Im Jahr 2023 beschloss die Bundesregierung auf Vorschlag der Mindestlohnkommission eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns zum 1. Januar 2024 von 12,00 auf 12,41 Euro pro Stunde.  Davon waren anteilig weniger Betriebe und Beschäftigte betroffen als bei der letzten – deutlich stärkeren – Anhebung von 10,45 auf 12,00 Euro. Besonders stark waren die Auswirkungen, wie schon in den vergangenen Jahren, im Gastgewerbe sowie in der Nahrungs- und Genussmittelbranche. Dort profitierten rund 45 beziehungsweise 30 Prozent der Beschäftigten unmittelbar von der jüngsten Erhöhung.

Die jüngste Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns vom 1. Januar 2024 war im Vergleich zu der deutlichen Erhöhung zum 1. Oktober 2022 von 10,45 auf 12,00 Euro eher moderat. Das gilt auch angesichts einer Inflationsrate, die 2023 immer noch bei 5,9 Prozent lag.

Diese moderate Anhebung spiegelt sich auch in der betrieblichen Betroffenheit wider. Lag der Anteil der Betriebe, die Mitte des Jahres 2022 Stundenlöhne unter 12,00 Euro zahlten, insgesamt bei 23,1 Prozent, so gaben im Jahr 2023 mit 17,8 Prozent deutlich weniger Betriebe an, von der kommenden Erhöhung auf 12,41 Euro betroffen zu sein. Dennoch war ein deutlich höherer Anteil an Betrieben von diesen beiden Anhebungen betroffen als von den anderen, seit 2017 erfolgten Anhebungen des Mindestlohns (siehe Abbildung 1).

Wenngleich auf anteilmäßig deutlich niedrigerem Niveau, zeigt sich ein ähnliches Muster bei denjenigen Beschäftigten, die von den vergangenen Anhebungen des Mindestlohns betroffen waren: Die Anhebung von 12,00 auf 12,41 Euro betraf mit 5,0 Prozent deutlich weniger Beschäftigte als die Erhöhung auf 12,00 Euro, von der 7,9 Prozent aller Beschäftigten profitiert hatten (siehe Abbildung 1). Zugleich war der Anteil der betroffenen Beschäftigter aber deutlich höher als bei früheren Anhebungen.

Abbildung 1 zeigt die Anteile von Betrieben und von Beschäftigten, die von den jeweiligen Anhebungen des gesetzlichen Mindestlohns zwischen 2015 bis 2023 betroffen waren. Bei der Einführung des Mindestlohns 2015 waren 21,8% aller Betriebe und 6,2% aller Beschäftigten betroffen. Die Mindestlohn-Anhebungen zwischen 2017 und 2022 hatten mit unter 9% der Betriebe und unter 3% der Beschäftigten eine deutlich kleinere Reichweite. Bei der Anhebung im Oktober 2022 auf 12 Euro waren 23,1% der Betriebe und ca. 7,9% der Beschäftigten. Im Vergleich dazu weist die letzte Anhebung 2023 auf 12,41 Euro mit 17,8% der Betriebe und 5% der Beschäftigten eine niedrigere Betroffenheit auf –. Quelle: IAB-Betriebspanel 2015 bis 2023, hochgerechnete Werte.

Der Rückgang der Betroffenheit kann unterschiedliche Gründe haben

Der Rückgang in der Betroffenheit zwischen den Jahren 2022 und 2023 kann auf unterschiedliche Faktoren zurückgeführt werden: Arbeitgeber könnten zum Teil den Lohn ihrer von der 12-Euro-Anhebung erfassten Beschäftigten zwischen den Befragungsstichtagen (30.6.2022 und 30.6.2023) von unter 12 auf über 12,41 Euro angehoben haben. Eine solche Anhebung wäre im Kontext der allgemeinen Lohnentwicklung nicht unplausibel, da die Erhöhung von 12 Euro auf 12,41 Euro lediglich einem Anstieg um 3,4 Prozent entsprach, während der Nominallohnindex im Jahr 2023 um 6 Prozent stieg.

