Dass eine faire Entlohnung Auswirkungen auf die Arbeitszufriedenheit und auf den Verbleib im Unternehmen haben kann, ist den meisten Menschen bewusst. Welche Rolle das Arbeitsumfeld bei der Bewertung des eigenen Lohnes spielt, ist jedoch weniger bekannt. Anhand einer deutschlandweiten Befragung von Beschäftigten in größeren Firmen hat ein Forschungsteam der Universität Konstanz und des IAB drei relevante Aspekte des Arbeitsumfeldes untersucht: ob Beschäftigte über ihre Löhne sprechen, ob nach Tarifvertrag entlohnt wird und ob es Betriebsräte als Anlaufstelle für Fragen der fairen Entlohnung gibt.

Die Frage nach gerechten Löhnen wird in politischen Debatten immer wieder thematisiert. Die meisten Akteure sind sich dabei einig, dass bestimmte Lohnunterschiede zwischen Beschäftigten durch Leistungsunterschiede gerechtfertigt sind. Ob der eigene Lohn als fair oder unfair wahrgenommen wird, hängt dabei von einer Vielzahl individueller Faktoren sowie dem betrieblichen und gesellschaftlichen Umfeld der Beschäftigten ab.

Wird ein Lohn als zu niedrig wahrgenommen, kann dies dazu führen, dass Beschäftigte ihre Anstrengungen bei der Arbeit reduzieren oder eine Kündigung in Betracht ziehen. Im Extremfall kann ein als unfair erlebter Lohn sogar die Gesundheit beeinträchtigen. Sind Lohnunterschiede tatsächlich ungerechtfertigt, also nicht durch Unterschiede in der Leistung oder Qualifikation zu erklären, können Beschäftigte aber nur dann dagegen angehen, wenn sie ihren Lohn mit dem Lohn anderer Beschäftigter vergleichen können.

Die empirische Gerechtigkeitsforschung hat sich bereits intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, wie Fairnesswahrnehmungen von Löhnen entstehen und welche Erklärungsfaktoren diese Wahrnehmung beeinflussen. Grundsätzlich basiert diese Forschung auf der Annahme, dass Beschäftigte ihre Bezahlung vor dem Hintergrund ihrer Qualifikationen und Leistungen bewerten.

Soziale Vergleiche spielen bei der Beurteilung gerechter Löhne ebenfalls eine zentrale Rolle. Wenn etwa andere Beschäftigte in demselben Job bei gleicher oder geringerer Arbeitszeit mehr verdienen oder in demselben Job bei weniger Arbeitszeit gleich viel verdienen, wird der eigene Lohn als unfair empfunden. Um solche Vergleiche anzustellen, müssen die Löhne der Kolleginnen und Kollegen oder anderer Gruppen, mit denen man sich vergleicht, bekannt sein. Gesetzliche Regelungen wie das Entgelttransparenzgesetz aus dem Jahr 2017 und die Entgelttransparenzrichtlinie der EU, die bis zum Jahr 2026 umgesetzt werden muss, zielen darauf ab, Lohntransparenz für Beschäftigte herzustellen.

Die Rolle des Arbeitsumfeldes bei der Einschätzung von fairen Löhnen wurde bisher wenig in den Fokus genommen. Dabei kann es beispielsweise relevant sein, ob in der Belegschaft überhaupt ein Austausch über Löhne stattfindet und somit konkrete Vergleiche möglich sind. Außerdem bringen institutionalisierte Wege der Festlegung von Löhnen, zum Beispiel durch Branchen- oder Haustarifverträge, mehr Klarheit über die Kriterien der Lohnfestsetzung, und institutionalisierte Ansprechstationen wie Betriebsräte können bessere Beschwerdemöglichkeiten bieten.

Aufschluss über den Einfluss des Arbeitsumfelds auf die Wahrnehmung gerechter Löhne gibt eine Befragung von Beschäftigten in größeren Betrieben, die das IAB in Kooperation mit der Universität Konstanz durchgeführt hat (siehe Infokasten „Daten und Methoden“).

