4. November 2024 | Arbeitsmarktpolitik
Wie Arbeitsagenturen arbeitsmarktferne Arbeitslose durch spezialisierte Beratung unterstützen
Der bundesweiten Einführung von INGA ging eine Erprobungsphase voraus, die in den Jahren 2008 bis 2011 als Projekt „Interne ganzheitliche Unterstützung zur Integration im SGB III“ (PINGUIN) umgesetzt wurde (mehr dazu findet sich in einer englischsprachigen Begleitforschungsstudie von Gerhard Krug und Gesine Stephan aus dem Jahr 2016). Anlass für die Initiative war dieser Befund: Unter dem Druck hoher Arbeitslosigkeit konzentrierte sich die Vermittlungstätigkeit auf zügig integrierbare Arbeitslose im SGB III, was zulasten von Arbeitslosen mit schlechteren Integrationsperspektiven ging. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, wurden spezialisierte Beratungen mit einer erhöhten Intensität für Arbeitslose mit komplexen Problemlagen erprobt.
Wegen des positiven Gesamteindrucks und der vorteilhaften Kosten-Nutzen-Bilanz gegenüber externen Dienstleistungen wurde das Angebot bundesweit in allen Agenturbezirken unter dem Kürzel „INGA“ etabliert. Fortan sollte Arbeitslosen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf durch eine individuellere und intensivere Beratung mit höherer Kontaktdichte sowie durch eine direkte Erreichbarkeit der Fachkräfte in den Arbeitsagenturen zu einem nachhaltigen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt verholfen werden. Ergänzend ist für den betreuten Personenkreis ein agenturinternes Angebot an Gruppenveranstaltungen vorgesehen. Das INGA-Fachpersonal hat im Vergleich zu regulären Vermittlungsfachkräften mehr Zeit für die einzelnen Beratungen, wie der Betreuungsschlüssel zeigt: Während eine INGA-Fachkraft für rund 65 Personen zuständig ist, fällt die Betreuungsrelation in der regulären Vermittlung mindestens doppelt so hoch aus. Überdies erhält das INGA-Personal eine zertifizierte Qualifizierung, die seine beraterischen Kompetenzen ausbauen soll.
Wie Arbeitsagenturen zwischen einer Betreuung durch die reguläre Vermittlung und INGA unterscheiden
Die flächendeckende Einführung von INGA zog eine agenturinterne Differenzierung der Adressat*innen, Beratungsfachkräfte und Dienstleistungen nach sich. Das Gros der Arbeitslosen im SGB III wurde weiterhin von Fachkräften der regulären Arbeitsvermittlung betreut, Arbeitslose mit komplexeren Problemlagen hingegen von INGA-Fachkräften. Dies illustriert folgende exemplarische Gegenüberstellung: Ein 38-jähriger Ingenieur mit zwei einschlägigen Berufsstationen sowie einem stabilen Lebensumfeld ist in der regulären Arbeitsvermittlung angemessen aufgehoben; ein 56-Jähriger mit einer entwerteten Qualifikation, einer lange ausgeübten Tätigkeit sowie einer kürzlich durchlebten Scheidung wird besser im Rahmen von INGA betreut.
Die Entscheidung über die Auswahl der Arbeitslosen und den Zeitpunkt der Überstellung an INGA wird in der regulären Arbeitsvermittlung getroffen. Bis Ende des Jahres 2023 war hierfür die Einschätzung wesentlich, dass die Adressat*innen bestenfalls in zwölf und höchstens in 24 Monaten in den Arbeitsmarkt zurückkehren können und dass sie eine hinreichende Mitwirkungsbereitschaft haben. Dies impliziert, dass die Zielgruppe von INGA aus tendenziell arbeitsmarktfernen Arbeitslosen mit zwar ausgeprägten, aber leistbaren Unterstützungsbedarfen bestehen sollte. Sehr arbeitsmarktferne, demotivierte und absehbar kaum integrierbare Personen sollten dagegen nicht an INGA überstellt werden. Seit Anfang 2024 greift eine neue Weisung der Bundesagentur für Arbeit (BA), in der das Kriterium der Integrationsaussichten gestrichen und die Zielgruppendefinition von INGA um sehr arbeitsmarktferne Arbeitslose erweitert wurde.
