In der öffentlichen Debatte wird häufig unterstellt, dass sich Menschen durch den Bezug von Bürgergeld, darunter auch Migrant*innen und Geflüchtete, besserstellen als durch Beschäftigung. Fakt ist: Es gibt keine Konstellation, in der jemand, der arbeitet und alle erlaubten Transfers in Anspruch nimmt, weniger hat als jemand, der nicht arbeitet. Das zeigen aktuelle Forschungsergebnisse des IAB.

Das IAB betreibt umfangreiche Forschung zum Themenkomplex „Migration und Bürgergeld“. Im Folgenden bieten wir Ihnen einen Überblick über ausgewählte aktuelle Befunde zu diesem Forschungsfeld.


Seit Einführung der Grundsicherung sind die Erwerbstätigenquoten von Migrant*innen stark gestiegen – trotz Fluchtmigration

  • Die Erwerbstätigenquoten von Migrant*innen sind seit Einführung der Grundsicherung für Erwerbslose im Jahr 2005 von 58 Prozent auf 69 Prozent im Jahr 2023 gestiegen. Allerdings haben auch die Erwerbstätigenquoten im Bevölkerungsdurchschnitt im gleichen Zeitraum von 66 auf 77 Prozent zugenommen (siehe Abbildung 1).
  • Die Erwerbstätigenquote von Migrant*innen (ohne diejenigen aus den wichtigsten Fluchtherkunftsländern Afghanistan, Irak, Iran, Pakistan, Syrien und Ukraine, belief sich im Jahr 2023 auf 75 Prozent – im Vergleich zu 77 Prozent im Bevölkerungsdurchschnitt.
  • Obwohl Deutschland anteilig sehr viel mehr Geflüchtete als die meisten anderen EU-Mitgliedsstaaten aufgenommen hat, lag die Erwerbstätigenquote von Migrant*innen nach Berechnungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Jahr 2023 mit 70 Prozent über dem EU-Durchschnitt von 66 Prozent.

Quellen: Destatis, Mikrozensus, verschiedene Ausgaben; OECD 2024.

Abbildung 1 zeigt in einem Liniendiagramm Erwerbstätigenquote bei Migrantinnen und Migranten im erwerbsfähigen Alter im Zeitraum von 2005 bis 2003. Dabei wird auch unterteilt in Person mit und ohne Fluchthistorie. Die Gesamtquote der Erwerbstätigen stieg im untersuchten Zeitraum von gut 65 Prozent auf über 75 Prozent an. Die Herkunft der erfassten Personen bezieht sich auf die Staaten Afghanistan, Irak, Iran, Pakistan, Syrien und Ukraine.


Das Wachstum der Erwerbstätigkeit stärkt die Einnahmeseite des Sozialstaats

  • Die Zahl der Erwerbstätigen ist in Deutschland von 2005, dem Jahr der Einführung der Grundsicherung, bis 2023 um 6,1 Millionen Personen (+17 %) gestiegen (siehe Tabelle). Das hat erheblich dazu beigetragen, dass die Einnahmen aus Steuern und Sozialabgaben in dieser Zeit deutlich zugenommen haben. Davon profitieren überwiegend die altersbezogenen sozialen Sicherungssysteme (Renten-, Pflege-, Krankenversicherung), aber auf der Einnahmenseite auch das Bürgergeld und die Arbeitslosenversicherung.
  • Dieses Wachstum geht auf die Steigerung der Erwerbstätigkeit von Personen mit Migrationshintergrund zurück (+6,3 Millionen Erwerbstätige, +116 %).
  • Aufgrund der rückläufigen Zahl an Erwerbstätigen ohne Migrationshintergrund wuchs die Gesamtzahl der Erwerbstätigen im Jahr 2023 nur noch dank ausländischer Beschäftigter. Auch künftig ist eine Zunahme der Erwerbstätigkeit und damit eine Stärkung der sozialstaatlichen Finanzierungsbasis ohne Migration kaum realistisch.

