18. Juni 2025 | Serie „Befunde aus der IAB-Grundsicherungsforschung 2021 bis 2024“
Zwischen Schulabschluss und Berufsausbildung: Die Barrieren für Jugendliche aus Haushalten mit Grundsicherungsbezug sind besonders hoch

Der Übergang von der Schule in den Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von der nach dem Schulabschluss absolvierten Berufsausbildung ab. Unter Berufsausbildung werden hier alle Bildungswege verstanden, die auf den Erwerb beruflicher Qualifikationen ausgerichtet sind. Dazu zählen sowohl schulische und betriebliche Ausbildungen als auch akademische Studiengänge. Ein erfolgreicher Abschluss in einem dieser Bereiche legt in aller Regel den Grundstein für einen gelungenen Einstieg in die weitere berufliche Laufbahn. Allerdings gelingt nicht allen jungen Erwachsenen ein stabiler und reibungsloser Übergang in den Arbeitsmarkt.
Aktuelle Zahlen aus dem Berufsbildungsbericht zeigen: Im Jahr 2022 verfügten rund 2,9 Millionen junge Erwachsene im Alter von 20 bis 34 Jahren über keinen beruflichen Abschluss – ein neuer Höchststand in Deutschland. Problematisch dabei ist, dass diese Personen im Vergleich zu jenen mit beruflichem oder akademischem Abschluss ein wesentlich höheres Arbeitslosigkeitsrisiko aufweisen. Dies wird auch im IAB-Kurzbericht 05/2025 von Holger Seibert deutlich. Demnach besaßen mehr als drei Viertel der arbeitslosen Jugendlichen im Jahr 2024 keinen Berufsabschluss.
Das Aufwachsen in einem sozial benachteiligten Haushalt erschwert den Einstieg in das Erwerbsleben
Der Übergang von der Schule in eine Berufsausbildung wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Eine zentrale Rolle spielt dabei das familiäre Umfeld, in dem Jugendliche aufwachsen. In sozial benachteiligten Haushalten stehen insgesamt weniger Ressourcen zur Verfügung, um Kinder und Jugendliche gezielt in der Entwicklung ihrer kognitiven und sozialen Kompetenzen zu fördern.
Die Forschung hat belegt: Wer schon in jungen Jahren grundlegende Kompetenzen nicht ausreichend entwickelt, hat es später deutlich schwerer, diese Lücken zu schließen (entsprechende Analysen finden sich etwa in einer 2006 publizierten Studie von Flavio Cunha und anderen). Gerade im Hinblick auf die Anforderungen des Ausbildungs- und Arbeitsmarktes kann dies häufig zu Nachteilen führen. Der erfolgreiche Einstieg ins Berufsleben ist für Jugendliche aus sozial benachteiligten Haushalten mit Schwierigkeiten verbunden.
Jugendliche aus Haushalten, die Grundsicherung für Arbeitsuchende beziehen (SGB-II-Leistungen), gehören typischerweise zu einer sozial benachteiligten Gruppe, wie unter anderem Brigitte Schels in ihrer Studie von 2012 aufzeigt. Begrenzte finanzielle Mittel, ein häufig geringes Bildungsniveau der Eltern und kaum unterstützende Netzwerke erschweren die Entwicklung wichtiger kognitiver und sozialer Kompetenzen. Dies kann die späteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt erheblich beeinträchtigen.
Aufschluss hierüber geben die Übergangsverläufe Jugendlicher, die vor ihrem ersten Schulabschluss in Haushalten lebten, die temporär oder dauerhaft SGB-II-Leistungen bezogen (SGB-II-Gruppe). Ihre Verläufe werden nachfolgend mit denen von Jugendlichen aus Haushalten verglichen, die im gleichen Zeitraum keine Leistungen bezogen (Vergleichsgruppe). Die Analyse der Unterschiede zwischen beiden Gruppen liefert Hinweise auf soziale Ungleichheiten sowie mögliche strukturelle Einflussfaktoren.
