Mit der fortschreitenden Digitalisierung können immer mehr berufliche Tätigkeiten von Computern oder computergesteuerten Maschinen erledigt werden. In den letzten Jahren haben sich diese Substituierbarkeitspotenziale in fast allen Berufen erhöht. Allerdings gilt dies für die Regionen in Deutschland in höchst unterschiedlichem Maße. So ist in Berlin jeder siebte, im Kreis Dingolfing-Landau jeder zweite Arbeitsplatz potenziell betroffen. Ein hohes Substituierbarkeitspotenzial weisen vor allem die Regionen auf, in denen viele Menschen im Verarbeitenden Gewerbe tätig sind.

Die Digitalisierung ist Gegenstand vieler aktueller öffentlicher und wissenschaftlicher Debatten. Dabei werden immer wieder Befürchtungen laut, dass infolge des weiter fortschreitenden digitalen Wandels viele Jobs ersetzbar werden könnten.

Tatsächlich gibt es immer mehr Arbeitsbereiche, in denen Computer oder computergesteuerte Maschinen Tätigkeiten übernehmen können, die bislang nur von Menschen erledigt wurden. In den letzten Jahren sind viele neue Technologien marktreif geworden. Dazu zählen insbesondere mobile, kollaborative Roboter und selbstlernende Computerprogramme sowie erste Anwendungen von 3D-Druck und Virtueller Realität. So können beispielsweise Versicherungsanträge inzwischen vollautomatisch geprüft oder Prothesen und Zahnersatz mit Hilfe von 3D-Druckern gefertigt werden.

Gleichzeitig haben sich in den letzten Jahren viele Berufsbilder verändert – sei es dadurch, dass sich die Tätigkeitsinhalte verändert haben, oder dadurch, dass bestimmte Berufe verschwunden oder neu entstanden sind.

Der Anteil Beschäftigter in hoch substituierbaren Berufen stieg zwischen 2013 und 2016 von 15 auf 25 Prozent

Um Folgen der Digitalisierung für die heutigen Berufe zu bestimmen, werden sogenannte Substituierbarkeitspotenziale berechnet (lesen Sie hierzu auch den IAB-Kurzbericht 4/2018). Sie messen den Anteil der Tätigkeiten, die bereits jetzt durch Computer oder computergesteuerte Maschinen ersetzt werden können.

Die Substituierbarkeitspotenziale wurden erstmalig für das Jahr 2013 berechnet. Da sich in den letzten Jahren neue Technologien entwickelt und Berufsbilder verändert haben, hat das IAB die Substituierbarkeitspotenziale für das Jahr 2016 aktualisiert. Wie sich zeigte, aus gutem Grund: Zwischen 2013 und 2016 stieg der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die in einem Beruf mit hohem Substituierbarkeitspotenzial arbeiten, von circa 15 auf gut 25 Prozent. Dabei handelt es sich um Berufe, in denen mehr als 70 Prozent der Tätigkeiten von Computern oder computergesteuerten Maschinen erledigt werden könnten (siehe Infokasten „Substituierbarkeitspotenziale“).

Dies bedeutet allerdings nicht, dass tatsächlich ein Viertel der Arbeitsplätze wegfallen wird. Denn dass eine Tätigkeit als substituierbar eingestuft wird, heißt nicht automatisch, dass sie künftig nur noch von Computern und computergesteuerten Maschinen erledigt wird. Das Substituierbarkeitspotenzial sagt lediglich etwas über die technische Machbarkeit aus. Ob dieses Potenzial auch ausgeschöpft wird, hängt von einer Reihe anderer Faktoren ab.

Ethische oder rechtliche Hindernisse, Kostenüberlegungen oder Präferenzen auf Kundenseite können den Einsatz neuer digitaler Technologien verhindern. So wird es weiterhin Handwerksbäckereien geben, wenn Verbraucher ein handgebackenes Brot mehr wertschätzen als ein maschinell gefertigtes. Zudem entstehen mit der Digitalisierung neue Produkte und Dienstleistungen. Dadurch können neue Arbeitsplätze geschaffen werden, weil die neuen Maschinen und Roboter gebaut und gewartet werden müssen. Außerdem kann die Nachfrage nach Produkten steigen, weil durch den Einsatz neuer Technologien Preissenkungen möglich sind.