Der eigene Lohn wird meist als zu niedrig wahrgenommen

Der Anteil der befragten Beschäftigten, die ihren eigenen Lohn als fair wahrnahmen, lag im Jahr 2021 bei 39 Prozent. Dem gegenüber stand jedoch eine klare Mehrheit von 56 Prozent der Beschäftigten, die ihren aktuellen Lohn als zu niedrig bewerteten. In dieser Gruppe hatte der Großteil ein moderates Ungerechtigkeitsempfinden. Eine kleine Minderheit von etwa 5 Prozent der Befragten gab an, sich als zu hoch bezahlt zu fühlen.

Bei der Einordnung dieser Ergebnisse ist zu berücksichtigen: Möglicherweise fühlten sich vor allem solche Beschäftigten von der Befragung angesprochen, die ihre Löhne als unfair wahrnahmen. Sie könnten hier deshalb überrepräsentiert sein. Die Werte liegen leicht über denen aus Befragungen für Deutschland und im europäischen Mittelfeld, wie Jule Adriaans und andere in ihrer Studie aus dem Jahr 2020 zeigen.

Ähnlich wie in früheren Studien zeigt sich außerdem, dass Frauen im Vergleich zu Männern ihre Löhne etwas häufiger als unfair zu niedrig wahrnahmen (siehe Abbildung 1). Dies ist jedoch vor allem auf die durchschnittlich niedrigeren Löhne von Frauen zurückzuführen. Der Unterschied verschwindet, wenn die Lohndifferenzen zwischen den Geschlechtern in den Analysen berücksichtigt werden (siehe Abbildung 2).

Abbildung 1 zeigt getrennt nach Geschlecht wie fair die Befragten auf einer 9-Punkte-Likert-Skala ihren eigenen Lohn einschätzen. In zwei gestapelten Balken ist zu erkennen, dass Frauen ihre Löhne etwas häufiger als Männer als unfair zu niedrig wahrnehmen.

Das Arbeitsumfeld prägt das Gerechtigkeitsempfinden

Abbildung 2 zeigt die Unterschiede zwischen Männern und Frauen sowie die Unterschiede bei den drei untersuchten Merkmalen des Arbeitsumfeldes bei der Beurteilung des eigenen Lohns, wobei hier Unterschiede in der tatsächlichen Lohnhöhe zwischen Männern und Frauen berücksichtigt werden (siehe Infokasten „Daten und Methoden“). Ein Wert von Null würde bedeuten, dass der Lohn im Durchschnitt als fair empfunden wird, ein negativer Wert, dass der Lohn im Durchschnitt als zu niedrig empfunden wird. Über alle Befragten liegt der Wert durchschnittlich bei −1,0.

Beschäftigte, die sich in der Vergangenheit mit ihren Kolleginnen und Kollegen über ihre Löhne ausgetauscht haben, nehmen diese mit durchschnittlich knapp −1,1 Skalenpunkten auf einer Skala von –4 (unfair zu niedrig) bis 4 (unfair zu hoch) eher als zu niedrig wahr als Beschäftigte, die sich nicht über ihre Löhne ausgetauscht haben (rund –0,9 Skalenpunkte, siehe Abbildung 2). Dies deutet darauf hin, dass Lohntransparenz im Arbeitsumfeld ermöglicht, fundierte Vergleiche vorzunehmen. Das Ergebnis könnte allerdings auch ein Hinweis darauf sein, dass Personen, die sich unfair entlohnt fühlen, eher im Kollegenkreis über ihre Entlohnung sprechen.

Abbildung 2 zeigt die durchschnittliche wahrgenommene Fairness des eigenen Lohns nach Geschlecht und nach betrieblichen Einflussfaktoren. Dazu werden die geschätzten Werte der wahrgenommenen Fairness aus einem Regressionsmodell sowie die zugehörigen Konfidenzintervalle dargestellt. Es zeigen sich bei Berücksichtigung des tatsächlichen Lohns und weiterer Merkmale keine Geschlechterunterschiede mehr bei der durchschnittlichen Wahrnehmung der Fairness des eigenen Lohns. Die wahrgenommene Fairness des eigenen Lohns variiert außerdem mit betrieblichen Faktoren. So nehmen beispielsweise Beschäftigte, die sich mit ihren Kolleginnen und Kollegen über Löhne austauschen, ihren Lohn rund 0,2 Skalenpunkte mehr als zu niedrig wahr, als Beschäftigte, die keinen Austausch über ihre Gehälter haben.

