18. April 2019 | Betriebliche Arbeitswelt
LinkedIn entwickelt eine digitale Weltkarte des Arbeitsmarktes – den Economic Graph
Mit mehr als 610 Millionen Mitgliedern in gut 200 Ländern und Regionen und über 20 Millionen offenen Stellen verfügt LinkedIn über das größte berufliche Netzwerk der Welt. Mit den auf dieser Basis gewonnenen Informationen und Daten lassen sich Trends und Entwicklungen auf der Angebots- und Nachfrageseite des Arbeitsmarktes, auch auf regionaler Ebene sowie in verschiedenen Branchen und Berufsgruppen frühzeitig erkennen – und überraschende Erkenntnisse zu Tage fördern.
Dank technologischen Fortschritts, etwa im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI), aber auch durch Faktoren wie den demografischen Wandel und zunehmende Fachkräfteengpässe verändern sich Berufsbilder – und damit auch die Anforderungen an Beschäftigte. Diese Veränderungen werden von einer Debatte um die Zukunft der Arbeit begleitet, die oft von Spekulationen geprägt ist und viele Menschen verunsichert. Dabei sind Umbrüche auf dem Arbeitsmarkt nichts Neues – maschinelle Fertigung, Elektrizität, das Auto oder der Computer sind nur einige Erfindungen, die den Arbeitsmarkt in der Vergangenheit ebenfalls entscheidend verändert haben. Neu ist allerdings die zunehmende Geschwindigkeit des Umbruchs.
Daten als Chance in einer komplexer werdenden Welt
Dass niemand die Zukunft vorhersagen kann, zeigten schon in der Vergangenheit viele Prognosen, die völlig daneben lagen. Wir können allerdings versuchen, genau zu verstehen, was aktuell auf dem Arbeitsmarkt passiert. Dadurch können wir heute und in Zukunft besser mit diesen Veränderungen umgehen – und uns auf sie vorbereiten. Dabei ist es unerlässlich, dass dieses Verständnis auf Daten und Fakten basiert. Denn Daten sind ein Instrument, das uns zu einer besseren Informations- und Entscheidungsgrundlage verhilft.
Die gute Nachricht ist, dass wir heute Zugang zu mehr Informationen haben als jemals zuvor. Die wachsende Menge, Vielfalt und Qualität von Datenquellen erlaubt es, komplexe Sachverhalte und Entwicklungen aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten und so ein vollständigeres, nuanciertes Bild der realen Welt zu zeichnen.
Beide Phänomene – der stete Wandel des Arbeitsmarktes und die wachsenden Datenmengen – bieten uns die Chance, die künftige Entwicklung der Arbeitswelt aktiv mitzugestalten: Wie sehen die Jobs der Zukunft aus, die wir gerne hätten? Und wie können wir unterschiedliche Informationsquellen nutzen, um Angebot und Nachfrage besser als bisher abbilden und wichtige Trends frühzeitig erkennen zu können?
Der Economic Graph – ein digitales Abbild des globalen Arbeitsmarktes
Mit dem Economic Graph verfolgt LinkedIn genau diesen Ansatz: LinkedIn nutzt – aggregiert und anonymisiert – die Daten auf seiner Plattform, um wertvolle Einblicke in den Arbeitsmarkt zu gewinnen. Die beruflichen Profile der Mitglieder erlauben einen Blick auf die Angebotsseite des Arbeitsmarktes. Gleichzeitig sind über 26 Millionen Unternehmen auf LinkedIn repräsentiert, die offene Stellen auf die Plattform stellen, so dass auch Entwicklungen auf der Nachfrageseite abgebildet werden können. Insgesamt lassen sich auf diese Weise Angebot und Nachfrage sowie Trends und Entwicklungen an verschiedenen Orten der Welt in unterschiedlichen Branchen und für viele Berufsbilder verfolgen. Daraus erstellt LinkedIn ein digitales Abbild des globalen Arbeitsmarktes – den Economic Graph.
Dabei bildet die Plattform nicht den gesamten Arbeitsmarkt ab. Der Präzisionsgrad variiert je nach Geografie, Branche und Berufsbild. So ist LinkedIn in deutschen Städten stärker vertreten als in ländlichen Regionen. Gleichzeitig liefert die Plattform Informationen, die andere Datenquellen oft nicht oder nur unzureichend abbilden können, etwa Veränderungen, die durch technologischen Fortschritt bedingt sind oder auch Angebot an und Nachfrage nach unterschiedlichen Kompetenzprofilen.
Bei seinen Analysen arbeitet LinkedIn eng mit Partnerorganisationen zusammen. Zu den Partnern gehören Regierungen, internationale Organisationen sowie Forschungsinstitute, Think Tanks und Wirtschaftsverbände. So erstellte LinkedIn unter anderem eine Studie über Frauen im KI-Bereich für den Global Gender Gap Report des Weltwirtschaftsforums.
Frauen sind im KI-Bereich stark unterrepräsentiert
KI-Kompetenzen gehören auf der Plattform von LinkedIn zu den Fähigkeiten, deren quantitative Bedeutung am schnellsten wächst. Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland mit Platz fünf recht gut ab, was die begehrten Kompetenzen angeht. Nur die USA, China, Indien und Israel liegen vor Deutschland. Wenn es allerdings um die Repräsentation von Frauen im KI-Bereich geht, steht Deutschland schlecht da: Hier sind nur 16 Prozent aller KI-Fachkräfte weiblich. Weltweit liegt die Frauenquote bei KI-Fachkräften bei 22 Prozent. Damit liegt Deutschland auf dem drittletzten Platz – vor Brasilien mit 14 und Mexiko mit 15 Prozent. EU-weit teilt sich Deutschland hier den letzten Platz mit Polen.
