22. Oktober 2025 | Betriebliche Arbeitswelt
Start-ups konnten in der Finanzkrise erfolgreicher Personal rekrutieren

Echt jetzt? Kämen Sie auf die Idee, just dann ein Unternehmen zu gründen, wenn gerade alle ökonomischen Alarmglocken schrillen? So wie in Deutschland während der globalen Finanzkrise 2008/2009? Das Bruttoinlandsprodukt ging damals drastisch zurück, ebenso die Vergabe von Krediten, auf die gerade ambitionierte Gründungen dringend angewiesen sind. Umso beachtlicher ist es, dass viele der während der Krise gegründeten Unternehmen ihre erste Personalrekrutierung zügiger abschließen konnten als vergleichbare Unternehmen, die vor oder nach der Krise gegründet wurden.
Dies ist das Ergebnis einer Studie, die die Autoren dieses Beitrags jüngst im renommierten Journal „Small Business Economics“ publiziert haben. Für die Studie wurden Informationen aus dem IAB-ZEW Gründungspanel mit administrativen Beschäftigtendaten verknüpft. Diese Herangehensweise hat den großen Vorteil, dass damit auch Kleinstunternehmen einbezogen werden konnten, die zunächst noch keine Beschäftigten hatten. So lassen sich die Übergänge von der Solo-Selbstständigkeit hin zur Gewinnung von ersten Beschäftigten systematisch nachvollziehen.
Vorsprung beim Personalaufbau durch reduzierte Konkurrenz
Junge, in der Krise gegründete Firmen, so ein zentraler Befund der Studie, rekrutieren nicht nur schneller, sondern profitieren auch bei der Auswahl ihrer ersten Beschäftigten. Ihnen gelingt es während der Krise besonders häufig, qualifizierte Berufseinsteiger*innen zu gewinnen. Gerade diese sind während einer Rezession oft besonders stark vom Einstellungsrückgang etablierter Unternehmen betroffen.
Da viele große Unternehmen in schweren Krisen kaum noch Personal einstellen, nimmt der Wettbewerb um gut qualifiziertes Personal in dieser Zeit ab. Gerade für Start-ups, die unter normalen Bedingungen häufig Schwierigkeiten haben, mit den Gehältern und Entwicklungsperspektiven großer Unternehmen zu konkurrieren, eröffnet sich damit ein seltenes Rekrutierungsfenster.
Größe und Alter eines Start-ups machen den Unterschied
Wie die Studie zeigt, profitieren nicht alle jungen Unternehmen gleichermaßen von dem Effekt krisenbedingt besserer Rekrutierungschancen. Tatsächlich zeigt er sich nur für sehr junge Unternehmen, die noch keine anderthalb Jahre existieren und nicht unter die größten 10 Prozent der neu gegründeten Unternehmen fallen. Nicht nachweisbar ist der Effekt hingegen für sehr große oder ältere Unternehmen. Das konjunkturelle Zeitfenster, um deutlich leichter hochqualifiziertes Personal anzuwerben, schließt sich also für Start-ups bereits im zweiten Jahr nach ihrer Gründung.
Die längerfristige Entwicklung spricht ebenfalls für diese Start-ups: Sie stellen nicht nur früher ein, sondern sie stellen auch in den Folgejahren überdurchschnittlich stark ein (siehe Abbildung 1). Insofern erweist sich der frühe Aufbau eines qualifizierten Teams als ein durchaus nachhaltiger personeller Wachstumstreiber.
Fazit
Die Befunde haben arbeitsmarktpolitische Relevanz. Während der Fokus staatlicher Maßnahmen in Krisenzeiten bislang vor allem auf dem Erhalt bestehender Beschäftigungsverhältnisse lag – etwa mit Hilfe von Kurzarbeit – zeigen die hier präsentierten Ergebnisse, dass auch neue Unternehmen einen Beitrag zur Stabilisierung der Beschäftigung leisten können.
Umgekehrt können Krisen jungen Unternehmen Chancen bieten. Zumindest in der Finanzkrise hat sich gezeigt, dass die Chancen, die sich für ein in dieser Zeit gegründetes Start-up bieten, die mit der Krise verbundenen Risiken im Schnitt sogar überwiegen. Es empfiehlt sich daher, Maßnahmen zur Förderung von Unternehmensgründungen in Krisenzeiten gezielt auszubauen. Förderprogramme, die etwa den Zugang zu Startkapital erleichtern, Beratung bieten oder den Aufbau erster Beschäftigungsverhältnisse unterstützen, könnten helfen, das beschäftigungspolitische Potenzial von Neugründungen besser zu nutzen.
In aller Kürze
- Während der globalen Finanzkrise 2008/2009 hatten neu gegründete Unternehmen es leichter, Personal zu finden, als vergleichbare Unternehmen, die vor oder nach dieser Krise gegründet wurden.
- Auch nach der Krise profitieren diese Unternehmen. Denn sie wuchsen in den Folgejahren im Vergleich zu ähnlichen Unternehmen stärker.
Literatur
Brixy, Udo; Murmann, Martin (2025): Hiring opportunities for new firms and the business cycle. Small Bus Econ 64, S. 1387–1413.
Bild: we.bond.creations/stock.adobe.com
DOI: 10.48720/IAB.FOO.20251022.01
Brixy, Udo ; Murmann, Martin (2025): Start-ups konnten in der Finanzkrise erfolgreicher Personal rekrutieren, In: IAB-Forum 22. Oktober 2025, https://iab-forum.de/start-ups-konnten-in-der-finanzkrise-erfolgreicher-personal-rekrutieren/, Abrufdatum: 22. October 2025
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Autoren:
- Udo Brixy
- Martin Murmann