22. Februar 2021 | Serie „Corona-Krise: Folgen für den Arbeitsmarkt“
Die Mehrheit der förderberechtigten Betriebe wird das Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ nutzen
Lutz Bellmann , Bernd Fitzenberger , Patrick Gleiser , Christian Kagerl , Eva Kleifgen , Theresa Koch , Corinna König , Ute Leber , Laura Pohlan , Duncan Roth , Malte Schierholz , Jens Stegmaier , Armin Aminian
Das Förderprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ richtet sich an kleine und mittlere Betriebe, die besonders stark von der Corona-Krise betroffen sind und ihre Ausbildungsplätze dennoch halten oder sogar ausbauen. Das Programm soll auch dazu beitragen, Kurzarbeit bei Auszubildenden zu vermeiden und die Übernahme von Auszubildenden aus insolventen Betrieben zu erleichtern (siehe Infokasten „Das Förderprogramm ‚Ausbildungsplätze sichern’“).
Das Ende Juli 2020 aufgelegte Programm war bereits kurz nach Beginn des aktuellen Ausbildungsjahres Gegenstand eines Beitrags im IAB-Forum, der auf einer Befragung vom September vorigen Jahres basierte. Grundlage war die IAB-Erhebung „Betriebe in der Covid-19-Krise“. Im Dezember 2020 wurden die Betriebe erneut zur Kenntnis und Inanspruchnahme des Programms befragt.
Etwa die Hälfte der potenziell anspruchsberechtigten Betriebe kennt das Förderprogramm
Im September 2020 gab nur etwa die Hälfte der potenziellen Zielgruppe unter den Betrieben (sie sind hier definiert als ausbildungsberechtigte Betriebe mit weniger als 250 Beschäftigten, die sehr stark von der Krise betroffen waren) an, das Förderprogramm zu kennen. Allerdings lassen sich die exakten Kriterien der Förderberechtigung (siehe Infokasten „Daten und Methoden“) mit den vorliegenden Daten nur näherungsweise abbilden. Die Betriebe, die in der Befragung als potenzielle Zielgruppe für das Programm gelten, entsprechen daher nicht exakt den tatsächlich förderberechtigten Betrieben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die potenzielle Zielgruppe unabhängig von den tatsächlichen Ausbildungsaktivitäten der Betriebe definiert ist.
Im Dezember 2020 gaben etwa 53 Prozent unter den Betrieben in der potenziellen Zielgruppe an, das Programm zu kennen (siehe Abbildung 1). Der Bekanntheitsgrad in der Zielgruppe blieb damit gegenüber dem Septemberwert im Großen und Ganzen unverändert. Im Vergleich zur ersten Untersuchung fällt jedoch auf, dass der Bekanntheitsgrad unter allen Betrieben – also unter Einschluss der nicht förderberechtigten Betriebe – mit etwa 36 Prozent geringer ausfiel als in der Septemberbefragung mit 44 Prozent.
Neben der statistischen Streuung über die beiden Befragungen kann der Unterschied auch durch das geänderte Fragenprogramm zustande gekommen sein. Denn beim Vergleich beider Erhebungen ist zu berücksichtigen, dass die Fragen zur Ausbildungsprämie verändert wurden, um die Förderberechtigung und damit die Nutzung des Programms besser einschätzen zu können.
Die Befragten, die das Programm kannten, wurden zudem um Auskunft gebeten, über welche Informationskanäle sie von dem Programm erfahren hatten. Mehrheitlich wurde dabei auf Unternehmensverbände (61 Prozent) und Medien (58 Prozent) verwiesen. Eine weitere wichtige Quelle war die Bundesagentur für Arbeit (41 Prozent).
In der Befragung vom September waren sich die Betriebe eher unsicher, ob sie die Fördervoraussetzungen erfüllen. Daher wurde im Dezember eine Frage zur Kenntnis der entsprechenden Kriterien vorangestellt. Dabei gab knapp die Hälfte (48 Prozent) der Betriebe, die das Programm kennen und zur potenziellen Zielgruppe gehören, auch an, mit den Fördervoraussetzungen vertraut zu sein. Unter diesen Betrieben stuften sich über zwei Drittel (72 Prozent) als förderberechtigt ein (siehe Abbildung 2). Blickt man dagegen auf alle Betriebe, die nach eigenen Angaben die Förderkriterien kennen, reduziert sich der Anteil auf etwa 47 Prozent.