Es ist daher durchaus umstritten, ob durch die Digitalisierung unterm Strich Arbeitsplätze geschaffen werden oder verloren gehen. Sehr wahrscheinlich ist jedoch, dass dort, wo die Substituierbarkeitspotenziale hoch sind, stärkere Veränderungen in der Berufsstruktur stattfinden – sei es dadurch, dass sich die Berufe und ihr Anforderungsprofil verändern, oder dadurch, dass einige Berufe zahlenmäßig schrumpfen und andere wachsen. Dabei unterscheiden sich die Herausforderungen je nach Region.

In der Regel ist das Substituierbarkeitspotenzial in den Stadtkreisen vergleichsweise niedrig

Der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die in Berufen mit hohem Substituierbarkeitspotenzial arbeiten, variiert regional sehr stark – zwischen 14,3 Prozent im Kreis Vorpommern-Rügen bis zu 51 Prozent im Kreis Dingolfing-Landau. Während also im erstgenannten Kreis nur etwa jeder siebte Beschäftigte in einem hoch substituierbaren Beruf tätig ist, ist es im letztgenannten jeder zweite (siehe Abbildung 1). Zusätzlich zu den Kreisen sind in Abbildung 1 die Grenzen der Arbeitsmarktregionen abgebildet, auf die in einem der nachfolgenden Abschnitte eingegangen wird.

Abbildung 1: Anteil der Beschäftigten in Berufen mit hohem Substituierbarkeitspotenzial nach Kreisen

Neben einigen Landkreisen – besonders im Norden und Nordosten Deutschlands – sind es vor allem Stadtkreise, die niedrigere Werte aufweisen als ihre Umgebung. Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet die Stadt Emden, in der mit dem Hafen und einem großen VW-Werk viele Beschäftigte im Verarbeitenden Gewerbe und der Logistik tätig sind.

Insgesamt zeigt sich ein Muster, das Ergebnis der wirtschaftlichen Spezialisierung von Regionen ist (eine detailliertere Analyse hierzu finden Sie in den IAB-Kurzberichten 14/2016 und 22/2018). Insbesondere dort, wo das Verarbeitende Gewerbe stark vertreten ist, sind viele Beschäftigte in Fertigungs- oder fertigungstechnischen Berufen tätig – also in Berufen mit hohem Substituierbarkeitspotenzial. Dort hingegen, wo Wirtschaftszweige vorherrschen, in denen die nur wenig substituierbaren Berufe überwiegen, etwa im Gesundheits- und Sozialwesen oder im Gastgewerbe, sind die entsprechenden Werte niedrig.

Wirtschaftliche Spezialisierung und Substituierbarkeitspotenziale in den Regionen hängen zusammen

Den Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Spezialisierung und Substituierbarkeitspotenzialen in den Regionen wird in Abbildung 2 veranschaulicht. Als Beispiel wurden die fünf Kreise mit den meisten Beschäftigten – Dingolfing-Landau, Sonneberg, Emden-Stadt, Tuttlingen, Kronach – und die fünf Kreise mit den wenigsten Beschäftigten – Vorpommern-Rügen, Frankfurt a. d. Oder (Stadt), Potsdam-Stadt, Berlin-Stadt, München-Stadt – in hoch substituierbaren Berufen gewählt.

Die Grafik zeigt für alle zehn Kreise sowie für Deutschland insgesamt die jeweiligen Beschäftigtenanteile in Berufen mit hohem (rechte Seite) oder niedrigem Substituierbarkeitspotenzial (linke Seite). So beträgt der Anteil der Beschäftigten in Berufen mit hohem Substituierbarkeitspotenzial beispielsweise in Dingolfing-Landau 51 Prozent (erster Balken auf der rechten Seite). Auch ist ersichtlich, aus welchen Berufssegmenten sich dieser Anteil zusammensetzt. So liegt etwa der Anteil der Fertigungsberufe dort bei etwa 12  Prozent.

Abbildung 2: Anteil der Beschäftigten in Berufen nach Substituierbarkeitspotenzial und Berufssegmenten in ausgewählten Kreisen

Die fünf am stärksten betroffenen Kreise Kronach, Tuttlingen, Emden Stadt, Sonneberg und Dingolfing-Landau weisen hohe Beschäftigtenanteile vor allem bei den hoch substituierbaren Fertigungstechnischen und Fertigungsberufen auf. Die höchsten Werte haben der Kreis Sonneberg mit fast 26 Prozent der Beschäftigten in den Fertigungsberufen und der Kreis Dingolfing-Landau mit 22 Prozent in den Fertigungstechnischen Berufen. Aber auch Verkehrs- und Logistikberufe mit 12 Prozent der Beschäftigten in Emden und in Dingolfing-Landau spielen hier eine große Rolle. Die meisten anderen Berufssegmente enthalten nur vergleichsweise wenige oder keine Berufe, in denen mehr als 70 Prozent aller Tätigkeiten durch Computer oder computergesteuerte Maschinen ersetzt werden könnten.