Zum anderen könnten hier auch innerbetriebliche oder tarifliche Lohnabstandsgebote eine Rolle spielen. Beschäftigte, die knapp oberhalb der 12- Euro-Schwelle verdient haben, könnten davon profitiert haben. Solche sogenannten Spillover-Effekte können beispielsweise entstehen, wenn bei Lohnverhandlungen der Abstand der Tariflöhne zum Mindestlohn gewahrt werden soll und eine durch den Mindestlohn „gestauchte“ Lohnstruktur wiederum zu Lohnanhebungen oberhalb der Mindestlohnschwelle führt. Insofern kann es durchaus Beschäftigte geben, die indirekt von der Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns profitieren. Die hier präsentierten Zahlen beschränken sich allerdings auf die unmittelbar von der Mindestlohnanhebung betroffenen Beschäftigten.

Und schließlich sind nicht alle von der 12-Euro-Anhebung erfassten Beschäftigten in den betroffenen Betrieben des Jahres 2022 auch im Jahr 2023 in diesen Betrieben tätig, sei es, weil sie beispielsweise zu Betrieben mit höheren Löhnen gewechselt sind oder weil die betroffenen Betriebe sie nicht mehr weiterbeschäftigt haben.

Inwieweit die Anhebungen des Mindestlohns auf 12 Euro zu Beschäftigungsverlusten in den betroffenen Betrieben geführt haben könnten, wird derzeit auch auf Basis des IAB-Betriebspanels untersucht. Ergebnisse stehen aber noch aus.

Die Betroffenheit variiert je nach Wirtschaftszweig beträchtlich

Wie in den vorherigen Runden traf die Mindestlohnanhebung auf 12,41 Euro die einzelnen Wirtschaftszweige in unterschiedlicher Intensität (siehe Abbildung 2). Wie im Vorjahr war die betriebliche Betroffenheit in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie mit 45,2 Prozent besonders hoch. Das Gastgewerbe verzeichnete hingegen mit 38,2 Prozent einen deutlich niedrigeren Wert als im Vorjahr (2022: 48,6 %). Ob dies mit Lohnsteigerungen aufgrund von Personalmangel zu tun hat, bleibt weiteren Untersuchungen vorbehalten.

In Ostdeutschland betraf die jüngste Erhöhung des Mindestlohns wie in den vergangenen Jahren mit 22,1 Prozent mehr Betriebe als im westlichen Landesteil mit 16,7 Prozent (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2 zeigt die Betroffenheit der Betriebe von der Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns 2023 auf 12,41 Euro nach Branche, Betriebsgröße und Region. Es werden Anteile der Betriebe in der jeweiligen Kategorie angezeigt. Mit 45,2 % ist die Nahrungs- und Genussmittelindustrie der am stärksten betroffene Wirtschaftszweig. Die Betroffenheit nimmt mit steigender Betriebsgröße ab. In Ostdeutschland ist der Anteil der betroffenen Betriebe höher als im westlichen Landesteil. Quelle: IAB-Betriebspanel 2023, hochgerechnete Werte.

Wie bereits erwähnt, liegt der Anteil der betroffenen Beschäftigten laut IAB-Betriebspanel deutlich niedriger als der Anteil der betroffenen Betriebe. Deutschlandweit waren 5 Prozent aller Beschäftigten von der jüngsten Erhöhung betroffen (siehe Abbildung 3) – knapp 3 Prozentpunkte weniger als bei der Anhebung auf 12 Euro im Jahr 2022. Die Intensität der betrieblichen Betroffenheit vom Mindestlohn, gemessen als Beschäftigtenanteil in den vom Mindestlohn betroffenen Betrieben, sank weniger stark von 25,5 auf 23,3 Prozent.

Die Intensität ist im Gastgewerbe, den sonstigen Dienstleistungen, im Bereich Verkehr und Lagerei sowie in Kleinbetrieben besonders hoch. Der Anteil der betroffenen Beschäftigten nimmt zudem mit steigender Betriebsgröße ab. Ein Grund hierfür dürfte sein, dass große Betriebe tendenziell besser zahlen als Kleinbetriebe. Auch zeigt sich weiterhin eine höhere Intensität in ostdeutschen Betrieben.

Abbildung 3 zeigt die Betroffenheit der Beschäftigten von der Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns 2023 auf 12,41 Euro nach Branche, Betriebsgröße und Region. Die am stärksten betroffene Branche ist das Gastgewerbe. Mit steigender Betriebsgröße nimmt die Betroffenheit ab. In Ostdeutschland ist der Anteil der betroffenen Betriebe höher als im westlichen Landesteil. Quelle: IAB-Betriebspanel 2023, hochgerechnete Werte.