28 Prozent der förderberechtigten Betriebe haben bereits Mittel beantragt
Wie oben angemerkt, lassen sich die Zahlen zwischen den Befragungen im September und Dezember nicht uneingeschränkt miteinander vergleichen, da sich die Fragen etwas geändert haben. Die Anträge auf Fördergelder haben jedoch so deutlich zugenommen, dass dies kaum darauf allein zurückzuführen sein kann.
Unter den förderberechtigten Betrieben gaben im Dezember 28 Prozent an, bereits Mittel beantragt zu haben (siehe Abbildung 3); im September waren es erst 16 Prozent. Weitere 27 Prozent der förderberechtigten Betriebe hatten im Dezember erstmals geplant, Fördermittel zu beantragen. Insgesamt scheint das Programm dieser Erhebung zufolge somit zumindest mehr als die Hälfte (55 Prozent) der förderberechtigten Betriebe zu erreichen. Dabei beabsichtigen etwa 68 Prozent dieser Betriebe die „Ausbildungsprämie“ oder die „Ausbildungsprämie plus“ (siehe Infokasten „Das Förderprogramm ‚Ausbildungsplätze sichern’“) in Anspruch zu nehmen.
55 Prozent der Betriebe, die zwar förderberechtigt sind, aber keine Förderung beantragt haben und dies auch nicht planen, geben als Grund „mangelndes Interesse“ an. Fast ebenso viele Betriebe schätzen den damit verbundenen Aufwand als zu hoch ein. 37 Prozent geben an, dass der Förderbetrag zu gering sei. Während sich die Förderhöhe auch ohne Antrag recht sicher einschätzen lässt, dürfte der Aufwand für die Beantragung bei diesen Betrieben eher auf Vermutungen beruhen.
Nur eine Minderheit der Betriebe, die Erfahrungen mit dem Programm haben, schätzt den administrativen Aufwand als groß ein
Diejenigen Betriebe, die bereits eine Förderung beantragt haben, wurden gebeten, den Aufwand für die Beantragung und die damit verbundene Dokumentation einzuschätzen (hier zusammengefasst auf einer Skala von „sehr geringer Aufwand“ über „mittlerer Aufwand“ bis „sehr großer Aufwand“). Dabei gab mit 57 Prozent eine deutliche Mehrheit von ihnen an, dass der Aufwand gering oder sehr gering sei. Weitere 33 Prozent nannten die mittlere Kategorie und nur 10 Prozent antworteten mit „großer oder sehr großer Aufwand“ (siehe Abbildung 4).
Sie unterschieden sich damit deutlich von denjenigen Betrieben, die nach eigenen Angaben förderberechtigt sind, aber (noch) keinen Antrag gestellt haben. Von diesen vermuten immerhin 29 Prozent der Betriebe einen „(sehr) großen Aufwand“, weitere 44 Prozent gehen von einem mittleren Aufwand aus.
Auch wenn diese Angaben aufgrund der kleinen Fallzahl mit einer relativ hohen statistischen Unschärfe behaftet sind, könnte der Unterschied ein Hinweis darauf sein, dass der administrative Aufwand tatsächlich eher geringer sein dürfte als von vielen Betrieben angenommen. Denkbar ist aber auch, dass Betriebe mit einer gewissen Erfahrung in solchen und ähnlichen Verfahren das Programm eher in Anspruch nehmen, weil sie sich leichter tun. Welche dieser Erklärungen zutrifft, kann jedoch auf Basis der hier vorliegenden Daten nicht entschieden werden.
Fazit
Nachdem im September 2020 noch vergleichsweise wenige Betriebe Leistungen des Programms „Ausbildungsplätze sichern“ beantragt hatten, nutzt mittlerweile ein substanzieller Teil der förderberechtigten Betriebe das Programm oder plant, es zu nutzen. Zugleich kennt nur etwas mehr als die Hälfte der Betriebe aus der potenziellen Zielgruppe das Programm. Davon war wiederum nur etwa die Hälfte mit den Förderkriterien vertraut. Es dürfte also noch ein nicht unbedeutendes Potenzial an Betrieben existieren, deren Ausbildungsbemühungen mit dem Programm gefördert werden könnten.