Zudem gelingt es Frauen im KI-Bereich nicht, gegenüber den Männern aufzuholen – sie ergänzen ihre Profile im gleichen Tempo um KI-Kompetenzen wie Männer. Zudem sind weibliche KI-Fachkräfte oft in der Lehre oder der Forschung tätig, nicht aber in der Entwicklung von KI.
Die Region München als Pilotstudie für den deutschen Arbeitsmarkt
Auch in Deutschland arbeitet LinkedIn mit Partnerorganisationen zusammen. Dazu gehören unter anderem die Stadt München und die Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern. Ziel der Kooperation war es, den lokalen Arbeitsmarkt insbesondere im Hinblick auf digitale Kompetenzen besser zu verstehen. Dazu hat LinkedIn Informationen über seine mehr als 660.000 Mitglieder (zum Vergleich: die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Region München betrug im Jahr 2017 1,4 Millionen) und mehr als 76.000 Unternehmen im Raum München ausgewertet und ein Talentprofil der Stadt erstellt.
Die Analysen zeigen: Die Stadt München ist gut aufgestellt, was die digitale Kompetenz angeht. Besonders digitale Fachkompetenzen wie Programmiersprachen, Softwareentwicklung und Machine Learning sind Kenntnisse, die von den Arbeitgebern im Raum München stark nachgefragt werden. Und immerhin ein knappes Viertel aller Münchner LinkedIn-Mitglieder verfügt über entsprechende Fertigkeiten. Bemerkenswert ist, dass Mitglieder, die über solche Kenntnisse verfügen, viermal häufiger den Job wechseln als Mitglieder ohne digitale Kompetenzen.
Digitale Kompetenzen spielen zwar in allen Branchen eine Rolle, sind aber sehr ungleich verteilt. In der Informations- und Kommunikationsbranche sind sie erwartungsgemäß am stärksten konzentriert – gefolgt vom „Motor der Münchner Wirtschaft“, dem Verarbeitenden Gewerbe und hier insbesondere der Automobilindustrie. Beunruhigend ist allerdings der Mangel an digitalen Kompetenzen in gesellschaftlich wichtigen Branchen wie Bildung und Gesundheit. Hier besteht dringender Nachholbedarf.
Eine zweite ernüchternde Erkenntnis: Nur sieben Prozent aller Münchner LinkedIn-Mitglieder, die über diese digitalen Kompetenzen verfügen, sind Frauen. Zwar ist die Erkenntnis, dass Frauen in puncto digitaler Kompetenz den Männern hinterherhinken, nicht per se neu. Gleichwohl führt die Studie das erhebliche Ausmaß dieses Rückstands eindrucksvoll vor Augen. Auch zeigt sie, wie wichtig und gefragt diese Kompetenzen sind, um auf dem Arbeitsmarkt mithalten zu können.
Fazit
Die Nutzung neuer Datenquellen bietet die Möglichkeit, die raschen Veränderungen am Arbeitsmarkt besser zu verstehen. Gerade die Kombination von neuen und traditionellen Daten, nicht zuletzt der nationalen Arbeitsverwaltungen, birgt eine große Chance. Als Beispiel für eine solch fruchtbare Kombination sei hier eine aktuelle Studie genannt, die LinkedIn gemeinsam mit der französischen Arbeitsagentur Pole Emploi veröffentlicht hat. Dort wurde untersucht, welche Berufsfelder auf dem französischen Arbeitsmarkt in ihrer Bedeutung wachsen und welche abnehmen. Dabei hat sich gezeigt, dass nur zwei Prozent aller LinkedIn-Mitglieder in Frankreich in Berufsbildern mit wachsender Bedeutung arbeiten, aber neun Prozent in solchen mit abnehmender Relevanz. Dabei ist die erste Gruppe im Durchschnitt höher qualifiziert als die zweite – was ein Indikator für die zunehmende Bedeutung von Qualifizierung ist.
LinkedIn steht mit seinen Analysen und Partnerschaften erst ganz am Anfang. In Zukunft werden sich aktuelle Trends am Arbeitsmarkt früher und präziser erkennen lassen, so dass sich die Akteure am Arbeitsmarkt besser als bisher auf Veränderungen vorbereiten können. Allerdings erfordert dies die Zusammenarbeit verschiedener Stakeholder. Ziel muss es sein, ein gemeinsames Verständnis von Arbeitsmarktprozessen zu entwickeln und so auch zu gemeinsamen Lösungen zu kommen. Mit dem Economic Graph will LinkedIn dazu einen praktikablen Beitrag leisten.
Literatur
Duke, Sue (2018): Growing But Not Gaining: Are AI skills holding women back in the workplace? [Blogeintrag]. In: Der Economic Graph-Blog, 18.12.2018, o.Sz.
IHK München und Oberbayer; Landeshauptstadt München; LinkedIn (2018): Digitale Kompetenzen in München, 20 S.
Keveloh, Kristin (2018): Economic Graph Studie zeigt: München steht digital gut da [Blogeintrag bei LinkedIn]. 15.06.2018, o. Sz.
Perisic, Igor (2018): Die Auswirkungen von künstlicher Intelligenz auf die Arbeitsplätze von heute [Blogeintrag]. In: Der Economic Graph-Blog, 17.09.2018, o.Sz.
Keveloh, Kristin (2019): LinkedIn entwickelt eine digitale Weltkarte des Arbeitsmarktes – den Economic Graph, In: IAB-Forum 18. April 2019, https://www.iab-forum.de/linkedin-entwickelt-eine-digitale-weltkarte-des-arbeitsmarktes-den-economic-graph/, Abrufdatum: 22. December 2024
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Autoren:
- Kristin Keveloh