Soziale Unterschiede manifestieren sich bereits vor Verlassen der Schule
Vergleicht man die Ausgangsbedingungen nach dem Schulabgang, so zeigt sich: Das Bildungsniveau von Jugendlichen aus der SGB-II-Gruppe ist im Durchschnitt deutlich niedriger als das der Vergleichsgruppe (siehe Abbildung 1). So verlassen knapp 10 Prozent der Jugendlichen aus SGB-II-Haushalten die Schule ohne Abschluss, weitere rund 30 Prozent erreichen lediglich einen Hauptschulabschluss. Eine (Fach-)Hochschulreife weisen rund 20 Prozent auf. Anders in der Vergleichsgruppe: Hier verfügt über die Hälfte der Jugendlichen über eine (Fach-)Hochschulreife. Der Anteil mit Realschulabschluss unterscheidet sich zwischen den Gruppen hingegen kaum.
Die Ergebnisse stehen im Einklang mit empirischen Studien, die einen Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und dem erreichten Bildungsniveau belegen (lesen Sie hierzu etwa eine Studie von Silke Tophoven und anderen von 2017). Ein gutes Bildungsniveau stellt also einen zentralen Faktor für einen erfolgreichen Übergang nach dem Schulabschluss dar, da die Zugangschancen zu einer Berufsausbildung maßgeblich davon abhängen. Jugendliche aus der SGB-II-Gruppe starten daher mit deutlich ungünstigeren Voraussetzungen als Jugendliche aus der Vergleichsgruppe.
Jugendliche aus SGB-II-Haushalten nehmen in den ersten vier Jahren nach Verlassen der Schule seltener eine Berufsausbildung auf
Ein Blick auf die Übergangsraten in eine Berufsausbildung nach Verlassen der Schule zeigt, dass Jugendliche aus der SGB-II-Gruppe deutlich seltener eine Ausbildung oder ein Studium aufnehmen als Jugendliche aus der Vergleichsgruppe. Zwar beginnt in beiden Gruppen ein großer Teil der Jugendlichen bereits im ersten Jahr nach dem Schulabgang eine Ausbildung oder ein Studium. Dennoch ist dieser Anteil bei den Jugendlichen aus der SGB-II-Gruppe um etwa 14 Prozentpunkte niedriger.
Dieser Rückstand bleibt in einem Zeitraum von vier Jahren nach dem Schulabgang nahezu konstant. Der Unterschied entsteht also schon im ersten Jahr. Nach vier Jahren hat über ein Fünftel der jungen Erwachsenen aus der SGB-II-Gruppe noch keine Berufsausbildung begonnen, in der Vergleichsgruppe sind es zu diesem Zeitpunkt nur 6 Prozent (siehe Abbildung 2).
Damit stellt sich die Frage, ob die Unterschiede in den Einmündungsraten zwischen den beiden Gruppen auf bestimmte Merkmale der Jugendlichen zurückzuführen sind, wie Unterschiede im Bildungsniveau oder in den Schulleistungen, oder eher auf den SGB-II-Bezug selbst.
Mithilfe eines linearen Regressionsmodells lassen sich Unterschiede zwischen Personengruppen in der Wahrscheinlichkeit dafür schätzen, ob sich jemand zu einem bestimmten Zeitpunkt ab Verlassen der Schule tatsächlich (noch) in einer Berufsausbildung befindet. Diese Wahrscheinlichkeit spiegelt daher nicht nur den Zugang, sondern auch mögliche Abbrüche und damit Unterschiede in der Stabilität von Ausbildungsverhältnissen wider.
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Jugendliche aus der SGB-II-Gruppe nach vier Jahren in einer Berufsausbildung befinden, ist um rund 25 Prozent geringer als in der Vergleichsgruppe („unbereinigter Gruppenunterschied“). Hierbei handelt es sich um die reine Differenz in den Ausbildungswahrscheinlichkeiten zwischen den Gruppen, ohne dass andere potenzielle Merkmale herausgerechnet wurden, die mit Unterschieden in der Ausbildungswahrscheinlichkeit einhergehen.
