10. Juni 2024 | Digitale und ökologische Transformation
Bei der IT-Ausstattung und Internetnutzung sind Personen mit SGB-II-Leistungsbezug gegenüber der Gesamtbevölkerung vielfach im Rückstand
Zugang zum Internet über elektronische Endgeräte wie Desktop-Computer, Laptops, Smartphones oder Tablets ist bereits heute wichtig für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Teilhabe und dürfte künftig noch wichtiger werden. Während die Ausstattung und die Nutzung in der Gesamtbevölkerung stetig zunehmen, ist dies in der Gruppe derjenigen, die Leistungen nach dem SGB II beziehen, nicht selbstverständlich. Gründe hierfür sind fehlende materielle Ressourcen und eine häufig größere Bildungsferne.
Durch diese potenzielle digitale Spaltung drohen die Betroffenen ökonomisch und gesellschaftlich noch weiter abgehängt zu werden. Für die Jobcenter ist dies nicht zuletzt deshalb relevant, weil Dienstleistungen zunehmend auch digital bereitgestellt werden, in dieser Form aber gegebenenfalls nicht von allen Kundengruppen genutzt werden können.
Mit der aktuellen Welle (Erhebungsjahr 2022) der Längsschnittbefragung „Panel Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS) konnten erstmals detaillierte Informationen zur Ausstattung und Nutzung von IT-Endgeräten durch Leistungsbeziehende erhoben und Vergleiche zur gesamten Wohnbevölkerung gezogen werden (siehe Infokasten „Daten und Methoden“).
Leistungsbeziehende verfügen seltener über internetfähige Endgeräte als die Bevölkerung insgesamt
Tatsächlich zeigen die Daten einen digitalen Graben zwischen der Bevölkerung insgesamt und denjenigen, die Leistungen nach dem SGB II beziehen (jeweils im Alter von 15 bis 65 Jahren): Bei allen Endgeräten außer dem Smartphone besteht bei den Leistungsbeziehenden ein Rückstand von mindestens 24 Prozentpunkten, ein großer Teil von ihnen (zwischen 47 und 67 Prozent) verfügt nicht über die entsprechenden Endgeräte. Beim Smartphone ist dieser Rückstand deutlich geringer, darüber verfügen immerhin 90 Prozent (siehe Abbildung 1).
Während Smartphones und Tablets niederschwellige Endgeräte für Internetrecherche oder Telekommunikation darstellen, lässt sich professionelle Kommunikation via E-Mail – etwa Bewerbungsschreiben oder die Kommunikation mit Behörden – besser über Desktop-PCs oder Laptops bewerkstelligen. Erfahrung mit den letztgenannten Systemen wird zudem in vielen Büroberufen gefordert. Daher ist es wichtig zu unterscheiden, ob jemand lediglich Zugang zu mobilen Geräten im Allgemeinen oder speziell auch zu einem PC oder Laptop hat.
Tatsächlich zeigen sich hier große Unterschiede: Während 26 Prozent der Leistungsbeziehenden nach eigenen Angaben lediglich Zugang zu einem Smartphone oder Tablet haben, aber nicht zu einem PC oder Laptop, ist dies bei nur 6 Prozent der Personen ohne Leistungsbezug der Fall.
Auch innerhalb der Gruppe der Leistungsbeziehenden bestehen signifikante Unterschiede: So verfügen 48 Prozent der Leistungsbeziehenden ohne Schulabschluss nur über mobile Endgeräte, bei denjenigen mit Realabschluss sind es 14 Prozent (siehe Tabelle, zweite Spalte). Bei Leistungsbeziehenden mit Migrationshintergrund sind diese Werte ebenfalls relativ hoch (selbst zugezogen: 40 Prozent, Eltern zugewandert: 34 Prozent). Zudem betrifft dies Frauen (32 Prozent) häufiger als Männer (22 Prozent) und junge Leistungsbeziehende (unter 30 Jahre: 32 Prozent) eher als ältere (51 bis 60 Jahre: 16 Prozent).