Dies ist umso relevanter, weil sich die betrieblichen Ausbildungszahlen im nächsten Ausbildungsjahr wahrscheinlich weiter abschwächen werden (lesen Sie dazu auch einen aktuellen Beitrag im IAB-Forum zur Situation im kommenden Ausbildungsjahr). Da sich die Ausbildungsprämie nur auf die bis zum 15. Februar 2021 begonnenen Ausbildungsverhältnisse bezieht und auch die anderen Programmbestandteile im Laufe des Jahres 2021 auslaufen, sollte das Programm verlängert und in einer neuen Informationskampagne noch einmal stärker beworben werden. Die Förderkriterien könnten ebenfalls noch einmal überdacht werden (lesen Sie dazu auch einen IAB-Debattenbeitrag von Bernd Fitzenberger, der ebenfalls im IAB-Forum erschienen ist). Die Pläne von Bundesarbeitsminister Heil, im März dieses Jahres eine erneute und verbesserte Ausbildungsprämie aufzulegen, decken sich daher grundsätzlich mit der Einschätzung des IAB.
Förderangebote erhöhen die Planungssicherheit für Betriebe, die sich noch unsicher sind, in welchem Umfang sie Ausbildungsplätze anbieten werden. Da sich immer weniger Jugendliche auf eine Ausbildungsstelle bewerben, sollten zugleich geeignete Maßnahmen getroffen werden, um ihr Interesse für die betriebliche Ausbildung zu stärken. So sollte angestrebt werden, dass bewährte Instrumente der Berufsorientierung (Berufsberatung, Bewerbermessen, Praktika) auch während der Pandemie in geeigneter Form genutzt werden können. Wenn es nur digital geht, eben auf diese Weise.
Das Förderprogramm „Ausbildungsplätze sichern“
Das Förderprogramm richtet sich an kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit bis zu 249 Beschäftigten, die von der Corona-Krise betroffen sind. Ein Unternehmen gilt als erheblich betroffen, wenn sein Umsatz im April und Mai 2020 um durchschnittlich mindestens 60 Prozent gegenüber April und Mai 2019 eingebrochen ist, oder wenn der Betrieb im ersten Halbjahr 2020 wenigstens einen Monat Kurzarbeit durchgeführt hat. Das Programm besteht aus mehreren Bausteinen:
- Mit der Ausbildungsprämie werden KMU gefördert, die in erheblichem Umfang von der Corona-Krise betroffen sind und dennoch ebenso viele Ausbildungsverträge für das Ausbildungsjahr 2020 abschließen wie im Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2019. Die Prämie besteht aus einem einmaligen Zuschuss in Höhe von 2.000 Euro je Ausbildungsvertrag.
- Die Ausbildungsprämie plus entspricht der Ausbildungsprämie, richtet sich aber an Unternehmen, welche die Zahl ihrer Ausbildungsverträge sogar erhöhen. Der Zuschuss beträgt hier 3.000 Euro.
- Der Zuschuss zur Ausbildungsvergütung richtet sich an KMU, die trotz Kurzarbeit die Ausbildung fortsetzen. Diese Unternehmen erhalten einen Zuschuss in Höhe von 75 Prozent der Ausbildungsvergütung. Die Förderung wird für jeden Monat gezahlt, in dem der Betrieb einen Arbeitsausfall von mindestens 50 Prozent angezeigt hat.
- Schließlich erhalten KMU, die Auszubildende aus einem anderen KMU übernehmen, das infolge der Corona-Krise in die Insolvenz geht, eine einmalige Übernahmeprämie in Höhe von 3.000 Euro.
- Mit einer zweiten Förderrichtlinie, die am 31.10.2020 in Kraft trat, wird die Nutzung von Verbund- oder Auftragsausbildung unterstützt (diese Förderung wurde nicht anhand einer eigenen Frage im Fragebogen identifiziert).
Daten und Methoden
Die Daten dieser Analysen stammen aus der siebten Erhebungswelle vom 7. bis 18. Dezember 2020 der telefonischen Befragung „Betriebe in der Covid-19-Krise“. Die Grundgesamtheit umfasst alle Betriebe Deutschlands mit mindestens einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten (ohne öffentlichen Dienst). Jede Niederlassung eines Unternehmens zählt dabei als eigenständiger Betrieb, sofern die einzelnen Niederlassungen unterschiedlichen wirtschaftlichen Betätigungen nachgehen oder in verschiedenen Gemeinden ansässig sind.