Quelle: Destatis, Mikrozensus, verschiedene Ausgaben.

Die Tabelle zeigt, dass sich die Zahl der Erwerbstätigen mit Migrationshintergrund zwischen 2005 und 2023 mehr als verdopplet hat.


Die Leistungsbezugsquoten von Migrant*innen sinken tendenziell, aber die starke Fluchtmigration 2015 und 2022 hat diesen Trend unterbrochen

  • Dem Anstieg der Erwerbstätigkeit um 6,1 Millionen Personen durch Migration steht ein Anstieg der Ausgaben für Erwerbslosigkeit, insbesondere für Leistungen der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II, gegenüber.
  • Die Zahl der Personen mit Migrationshintergrund, die ihren Lebensunterhalt überwiegend durch Leistungen nach dem SGB II bestreiten, ist von 1,2 Millionen im Jahr 2010 auf 2,1 Millionen im Jahr 2023 gestiegen. Allerdings hat sich die Bevölkerung mit Migrationshintergrund zugleich mehr als verdoppelt. Der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund, die ihren Lebensunterhalt überwiegend durch Leistungen nach dem SGB II bestreiten, ist im gleichen Zeitraum geringfügig von 9,3 auf 9,2 Prozent gesunken (siehe Abbildung 2).
  • Der Anteil der Personen, die ihren Lebensunterhalt überwiegend durch Leistungen nach dem SGB II bestreiten, ist bei Migrant*innen ohne Fluchthistorie im gleichen Zeitraum von 8,7 auf 5,4 Prozent gesunken. Er liegt damit nur noch geringfügig höher als im Bevölkerungsdurchschnitt.
  • Diese Entwicklung bestätigt auch die Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA): Die Zahl erwerbsfähiger Leistungsberechtigter ist von 2014 bis 2023 von 4,2 auf 3,9 Millionen gesunken, ohne Personen aus den wichtigsten Asylherkunftsländern und ohne Ukrainer*innen auf 2,9 Millionen.

Quellen: Destatis, Mikrozensus und Statistik der BA, eigene Berechnungen.

Abbildung 2 zeigt, dass der Anteil der Migrantinnen und Migranten, die ihren Lebensunterhalt überwiegend durch Bürgergeld bestreiten, abgenommen hat. Im beobachteten Zeitraum von 2010 von 2023 sank der der prozentuale Anteil dieser Personen


Wer nimmt Bürgergeld in Anspruch? Soziodemografie der Leistungsbeziehenden

  • Rund zwei Drittel der arbeitsuchenden erwerbsfähigen Leistungsberechtigten hatten keinen Berufsabschluss.
  • Unter den Personen ohne Berufsabschluss sind überdurchschnittlich viele ausländische Staatsangehörige: 19,1 Prozent der jungen Erwachsenen im Alter von 20 bis 34 Jahren in Deutschland verfügten 2022 über keinen Berufsabschluss. Das sind 2,86 Millionen Menschen. Während 12,7 Prozent (2021: 11,7 %) der 20- bis 34-Jährigen mit einer deutschen Staatsbürgerschaft keine Berufsausbildung aufweisen, waren es bei den ausländischen Gleichaltrigen mit einer Quote von 38,1 Prozent (2021) genau dreimal so viele. Die Durchschnittswerte sind allerdings nicht ganz vergleichbar, weil viele ausländische Staatsangehörige neu eingewandert sind und viele sich noch in Bildung und Ausbildung befinden.
  • Die Unterschiede sind auch auf Unterschiede in den Bildungssystemen der Herkunftsländer zurückzuführen, die in der Regel kein duales Berufsbildungssystem kennen. Die Unterschiede in den Schulabschlüssen sind deshalb sehr viel geringer als in den Berufsabschlüssen.
  • Unterschiede in den Berufsabschlüssen alleine erklären die Unterschiede im Leistungsbezug nicht. Während Personen ohne Berufsabschluss, die mit einem Aufenthaltstitel zu Erwerbszwecken nach Deutschland zugezogen sind, im Durchschnitt niedrigere Leistungsbezugsquoten als die deutschen Staatsangehörigen aufweisen, sind die Leistungsbezugsquoten von Hochschulabsolventen, die als Geflüchtete gekommen sind, höher als von anderen Migrant*innen ohne Berufsabschluss.
  • Die Arbeitslosenquote der Menschen ohne Berufsausbildung war 2022 mit 19,8 Prozent sehr viel höher als im Bevölkerungsdurchschnitt, die Beschäftigungsrisiken ebenfalls (Drehtüreffekt).
  • Menschen ohne Berufsausbildung machen 60 Prozent der Langzeitarbeitslosen aus.