Arbeitslose sind in vielfacher Hinsicht heterogen, zugleich zeigen sich wiederkehrende Problemkonstellationen
Im Rahmen des IAB-Projekts „BafAlo“ (siehe Infokasten „Die qualitative Studie“) zeichnet das interviewte INGA-Personal ein in vielfacher Hinsicht heterogenes Bild des beratenen Personenkreises. Bezüglich sozioökonomischer Merkmale (z. B. Alter, Geschlecht, Qualifikationsniveau und Migrationshintergrund) nehmen die Beratungsfachkräfte sehr große Unterschiede wahr, messen diesen aber wenig Bedeutung bei. Die Heterogenität und Arbeitsmarktferne der INGA-Zielgruppe zeigt sich nach Ansicht der Befragten primär in biografischen Faktoren, zu denen Überschuldung, prekäre Wohnsituationen, schwierige Sozialisationserfahrungen, familiäre Probleme, Betreuungsverpflichtungen, gesundheitliche Einschränkungen, Suchterkrankungen, wechselhafte Lebens- und Erwerbsverläufe sowie krisenhafte Lebensereignisse zählen. Auffallend häufig wird berichtet, dass die Zahl der Menschen mit psychischen Problemen unter den beratenen Arbeitslosen zunimmt, etwa in Form von Burnouts, Depressionen und Angststörungen (mehr dazu findet sich in einem 2020 im IAB-Forum erschienenen Beitrag von Peter Kupka und anderen). Diesen Problemlagen der Beratenen ist gemeinsam, dass sie häufig nicht unmittelbar erfasst werden können, erst im Beratungsverlauf zum Vorschein kommen und nicht in der Statistik der BA dokumentiert werden.
„Das passiert uns ganz häufig, dass wir eigentlich davon ausgehen, dass es nicht so kompliziert ist und dass man es erst im Laufe der Zeit herausbekommt, was da alles tatsächlich dahintersteckt. Das kommt ja häufig scheibchenweise auf den Tisch, was man ganz sicher auch nicht beim Erstgespräch, auch wenn’s zwei Stunden geht, erzählt, sondern wirklich erst, wenn das Vertrauen aufgebaut ist. Und das ist ja auch so wichtig, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.“ (INGA-Teamleiterin, Agentur 3)
Die Analyse erwerbsbiografischer Verläufe ergab drei wiederkehrende Problemkonstellationen, die die INGA-Beratungsarbeit insgesamt prägen. Da Arbeitslose im SGB III zumeist auf eine längere Phase der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückblicken, betreffen zwei der drei Problemkonstellationen das eher fortgeschrittene Erwachsenenalter. In der dritten Problemkonstellation finden sich eher junge Erwachsene.
- Auf berufliche Stabilität und Spezialisierung folgt abrupte Arbeitslosigkeit: Bei diesen Personen geht der Arbeitslosigkeit eine stabile und lange Erwerbshistorie voraus, die beim letzten Arbeitgeber mit einem langjährigen beruflichen Aufstiegsprozess verbunden war. Die ausgeübten Tätigkeiten können, müssen aber nicht dem erlernten Beruf entsprechen. Die positiv erlebten Eigenschaften einer langjährigen Betriebszugehörigkeit, eines beruflichen Aufstiegs und einer hohen Arbeitsplatzqualität werden durch die plötzliche Erfahrung der Arbeitslosigkeit zu Barrieren für den raschen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt: Als spezialisierte und gut entlohnte Fachkräfte haben diese Menschen einerseits die Tuchfühlung zu den Arbeitsmarktanforderungen und Bewerbungsprozeduren verloren und teils qualifikatorischen Nachholbedarf. Andererseits ist die Konzessionsbereitschaft oftmals eher gering. Daher muss in der Beratung häufig zwischen den Möglichkeiten am Arbeitsmarkt und den individuellen Vorstellungen der Beratenen abgewogen werden.
