3. Mai 2018 | Arbeitsmarkt im Strukturwandel
Zur Einführung des Rechts auf befristete Teilzeit
Ein Recht auf Teilzeitarbeit ist in Deutschland bereits seit dem Jahr 2001 gesetzlich verankert. Laut Teilzeit- und Befristungsgesetz müssen Arbeitgeber ihren Beschäftigten unter bestimmten Voraussetzungen eine Reduzierung der Arbeitszeit ermöglichen. Im Koalitionsvertrag, der im März 2018 zwischen CDU/CSU und SPD vereinbart wurde, ist zudem ein Recht auf befristete Teilzeitbeschäftigung vorgesehen (siehe Infokasten „Auszug aus dem Koalitionsvertrag“).
Rückkehrrecht zielt insbesondere auf Frauen
Der aktuelle Referentenentwurf der Bundesregierung spricht von einer sogenannten Brückenteilzeit. Die Regelung soll es Beschäftigten ermöglichen, auf Wunsch ihre Arbeitszeit vorübergehend zu reduzieren, um dann nach einer mit dem Arbeitgeber vereinbarten Frist wieder im alten zeitlichen Umfang arbeiten zu können. Dieses Rückkehrrecht zielt insbesondere auf Frauen, denen es dadurch leichter gemacht werden soll, nach einer familiär bedingten Teilzeitphase wieder in eine Vollzeittätigkeit oder in eine Teilzeittätigkeit mit höherer Wochenstundenzahl zurückkehren zu können.
Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass die Regelung nur in Unternehmen mit mehr als 45 Beschäftigten angewendet werden soll. Eine weitere Einschränkung besteht darin, dass der Arbeitgeber den Wunsch nach einer befristeten Teilzeitbeschäftigung ablehnen kann, wenn diese ein Jahr unter- oder fünf Jahre überschreiten würde. Die Tarifvertragsparteien sollen jedoch die Möglichkeit erhalten, hiervon abweichende Regelungen zu vereinbaren.
Beschäftigte wurden zu ihren Arbeitszeitwünschen befragt
Im Rahmen einer IAB-Befragung, die 2014 stattfand, wurden die Arbeitszeitwünsche von Beschäftigten ermittelt. Die dabei erhobenen Daten geben Hinweise darauf, wie groß der Bedarf der Beschäftigten nach einer Regelung für befristete Teilzeit ist und wie diese ausgestaltet sein sollte, um diesem Bedarf möglichst gerecht zu werden (siehe Infokasten „Datengrundlage“). Bei der Interpretation der Befunde ist jedoch zu beachten, dass die Befragten ihre Antwort vor dem Hintergrund der damaligen rechtlichen Regelung und damit in Unkenntnis der nun angestrebten Gesetzesänderungen gaben.
Die Beschäftigten wurden zunächst nach ihrer tatsächlichen Arbeitszeit gefragt. Diese umfasst neben der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit zum Beispiel auch Überstunden. Hiervon ausgehend gab rund ein Viertel der Beschäftigten an, ihre Arbeitszeit reduzieren zu wollen, etwa 11 Prozent wünschten sich eine Ausweitung. Die Mehrheit, etwa zwei Drittel der Beschäftigten, sah keinen Änderungsbedarf.
Sechs Prozent der Beschäftigten streben eine befristete Teilzeit an
Etwa ein Viertel der Personen, die ihre Arbeitszeit reduzieren wollten, präferierten eine vorübergehende Verkürzung, während die Mehrheit eine dauerhafte Verringerung anstrebt (siehe Abbildung 1).
Bezogen auf alle befragten Beschäftigten äußerten somit etwa sechs Prozent den Wunsch nach einer vorübergehenden Reduzierung der Arbeitszeit. Der Wunsch nach einer temporären Arbeitszeitreduzierung wird von Frauen mit circa 31 Prozent signifikant häufiger geäußert als von Männern mit 22 Prozent. Einschränkend ist anzumerken, dass etwaige Verhaltenseffekte einer Neuregelung, wonach sich künftig unter Umständen mehr Beschäftigte für eine befristete Teilzeit entscheiden, nicht auszuschließen sind.
