Die Zahl der Geburten pro Frau schwankt in Deutschland je nach Region erheblich. Vor allem in Bundesländern mit geringem Gender-Pay-Gap bewegen sich die Geburtenraten deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Woran liegt das? Eine Untersuchung der regional unterschiedlichen Entwicklung der Geburtenraten in wirtschaftlichen Krisenzeiten gibt interessante Aufschlüsse.

Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden die Dynamik des Arbeitsmarktes ebenso wie Bevölkerungstrends wesentlich durch den Aufstieg erwerbstätiger Frauen geprägt. Obwohl die Geschlechterdisparitäten hinsichtlich Erwerbstätigkeit, Berufswahl und Einkommen in vielen Ländern erheblich abgenommen haben, weist Deutschland noch immer größere geschlechterspezifische Lücken auf als die meisten europäischen Staaten. Gleichzeitig fällt die zunehmende Erwerbsbeteiligung von Frauen in Deutschland seit Mitte der 1970er-Jahre mit niedrigen Geburtenraten zusammen (siehe Abbildung 1), was perspektivisch die demografische Stabilität des Landes gefährdet.

Wie lässt sich erklären, dass eine steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen zumindest in Deutschland mit einer niedrigen Geburtenrate einhergeht? In der Literatur finden sich dazu insbesondere zwei Erklärungen: erstens eine negative Korrelation zwischen Einkommen und Zahl der Geburten aufgrund der höheren Zeitkosten bei höherem Einkommen, da Kinder zeitlichen Aufwand bedeuten; zweitens ein Kompromiss zwischen der Anzahl von und der Investitionen in Kinder.

Laut einer Theorie des Wirtschaftsnobelpreisträgers Gary Becker haben wohlhabendere Familien im Schnitt weniger Kinder, investieren dafür aber mehr in deren Bildung, wohingegen ärmere Familien zu einer höheren Kinderzahl neigen, aber weniger in deren Bildung investieren. Frauen priorisieren ihre berufliche Laufbahn mit steigendem Einkommen oft gegenüber einer höheren Kinderzahl. Da Frauen mit höherem Einkommen im Schnitt weniger Kinder haben, können sie jedem einzelnen Kind mehr Zeit zuwenden. Daher ist die Geburtenentwicklung von Frauen auch das Ergebnis der Einkommensdynamik von Frauen, wie die Autor*innen und Autoren dieses Artikels in einer jüngst veröffentlichten Studie darlegen.

Ebenso beeinflussen Geschlechterdisparitäten nicht nur die Geburtenraten an sich, sondern auch die Folgen, die wirtschaftliche Verwerfungen auf die Geburtenentwicklung haben. Dies gilt insbesondere in Zeiten einer Rezession. Wie im Folgenden gezeigt wird, haben Rezessionen einen erheblichen, aber keinen eindeutigen Effekt auf das Fertilitätsverhalten.

Aus theoretischer Perspektive ist nicht klar, ob in wirtschaftlichen Krisenzeiten mit einer steigenden oder fallenden Kinderzahl pro Familie zu rechnen ist. Einerseits könnten wirtschaftliche Unsicherheit und Einkommensausfälle die Geburtenrate beeinträchtigen. Andererseits könnten Frauen eine vorübergehende Phase der Erwerbslosigkeit als Chance begreifen, Kinder zu bekommen, da sie weniger zu verlieren haben.

In Deutschland kommen bei schwacher Konjunktur mehr Kinder zur Welt

Ein internationaler Vergleich zeigt, dass diese Effekte je nach Land variieren können. In den USA nimmt die Zahl der Geburten pro Frau während Rezessionen in der Regel ab, in Wachstumsphasen zu. In Deutschland folgt sie jedoch einem anderen Muster. Überraschenderweise gab es sowohl während der Weltfinanzkrise 2009 als auch während der Corona-Rezession 2020 nicht etwa einen Rückgang, sondern einen Anstieg der Geburten.

Dieser Unterschied könnte darauf zurückzuführen sein, dass Deutschland im Vergleich zu den USA großzügigere Sozialleistungen in Form von Elterngeld und Arbeitslosenunterstützung bereitstellt, was die finanzielle Belastung junger Familien bei einem wirtschaftlichen Abschwung dämpft. Außerdem haben Frauen in Deutschland kürzere Arbeitszeiten und Mütter daher mehr Spielraum, ihre Kinderbetreuung zu priorisieren.