Knapp 7 Prozent der Leistungsbeziehenden haben keinen Internetzugang
Nur knapp 7 Prozent der Leistungsbeziehenden verfügen über gar keinen Zugang zum Internet. In der übrigen Bevölkerung bis 65 Jahre ist es nur 1 Prozent. Auch hier gibt es innerhalb der Gruppe der Leistungsbeziehenden signifikante Unterschiede. Während unter 30-Jährige praktisch flächendeckend Zugang zum Internet haben, ist dies bei den Älteren nicht immer der Fall: So verfügen immerhin 14 Prozent der 51- bis 60-Jährigen und 18 Prozent der über 60-Jährigen über keinen Internetzugang. Männer haben häufiger keinen Zugang (11 Prozent) als Frauen (5 Prozent). Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Frauen, die über keinen Computer oder Laptop verfügen, häufiger ein Smartphone besitzen.
Personen mit eigener Migrationserfahrung (3 Prozent) sind diesbezüglich gegenüber Personen ohne Migrationshintergrund (11 Prozent) im Vorteil. Das ist insofern plausibel, als diese Personen häufig über das Internet in Kontakt mit Angehörigen und Freunden in ihrem Herkunftsland stehen.
Zwar nimmt der Internetzugang mit steigendem Bildungsniveau tendenziell zu, aber selbst unter Leistungsbeziehenden ohne Schulabschluss haben nur 11 Prozent keinen Zugang zum Internet. Insgesamt ist eine sehr hohe Internetabdeckung unter Leistungsbeziehenden festzustellen – mit gewissen Abstrichen bei den höheren Altersgruppen.
88 Prozent der Leistungsbeziehenden mit Zugang zum Internet nutzen dieses zur Informationsbeschaffung
Allein der technische Zugang zum Medium gewährleistet noch nicht, dass die Leistungsbeziehenden auch über die Fähigkeiten verfügen, onlinebasierte Dienstleistungen zu nutzen. In der PASS-Erhebung wurden diese Fähigkeiten zwar nicht direkt abgefragt. Indirekten Aufschluss geben aber die Angaben der Befragten zu ihrem Nutzungsverhalten. Denn es wurde erhoben, zu welchen Zwecken Befragte das Internet nutzen und wie häufig dies der Fall ist. Dies betrifft die folgenden Kategorien:
- Kontakt mit Freundinnen oder Freunden und Bekannten halten
- Filme/Videos ansehen
- Einkaufen
- nach Informationen suchen
- Nachrichtenportale nutzen
- Weiterbildung/Lernen.
Insbesondere die letzten drei Kategorien lassen sich als Hinweise darauf interpretieren, dass die Befragten in der Lage sind, das Internet gezielt zur Informationssuche und zur Weiterbildung zu nutzen.
Wie in der übrigen Bevölkerung nutzen Leistungsbeziehende, die Zugang zum Internet haben, dies am häufigsten für den Kontakt zum Freundes- und Bekanntenkreis (95 Prozent). Bereits direkt danach folgt die Informationssuche (88 Prozent). 75 Prozent schauen im Internet Filme und Videos an, 66 Prozent nutzen Nachrichtenportale und 61 Prozent bilden sich im Internet weiter (siehe Abbildung 3).
Letzteres ist bei den Leistungsbeziehenden genauso häufig der Fall wie in der Bevölkerung insgesamt. Diese Angabe könnte sich womöglich auch auf bereits wahrgenommene Angebote der Jobcenter oder Weiterbildungsmaßnahmen beziehen, die etwa aufgrund der Pandemie online stattfinden mussten.
Die genannten Angaben beziehen sich auf die 93 Prozent der Leistungsbeziehenden und 99 Prozent der Gesamtbevölkerung, die Zugang zum Internet haben. Um zum Beispiel den Anteil an allen Leistungsbeziehenden zu ermitteln, wären die Werte mit 0,93 zu multiplizieren.