Ein Drittel der Beschäftigten mit Reduktionswunsch möchte nur für wenige Monate weniger arbeiten
Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass Anträge auf eine befristete Arbeitszeitverkürzung von weniger als einem und mehr als fünf Jahren abgelehnt werden können. Den Ergebnissen der Befragung zufolge bliebe dann ein substanzieller Teil der Beschäftigten, die ihre Arbeitszeit temporär verringern möchten, unberücksichtigt. Denn etwa ein Drittel von ihnen möchte dies nur für einen Zeitraum von weniger als einem Jahr tun (siehe Abbildung 2). Wie eine hier nicht dargestellte Analyse zeigt, wünscht sich diese Teilgruppe ganz überwiegend eine eher kurze Arbeitszeitreduktion von nicht mehr als sechs Monaten. Sie würden also von der geplanten Regelung nur dann profitieren, wenn sich die Tarifpartner auf eine entsprechende Regelung verständigen oder der Arbeitgeber seine Zustimmung erteilt. Denn in solchen Fällen müssen die Wünsche der Betroffenen mit dem berechtigten Interesse der Arbeitgeber abgewogen werden, den resultierenden Aufwand etwa für die Organisation von Vertretungen überschaubar zu halten.
Bei 63 Prozent der Beschäftigten mit Reduktionswunsch trifft die geplante Regelung den Bedarf
Die Mehrheit der Beschäftigten mit dem Wunsch zur Verringerung der Arbeitszeit – gut 63 Prozent – entfällt auf das im Koalitionsvertrag vorgesehene Fenster zwischen einem und fünf Jahren. Nur etwa 5 Prozent streben eine vorübergehende Teilzeit an, die über fünf Jahre hinausgeht. Mithin erscheint die im Koalitionsvertrag angeführte obere Begrenzung der befristeten Teilzeit auf höchstens fünf Jahre als weitgehend bedarfsgerecht.
Darüber, wie sich Beschäftigte, die laut Befragung eine befristete Teilzeit von unter einem Jahr präferieren, angesichts der geplanten Regelung tatsächlich verhalten werden, kann an dieser Stelle nur spekuliert werden. Sofern sie von der Möglichkeit einer vorübergehenden Arbeitszeitverringerung Gebrauch machen, könnten sie beispielsweise eine genau auf ein Jahr befristete Reduktion beantragen.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Recht der Arbeitgeber, Anträge auf befristete Teilzeitbeschäftigungen jenseits der festgelegten Grenzen abzulehnen, eine „Kann“-Regelung darstellt. Daher ist nicht auszuschließen, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Praxis auch auf kürzere oder längere Dauern einer Arbeitszeitreduktion verständigen. Damit ist insbesondere dann zu rechnen, wenn dies auf Basis von tarifvertraglichen Regelungen geschieht.
Fazit
Die geplante Regelung zur befristeten Teilzeit stärkt die Arbeitszeitflexibilität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und soll dazu dienen, die Vereinbarkeit von beruflichen und familiären Erfordernissen zu erhöhen. Um aber auch den personalwirtschaftlichen Restriktionen der Arbeitgeber Rechnung zu tragen und das Verfahren planbar zu machen, hat die Bundesregierung verschiedene Einschränkungen vorgesehen – etwa die Quotierung nach Betriebsgröße oder die zeitliche Begrenzung der Reduktion.
Auch wenn der tatsächliche Bedarf an der geplanten Regelung – bezogen auf alle Beschäftigte – auf Basis der verfügbaren Daten als relativ überschaubar einzuschätzen ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die tatsächliche Inanspruchnahme der Regelung nach deren Einführung höher ausfällt.