Gleichzeitig bestehen in Deutschland große regionale Unterschiede hinsichtlich der Geschlechterlücke, vor allem zwischen Ost- und Westdeutschland. Wie Matthias Collischon und Florian Zimmermann sowie Michaela Fuchs und andere kürzlich in zwei jüngst erschienenen Beiträgen gezeigt haben, ist der Gender-Pay-Gap in den ostdeutschen Bundesländern viel geringer als in den westdeutschen und zwar unabhängig davon, wie er gemessen wird (Erwerbstätigkeit, Arbeitszeit oder Einkommen). Ostdeutsche Frauen tragen daher aus eigener Erwerbstätigkeit mehr zum Familieneinkommen bei als Frauen in Westdeutschland. Diese Diskrepanz hat auch Einfluss darauf, wie sich ökonomische Krisen auf die Geburtenentwicklung auswirken.

Der geschlechtsspezifische Charakter von Rezessionen hat Auswirkungen auf die Geburtenentwicklung

Darüber hinaus variiert die Entwicklung der Geburtenrate in Krisenzeiten sogar mit der Art der Wirtschaftskrise. Besonders die Corona-Rezession hebt sich von anderen Rezessionen ab. Titan Alon et al. stellten in einer Studie aus dem Jahr 2022 fest, dass Rezessionen in der Regel „Mancessions“ sind, da sie männlich dominierte Branchen stärker treffen als weiblich dominierte.

Frauen arbeiten am häufigsten im öffentlichen Dienst sowie im Bildungs- und Gesundheitswesen, Männer dagegen eher in der Baubranche, der verarbeitenden Industrie oder im Finanzsektor. Daher laufen Männer bei schwacher Konjunktur eher Gefahr, ihren Job zu verlieren, als Frauen. Die Corona-Rezession hingegen traf kontaktintensive, weiblich dominierte Gewerbe härter und ließe sich folglich zutreffender als „Shecession“ denn als „Mancession“ beschreiben.

Deutschland hat in den letzten Jahren zwei „große“ Rezessionen erlebt. Die Finanzkrise ließ das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2009 um 4 Prozent einbrechen, die Corona-Krise 2020 um rund 2 Prozent. Während die Erwerbsquote von Frauen aber 2009 sogar noch zunahm (und bei Männern fiel), ging sie 2020 zurück, wie eine Studie von Johann Fuchs und anderen aus dem Jahr 2022 zeigt.

Dies hinterließ auch Spuren in der Geburtenentwicklung. Während der Finanzkrise stieg die Geburtenrate in Bundesländern mit größerem Gender-Pay-Gap, etwa in Bayern, deutlich weniger stark an, wie Abbildung 2a zu entnehmen ist. Die Abbildung veranschaulicht den Zusammenhang zwischen der Veränderung der Geburtenraten im Jahr 2010 gegenüber 2009 und dem Genderverdienstverhältnis (GVH), hier definiert als das Verhältnis zwischen dem durchschnittlichen Tageseinkommen von Frauen und dem durchschnittlichen Tageseinkommen von Männern. Je größer dieser Wert ausfällt, desto kleiner der Gender-Pay-Gap in einer Region.

Auch in Bundesländern mit stärkerem BIP-Rückgang wie Bremen nahm die Geburtenrate weniger stark zu (siehe Abbildung 2b). Da sich die Rezession stark auf männlich dominierte Branchen auswirkte – insbesondere in den westlichen Bundesländern, in denen Männer oft die „Haupternährer“ sind – erlitten Familien erhebliche Einkommensverluste. Dadurch waren sie seltener in der Lage, sich mehr Kinder zu leisten. Daher stieg die Geburtenrate zwischen 2009 und 2010 in den westlichen Bundesländern deutlich weniger stark als in den ostdeutschen.

Während der Corona-Krise verhielt es sich genau umgekehrt. Zwischen 2020 und 2021 war der stärkste Anstieg der Geburtenziffern bei Frauen in den westlichen Bundesländern mit im Mittel niedrigerem Genderverdienstverhältnis zu verzeichnen (siehe Abbildungen 3a und 3b). Dieser Unterschied lässt sich auf den „Shecession“-Charakter der Corona-Krise zurückführen, die viel mehr Frauen um ihre Anstellung brachte als die Finanzkrise. Da Frauen in Westdeutschland aber weniger zum Haushaltseinkommen beitragen, fielen bei diesen Einkommenseinbußen im Schnitt geringer aus. Vor diesem Hintergrund betrachteten sie die Rezession als Gelegenheit, mehr Kinder zu bekommen. In der Folge nahmen die Geburtenraten zwischen 2020 und 2021 in allen westdeutschen Ländern signifikant zu, während sie im Osten zurückgingen oder nur leicht stiegen.