Jüngere Leistungsbeziehende bilden sich deutlich häufiger im Internet weiter als ältere
Im Folgenden werden die drei Zwecke Informationssuche, Nachrichtenportale und Weiterbildung näher betrachtet (siehe Tabelle). Die Angaben beziehen sich nur auf Personen mit Zugang zum Internet:
- Bei der Informationssuche über das Internet sind ältere und gering gebildete Leistungsbeziehende unterrepräsentiert. In der Altersgruppe der über 60-Jährigen nutzen nur 73 Prozent das Internet zu diesem Zweck. Bei Personen ohne Schulabschluss sind es mit 72 Prozent deutlich weniger als bei allen Personengruppen mit Schulabschluss.
- Nachrichtenangebote werden dagegen häufig von Personengruppen genutzt, die seltener Zugang zum Internet haben, sodass die Unterschiede hier etwas geringer sind. So nutzen vor allem Jüngere (unter 30 Jahre: 58 Prozent), Frauen (60 Prozent) und Personen mit Migrationshintergrund (zweite und dritte Generation: 54 Prozent) Nachrichtenportale seltener. Allerdings gibt es hier sehr starke Bildungseffekte: Personen ohne Abschluss (55 Prozent) und mit Volks-/Hauptschulabschluss (57 Prozent) nutzen Nachrichtenangebote seltener als Personen mit höherem Bildungsabschluss (über 70 Prozent).
- Vor allem jüngere Leistungsbeziehende nutzen das Internet zur Weiterbildung. Hier beläuft sich der Anteil auf über 70 Prozent. Die höheren Altersgruppen (51 bis 60 Jahre: 44 Prozent, ab 61 Jahre: 35 Prozent) sind dagegen stark unterrepräsentiert. Frauen (65 Prozent) nutzen das Internet eher zum Lernen als Männer (57 Prozent) und Personen mit Migrationshintergrund (71 Prozent) sehr viel häufiger als Personen ohne Migrationshintergrund (49 Prozent). Zudem fällt auf, dass Leistungsbeziehende ohne Schulabschluss (58 Prozent) eher im Mittelfeld liegen und damit deutlich über denen mit Volks-/Hauptschulabschluss (47 Prozent).
Fazit
Die Analysen belegen insgesamt eine recht hohe Ausstattung mit Endgeräten (insbesondere Smartphones) und eine hohe Internetaffinität von Personen, die SGB-II-Leistungen beziehen. Nur 7 Prozent gaben in der zugrunde liegenden repräsentativen Befragung 2022 an, keinen Zugang zum Internet zu haben.
Allerdings gilt es zu differenzieren. Unter den Leistungsbeziehenden ist der Anteil derjenigen, die lediglich über mobile Endgeräte wie ein Smartphone oder Tablet, aber nicht über ein Laptop oder einen PC verfügen, deutlich höher als in der Gesamtbevölkerung. Damit fehlen diesen Personen nicht nur der wichtige Zugang zu professioneller Software, sondern unter Umständen auch vielfach vorausgesetzte Fähigkeiten der Bedienung von Textverarbeitungs- oder Kalkulationsprogrammen. Diese Kenntnisse werden zwar nicht für alle Berufe benötigt. Ihr Fehlen schränkt jedoch die Vermittlungsfähigkeit der Betroffenen ein.
Etwa jeder/jede fünfte Leistungsbeziehende in der Altersgruppe über 60 hat gar keinen Zugang zum Internet. Auch ist nicht automatisch jede Person, die das Internet nutzt, in der Lage, dort zum Beispiel Behördengänge zu erledigen.