- Auf berufliche Instabilität und Wechselhaftigkeit folgt wiederholte Arbeitslosigkeit: Diesen Personen fehlt entweder eine abgeschlossene Berufsausbildung oder sie haben nicht im erlernten Beruf gearbeitet. Die ausgeübten Tätigkeiten hatten zumeist ein einfaches Anforderungsniveau, fanden in unterschiedlichen Bereichen statt und die Jobs waren eher prekär. Obwohl mitunter stabile und fachlich konsistente Erwerbsepisoden etabliert und kleinere Aufstiege erzielt wurden, dominieren Diskontinuität und Rückschläge, die teils mit Selbstzweifeln, Anerkennungsproblemen, psychischen Beschwerden und Arbeitslosigkeitsphasen einhergehen. Die erneute Arbeitslosigkeit reiht sich in diesen Verlauf ein. Bei der Bewältigung der Arbeitslosigkeit unterscheiden sich die Betroffenen dahingehend, ob es Bestrebungen zum Ausbruch aus diesem Verlaufsmuster gibt oder nicht.
- Auf Ausbildungslosigkeit und Gelegenheitsjobs folgt Arbeitslosigkeit: Die Fälle in dieser Gruppe einen das jüngere Alter, der gescheiterte Übergang von der Schule in den Beruf und ein fehlender Ausbildungsabschluss. Nach einer erfolglos beendeten Schullaufbahn oder einem schwachen Hauptschulabschluss suchen sie längere Zeit nach Anschlussoptionen, nehmen an Maßnahmen des Übergangssystems teil und/oder beginnen Berufsausbildungen, die aber abgebrochen werden. Alternativ zur Berufsausbildung werden Gelegenheitsjobs ausgeübt, die manchmal in länger andauernde Erwerbsepisoden übergehen. Durch das Fehlen beruflicher Orientierungen und Zertifikate gelingt die nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt nicht, sodass diese Personen früher oder später arbeitslos werden. Falls die Grundkompetenzen hinreichend sind, ist das Nachholen eines Berufsabschlusses ein naheliegender Ansatz zur Überwindung der Arbeitslosigkeit.
Familiäre Probleme, psychische Erkrankungen oder Lebenskrisen verkomplizierten die Situation fast aller analysierten Arbeitslosen. Die fallspezifische Komplexität ist somit deutlich höher, als es die zuvor skizzierten Problemkonstellationen vermuten lassen. Deswegen ist INGA für manche Arbeitslose in den Arbeitsagenturen ein den jeweiligen Umständen angemessenes Angebot.
Die INGA-Beratungspraxis spiegelt konzeptionelle Ansprüche weitgehend wider
Die analysierten Beratungssituationen waren von einer kooperativen und vertrauensvollen Atmosphäre geprägt. Während die Kommunikations- und Verhaltensweisen der Beratenen stark variierten, zeigten die INGA-Fachkräfte ähnliche Grundhaltungen. Sie waren konzentriert, zugewandt und professionell, wobei sie zugleich unterschiedliche Beratungsstile hatten. In den Gesprächen standen Themen im Vordergrund, die in unterschiedlichen Phasen und Reifestadien das Ausloten und Beschreiten von Wegen aus der Arbeitslosigkeit betrafen (z. B. Bewerbungsbemühungen, Berufswahl, Stellensuchstrategien oder Qualifizierungen). Auch wenn sie zumindest implizite Erwartungshorizonte hatten, nahmen die Fachkräfte eine ergebnisoffene Perspektive ein und gaben den Beratenen Gelegenheit, ihre Interessen und Vorstellungen einzubringen. Zwar enthielten einige Interaktionssituationen auch ein zumindest unterschwelliges Konfliktpotenzial, die entwickelten Zielperspektiven waren aber zumeist (Zwischen-)Ergebnisse einer kooperativen und konstruktiven Aushandlung. Die Beratenen hatten nicht das Gefühl, auf eine bestimmte Zielrichtung festgelegt und ihrer Autonomie beraubt zu werden. Sie nahmen die Gespräche als auf Augenhöhe stattfindend und bestärkend wahr, wie diese exemplarischen Statements unterstreichen:
„[Die Beratungsfachkraft] ist sehr angenehm in ihrer Art. Weil als Person wie ich jetzt auch mit Depression, ich hab‘ da schon meine Schwierigkeiten, wenn Personen mir Druck ausüben oder negativ auf mich einwirken. Und das hab‘ ich bei ihr in keinem Fall. Sofort haben wir gemerkt, das passt, da ist eine Chemie. Und ich bin da sehr positiv aus dem Gespräch rausgegangen.“ (INGA-Beratene 4, Agentur 2)
„Man kann mit [der Beratungsfachkraft] auch über alles reden. Also er ist offen, wirklich. Wenn er merkt: ‚Okay, Dir geht es nicht gut oder so.‘ Er versucht Dir halt dann den Mut einfach zuzusprechen.“ (INGA-Beratene 2, Agentur 3)
Zusätzlich zur Beratung gibt es für INGA-Adressat*innen die Möglichkeit zur Teilnahme an Gruppenveranstaltungen, in denen es beispielsweise um Bewerbungsverfahren oder Gesundheit geht. Sie wurden von den Beratenen ebenfalls positiv gesehen. Jedoch zeigen die Erhebungen, dass das Angebot je nach Standort in puncto Regelmäßigkeit und Themenvielfalt unterschiedlich umgesetzt wird und teils ausbaufähig ist.
