18. Januar 2023 | Bildung vor und im Erwerbsleben
Warum Betriebe die Weiterbildungsförderung für Beschäftigte bislang eher wenig nutzen
Sandra Biermeier , Elke Dony , Sabine Greger , Ute Leber , Franziska Schreyer , Karsten Strien
Angesichts des Wandels der Arbeitswelt gewinnt die berufliche Weiterbildung immer mehr an Bedeutung. Während im Zuge der digitalen und ökologischen Transformation manche Tätigkeiten wegfallen, kommen andere neu hinzu. In manchen Wirtschaftszweigen werden Arbeitsplätze ab-, in anderen aufgebaut. Doch auch bei den bestehenden Arbeitsplätzen kommt es zu mehr oder weniger grundlegenden Änderungen der Tätigkeitsinhalte. Der Strukturwandel lässt sich nur bewältigen, wenn Betriebe und Beschäftigte intensiv in berufliche Weiterbildung investieren.
Die Möglichkeiten der geförderten beruflichen Weiterbildung wurden deutlich ausgebaut
Um die Teilhabe an Weiterbildung insbesondere von benachteiligten Gruppen zu fördern, wurde im Jahr 2006 das Sonderprogramm „Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen“ (WeGebAU) ins Leben gerufen. Mit dem Qualifizierungschancengesetz sowie dem Gesetz zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung („Arbeit-von-morgen-Gesetz“) wurde das Förderinstrumentarium im Januar 2019 beziehungsweise im Oktober 2020 erweitert und WeGebAU abgelöst. Seitdem bestehen bei der Förderung der Weiterbildung von Beschäftigten keine Beschränkungen mehr hinsichtlich Qualifikation, Lebensalter und Betriebsgröße.
Mit den Gesetzesänderungen soll insbesondere die Weiterbildung von Beschäftigten mit Tätigkeiten gefördert werden, die aufgrund des (technologischen) Strukturwandels ersetzt werden können. Ein weiteres Hauptaugenmerk liegt auf der Begrenzung beruflicher Engpässe. Es geht also um Weiterbildungsinhalte für solche Berufe, in denen offene Stellen schwer zu besetzen sind. Zentraler Ansprechpartner für die Förderung ist in allen Fällen der Betrieb.
Die Agenturen für Arbeit erstatten den Betrieben insbesondere Kosten für Lehrgänge und leisten Zuschüsse zum Arbeitsentgelt der Beschäftigten. Je nach Qualifikation, Alter und gegebenenfalls dem Grad der Schwerbehinderung der Beschäftigten und der Größe des Betriebs können die Agenturen einen unterschiedlich hohen Anteil dieser Kosten übernehmen – bis hin zur kompletten Kostenerstattung (einen Überblick über die aktuell gültigen rechtlichen Bestimmungen finden Sie im Infokasten „Rechtliche Rahmenbedingungen“ und auf der Internetseite der Bundesagentur für Arbeit).
Viele Betriebe nutzen die Förderprogramme nicht
Wie Anton Klaus und andere im IAB-Kurzbericht 24/2020 deutlich machen, hat die Ausweitung der Fördermöglichkeiten in der Beschäftigtenqualifizierung allerdings keine nennenswerten Änderungen bei der Zahl oder der Zusammensetzung der Teilnehmenden mit sich gebracht.
Auf Basis einer Betriebsbefragung des IAB zeigen Thomas Kruppe, Julia Lang und Ute Leber in einem Beitrag für das IAB-Forum aus dem Jahr 2021, dass viele Betriebe das Förderinstrumentarium der Agenturen für Arbeit gar nicht kennen. Sind die entsprechenden Förderprogramme und Weiterbildungsangebote bekannt, so sind es dieser Studie zufolge vor allem die mangelnde Passung von Weiterbildungsbedarfen und -angeboten, aber auch der administrative Aufwand, die viele Unternehmen von einer Inanspruchnahme abhalten.
Geförderte Weiterbildung kann den Betrieben aber helfen, ihr Personal so zu qualifizieren, dass sie den notwendigen Strukturwandel besser und mit geringeren Kosten bewältigen können. Auch die Beschäftigten selbst können von geförderter Weiterbildung profitieren. So belegen Studien von Christine Dauth aus dem Jahr 2020 sowie von Christine Dauth und Ott Toomet aus dem Jahr 2016, dass das Programm WeGebAU die Beschäftigungssicherheit und die Einkommen der Teilnehmenden zumindest moderat verbessert hat. Vor allem ältere Beschäftigte, Beschäftigte in Teilzeit und diejenigen Beschäftigten, die an längeren Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen, profitieren davon.