Ungeachtet der Tatsache, dass die Kommunikation mit Freunden der häufigste Nutzungszweck ist, ist auch die Informationssuche im Internet unter Leistungsbeziehenden weit verbreitet. Wenn sie über einen Zugang zum Internet verfügen, nutzen sie das Internet sogar genauso häufig zu Weiterbildungszwecken wie die Gesamtbevölkerung mit Internetzugang. Dennoch gibt es Subgruppen wie Ältere und Personen ohne Migrationshintergrund, die das deutlich seltener tun als andere.
Leistungsbeziehende mit geringer Bildung haben zwar nicht deutlich seltener Zugang zum Internet als andere Personengruppen. Sie nutzen das Internet aber dennoch deutlich seltener zur Informationsbeschaffung, zum Lesen von Nachrichten und zur Weiterbildung.
Die hier präsentierten Befunde sind insbesondere für die Arbeitsvermittlung von Bedeutung, denn maßgeschneiderte digitale Dienstleistungen der Jobcenter müssen auch zur digitalen Ausstattung der Kundinnen und Kunden passen. So müssen digitale Dienstleistungen, die sich an diese Zielgruppe richten, so ausgestaltet sein, dass sie auch auf Smartphones mit kleinen Bildschirmen und umständlicher Texteingabe funktionieren. Zugleich werden Offlineangebote zumindest in näherer Zukunft gerade für ältere Leistungsbeziehende und Personen mit Bildungsdefiziten unverzichtbar bleiben.
Daten und Methoden
Für den vorliegenden Beitrag wurden Daten der 16. Welle (2022) des Panels „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS) ausgewertet. Dabei handelt es sich um eine jährliche Panelbefragung der Wohnbevölkerung in Deutschland ab 15 Jahren. Leistungsberechtigte der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind dort stark überrepräsentiert, sodass im Vergleich zu anderen Befragungsdaten präzisere Aussagen über diese Gruppe möglich sind. Zugleich lassen sich die Befragungsergebnisse mithilfe von Hochrechnungsfaktoren auf die gesamte Wohnbevölkerung in Deutschland ab 15 Jahren hochrechnen. Einen kurzen Überblick über die Methodik gibt der Artikel von Trappmann et al. 2019.
In aller Kürze
- Repräsentative Analysen mit Daten des Panels „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ aus dem Jahr 2022 zeigen, dass die meisten SGB-II-Leistungsbeziehenden (93 Prozent) heutzutage über einen Internetzugang verfügen.
- Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung (99 Prozent) bleibt dennoch ein deutlicher Rückstand.
- Vor allem älteren (81 Prozent) und gering gebildeten (89 Prozent) Leistungsbeziehenden fehlt häufig ein Internetzugang.
- Mehr als ein Viertel der Leistungsbeziehenden verfügt ausschließlich über mobile Endgeräte und nicht über Geräte wie PCs oder Laptops, die beispielsweise für Bürokommunikation und die Erstellung professioneller Bewerbungsunterlagen erforderlich wären.
- Dennoch ist die Informationssuche im Internet unter den Leistungsbeziehenden weit verbreitet (88 Prozent). Die Internetnutzung zu Weiterbildungszwecken ist bei ihnen mit einem Anteil von 61 Prozent ebenso häufig wie bei der gesamten Bevölkerung.
Bild: neirfy/stock.adobe.com
DOI: 10.48720/IAB.FOO.20240610.01
Bähr, Sebastian; Trappmann, Mark (2024): Bei der IT-Ausstattung und Internetnutzung sind Personen mit SGB-II-Leistungsbezug gegenüber der Gesamtbevölkerung vielfach im Rückstand, In: IAB-Forum 10. Juni 2024, https://www.iab-forum.de/bei-der-it-ausstattung-und-internetnutzung-sind-personen-mit-sgb-ii-leistungsbezug-gegenueber-der-gesamtbevoelkerung-vielfach-im-rueckstand/, Abrufdatum: 12. December 2024
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Autoren:
- Sebastian Bähr
- Mark Trappmann