Geflüchtete integrieren sich langsamer in den Arbeitsmarkt, aber mit zunehmender Aufenthaltsdauer gleichen sich die Erwerbstätigenquoten an

  • Geflüchtete integrieren sich aufgrund der persönlichen Folgen von Krieg, Verfolgung und Flucht häufig langsamer als andere Migrantinnen und Migranten in den Arbeitsmarkt. Hemmend wirken zudem die schlechtere Passung zwischen ihrer (Aus-)Bildung und den Arbeitsmarktanforderungen in Deutschland sowie institutionelle Hürden (Beschäftigungsverbote, Asylverfahren, Wohnsitzauflagen).
  • Die Erwerbstätigkeitsquoten nähern sich jedoch denjenigen anderer Migrantengruppen und dem Bevölkerungsdurchschnitt an: Nach acht Jahren sind 68 Prozent erwerbstätig (siehe Abbildung 3). Die Erwerbstätigenquote der Männer ist nach acht Jahren sogar höher als die der Männer im Bevölkerungsdurchschnitt.
  • Die Arbeitsmarktintegration kann durch schnellere Asylverfahren, frühzeitige und bessere Sprachangebote, Abbau institutioneller Hürden wie Wohnsitzauflagen, vermehrte Vermittlungsanstrengungen, Eingliederungshilfen und Abbau von Diskriminierung beschleunigt werden.
  • Dennoch wird die Arbeitsmarktintegration Geflüchteter immer langsamer als die anderer Migrantengruppen erfolgen. Das kostet den Sozialstaat in der Anfangsphase Geld. Aber: Es handelt sich um eine humanitäre Aufgabe.

Quellen: IAB-Kurzbericht 10/2024; IAB-Forschungsbericht 12/2024.

Abbildung 3 zeigt, dass die Erwerbstätigenquote der Geflüchteten in den Jahren nach ihrer Ankunft in Deutschland stark ansteigt. Nach acht Jahren liegt sie bei männlichen Geflüchteten bei 86 Prozent, bei weiblichen Geflüchteten bei 33 Prozent.

Literatur

Brücker, Herbert; Ehab, Maye; Jaschke, Philipp; Kosyakova, Yuliya (2024): Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten: Verbesserte institutionelle Rahmenbedingungen fördern die Erwerbstätigkeit. IAB-Kurzbericht Nr. 10.

Brücker, Herbert; Ehab, Maye; Jaschke, Philipp; Kosyakova, Yuliya (2024): Institutionelle Hürden beeinflussen Umfang und Qualität der Erwerbstätigkeit von Geflüchteten. IAB-Forschungsbericht Nr. 12/2024.

OECD (2024): Stand der Integration von Eingewanderten: Deutschland. OECD, Paris.

 

Bild: TommyStockProject/stock.adobe.com

DOI: 10.48720/IAB.FOO.20250324.01

Brücker, Herbert (2025): Erschwert das Bürgergeld die Integration von Migrantinnen und Migranten in den Arbeitsmarkt?, In: IAB-Forum 24. März 2025, https://www.iab-forum.de/erschwert-das-buergergeld-die-integration-von-migrantinnen-und-migranten-in-den-arbeitsmarkt/, Abrufdatum: 26. March 2025

 

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