Geringere Geschlechterunterschiede und höhere Geburtenraten sind nur schwer in Einklang zu bringen

Ende 2022 lagen die Geburtenraten in Deutschland zwischen 1,25 Kindern pro Frau in Berlin und 1,52 Kindern pro Frau in Niedersachsen and Rheinland-Pfalz (siehe Abbildung 4). Im Allgemeinen sind sie in Bundesländern mit kleinerer Geschlechterlücke deutlich geringer. Dieser Umstand ist weitgehend darauf zurückzuführen, dass die Rolle von Frauen am Arbeitsmarkt je nach Region variiert.

Wie oben dargelegt, ist der Vergleich zweier großer Rezessionen in dieser Hinsicht höchst aufschlussreich: Er wirft ein Schlaglicht auf die Rolle von Frauen am Arbeitsmarkt und deren Wechselwirkungen mit demografischen Kennzahlen wie der Geburtenrate. Ein Verständnis dieser Wechselwirkungen ist von größter Bedeutung für die Ausgestaltung politischer Maßnahmen, die eine Verkleinerung der Geschlechterlücke, aber zugleich eine Steigerung der Geburtenrate zum Ziel haben.

Diese Erkenntnis ist keineswegs trivial, wie eine Studie von Peter Haan und Katharina Wrohlich (2011) zeigt. Eine IAB-Studie von Timon Hellwanger und anderen (2022) legt zudem nahe, dass eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit von Frauen Deutschland helfen könnte, einer demografisch bedingten Schrumpfung des Arbeitsmarkts entgegenzuwirken.

Ein häufiges Argument lautet, dass die Verfügbarkeit von Kinderbetreuungsangeboten als Ersatz für häusliche Kinderbetreuung verbessert werden muss, wenn sowohl die Erwerbsbeteiligung von Frauen als auch die Geburtenrate steigen sollen. In der Praxis erweist sich dieser Ansatz jedoch als problematisch. Eine Studie von Franziska Zimmert aus dem Jahr 2023 zeigt, dass die Reform der Kinderbetreuung in Deutschland im Jahr 2013 durchaus positive Auswirkungen auf die Arbeitszeiten von Müttern hatte.

So begrüßenswert dies ist: Deutschland liegt beim Anteil von Kleinkindern bis drei Jahre, die in Vollzeitbetreuung sind, noch immer hinter anderen europäischen Ländern. Auch Henrik Kleven und andere kommen in einer aktuellen Studie zu ähnlichen Ergebnissen: In Österreich hatten demnach mehrere familienpolitische Reformen bei der Elternzeit und der staatlich bezuschussten Kinderbetreuung nahezu keinen Einfluss auf die Geschlechterkonvergenz. Ein möglicher Grund, warum diese Reformen die beabsichtigte Stärkung der Position von Frauen am Arbeitsmarkt verfehlten, könnten starke traditionelle Geschlechternormen hinsichtlich des Mutterschaftsurlaubs und der Aufteilung der Hausarbeit zwischen Männern und Frauen sein.

Fazit

Eine Verbesserung der Geschlechtergleichstellung am Arbeitsmarkt stärkt den finanziellen Beitrag von Frauen zum gemeinsamen Haushaltseinkommen und verbessert damit die wirtschaftliche Lage vieler Familien in Krisenzeiten. Doch Frauen mit hoher Erwerbsbeteiligung, die zugleich die Hauptverantwortung für die Kinderbetreuung tragen, stehen vor erheblichen Schwierigkeiten, die vielfach zu insgesamt niedrigeren Geburtenraten führen. Folglich sehen sie sich mit einem Zielkonflikt konfrontiert, der nur schwer aufzulösen ist.

Um Frauen wirklich eine bessere Teilhabe am Arbeitsmarkt zu ermöglichen und die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familie zu fördern, muss die Politik Kinderbetreuungsangebote weiter ausbauen und zugleich die Gleichstellung am Arbeitsplatz verbessern.