Auswahl der Personen und Erfolgsmessung bei INGA kann zu Konflikten in den Arbeitsagenturen führen
Die vorgeschaltete Auswahl und Überstellung der Arbeitslosen zu INGA vollziehen sich in der regulären Vermittlung. Für die INGA-Beratung werden wiederum die gängigen Controlling-Maßstäbe der BA angelegt: Um den Erfolg der Arbeit zu bewerten und Informationen für die Steuerung der Agenturen zu liefern, werden etwa die Auslastung der Beratungskapazitäten und Integrationserfolge erfasst (mehr zur Umsetzung von Zielsteuerungsprozessen in der BA findet sich inn einem Beitrag von Frank Sowa und Ronald Staples von 2014). Die beiden Organisationsaspekte enthalten aber nur schwer auflösbare Spannungsverhältnisse.
Bezüglich der Überstellung von Personen in die INGA-Beratung erzeugt die bis Ende 2023 gültige Definition der INGA-Zielgruppe praktische Probleme. Die Beratenen sollten zwar hinreichend, aber nicht zu arbeitsmarktfern sein und eine gewisse Grundmotivation aufweisen. Die Unschärfen der Definition hinsichtlich des Grads der Arbeitsmarktferne und der Motivation führten in der regulären Vermittlung zu sehr unterschiedlichen und teils zögerlichen Zuweisungspraktiken. Aus Sicht des INGA-Personals waren wiederum die Zahl und die Eigenschaften der zugewiesenen Personen nicht immer zufriedenstellend. Einerseits wird wegen einer zu geringen Zahl an Überstellungen phasenweise der vorgesehene Betreuungsschlüssel in INGA unterschritten. Andererseits sind ältere und erkrankte Arbeitslose unter den INGA-Beratenen mitunter deutlich überrepräsentiert – beides Einschränkungen, die jenseits der Bearbeitungsmöglichkeiten der INGA-Beratung liegen.
Mit Blick auf das Controlling ergibt sich aus der Integrationsquote als zentralem Erfolgsmaßstab ein Spannungsfeld. Das Ziel der Arbeitsmarktintegration wird zwar grundlegend geteilt, jedoch betont das INGA-Personal die hohe Relevanz von passgenauen Erwerbsintegrationen und vorgelagerten Fortschritten. Beispiele hierfür sind die Unterstützung bei Überschuldungs- und psychosozialen Problemen sowie die Vermeidung von Zwangsräumungen. Solche Zwischenetappen sind hinsichtlich der Beschäftigungsaufnahme erfolgs- und für die Beratenen lebenskritisch, werden im Controlling aber nicht abgebildet.