Angesichts der Tatsache, dass ein nicht unerheblicher Teil der Beschäftigten seine Arbeitszeit nur für wenige Monate reduzieren möchte, ist es nicht zuletzt an den Tarifpartnern, praktikable Lösungen zu entwickeln, die auch diesem Wunsch Rechnung tragen, ohne die Planungssicherheit der Arbeitgeber über Gebühr einzuschränken.
Insgesamt ist das Gesetzesvorhaben deutlich von den Bemühungen gekennzeichnet, den Beschäftigten ein erhöhtes Maß an Flexibilität zu gewähren. Diese Flexibilität stößt allerdings dort an Grenzen, wo ein gewisses Maß an Planbarkeit für die Arbeitgeber ermöglicht werden soll. Inwiefern dieses Verhältnis ausgewogen ist, lässt sich aus heutiger Sicht nicht abschließend klären.
Nachdem derzeit noch unklar ist, wie sich die Regelung in der betrieblichen Praxis konkret auswirken wird, ist die im Referentenentwurf vorgesehene Evaluation der Regelung nach fünf Jahren in jedem Fall zu begrüßen.
Auszug aus dem Koalitionsvertrag
Im Teilzeit- und Befristungsrecht wird ein Recht auf befristete Teilzeit eingeführt. Insbesondere für Frauen ist es wichtig, nach einer Familienphase ihre beruflichen Pläne voll verwirklichen zu können. Gegenüber dem Referentenentwurf zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts werden folgende Änderungen vereinbart:
1. Es besteht kein Anspruch auf Verlängerung oder Verkürzung der Arbeitszeit oder vorzeitige Rückkehr zur früheren Arbeitszeit während der zeitlich begrenzten Teilzeitarbeit.
2. Der neue Teilzeitanspruch nach diesem Gesetz gilt nur für Unternehmen, die in der Regel insgesamt mehr als 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen.
3. Für Unternehmensgrößen von 46 bis 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird eine Zumutbarkeitsgrenze eingeführt, dass lediglich einem pro angefangenen 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Anspruch gewährt werden muss. Bei der Berechnung der zumutbaren Zahlen an Freistellungen werden die ersten 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitgezählt. Bei Überschreitung dieser Grenze kann der Arbeitgeber einen Antrag ablehnen
4. Der Arbeitgeber kann eine befristete Teilzeit ablehnen, wenn diese ein Jahr unter- oder fünf Jahre überschreitet. Die Tarifvertragsparteien erhalten die Möglichkeit, hiervon abweichende Regelungen zu vereinbaren.
5. Nach Ablauf der zeitlich begrenzten Teilzeitarbeit kann die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer frühestens nach einem Jahr eine erneute Verringerung der Arbeitszeit verlangen.
Link zum Koalitionsvertrag
Datengrundlage
Die vorliegende Auswertung basiert auf Daten des IAB-Projekts „Situation atypisch Beschäftigter und Arbeitszeitwünsche von Teilzeitbeschäftigten“, das im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales durchgeführt wurde. In den Jahren 2013 und 2014 wurden hierfür circa 7.500 Beschäftigte telefonisch interviewt.
Bei der Interpretation der Daten ist zu berücksichtigen, dass der Datensatz keine Beschäftigten von Kleinstbetrieben (bis unter elf Beschäftigte) umfasst und entsprechend die Situation in Betrieben dieser Größenordnung nicht beurteilt werden kann.
Die Daten basieren auf dem Betriebskonzept. Da ein Unternehmen aus mehreren Betrieben bestehen kann, eigenen sich die vorliegenden Daten nicht, die Angaben bezüglich der im Koalitionsvertrag genannten Unternehmensgrößen zu analysieren. Details zum Projekt und weitere Analysen können dem Projektbericht entnommen werden.
Stegmaier, Jens; Gundert, Stefanie (2018): Zur Einführung des Rechts auf befristete Teilzeit, In: IAB-Forum 3. Mai 2018, https://www.iab-forum.de/zur-einfuehrung-des-rechts-auf-befristete-teilzeit/, Abrufdatum: 19. November 2024
Autoren:
- Jens Stegmaier
- Stefanie Gundert