In den fünf am wenigsten betroffenen Kreisen Vorpommern-Rügen, Frankfurt (Oder) Stadt, Potsdam Stadt, Berlin Stadt und München Stadt arbeiten dagegen viele Beschäftigte in Dienstleistungsberufen mit geringem Substituierbarkeitspotenzial. Dort könnten höchstens 30 Prozent aller Tätigkeiten durch Computer oder computergesteuerte Maschinen ersetzt werden. Es handelt sich hierbei vor allem um Soziale und Kulturelle Dienstleistungsberufe mit zum Beispiel gut 12 Prozent der Beschäftigten in Potsdam und um Medizinische und Nichtmedizinische Gesundheitsberufe mit zum Beispiel rund 10 Prozent der Beschäftigten in Frankfurt (Oder) sowie um Berufe im Lebensmittel- und Gastgewerbe in Vorpommern-Rügen und um IT- und naturwissenschaftliche Berufe in München.

Innerhalb von Arbeitsmarktregionen finden Ausgleichsprozesse statt

Um die Bedeutung dieser Ergebnisse besser bewerten zu können, ist es wichtig, nicht nur die Kreise isoliert zu betrachten, sondern Ausgleichsprozesse innerhalb von Arbeitsmarktregionen zu berücksichtigen. Wie aus Abbildung 1 zu ersehen ist, liegen Regionen mit niedrigen und hohen Werten häufig dicht beieinander. Um zu berücksichtigen, wie stark die dargestellten Kreise durch Beschäftigtenströme miteinander verbunden sind, bietet es sich an, Substituierbarkeitspotenziale im Zusammenhang mit der jeweiligen Arbeitsmarktregion zu betrachten (siehe Infokasten „Arbeitsmarktregionen“).

Innerhalb von Arbeitsmarktregionen können relativ starke Ausgleichsmechanismen stattfinden. Führt die Digitalisierung zum Beispiel dazu, dass in einem Kreis die Nachfrage nach hoch qualifizierten Arbeitskräften steigt, können diese auch aus (benachbarten) Kreisen innerhalb derselben Arbeitsmarktregion gewonnen werden. Werden umgekehrt durch die Digitalisierung Arbeitskräfte in einem Kreis freigesetzt, so ergeben sich möglicherweise Beschäftigungsmöglichkeiten in einem benachbarten Kreis. Solche Ausgleichprozesse sind in Arbeitsmarktregionen, die keine solche Durchmischung der Substituierbarkeitspotenziale aufweisen, nur sehr eingeschränkt möglich.

In Abbildung 3 ist der Anteil an Beschäftigten, die in einem hoch substituierbaren Beruf arbeiten, nach Arbeitsmarktregionen dargestellt. Die Arbeitsmarktregionen Schwarzbach-Baar, Wunsiedel, Coburg und Siegen weisen mit über einem Drittel der Beschäftigten in hoch substituierbaren Berufen die höchsten Werte auf. Demgegenüber liegen die Anteile in Neubrandenburg, Rostock, Berlin und Greifswald/Stralsund unter 20 Prozent. Obwohl die Zusammenfassung der Kreiswerte die Spanne der Werte reduziert hat, bestehen also auch zwischen Arbeitsmarktregionen deutliche Unterschiede bei den Substituierbarkeitspotenzialen.Abbildung 3: Anteil der Beschäftigten in Berufen mit hohem Substituierbarkeitspotenzial nach Arbeitsmarktregionen

Wie bei den Kreisen erhöht die Konzentration der Beschäftigten in den Fertigungs- und Fertigungstechnischen Berufen auch in den Arbeitsmarktregionen die regionalen Substituierbarkeitspotenziale. Hohe Beschäftigtenanteile in den Sozialen und Kulturellen Dienstleistungsberufen oder den Medizinischen und Nichtmedizinischen Gesundheitsberufen reduzieren sie dagegen.