Experteninterviews geben Aufschluss über Gründe für die geringe Nutzung
Einen vertieften Einblick in die Hürden für die Inanspruchnahme von geförderter Weiterbildung von Beschäftigten bietet ein qualitatives Forschungsprojekt des IAB. Dafür wurden von April bis September 2021 20 Expertinnen und Experten leitfadengestützt interviewt. Konkret waren zehn ausgewählte Betriebe unterschiedlicher Größe und Branchenzugehörigkeit einbezogen. Die dort telefonisch Befragten hatten überwiegend leitende Funktionen im Personalbereich oder in der Geschäftsführung inne.
Ebenso befragt wurden zehn Personen aus Organisationseinheiten der Arbeitgeber-Services (AG-S) in zehn Agenturen für Arbeit, die für die Beratung und Unterstützung der Betriebe zuständig sind und über die Anträge auf Weiterbildungsförderung entscheiden. Bei den dort Interviewten handelte es sich um drei Teamleitungen und sieben Fachkräfte. Die Teams von zwei Teamleitungen waren auf das Thema der Beschäftigtenqualifizierung spezialisiert. Von den interviewten Fachkräften waren drei darauf spezialisiert, in ihrem Agenturbezirk Unternehmen zur Beschäftigtenqualifizierung zu beraten. Insofern berichteten die Interviewten auf Basis eines reichen Erfahrungsschatzes. Die in diesen Interviews geschilderten Erfahrungen und Perspektiven aus der Praxis werden nachfolgend zusammengefasst.
Bekanntheitsgrad der Weiterbildungsförderung ist gering
Interviewte aus dem AG-S sowie den Betrieben beschreiben zunächst die mangelnde Bekanntheit der Fördermöglichkeiten als Problem. Dies sei der maßgebliche Grund für die bislang eher geringe Nutzung. Dabei ist das Missverständnis verbreitet, dass sich die Förderung der Arbeitsagenturen ausschließlich auf Arbeitslose und nicht auch auf Beschäftigte bezieht. So besteht gerade bei kleineren und mittleren Betrieben oftmals nur unzureichendes Wissen um die Fördermöglichkeiten. Die Betriebe scheinen die Fördermöglichkeiten eher zu kennen, wenn sie (regelmäßig) Kontakt mit dem AG-S haben.
Auf die Frage, wie der Informationsstand verbessert werden könne, antworteten die Betriebe unterschiedlich: So wünscht sich ein Teil eine (intensivere) aufsuchende Beratung durch den AG-S, ein anderer Teil hält eine Information über Newsletter oder Flyer für ausreichend.
Kleinere und mittlere Betriebe sehen sich anderen Hürden gegenüber als Großbetriebe
Vor allem kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) verfügen oft über zu geringe Personalressourcen, um sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Dies bestätigten sowohl die befragten Unternehmen als auch die befragten Verantwortlichen in den AG-S. Denn gerade in KMU hat das Tagesgeschäft oft Vorrang, auch sind längere Weiterbildungen bei voller Kapazitätsauslastung schwer plan- und durchführbar. Zudem lässt sich der damit verbundene Arbeitsausfall nicht immer kompensieren. So sind notwendige Vertretungen gerade in KMU oft weder intern noch extern zu organisieren und trotz (anteiligem) Zuschuss zum Arbeitsentgelt schwer zu finanzieren.
Speziell für Großbetriebe zeigt sich: Eine Förderung ist aufgrund der für sie niedrigeren Fördersätze nicht immer attraktiv (eine Übersicht zu den gestaffelten Fördersätzen finden Sie auf der Internetseite der Bundesagentur für Arbeit). So schätzen größere Betriebe die Relation zwischen Aufwand und voraussichtlicher Förderhöhe oft als ungünstig ein. Zudem verfügen sie häufig ohnehin über passgenaue und flexible interne oder externe Schulungen. Sie sind somit weniger auf das Angebot der Bundesagentur für Arbeit angewiesen.