Anders beim „bereinigten Gruppenunterschied“: Hierfür wurden Merkmale berücksichtigt, die bereits vor dem ersten Schulabschluss vorlagen, um sicherzustellen, dass sie nicht durch spätere Entwicklungen beeinflusst wurden. Dazu gehören individuelle Charakteristika der Jugendlichen (zum Beispiel Geschlecht und Migrationshintergrund), Merkmale des Haushalts und der Eltern (zum Beispiel Alleinerziehenden-Haushalt und Bildungsjahre der Mutter), beobachtete kognitive und nicht kognitive Fähigkeiten (zum Beispiel letzte beobachtete Schulnoten und selbst eingeschätzte Selbstwirksamkeit), der besuchte Schultyp, das Bundesland sowie die Schulabgangskohorte.
Dabei zeigt sich: Der unbereinigte Unterschied in den Ausbildungswahrscheinlichkeiten zwischen den beiden Gruppen fällt deutlich größer aus als der bereinigte (siehe Abbildung 3). Jugendliche aus der SGB-II-Gruppe weisen gegenüber der Vergleichsgruppe eine teils über 20 Prozentpunkte verringerte Wahrscheinlichkeit auf, in den ersten Jahren nach Verlassen der Schule in einer Berufsausbildung zu sein. Auch nach Kontrolle für individuelle, familiäre und schulische Merkmale bleibt ein zwar geringerer, aber statistisch signifikanter Gruppenunterschied bestehen.
Die Differenz in den Ausbildungswahrscheinlichkeiten lässt sich also nur teilweise durch beobachtete Merkmale wie das Bildungsniveau oder die Schulleistungen erklären. Vielmehr legen die Ergebnisse nahe, dass mit dem Aufwachsen in unterschiedlichen sozio-ökonomischen Lebenslagen strukturelle Unterschiede verbunden sind, die auch zwischen vergleichbaren Bildungsgruppen fortbestehen.
Möglich ist, dass Faktoren wie Arbeitsmarktferne der Eltern, schwächere Netzwerke oder geringere Unterstützung beim Bewerbungsprozess zu diesen Unterschieden beitragen. Sie dürften somit nicht nur den Übergang in Berufsausbildung negativ beeinflussen, sondern vermutlich auch die späteren Erwerbschancen. Bildungschancen junger Menschen hängen also nicht nur von individuellen Faktoren ab, sondern werden auch direkt durch den sozialen Status des Haushalts, in dem sie leben, geprägt.
Fazit
Frühe sozio-ökonomische Bedingungen haben einen langfristigen Einfluss auf Bildungs- und Erwerbsverläufe. So sehen sich Jugendliche aus Haushalten mit SGB-II-Bezug beim Übergang von der Schule in den Beruf mit strukturellen Hürden konfrontiert, die bereits vor ihrem Eintritt in den Arbeitsmarkt wirksam werden.
Fehlende Ressourcen in der Kindheit, so der wenig überraschende Befund, wirken sich auf das Bildungsniveau aus. Bemerkenswert ist indes, dass deutliche Gruppenunterschiede auch innerhalb vergleichbarer Bildungsniveaus bestehen. So hat der soziale Status des Haushalts auch unabhängig vom Bildungserfolg Einfluss auf spätere Ausbildungschancen – und damit auf spätere Erwerbschancen.
Bildungspolitische Maßnahmen sollten sich daher auf frühzeitige Interventionen konzentrieren, etwa durch gezielte Berufsberatung, Mentoring-Programme oder den Ausbau niedrigschwelliger Ausbildungsangebote. Eine frühzeitige und umfassende Förderung kann dazu beitragen, Übergänge in Ausbildung zu erleichtern und längerfristige Benachteiligungen gerade für Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien abzumildern.
Daten und Methoden
Die Analyse basiert auf den Wellen 1 bis 16 (2006 bis 2022) der Panelbefragung „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS). Die Analysestichprobe umfasst 1.918 Personen, die in diesem Zeitraum beobachtet wurden, einen Schulabschluss erworben oder die Schule ohne Abschluss verlassen haben und bei diesem ersten Übergang nicht älter als 21 Jahre alt waren. Davon stammen 1.219 Jugendliche aus Haushalten, in denen vor dem ersten Übergang mindestens einmal ein SGB-II-Bezug beobachtet wurde (SGB-II-Gruppe), 699 stammen aus Haushalten ohne einen solchen Leistungsbezug vor Verlassen der Schule (Vergleichsgruppe).