Mindestlohnbetriebe haben stärker mit bestimmten wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen als die übrigen Betriebe

Die Anhebungen des Mindestlohns in den Jahren 2022 und 2023 fallen in eine Zeit mit starken Preisanstiegen und Engpässen bei Energie, Rohstoffen und Vorleistungen. Bereits in der Covid-19-Krise und im ersten Jahr des Ukraine-Kriegs zeigte sich, dass Mindestlohnbetriebe stärker mit den daraus resultierenden wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hatten als die übrigen Betriebe.

Diese stärkere wirtschaftliche Belastung zeigt sich auch in den aktuellen Daten des Jahres 2023: 71,7 Prozent der Mindestlohnbetriebe gaben an, dass sich diese Faktoren negativ auf die Geschäftstätigkeit ausgewirkt haben. Bei den übrigen Betrieben waren es dagegen 58,7 Prozent (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4 zeigt Auswirkungen der wirtschaftlichen Lage auf Betriebe. Konkret geht es um Auswirkungen der veränderten Preise und der Knappheiten bei Energie, Rohstoffen und Vorleistungen. Hierzu ist eine von fünf Antworten möglich: negative Auswirkungen, positive Auswirkungen, beides, keine, und schwer zu sagen. Es wird zwischen den Antworten von Betrieben, die von der Mindestlohn-Anhebung 2023 auf 12,41 Euro betroffen waren und übrigen Betrieben unterschieden. Mindestlohnbetriebe sind von den Auswirkungen der wirtschaftlichen Lage stärker negativ betroffen als die übrigen Betriebe. Quelle: IAB-Betriebspanel 2023, hochgerechnete Werte.

Zugleich gaben wirtschaftlich negativ betroffene Mindestlohnbetriebe häufiger als andere negativ betroffene Betriebe an, stark oder sehr stark unter gestiegenen Personalkosten zu leiden (siehe Abbildung 5). Dies lässt vermuten, dass die Erhöhungen des Mindestlohns seit dem Jahr 2022 im Kontext des schwierigen wirtschaftlichen Umfeldes bei zugleich fortbestehendem Fach- und Arbeitskräfteknappheiten Personalabgänge in den betroffenen Betrieben zur Folge hatten. Ob und in welchem Ausmaß dies der Fall war, ist jedoch in weiteren Analysen noch genauer zu untersuchen.

Bisherige Befunde zur Anhebung des Mindestlohs auf 12,00 Euro deuten allerdings darauf hin, dass ein größerer Teil der Anpassungen über höhere Preise von Produkten und Dienstleistungen sowie reduzierte Arbeitszeiten erfolgt sein dürfte, weniger über Einstellungsrückgänge oder gar mehr Entlassungen.

Abgesehen von den gestiegenen Personalkosten, von denen Mindestlohnbetriebe nach eigenen Angaben stärker betroffen waren, unterscheiden sich diese von den übrigen Betrieben im Hinblick auf weitere wirtschaftliche Belastungsfaktoren nicht wesentlich (Rückgang der Nachfrage oder Wegfall von Absatzmärkten; gestiegene Kosten für Vorleistungen und Rohstoffe; Schwierigkeiten mit Lieferanten oder beim Bezug von Vorleistungen oder Rohstoffen; Einschränkung oder Verlust von Geschäftsbeziehungen; Liquiditätsengpässe).

Abbildung 5 zeigt die Betroffenheit der Betriebe von gestiegenen Personalkosten sowie erwartete Personalabgänge. Mindestlohnbetriebe geben häufiger als die übrigen Betriebe an, von gestiegenen Personalkosten betroffen zu sein und Personalabgänge zu erwarten.

Fazit

Im Vergleich zur Anhebung auf 12,00 Euro im Jahr 2022 waren etwas weniger Betriebe und Beschäftigte von der jüngsten, eher moderaten Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12,41 Euro direkt betroffen. Denn diese fiel diesmal schwächer aus als die allgemeine Lohnentwicklung im Niedriglohnbereich. Viele Beschäftigte, die noch von der Erhöhung auf 12 Euro profitiert hatten, dürften von der jüngsten Erhöhung womöglich nicht betroffen sein, weil sie bereits vorher über dieser Schwelle lagen. Genauere Befunde dazu stehen jedoch noch aus.