Beschäftigte selber verzichten aus unterschiedlichen Gründen auf eine Weiterbildung
Interviewte aus dem AG-S und aus den Betrieben berichten zudem davon, dass auch manche Beschäftigte aus unterschiedlichen Gründen auf die Teilnahme an einer entsprechenden Weiterbildung verzichten. Sofern die Weiterbildung außerhalb der Arbeitszeit stattfindet, sei diese mit familiären Betreuungspflichten oft schwer zu vereinbaren. Insbesondere in ländlichen Regionen können lange Fahrzeiten zum Ort der Weiterbildung eine Hürde darstellen, sofern eine digitale Teilnahme nicht möglich ist. Vereinzelt sei auch die Weiterbildungsbereitschaft gering, weil der Nutzen von Weiterbildung nicht immer gesehen wird. Teils seien zudem die qualifikatorischen und sprachlichen Voraussetzungen für eine Weiterbildung nicht gegeben.
Administration und Umsetzung der geförderten Weiterbildung stellen Betriebe vor Herausforderungen
Die Interviewten aus dem AG-S stufen die geförderte Weiterbildung von Beschäftigten grundsätzlich als hilfreich ein. Sie halten aber den damit verbundenen administrativen Aufwand für zu hoch („Der höchste Aufwand, den wir für irgendwelche Leistungen haben“, „bürokratisches Monster“). Die Betriebe könnten durch den Verwaltungsaufwand abgeschreckt werden, so die Einschätzung der Befragten. Ein Interviewter im AG-S empfiehlt daher, bei Bedarf gerade kleineren und mittleren Betrieben beim Ausfüllen der Dokumente behilflich zu sein – vor allem dann, wenn mangelnde digitale Kompetenz oder mangelnde Deutschkompetenz hinzukommen.
Der große Aufwand bei der Antragstellung wird auch von den Betrieben selbst bestätigt. Beispielsweise bewertet ein Interviewter das Antragsverfahren als „so umfangreich, dass man es lieber lässt und guckt, dass man die Mitarbeiter anderweitig qualifizieren kann“. Einige Interviewte sehen als zusätzliche Hürde, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung sowohl die Erfolgschancen des Antrags als auch die Förderhöhe sowie das tatsächliche Zustandekommen der Weiterbildung ungewiss sind. So steht dem (sicher zu erbringenden) bürokratischen Aufwand ein unsicherer Ertrag gegenüber.
Rechtliche Fördervoraussetzungen können zum Hemmschuh werden
Eine Weiterbildungsförderung der Beschäftigten durch die Bundesagentur für Arbeit (BA) ist grundsätzlich an verschiedene Voraussetzungen geknüpft, die in § 82 Sozialgesetzbuch III festgehalten sind (lesen Sie hierzu auch den Infokasten „Rechtliche Rahmenbedingungen“). So müssen sowohl die Maßnahme als auch der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen beziehungsweise zertifiziert sein. Hinzu kommt, dass zwischen der Förderung und einer abgeschlossenen Ausbildung oder einer früheren geförderten Weiterbildung der jeweiligen Person in der Regel mindestens vier Jahre liegen müssen (im Folgenden verkürzt: „Vier-Jahres-Ausschlussfristen“). Zudem muss die Weiterbildung nach dem Arbeit-von-morgen-Gesetz mehr als 120 Stunden umfassen. Nach dem Qualifizierungschancengesetz, das bis Oktober 2020 gültig war, waren es 160 Stunden.
Der Gesetzgeber hat diese Voraussetzungen auch deswegen geschaffen, um möglichst auszuschließen, dass kürzere Weiterbildungen, die allein betrieblichen Interessen dienen könnten, öffentlich subventioniert werden. Gleichwohl sehen Interviewte aus dem AG-S und den Betrieben die gesetzlichen Voraussetzungen teils als Hürden, die einer vermehrten Inanspruchnahme der geförderten Weiterbildung von Beschäftigten entgegenstehen. Das gilt teils auch in solchen Fällen, in denen eine Weiterbildungsmaßnahme einen Mehrwert verspricht, der den Nutzen des einzelnen Betriebs übersteigt.