Selbst wenn die Beschäftigtenanteile in hoch substituierbaren Berufen sich zwischen Arbeitsmarktregionen nicht so stark unterscheiden wie zwischen Kreisen: Die Werte in den stark betroffenen Arbeitsmarktregionen sind immer noch teils mehr als doppelt so hoch wie in den gering betroffenen Arbeitsmarktregionen.

Wenn die eingangs formulierte Annahme zutrifft, dass sich die Berufsstruktur dort stärker verändert, wo Substituierbarkeitspotenziale hoch sind – sei es, weil sich die Berufe und deren Anforderungsprofile verändern oder weil einige Berufe zahlenmäßig schrumpfen und andere wachsen –, dann sollten die Arbeitsmarktregionen mit hohen Substituierbarkeitspotenzialen besonders im Fokus einer arbeitsmarktpolitischen Förderung und Begleitung stehen, zum Beispiel in Form von Qualifikationsangeboten. Insbesondere die hoch substituierbaren Fertigungs- und Fertigungstechnischen Berufe sind für den Wirtschafts- und Industriestandort Deutschland prägend. Darum hat die Unterstützung des Wandels in diesem Bereich eine besondere Bedeutung.

Fazit

Angesichts unterschiedlicher Berufsstrukturen variieren auch die regionalen Anteile an hoch substituierbaren Berufen deutlich. Dabei reichen die Werte für die Kreise in Deutschland von 14 bis 51 Prozent. Für diese Unterschiede zwischen den Regionen spielt die historisch gewachsene Branchenstruktur eine wichtige Rolle. Vor allem ein starkes Verarbeitendes Gewerbe führt zu hohen Beschäftigtenanteilen in hoch substituierbaren Berufen, während hohe Beschäftigtenanteile in vielen Dienstleistungsberufen diese deutlich senken.

Häufig gleichen sich niedrige und hohe Werte für Kreise innerhalb von Arbeitsmarktregionen aus. Dennoch reichen die Beschäftigtenanteile in hoch substituierbaren Berufen auch hier noch von 15 bis 38 Prozent. In den Arbeitsmarktregionen mit hohen Werten gilt es, künftige Entwicklungen arbeitsmarktpolitisch zu begleiten und geeignete Qualifikationsangebote bereitzustellen. Denn der Ausgleich zwischen Regionen mit hohen und niedrigen Substituierbarkeitswerten stößt hier an Grenzen, weil nur relativ wenige Menschen über die Arbeitsmarktregion hinaus mobil sind.

Literatur

Blien, Uwe; Ludewig, Oliver (2017): Technological Progress and (Un)employment Development. IZA Discussion Paper No. 10472.

Buch, Tanja; Dengler, Katharina; Matthes, Britta (2016): Relevanz der Digitalisierung für die Bundesländer: Saarland, Thüringen und Baden-Württemberg haben den größten Anpassungsbedarf. IAB-Kurzbericht Nr. 14.

Dengler, Katharina; Matthes, Britta (2018a): Substituierbarkeitspotenziale von Berufen: Wenige Berufsbilder halten mit der Digitalisierung Schritt. IAB-Kurzbericht Nr. 4.

Dengler, Katharina; Matthes, Britta (2015a): Folgen der Digitalisierung für die Arbeitswelt: Substituierbarkeitspotenziale von Berufen in Deutschland. IAB-Forschungsbericht Nr. 11.

Dengler, Katharina; Matthes, Britta (2015b): Folgen der Digitalisierung für die Arbeitswelt: In kaum einem Beruf ist der Mensch vollständig ersetzbar. IAB-Kurzbericht Nr. 24.

Dengler, Katharina; Matthes, Britta; Wydra-Somaggio, Gabriele (2018): Digitalisierung in den Bundesländern: Regionale Branchen- und Berufsstrukturen prägen die Substituierbarkeitspotenziale. IAB-Kurzbericht Nr. 22.

Kropp, Per; Schwengler, Barbara (2011): Abgrenzung von Arbeitsmarktregionen. Ein Methodenvorschlag. In: Raumforschung und Raumordnung, 69, S. 45–62.

 

Grienberger, Katharina; Kropp, Per (2019): Die Digitalisierung wirkt sich regional unterschiedlich aus, In: IAB-Forum 12. September 2019, https://www.iab-forum.de/die-digitalisierung-wirkt-sich-regional-unterschiedlich-aus/, Abrufdatum: 3. December 2024