Mit einer Publikation über die Subvention von Unternehmen in China gewannen der IAB-Forscher Ignat Stepanok und Holger Görg vom Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) gemeinsam mit zwei Mitautor*innen den diesjährigen Harry G. Johnson Prize der Canadian Economics Association. Die Redaktion des IAB-Forum hat dies zum Anlass genommen, um mit Stepanok und Görg über die Auswirkungen der chinesischen Subventionen auf die europäische Wirtschaft zu sprechen – und über nötige Maßnahmen, um eine Verzerrung des Wettbewerbs zu vermeiden.

Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des Preises für Ihr Paper „Who wins and who loses from state subsidies“. Was war das Hauptergebnis Ihrer Studie?

Stepanok: Vielen Dank! In unserer Studie untersuchen wir die direkten und indirekten Effekte von Subventionen auf das Produktivitätswachstum von Unternehmen in China. Wenn ein Unternehmen staatliche Hilfe bekommt, sprechen wir von direkten Auswirkungen. Die Unternehmen im selben Wirtschaftszweig und geografischem Cluster, die keine Subventionen bekommen, sind aber auch betroffen, dann geht es um indirekte Effekte. Wir finden positive direkte und negative indirekte Effekte. Wenn wir allerdings aggregieren, dominieren meist die negativen Effekte.

Portrait von Holger Görg.

Prof. Holger Görg ist Professor für Außenwirtschaft an der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel und Direktor des Forschungszentrums ‚Internationaler Handel und Investitionen‘ am Kiel Institut für Weltwirtschaft.

Görg: Unser Ergebnis zeigt also, dass China sich mit dieser Politik durchaus auch ins eigene Fleisch schneidet – ein wichtiger Punkt, der in den aktuellen Debatten nicht wirklich berücksichtigt wird. Methodisch ist die Fragestellung nicht trivial, da die Wirtschaftspolitik natürlich auswählt, wer subventioniert werden soll. Um diese Auswahlmechanismen zu korrigieren, nutzten wir eine neue ökonometrische Methode.

Görg: China schneidet sich auch ins eigene Fleisch!

Welche Daten standen Ihnen zur Verfügung?

Görg: Wir nutzten detaillierte Daten auf Unternehmensebene, die wir vom Nationalen Statistischen Amt Chinas erhalten haben. In diesen sind Informationen zu Subventionen, die Firmen erhalten haben, enthalten. Insgesamt basieren unsere Berechnungen auf knapp einer Million Beobachtungen. Leider sind diese Daten nur für den Zeitraum von 1998 bis 2007 für die Forschung verfügbar.

Sind diese Ergebnisse auf die heutige Situation übertragbar?

Görg: Subventionen spielen in der chinesischen Industriepolitik nach wie vor eine große Rolle. Eine Studie von IfW-Kollegen hat zum Beispiel kürzlich gezeigt, dass der Großteil der börsennotierten Unternehmen in grünen Technologien in China durch Subventionen unterstützt wird.

Stepanok: Unsere Studie richtete sich ja auf die Auswirkungen von chinesischen Subventionen auf die Unternehmen innerhalb Chinas. Wir gingen also der Frage nach, inwiefern Subventionen eine gute Strategie für die eigene Wirtschaft sind. Das ist aber nur ein Teil der gesamten Debatte. Aktuell steht eher im Fokus, welche Auswirkungen die Subventionen innerhalb Chinas auf andere Länder und deren Wirtschaft haben. E-Autos, die in China produziert werden und dort staatliche Hilfen bekommen, haben etwa einen Einfluss auf den europäischen Markt und europäische Produzenten.

Stepanok: Die subventionierten Unternehmen können billiger verkaufen und dadurch Marktanteile gewinnen.

China wird schon seit langem vorgeworfen, mit seinen Staatsgeldern den weltweiten Wettbewerb zu verzerren. Welche Folgen hat das für die europäische Industrie und deren Arbeitsplätze?

Portrait von Ignat Stepanok.

Dr. Ignat Stepanok ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am IAB im Forschungsbereich „Integration, Migration und internationale Arbeitsmarktforschung“.

Stepanok: Die subventionierten Unternehmen können billiger verkaufen und dadurch Marktanteile gewinnen. Das kann negative Folgen für Unternehmen in Europa haben – vor allem, wenn es sich um eine Langzeitstrategie handelt, die damit auch die Investitionen in Forschung und Entwicklung in Europa verzerrt. Potenziell ist mit niedrigeren Investitionen zu rechnen, und mit einem negativen Einfluss auf die Entwicklung von Technologien und auf die Wettbewerbsfähigkeit von nicht subventionierten Unternehmen. Das würde sich negativ auf das Wirtschaftswachstum und den Arbeitsmarkt auswirken.

Görg: Auf der anderen Seite hat es aber natürlich positive Auswirkungen auf Konsumenten, die die subventionierten Güter günstiger erwerben können, als es ansonsten der Fall wäre. Auch in Europa. Dadurch wird auch die Transformation der Mobilität hin zu grünen Technologien unterstützt.

Die aktuelle Debatte zu Chinas E-Autos schürt tatsächlich die Sorge, China könnte den europäischen Markt mit Produkten zu Dumpingpreisen fluten. Was sagen Sie dazu?

