedene Maßnahmen des Reportings und aus dem Folgeprozess.
Volker Breustedt, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Marburg, stellte eine Vielzahl von beeindruckenden Maßnahmen der Agentur vor, um die Identifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der BA zu stärken. Dazu gehören Newsletter, Teamtage, Teilnahme am Firmenlauf und an Drachenbootrennen ebenso wie die Stärkung von Ritualen, gesellschaftliche Verantwortung als Unternehmen und die Herstellung von Beziehungen zu Hilfeempfängern.
Digitale Agenda der Bundesagentur für Arbeit
Michael Kühn, Geschäftsführer des Geschäftsbereichs „Personal/Organisationsentwicklung“ der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit, ging auf die digitale Agenda der BA ein. So will die Bundesagentur nicht alles machen, was geht, sondern was zu ihr passt. Die BA, so Kühn, sei ein werbender Arbeitgeber, der Hierarchie und Netzwerk gleichermaßen wichtig seien. Auch das Thema der langfristigen Beschäftigungsfähigkeit bewege die BA, hier bringe man Nachhaltigkeit hinein. Durch viele Reformen in der Bundesagentur habe man die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Hinblick auf Veränderungen fit gehalten. Deshalb müsse einem vor der Zukunft nicht bange sein, so Kühn.
In ihrem Ausblick hob Valerie Holsboer, BA-Vorstand Ressourcen, hervor, dass die Digitalisierung die BA als großen Arbeitgeber sowohl hinsichtlich ihrer Prozesse als auch hinsichtlich ihres Verhältnisses zu den Kunden betreffe. Über das Thema „Resilienz“ könnten Führungskräfte im Umgang mit den Ängsten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern positive Erfolge erzielen. Holsboer machte allerdings auch deutlich, dass man sich auf soziale Kompetenzen und Gesundheitsförderung auf abstrakter Ebene einigen könne, es auf der praktischen Ebene aber durchaus haken könne. Die BA nutze in diesem Zusammenhang außerdem Mitarbeiterbefragungen, um die Rahmenbedingungen gezielt zu verbessern.
Autoren:
- Lutz Bellmann