Zertifizierung von Weiterbildungsträgern und -maßnahmen engt Möglichkeiten ein
Sowohl Befragte in Betrieben als auch im AG-S betonen, dass das Angebot an Weiterbildungsmaßnahmen nicht immer dem tatsächlichen Bedarf entspricht. Dazu trage auch die rechtliche Vorgabe der Zertifizierung bei. So sind Weiterbildungsangebote, die von den Betrieben oder Beschäftigen nachgefragt werden und mit Blick auf die am Arbeitsmarkt benötigten Qualifikationen sinnvoll sind, teils nicht zertifiziert. Umgekehrt bieten zertifizierte Weiterbildungen nicht immer die gewünschten Inhalte.
Bei einigen Betrieben ist der Weiterbildungsbedarf oft sehr spezifisch und durch das Angebot nicht abgedeckt („Bei einem festgestellten Weiterbildungsbedarf können Schulungsmaßnahmen nicht erst so gestaltet werden, dass sie in die Förderkulisse der BA passen“). Zudem gibt es vor allem in ländlichen Gebieten oftmals zu wenig zertifizierte Angebote.
Interviewte aus dem AG-S wiesen zudem darauf hin, dass zertifizierten Weiterbildungsträgern und -maßnahmen, die durch die staatliche Arbeitsverwaltung gefördert werden, gelegentlich ein negatives Stigma anhaftet, etwa was die Praxistauglichkeit der geförderten Weiterbildung angeht. Vereinzelt scheint es außerdem Vorbehalte zu geben, als privatwirtschaftlicher Betrieb öffentliche Förderung in Anspruch zu nehmen, weil damit ein Ansehensverlust befürchtet wird.
Sondersituationen können wegen Ausschlussfristen nur bedingt berücksichtigt werden
Seitens des AG-S wird zudem bedauert, dass Sondersituationen aufgrund der Ausschlussfristen nur bedingt berücksichtigt werden können. Auch aus diesem Grund kamen Beschäftigte, etwa aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe, während der Covid-19-Krise teils nicht in den Genuss einer geförderten Weiterbildung, obwohl die mit der Krise verbundenen Arbeitsausfälle dazu eine gute Gelegenheit geboten hätten.
Aufgrund der Ausschlussfristen ist darüber hinaus die Weiterbildung in Branchen mit hoher Dynamik der Arbeitsanforderungen (Beispiel IT-Branche) oder in Berufen mit steten Qualifizierungserfordernissen (Beispiel Gesundheitsberufe) oftmals nicht mit öffentlichen Mitteln förderfähig. So könnten hier Weiterbildungen in einer höheren Frequenz sinnvoll sein, die aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen jedoch nur bedingt gefördert werden können. Schließlich würden die Ausschlussfristen die Motivation besonders weiterbildungsaffiner Betriebe und Beschäftigter nur wenig aufgreifen oder gar hemmen.
Weiterbildung von mehr als 120 Stunden stellt Klein- und Mittelbetriebe vor Probleme
Ein weiteres Problem: Gerade kleine und mittlere Unternehmen tun sich oftmals schwer, ihre Beschäftigten für mehrere Wochen von der Arbeit freizustellen („Der Mitarbeiter ist unser wichtigstes Gut, und wir können nicht Mitarbeiter drei Wochen in einen Lehrgang schicken“). Vertretungen seien nicht immer zu finden oder, trotz Zuschuss zum Arbeitsentgelt, schwer zu finanzieren. Neues Personal als Vertretung einzustellen, sei aufgrund der zeitlichen Begrenzung von Weiterbildungen meist wenig sinnvoll.
Weiterhin argumentieren Interviewte aus den Betrieben und dem AG-S, dass die benötigten Qualifikationen teils (ausschließlich) in kürzeren Maßnahmen vermittelt würden. Diese können aber angesichts des gesetzlich geforderten Mindestumfangs der Weiterbildung, der potenziellen Mitnahmeeffekten entgegenwirken soll, nicht mit öffentlichen Mitteln gefördert werden.
Fazit
Wie die qualitativen Experteninterviews im Arbeitgeber-Service und bei Betrieben zeigen, liegt ein wichtiger Grund für die geringe Inanspruchnahme der Weiterbildungsförderung schlicht in der mangelnden Bekanntheit der entsprechenden Förderprogramme. Hier bedarf es vor allem verstärkter Information und Beratung. Diese sollte nicht nur auf einzelne Betriebe zielen, sondern insbesondere auch auf Multiplikatoren wie Kammern, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften. Dabei gilt es, dem verbreiteten Missverständnis entgegenzuwirken, dass die BA nur die Weiterbildung von Arbeitslosen fördert, nicht aber die von Beschäftigten.