Die Befragungsdaten wurden mit administrativen Daten der Integrierten Erwerbsbiografien (IEB) des IAB verknüpft, um Informationen zu Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zu ergänzen. Durch die administrativen Daten wurden zudem Lücken in den Befragungsdaten geschlossen, etwa wenn jemand nicht immer an der Wiederholungsbefragung von PASS teilgenommen hat.
Verbleibende fehlende Angaben zum Verbleib der Jugendlichen in den Jahren nach dem ersten Schulabgang wurden mithilfe eines Imputationsverfahrens ergänzt. Um der damit verbundenen Unsicherheit Rechnung zu tragen, werden die imputierten Beobachtungen probabilistisch gewichtet.
Untersucht werden die Übergangsverläufe der Jugendlichen innerhalb der ersten vier Jahre nach Verlassen der Schule.
In aller Kürze
- Der erfolgreiche Abschluss einer Berufsausbildung ist ein zentraler Faktor für einen längerfristig erfolgreichen Übergang von der Schule in den Arbeitsmarkt.
- Bei Jugendlichen aus Haushalten, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende beziehen (SGB-II-Haushalte), ist das Risiko instabiler Übergänge von der Schule ins Berufsleben erhöht, da sie häufig nur eingeschränkt auf familiäre Unterstützung zurückgreifen können.
- Jugendliche aus SGB-II-Haushalten verlassen die Schule mit einem deutlich niedrigeren Bildungsniveau und nehmen in den ersten vier Jahren nach dem Schulabschluss seltener eine Berufsausbildung auf als Jugendliche aus Haushalten ohne Leistungsbezug.
- Unterschiede in der Wahrscheinlichkeit, eine Berufsausbildung zu absolvieren, bleiben auch bei vergleichbarem Bildungsniveau und Schulnoten bestehen. Sie deuten auf weitere Unterschiede zwischen den Gruppen hin, die sich für die SGB-II-Gruppe nachteilig auf die Ausbildungswahrscheinlichkeit auswirken.
Literatur
Bundesministerium für Bildung und Forschung (2024): Berufsbildungsbericht 2024.
Cunha, Flavio; Heckman, James J.; Lochner, Lance; Masterov, Dimitriy V. (2006): Interpreting the evidence on life cycle skill formation. In: E. Hanushek & F. Welch (Hrsg.), Handbook of the economics of education, Vol. 1, S.. 697–812. Amsterdam: Elsevier.
Schels, Brigitte (2012): Arbeitslosengeld-II-Bezug im Übergang in das Erwerbsleben. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Seibert, Holger (2025): Höheres Lehrstellenangebot ist verknüpft mit niedrigerer Jugendarbeitslosigkeit. IAB-Kurzbericht Nr. 5.
Tophoven, Silke; Lietzmann, Torsten; Reiter, Sabrina; Wenzig, Claudia (2017): Armutsmuster in Kindheit und Jugend. Längsschnittbetrachtungen von Kinderarmut. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung.
Bild: Мар’ян Філь/stock.adobe.com
DOI: 10.48720/IAB.FOO.20250618.01
Fitzenberger, Bernd; Heusler, Anna; Holleitner, Julia (2025): Zwischen Schulabschluss und Berufsausbildung: Die Barrieren für Jugendliche aus Haushalten mit Grundsicherungsbezug sind besonders hoch, In: IAB-Forum 18. Juni 2025, https://iab-forum.de/zwischen-schulabschluss-und-berufsausbildung-die-barrieren-fuer-jugendliche-aus-haushalten-mit-grundsicherungsbezug-sind-besonders-hoch/, Abrufdatum: 18. June 2025
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Autoren:
- Bernd Fitzenberger
- Anna Heusler
- Julia Holleitner