In aller Kürze

  • In Deutschland steigt die Geburtenrate in wirtschaftlichen Krisenzeiten.
  • Zwischen den deutschen Bundesländern bestehen große Unterschiede hinsichtlich der Lohnlücke zwischen den Geschlechtern (16 bis 43 Prozent) und der Geburtenrate (1,25 bis 1,52 Kinder pro Frau).
  • Die Art der Rezession und die Geschlechterlücke haben einen Einfluss darauf, wie Familien in unterschiedlichen Bundesländern reagieren. In Bundesländern mit geringer Geschlechterlücke (beziehungsweise einem hohen Genderverdienstverhältnis) steigt die Geburtenrate während einer „Mancession“ stärker als während einer „Shecession“ und umgekehrt.
  • Um die Geburtenraten zu steigern, sollte die Förderung von Frauen am Arbeitsmarkt durch politische Maßnahmen flankiert werden, die eine bessere Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familie sicherstellen.

Daten

Die Angaben zu den Geburtenraten der Bundesländer stammen vom Statistischen Bundesamt (Destatis). Das Genderverdienstverhältnis entspricht dem Verhältnis zwischen dem täglichen Einkommen von Frauen und dem täglichen Einkommen von Männern laut IEB-Daten. Es verhält sich per definitionem umgekehrt proportional zum Gender-Pay-Gap. Diese Kennzahl berücksichtigt sowohl Vollzeit- als auch Teilzeitbeschäftigungen und spiegelt das geschlechtsspezifische Einkommensverhältnis damit besser wider als ein Vergleich, der ausschließlich auf Vollzeiteinkommen beruht, da Teilzeitarbeit bei westdeutschen Frauen häufiger vorkommt als bei ostdeutschen Frauen. Die Angaben zum nominalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Bundesländer stammen von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder (Gemeinsames Statistikportal) und wurden anhand des Verbraucherpreisindex (VPI) für Deutschland inflationsbereinigt.

Literatur

Alon, Titan; Coskun, Sena; Doepke, Matthias; Koll, David; Tertilt, Michèle (2022): From Mancession to Shecession: Women’s Employment in Regular and Pandemic Recessions. In: NBER Macroeconomics Annual, Jg. 36, S. 83–151.

Collischon, Matthias; Zimmermann, Florian (2024): Der Equal Pay Day unter der Lupe: Die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen unterscheidet sich je nach Region erheblich. In: IAB-Forum, 4.3.2024.

Coskun, Sena; Husnu C. Dalgic (2024): The emergence of procyclical fertility: The role of breadwinner women. In: Journal of monetary economics, Jg. 142.

Fuchs, Johann; Weber, Enzo; Weber, Brigitte (2022): Effects of the Covid Crisis on Labour Supply in Germany. In: The empirical economics letters, Vol. 21, No. 10, S. 59–65.

Fuchs, Michaela; Rossen, Anja; Weyh, Antje (2024): Regionale Unterschiede im Gender Pay Gap in Deutschland 2022. Aktuelle Daten und Indikatoren. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 4.3.2024.

Haan, Peter; Wrohlich, Katharina (2011): Can child care policy encourage employment and fertility? In: Labour Economics, Jg. 18 (4), S. 498–512.

Hellwagner, Timon; Söhnlein, Doris; Wanger, Susanne; Weber, Enzo (2022): Wie sich eine demografisch bedingte Schrumpfung des Arbeitsmarkts noch abwenden lässt. In: IAB-Forum, 21.11.2022.

Kleven, Henrik; Landais, Camille; Posch, Johanna; Steinhauer, Andreas; Zweimüller, Josef (2024): Do Family Policies Reduce Gender Inequality? Evidence from 60 Years of Policy Experimentation. In: American Economic Journal: Economic Policy, Jg. 16 (2), S. 110–149.

Zimmert, Franziska (2023): Early child care and the employment potential of mothers: evidence from semi-parametric difference-in-differences estimation. In: Journal for Labour Market Research, Jg. 57 (1).

Wir danken der Schöller-Stiftung und der Deutschen Forschungsgemeinschaft für ihre Unterstützung im Rahmen des Projekts „Economic Perspectives on Societal Challenges“.

 

Bild: panthermedia_A14866

DOI: 10.48720/IAB.FOO.20241004.01

Coskun, Sena; Dalgic, Husnu (2024): Hohe Erwerbsbeteiligung von Frauen und hohe Geburtenraten: die Quadratur des Kreises?, In: IAB-Forum 4. Oktober 2024, https://www.iab-forum.de/hohe-erwerbsbeteiligung-von-frauen-und-hohe-geburtenraten-die-quadratur-des-kreises/, Abrufdatum: 6. October 2024