Die Konjunkturdynamik bleibt weiterhin schwach. Sowohl die Inlands- als auch die Auslandsnachfrage leiden unter der anhaltend hohen Inflation und den gestiegenen Zinsen. Dementsprechend bleibt der Konsum gedämpft und die Industrieproduktion gibt weiter nach. Gemäß den Vorlaufindikatoren ist auch in den kommenden Monaten kein Aufwind zu erwarten. Zwar zeigt sich der Arbeitsmarkt vor diesem Hintergrund robust, insgesamt zeichnet sich aber eine zunehmend schwächere Entwicklung ab. Das IAB-Arbeitsmarktbarometer sinkt diesen Monat zum ersten Mal seit der Corona-Krise unter die neutrale Marke von 100.

Außenwirtschaftliches Umfeld

Die Weltwirtschaft entwickelte sich im zweiten Quartal 2023 heterogen. Das Bruttoinlandsprodukt der USA konnte trotz der starken Leitzinserhöhungen noch um 0,5 Prozent wachsen. Der Indikator zur Einschätzung der dortigen aktuellen konjunkturellen Lage stieg zum dritten Mal infolge, die Aussichten für die nächsten Monate sind aber weiter pessimistisch. Das Wirtschaftswachstum Chinas ist mit 0,8 Prozent hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Hier machen sich Probleme auf den Immobilienmärkten bemerkbar. Infolgedessen trüben sich die Vorlaufindikatoren für die chinesische Wirtschaft zuletzt weiter ein. Die Eurozone expandierte im ersten und zweiten Quartal leicht mit einem Wirtschaftswachstum von jeweils 0,1 Prozent. Die Konjunktureinschätzungen sind hier weiter im pessimistischen Bereich, verschlechtern sich aber zumindest nicht.

Außenhandel

Insgesamt ist die Auslandsnachfrage kraftlos, weshalb mit Impulsen durch den Außenhandel derzeit nicht zu rechnen ist. Die Exporte stagnieren tendenziell, die Importe verringern sich, auch wenn der Trend zuletzt abgeflacht ist. Die Exporte in Nicht-EU-Staaten sind im August erneut zurückgegangen. Der Ausblick verschlechtert sich abermals: Die Exporterwartungen im Verarbeitenden Gewerbe sanken im September merklich. Das schlägt sich auch in der Industrie nieder. So ist die Industrieproduktion seit mehreren Monaten rückläufig, der Auftragseingang zeigt sich sehr volatil, nimmt aber im Schnitt ebenfalls ab. Insgesamt schmilzt somit das Auftragspolster der Unternehmen.

Investitionen

Die Investitionen stiegen im zweiten Quartal zwar erneut, aber schwächer als noch im Vorquartal. Der Auftragseingang und auch der Umsatz der Investitionsgüterhersteller weisen tendenziell nach oben, wenngleich beide Größen im Juli nachgaben. Durch die zunehmende Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen leidet aber insbesondere das Baugewerbe, was die Bauinvestitionen dämpft. Der Geschäftsklimaindex im Bauhauptgewerbe liegt auf einem äußerst niedrigen Niveau und verschlechtert sich weiter. Im dritten Quartal ist daher keine Belebung absehbar. Dem gegenüber steht das baupolitische Unterstützungspaket, das aber in der kurzen Frist noch kaum Wirkung entfalten wird.

Konsum

Die hartnäckig hohe Inflation dämpft den Konsum weiterhin. Im September ist ein Rückgang des Verbraucherpreisindex im Jahresvergleich zu erwarten, da der Basiseffekt infolge der Einführung des 9-Euro-Tickets im Vorjahr wegfällt. Dennoch führen die anhaltenden Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln dazu, dass der Verbraucherpreisindex nur noch sehr langsam sinkt. Das verzögert die Erholung des privaten Konsums. Auch die Vorlaufindikatoren zeigen keine Entspannung in naher Zukunft an. Der Geschäftsklimaindex für den Dienstleistungssektor hat zuletzt nochmals nachgegeben. Der Konsumklimaindex befindet sich gleichfalls klar im negativen Bereich.

Arbeitsmarkt

Der Arbeitsmarkt läuft nach wie vor besser als die Konjunktur, aber es zeigen sich auch hier deutliche Effekte des Wirtschaftsabschwungs. Die Arbeitslosigkeit stieg im September moderat an. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung legte im Juli nur wenig zu. Der Bestand an gemeldeten Stellen nahm diesen Monat weiter ab. Das IAB-Arbeitsmarktbarometer liegt erstmals seit der Corona-Krise unter der neutralen Marke von 100. Mit Blick auf die nächsten Monate kann man daher davon ausgehen, dass die Arbeitslosigkeit weiter steigt und die Beschäftigung kaum noch wächst.

DOI: 10.48720/IAB.FOO.20230929.01

Bauer, Anja; Weber, Enzo (2023): Einschätzung des IAB zur wirtschaftlichen Lage – September 2023, In: IAB-Forum 29. September 2023, https://www.iab-forum.de/einschaetzung-des-iab-zur-wirtschaftlichen-lage-september-2023/, Abrufdatum: 21. November 2024