Stepanok: Die Befürchtung ist natürlich nicht unberechtigt. Wir wissen inzwischen, dass chinesische E-Autoproduzenten und ihre Zulieferer in China stark subventioniert werden. Wegen der Sicherheitsbestimmungen der EU werden die chinesischen E-Autos zwar hierzulande nicht zu denselben niedrigen Preisen wie in China verkauft. Die Preise sind aber trotzdem wesentlich niedriger im Vergleich zu denen anderer Produzenten auf dem europäischen Markt.

Stepanok: Die Preise von E-Autos in der EU werden insgesamt höher ausfallen, wenn es Sonderzölle gibt.

Dass die EU Sonderzölle gegen in China tätige Autobauer verhängt hat, ist aus Ihrer Sicht der richtige Ansatz?

Stepanok: Die EU muss natürlich reagieren, und die Sonderzölle sind eine Maßnahme, die schnell und EU-weit einheitlich implementiert werden kann. Das Problem mit den Zöllen ist, dass sie auch wesentliche Risiken bergen: Die Preise von E-Autos in der EU werden insgesamt höher ausfallen, europäische Zulieferer für die Produzenten in China werden wegen niedrigerer Nachfrage weniger nach China exportieren. Europäische Unternehmen, die in China für den europäischen Markt produzieren und nach Europa exportieren, werden ebenfalls von den Zöllen betroffen sein. Und nicht zuletzt besteht das Risiko, dass auch China mit weiteren Zöllen reagieren wird.

Görg: Werden die Zölle tatsächlich eingeführt und es kommt zu Preisaufschlägen, bedeutet das, dass der eh schon schwache Markt für Elektroautos noch langsamer wächst. Das hätte dann natürlich auch Implikationen für die Klimatransformation hin zu grünen Autos.

Sehen Sie bessere Möglichkeiten?

Stepanok: Die EU könnte etwa eine Kaufprämie für E-Autos einführen, die in Ländern produziert werden, in denen die Subventionen unter einer bestimmten Schwelle liegen. Das würde die Wettbewerbsverzerrungen durch subventionierte chinesische E-Autos potenziell ausgleichen, ohne die soeben erwähnten Nachteile. Das Risiko eines Handelskonflikts wäre ebenfalls niedriger. Allerdings müssten wir, um einschätzen zu können, wie gut solch eine Lösung funktioniert, auch wissen, wie hoch die Kosten ausfallen würden. Es dürfte schwierig werden, die finanziellen Mittel aufzubringen – und das Verfahren auf der EU Ebene abzustimmen.

Görg: Generell wäre es wünschenswert, wenn die EU die Streitschlichtungsmechanismen der WTO anrufen würde.

Wie sollte Europa beziehungsweise Deutschland darüber hinaus auf die chinesischen Subventionen reagieren?

Görg: Nun, bevor es zur Eskalation kommt, sollten natürlich alle Kanäle der Diplomatie und Kooperation genutzt werden. Hier kann die Androhung von Maßnahmen schon helfen. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass sich die EU hier an die Spielregeln der Welthandelsorganisation (WTO) hält. Nur so kann sie glaubwürdig bleiben. Gerade bei den Prämien, die ich generell auch sinnvoller als Zölle finde, sehe ich ein mögliches Problem der WTO-Konformität. Nämlich, dass damit das Nicht-Diskriminierungsgebot – wonach es keine ungleiche Behandlung auf Basis der Nationalität geben darf – gebrochen wird. Ich bin aber kein Jurist. Generell wäre es wünschenswert, wenn die EU die Streitschlichtungsmechanismen der WTO anrufen würde – auch wenn diese Mechanismen leider seit einigen Jahren nicht mehr optimal funktionieren.

Sehen Sie die Gefahr eines Handelskonflikts?

Görg: Hoffen wir, dass alle Beteiligten einen kühlen Kopf bewahren und es nicht zu einem Konflikt kommt. Denn dann gibt es hauptsächlich nur Verlierer. Kommt es zu den Zöllen, muss mit Preisaufschlägen gerechnet werden und der eh schon schwache Markt für Elektroautos entwickelt sich noch langsamer. Das hätte dann natürlich auch Implikationen für die Klimatransformation hin zu grüner Mobilität. Eine Imitation der Subventionen schadet der Wirtschaft aber auch – knappe Mittel des Staates können besser eingesetzt werden als die Kassen der Unternehmen zu füllen, von denen viele auch ohne staatliche Hilfe sehr gut zurechtkommen.

 

Literatur

Jun, Du; Girma, Sourafel; Görg, Holger; Stepanok, Ignat (2022): Who wins and who loses from state subsidies?, Kiel working paper 2220.

 

Bild: gesrey/stock.adobe.com

DOI: 10.48720/IAB.FOO.20240708.01

Keitel, Christiane; Schludi, Martin (2024): EU-Reaktion auf chinesische Subventionen: „Sonderzölle bergen wesentliche Risiken“, In: IAB-Forum 8. Juli 2024, https://www.iab-forum.de/eu-reaktion-auf-chinesische-subventionen-sonderzoelle-bergen-wesentliche-risiken/, Abrufdatum: 18. November 2024