Formalisierte Lohnfestsetzung, wie sie in Tarifverträgen vorgenommen wird, führt dagegen dazu, dass die Beschäftigten in tarifgebundenen Betrieben ihre Löhne tendenziell als gerechter wahrnehmen (durchschnittlich rund –0,9 Skalenpunkte im Vergleich zu rund –1,2 Skalen-punkten bei Beschäftigten in Betrieben ohne Tarifbindung). Die strukturelle Klarheit über die Kriterien für die Bezahlung hat somit unabhängig von der Höhe der Löhne einen positiven Effekt auf das Gerechtigkeitsempfinden der Beschäftigten.

Auch das Arbeiten in Betrieben mit Betriebsräten geht mit einer als höher wahrgenommenen Fairness des eigenen Lohns einher (durchschnittlich knapp –1,0 Skalenpunkte im Vergleich zu rund –1,1 Skalenpunkten bei Beschäftigten ohne Betriebsrat). Die Möglichkeit, sich bei Konflikten hinsichtlich des Lohns an eine interne Interessensvertretung wenden zu können, scheint somit ein weiterer positiver Einflussfaktor für die Wahrnehmung der Beschäftigten hinsichtlich gerechter Löhne zu sein.

Betriebsräte spielen für Frauen eine größere Rolle als für Männer

Eine interessante Frage ist zudem, ob sich die betrieblichen Einflussfaktoren unterschiedlich auf die Wahrnehmungen von Männern und Frauen auswirken. Während das bezüglich Lohntransparenz und Tarifverträgen nicht der Fall ist, zeigen sich Geschlechterunterschiede bei der Rolle von Betriebsräten (siehe Abbildung 3). Frauen in Betrieben ohne Betriebsrat empfinden ihre Bezahlung häufiger als ungerecht als Männer in solchen Unternehmen. Die Funktion von Betriebsräten als interne Anlaufstelle für Beschwerden unter anderem zur Entlohnung scheint dementsprechend besonders vorzubeugen, dass Arbeitnehmerinnen ihre Löhne als unfair wahrnehmen.

Abbildung 3 zeigt die durchschnittliche wahrgenommene Fairness des eigenen Lohns nach betrieblichen Einflussfaktoren getrennt für Männer und Frauen. Dazu werden die geschätzten Werte der wahrgenommenen Fairness aus einem Regressionsmodell sowie die zugehörigen Konfidenzintervalle dargestellt. Es wird ersichtlich, dass Frauen aus Firmen ohne Betriebsrat ihren Lohn um durchschnittlich als -1,2 Skalenpunkte zu niedrig wahrnehmen, während Männer aus Firmen ohne Betriebsrat ihren Lohn mit -1,0 Skalenpunkten etwas seltener als zu niedrig empfinden.

Fazit

Eine Mehrheit der Befragten aus größeren Betrieben mit mindestens 100 Beschäftigten in Deutschland empfindet ihren Lohn als ungerecht. Diese wahrgenommene Ungerechtigkeit der eigenen Entlohnung kann verschiedene negative Konsequenzen mit sich bringen wie geringere Arbeitsanstrengung, höhere Kündigungsabsicht oder verschlechterte gesundheitliche Verfassung. Allerdings kann die Wahrnehmung, zu niedrig entlohnt zu werden, auch Anstrengungen bewirken, die eigene Situation zu verbessern, etwa durch Lohnverhandlungen.