Bei (regelmäßigen) Betriebskontakten könnte der AG-S verstärkt über Fördermöglichkeiten informieren. Hierbei sollte jedoch den spezifischen Informationsbedarfen und -präferenzen der Betriebe Rechnung getragen werden. Während manche Betriebe den Wunsch nach mehr persönlicher Beratung äußern, sehen andere hierin eine zusätzliche zeitliche Belastung.
Neben den Betrieben sollten auch die Beschäftigten verstärkt in den Blick genommen werden. So sehen manche von einer Weiterbildung ab, weil sie keine Notwendigkeit oder, etwa aufgrund familiärer Belastungen, keine Möglichkeit hierfür sehen. Information und Beratung darüber, dass Weiterbildung während der Arbeitszeit gefördert und Betreuungskosten finanziell bezuschusst werden können, könnten in manchen Fällen hilfreich sein.
Ferner sind gezielte Informationen zur Bedeutung von Weiterbildung in einer sich wandelnden Arbeitswelt sinnvoll. Dabei sollten Positivbeispiele präsentiert werden, um so den Nutzen geförderter Weiterbildung an konkreten Fällen aus der Praxis zu veranschaulichen.
Sowohl vom AG-S als auch von den Betrieben wurde zudem das Antragsverfahren als komplex und herausfordernd beschrieben. Hier wäre zu prüfen, wie sich dieses vereinfachen lässt. Dies gilt ebenfalls für weitere Anpassungen der Förderkriterien. Dazu zählt etwa die Frage, inwieweit die Vier-Jahres-Ausschlussfrist der Dynamik in verschiedenen Branchen und Berufsbereichen noch entspricht.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Die Agenturen für Arbeit können die Weiterbildung von Beschäftigten über § 82 Sozialgesetzbuch III fördern. Die Förderung bezieht sich im Schwerpunkt auf die Übernahme der Lehrgangskosten und die Bezuschussung von Arbeitsentgelten. Darüber hinaus sind Fahrtkosten, Kosten für Verpflegung und Übernachtung sowie Betreuungskosten für Kinder förderfähig.
In Abhängigkeit von Merkmalen der geförderten Beschäftigten und der Betriebsgröße kann die Agentur für Arbeit Kosten anteilig oder vollständig übernehmen (nähere Informationen finden Sie auf der Internetseite der Bundesagentur für Arbeit). Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Wird die Weiterbildung einer Ingenieurin in einem Großbetrieb gefördert, können die Lehrgangskosten bis zu 15 Prozent und das Arbeitsentgelt bis zu 25 Prozent erstattet werden. Im Falle einer in einem Kleinstbetrieb Beschäftigten ohne berufliche Ausbildung, die an einer berufsabschlussbezogenen Weiterbildung teilnimmt, können sowohl die Lehrgangskosten als auch das Arbeitsentgelt bis zu 100 Prozent erstattet werden.
Im Unterschied zur Ingenieurin mit Hochschulabschluss hat die Beschäftigte ohne beruflichen Abschluss zudem einen Rechtsanspruch auf die Förderung, denn der Gesetzgeber will gerade die Weiterbildung von gering qualifizierten Menschen fördern. Besonders fördern will der Gesetzgeber ferner die Weiterbildung von Beschäftigten mit Tätigkeiten, die durch digitale Technologien ersetzt werden oder in anderer Weise vom Strukturwandel betroffen sind. Auch Beschäftigte, die eine Qualifizierung in einem sogenannten Engpassberuf anstreben, sollen laut Gesetz verstärkt gefördert werden. Dies sind Berufe, in denen offene Stellen schwer zu besetzen sind (zum Beispiel Pflege-, Bau- und Handwerks- sowie IT-Berufe).
Zu den Voraussetzungen der Förderung zählt, dass
- sowohl die Maßnahme als auch der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind; die Prüfung der Zulassung erfolgt dabei auf der gesetzlichen Basis der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung (AZAV)
- die Weiterbildung mehr als 120 Stunden umfasst
- zwischen einer abgeschlossenen Ausbildung oder einer geförderten Weiterbildung und der beantragten Förderung im Regelfall mindestens vier Jahre liegen.