Unabhängig davon scheinen Mindestlohnbetriebe, wie schon in den vergangenen Jahren, stärker unter bestimmten wirtschaftlichen Belastungsfaktoren zu leiden als die übrigen Betriebe. Diese höhere Krisenanfälligkeit erklärt sich zum Teil durch strukturelle Unterschiede wie der Branchenzugehörigkeit, der Betriebsgröße oder der Region.

In welchem Ausmaß die Erhöhungen des Mindestlohns seit 2022 für sich genommen zu Personalanpassungen beigetragen haben, werden weitere Analysen zeigen.

In aller Kürze

  • Im Jahr 2023 gaben 17,8 Prozent der Betriebe an, mindestens eine Arbeitskraft mit einem Stundenlohn unterhalb von 12,41 Euro beschäftigt zu haben (Betriebe mit Löhnen unterhalb der kommenden Mindestlohnschwelle werden im Folgenden als Mindestlohnbetriebe bezeichnet). Im Jahr 2022, als der Mindestlohn auf 12,00 Euro angehoben wurde, betraf dies mit 23,1 Prozent noch deutlich mehr Betriebe.
  • Wie in den vorherigen Anhebungsrunden trifft auch diese Anhebung Betriebe und Beschäftigte je nach Wirtschaftszweig in unterschiedlichem Ausmaß. Besonders hoch war die Betroffenheit unter anderem im Gastgewerbe, bei den sonstigen Dienstleistungen, im Einzelhandel oder in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie.
  • Über 70 Prozent der Mindestlohnbetriebe gaben im Jahr 2023 an, dass Preisanstiege und Engpässe bei Energie, Rohstoffen und Vorleistungen mit negativen Auswirkungen für ihre Geschäftstätigkeit verbunden waren (übrige Betriebe: unter 60 %).
  • Häufiger als die übrigen Betriebe stufen Mindestlohnbetriebe die gestiegenen Personalkosten als kritisch ein. Die Untersuchung in welchem Ausmaß die Erhöhungen des Mindestlohns seit dem Jahr 2022 tatsächlich für sich genommen zu stärkeren Personalanpassungen geführt haben, bleibt weiteren Analysen vorbehalten.

Literatur

Bossler, Mario; Chittka, Lars; Schank, Thorsten (2024): A 22 percent increase in the German minimum wage: nothing crazy! (mimeo).

Brunner, Laura; Gloger, Nina; Hohendanner, Christian (2023): Sonderauswertung zur Situation der vom Mindestlohn betroffenen Betriebe im Jahr 2022 auf Basis des IAB-Betriebspanels. Studie im Auftrag der Mindestlohnkommission. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Nürnberg.

Dütsch, Matthias; Hohendanner, Christian; Ohlert Clemens (2024): Turbulente Zeiten für (Mindestlohn-)Betriebe. Wirtschaftliche Folgen des Ukrainekriegs und Anhebung des Mindestlohns auf 12 €. In: Wirtschaftsdienst.

Gürtzgen, Nicole; Vetter, Franka (2024): Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro: Nur wenige Betriebe reagierten eigenen Angaben zufolge mit Entlassungen. In: IAB-Forum, 4. April 2024.

Hohendanner, Christian (2022): Sonderauswertung zu den Folgen der Covid-19 Pandemie für vom Mindestlohn betroffene Betriebe auf Basis des IAB-Betriebspanels. Studie im Auftrag der Mindestlohnkommission. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Nürnberg.

Leber, Ute, Michael Oberfichtner und Barbara Schwengler (2024): Aktuelle Ergebnisse aus dem IAB-Betriebspanel 2023: Hohe Preise bei Energie, Rohstoffen und Vorleistungen belasten Betriebe. IAB-Kurzbericht Nr. 11.

 

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DOI: 10.48720/IAB.FOO.20240516.01

Georgieva, Kalina; Hohendanner, Christian (2024): Von der jüngsten Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns waren 18 Prozent der Betriebe und 5 Prozent der Beschäftigten betroffen, In: IAB-Forum 16. Mai 2024, https://www.iab-forum.de/von-der-juengsten-anhebung-des-gesetzlichen-mindestlohns-waren-18-prozent-der-betriebe-und-5-prozent-der-beschaeftigten-betroffen/, Abrufdatum: 21. November 2024