Die vorliegenden Befunde zeigen die Bedeutung des Arbeitsumfeldes für die Wahrnehmungen fairer Löhne. Tarifverträge und Betriebsräte können auf betrieblicher Ebene dafür sorgen, dass Beschäftigte sich seltener unfair entlohnt fühlen. Bei Betriebsräten ist dies insbesondere für Arbeitnehmerinnen der Fall. Dagegen kann ein Austausch über Löhne im Kollegenkreis dazu führen, dass Beschäftigte ihre Löhne häufiger als zu niedrig empfinden. Die Wirkungsrichtung dieses Zusammenhangs geht aus den Analysen zwar nicht hervor. Lohntransparenz kann jedoch dazu beitragen, Lohnunterschiede offenzulegen und dagegen vorzugehen, sofern diese Unterschiede nicht durch Qualifikation oder Leistung gerechtfertigt sind.

Daten und Methoden

„Fair: Arbeiten in Deutschland“ ist eine Befragung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus größeren deutschen Unternehmen mit mindestens 100 Beschäftigten. Die Stichprobe wurde mithilfe eines mehrstufigen Zufallsverfahrens auf Basis des Betriebshistorikpanels (BHP) sowie der Beschäftigtenhistorik (BeH) gezogen. Die Daten für die vorliegenden Analysen umfassen 6.547 Beschäftigte aus 540 Betrieben, die zwischen Mai und August 2021 an der Online-Befragung teilnahmen.

Die Befragung ist das Ergebnis einer Kooperation zwischen dem Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz und dem IAB. Das Projekt ist gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder – EXC-2035/1 – 390681379.

Weitere Details zum Fragebogen, zur Stichprobenziehung oder zu den Datensätzen stehen in der veröffentlichten Dokumentation zur Verfügung. Die geschätzten Werte der wahrgenommenen Fairness des eigenen Lohns in den Abbildungen 2 und 3 basieren jeweils auf den Ergebnissen linearer Regressionsmodelle. In den Regressionen wird für Bruttostundenlöhne, Ausbildungsabschluss und wöchentlich geleistete Überstunden kontrolliert.

In aller Kürze

  • Befragt man Beschäftigte größerer Unternehmen zur Fairness ihres Lohnes, zeigt sich: Während mehr als ein Drittel der Befragten (39 %) ihren aktuellen Bruttolohn als fair wahrnimmt, ist eine Mehrheit (56 %) der Meinung, einen zu niedrigen Lohn zu bekommen.
  • Einflussfaktoren im Arbeitsumfeld können diese Wahrnehmung prägen: Beschäftigte aus Betrieben mit einem Tarifvertrag sowie einem Betriebsrat empfinden ihre Löhne seltener als unfair zu niedrig.
  • Ein Austausch über Löhne mit den Kolleginnen und Kollegen führt möglicherweise dazu, dass mehr Beschäftigte ihren Lohn als zu niedrig wahrnehmen. Die Wirkungsrichtung ist hier allerdings offen: Eventuell sprechen Personen, die ihren Lohn als zu niedrig empfinden, häufiger mit anderen über die Löhne.
  • Frauen aus Betrieben ohne Betriebsrat fühlen sich häufiger unfair bezahlt, während sich sonst nur geringe Unterschiede im Vergleich zu Männern zeigen.

Literatur

Adriaans, Jule; Bohmann, Sandra; Targa, Matteo; Liebig, Stefan; Hinz, Thomas; Jasso, Guillermina; Kittel, Bernhard; Sabbagh, Clara (2020): Justice and Fairness in Europe: Top-line results from Round 9 of the European Social Survey.

Strauß, Susanne; Hinz, Thomas; Zubanov, Nick; Brüggemann, Ole; Lang, Julia (2022): Fair: Arbeiten in Deutschland (Konstanz). Datenfile Version 1.0.0.

Bild: surasak/stock.adobe.com

DOI: 10.48720/IAB.FOO.20250203.01

Brüggemann, Ole ; Hinz, Thomas; Lang, Julia; Strauß, Susanne; Zubanov, Nick (2025): Wie fair empfinde ich meinen Lohn? Das Arbeitsumfeld macht den Unterschied, In: IAB-Forum 3. Februar 2025, https://www.iab-forum.de/wie-fair-empfinde-ich-meinen-lohn-das-arbeitsumfeld-macht-den-unterschied/, Abrufdatum: 5. February 2025

 

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