Neben dem nachträglichen Erwerb eines Berufsabschlusses können auch sonstige Weiterbildungen gefördert werden, sofern sie „über ausschließlich arbeitsplatzbezogene kurzfristige Anpassungsfortbildungen hinausgehen“ (§ 82 Sozialgesetzbuch III), denn solche sollen stets durch den Betrieb finanziert werden. Von der Förderung ausgeschlossen sind ferner Weiterbildungsmaßnahmen, zu deren Durchführung der Betrieb (zum Beispiel in Gesundheitsberufen) gesetzlich verpflichtet ist.
In aller Kürze
- In einer sich dynamisch wandelnden Arbeitswelt ist Weiterbildung von hoher Bedeutung. Die Bundesagentur für Arbeit fördert deshalb die Weiterbildung nicht nur von Arbeitslosen, sondern auch von Beschäftigten.
- Aus Studien ist bekannt, dass die Weiterbildungsförderung für Beschäftigte trotz ausgebauter Fördermöglichkeiten eher wenig in Anspruch genommen wird. Um möglichen Hürden auf den Grund zu gehen, wurden qualitative Experteninterviews in ausgewählten Arbeitsagenturen und Betrieben durchgeführt.
- Es zeigt sich, dass Betriebe und Beschäftigte oftmals unzureichend über die Fördermöglichkeiten informiert sind. Familiäre Betreuungspflichten, lange Anfahrtswege, aber auch Zweifel an der Sinnhaftigkeit von Weiterbildung können die Motivation von Beschäftigten hemmen.
- Eine Hürde für Betriebe stellt zudem der hohe administrative Aufwand für die Mittelbeantragung dar.
- Darüber hinaus können die Fördervoraussetzungen die Teilnahmebereitschaft hemmen. Dies gilt beispielsweise für die geforderte Mindestdauer der Weiterbildung von aktuell mehr als 120 Stunden. Dies gilt ferner für die Vorgaben, dass die Weiterbildung und deren Träger immer zertifiziert sein und zwischen einer abgeschlossenen Ausbildung oder einer geförderten Weiterbildung und der beantragten Förderung im Regelfall mindestens vier Jahre liegen müssen.
- Ein Abbau des administrativen Aufwands sowie eine Anpassung der Fördervoraussetzungen könnten somit Ansatzpunkte sein, um die Inanspruchnahme zu verbessern. Gleichzeitig gilt es aber weiterhin, potenziellen Mitnahmeeffekten entgegenzuwirken. Wichtig ist ferner, dass die Agenturen für Arbeit in Kooperation mit anderen Institutionen verstärkt zu den Förderangeboten informieren und beraten.
Literatur
Dauth, Christine (2020): Regional discontinuities and the effectiveness of further training subsidies for low-skilled employees. In: ILR Review, Vol. 73, No. 5, S. 1147–1184.
Dauth, Christine; Toomet, Ott (2016): On government-subsidized training programs for older workers. In: Labour, Vol. 30, No. 4, S. 371–392.
Klaus, Anton; Kruppe, Thomas; Lang, Julia; Roesler, Konrad (2020): Geförderte Weiterbildung Beschäftigter: Trotz erweiterter Möglichkeiten noch ausbaufähig. IAB-Kurzbericht Nr. 24.
Kruppe, Thomas; Lang, Julia; Leber, Ute (2021): Nur jeder zehnte Betrieb nutzt die Weiterbildungsförderung der Bundesagentur für Arbeit. In: IAB-Forum, 17.05.2021.
DOI: 10.48720/IAB.FOO.20230118.01
Biermeier, Sandra; Dony, Elke; Greger, Sabine; Leber, Ute; Schreyer, Franziska; Strien, Karsten (2023): Warum Betriebe die Weiterbildungsförderung für Beschäftigte bislang eher wenig nutzen, In: IAB-Forum 18. Januar 2023, https://www.iab-forum.de/warum-betriebe-die-weiterbildungsfoerderung-fuer-beschaeftigte-bislang-eher-wenig-nutzen/, Abrufdatum: 22. November 2024
Autoren:
- Sandra Biermeier
- Elke Dony
- Sabine Greger
- Ute Leber
- Franziska Schreyer
- Karsten Strien