Gegenüber der Befragung der dritten Erhebungswelle wurden an manchen Stellen Änderungen im Fragenprogramm vorgenommen und ergänzende Fragen aufgenommen. Eine wichtige Änderung bezieht sich auf eine zusätzliche Frage zur Kenntnis der Förderkriterien (vor der Frage, ob der Betrieb diesen Kriterien entspricht). Eine weitere Änderung fand bei der Frage statt, die sich auf die jeweils beantragten/geplanten Förderlinien richtet. Zusätzlich wurde in der siebten Welle gefragt, woher die Betriebe von dem Förderprogramm erfahren haben und warum förderberechtigte Betriebe die Förderung nicht in Anspruch nehmen.
Zur Auswahl der Betriebe wurde eine geschichtete Zufallsstichprobe gezogen, in der große Betriebe deutlich überrepräsentiert sind (nähere Informationen zur Erhebung finden Sie in einem aktuellen Beitrag für das IAB-Forum). Auch die Wahrscheinlichkeit der Teilnahme an der Befragung variiert. Beides wurde bei der Bestimmung der Hochrechnungsfaktoren berücksichtigt. Diese geben an, für wie viele Betriebe aus der Grundgesamtheit ein einzelner Betrieb aus der Befragung stellvertretend steht. Abschließend wurden die Hochrechnungsfaktoren anhand von Betriebsgröße, Branche und Region kalibriert, sodass die mit Befragungsdaten hochgerechnete Anzahl der Betriebe in Deutschland der gemeldeten Anzahl vom 28. Februar 2020 laut den administrativen Betriebsdaten der Bundesagentur für Arbeit entspricht.
Literatur
Lutz Bellmann, Bernd Fitzenberger, Patrick Gleiser, Christian Kagerl, Eva Kleifgen, Theresa Koch, Corinna König, Ute Leber, Laura Pohlan, Duncan Roth, Malte Schierholz, Jens Stegmaier, Armin Aminian (2020): Jeder zehnte ausbildungsberechtigte Betrieb könnte im kommenden Ausbildungsjahr krisenbedingt weniger Lehrstellen besetzen. In: IAB-Forum vom 22.2.2021.
Lutz Bellmann, Bernd Fitzenberger, Patrick Gleiser, Christian Kagerl, Eva Kleifgen, Theresa Koch, Corinna König, Ute Leber, Laura Pohlan, Duncan Roth, Malte Schierholz, Jens Stegmaier, Armin Aminian (2020): Betriebliche Berufsausbildung in der Covid-19-Krise: Viele Betriebe kennen das Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern” noch nicht. In: IAB-Forum vom 24.11.2020.
Bellmann, Lutz; Kagerl, Christian; Koch, Theresa; König, Corinna; Leber, Ute; Schierholz, Malte; Stegmaier, Jens; Aminian, Armin (2020): Was bewegt Arbeitgeber in der Krise? Eine neue IAB-Befragung gibt Aufschluss. In: IAB-Forum vom 25.9.2020.
Fitzenberger, Bernd (2020): In der Covid-19-Rezession muss auch die duale Berufsausbildung abgesichert werden. In: IAB-Forum vom 5.6.2020.
Bellmann, Lutz; Fitzenberger, Bernd; Gleiser, Patrick; Kagerl, Christian ; Kleifgen, Eva; Koch, Theresa; König, Corinna ; Leber, Ute; Pohlan, Laura; Roth, Duncan; Schierholz, Malte ; Stegmaier, Jens; Aminian , Armin (2021): Die Mehrheit der förderberechtigten Betriebe wird das Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ nutzen, In: IAB-Forum 22. Februar 2021, https://www.iab-forum.de/die-mehrheit-der-foerderberechtigten-betriebe-wird-das-bundesprogramm-ausbildungsplaetze-sichern-nutzen/, Abrufdatum: 18. December 2024
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Autoren:
- Lutz Bellmann
- Bernd Fitzenberger
- Patrick Gleiser
- Christian Kagerl
- Eva Kleifgen
- Theresa Koch
- Corinna König
- Ute Leber
- Laura Pohlan
- Duncan Roth
- Malte Schierholz
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- Armin Aminian