Aufgrund der Anfang 2024 erfolgten Weisung zur Erweiterung der Zielgruppe von INGA sollen dort künftig mehr Arbeitslose mit sehr geringen Vermittlungschancen betreut werden. Davon sind zwei gegensätzliche Folgewirkungen zu erwarten: Während die Überstellungsproblematik potenziell entschärft wird, vergrößert sich womöglich das mit dem Controlling verbundene Konfliktpotenzial, weil eine größere Zahl von sehr arbeitsmarktfernen Menschen in INGA betreut wird. Durch die vermehrte Betreuung von Arbeitslosen mit geringer Motivation und sehr komplexen Problemlagen dürften die angestrebten Integrationsquoten in INGA noch schwerer zu erreichen sein.
Fazit
Die „Interne ganzheitlichen Integrationsberatung“ INGA hat im SGB III eine Betreuungslücke für Arbeitslose mit komplexen Problemlagen geschlossen. Erste Ergebnisse aus den Interaktionsbeobachtungen und Einzelinterviews mit beratenden Fachkräften und beratenen Arbeitslosen zeigen ein wesentliches Qualitätskriterium von INGA: Die Beratung orientiert sich an der Biografie des Einzelfalls. Die INGA-Fachkräfte greifen die Bedürfnisse und Interessen der Beratenen in der Regel in angemessener Weise auf. Dies spiegelt sich auch in der positiven Beurteilung der INGA-Beratung durch die Arbeitslosen wider.
Der Anspruch der Ganzheitlichkeit und Individualität der Beratungsdienstleistung kann größtenteils eingelöst werden und ist angesichts der beträchtlichen und künftig wohl zunehmenden Fallkomplexität konzeptionell und praktisch sinnvoll. Gruppenveranstaltungen stellen zwar eine sinnvolle Ergänzung zur individuellen Beratung dar, sind aber in der Fläche nicht gleichermaßen etabliert und teilweise ausbaufähig.
Die mit der neuen Weisung verbundene Zielgruppenerweiterung der INGA-Beratung verringert einerseits die Überstellungsproblematik, da INGA-Beratene nun auch die komplexesten Problemlagen aufweisen und in der Vermittlung leichter identifiziert werden können. Andererseits verschärft dies aber die Schwierigkeiten, die im Controlling gesteckten Ziele zu erreichen – denn Zwischenschritten in der Beratung und dem Abbau von Vermittlungshemmnissen dürfte eine noch größere Bedeutung zukommen, wenn künftig vermehrt besonders arbeitsmarktferne Personen in INGA betreut werden. Für diese Gruppe bedarf es oft vorgeschalteter Schritte, die etwa die persönliche Stabilisierung betreffen. Derartige Erfolge auf dem Weg in den Arbeitsmarkt werden aber im Controlling nicht erfasst.
Um die Chancen zu nutzen und Risiken zu begrenzen, sollte die Schnittstelle zwischen regulärer Arbeitsvermittlung und INGA-Beratung bezüglich der Kommunikation und Verfahrensabläufe optimiert werden. Zudem müsste das Controlling hinsichtlich einer Berücksichtigung erfolgskritischer Zwischenziele im Beratungsprozess überprüft werden.
Literatur
Krug, Gerhard; Stephan, Gesine (2016): Private and public placement services for hard-to-place unemployed. Results from a randomized field experiment. In: ILR review, Jg. 69, H. 2, S. 471–500.
Gühne, Uta; Kupka, Peter; Oschmiansky, Frank; Popp, Sandra; Riedel-Heller, Steffi G. (2020): Das IAB-Projekt „Psychisch Kranke im SGB II: Situation und Betreuung“. In: IAB-Forum, 25.8.2020.
Sowa, Frank; Staples, Ronald (2014): Accounting in der Arbeitsverwaltung: Vermittlungsfachkräfte zwischen Steuerungsimperativen und autonomem Vermittlungshandeln. In: Zeitschrift für Sozialreform (ZSR) (60), S. 149–173.
In aller Kürze
- Die „Interne ganzheitliche Integrationsberatung“ (INGA) ist ein spezialisiertes Beratungsangebot für Arbeitslose im SGB III mit komplexen Problemlagen. Die dort beratenen Personen haben vielschichtige Probleme, die sich weniger aus sozioökonomischen Merkmalen als vielmehr aus biografischen Aspekten ergeben und oftmals in multipler Form auftreten und zu bearbeiten sind.
- Die Erwerbsverläufe der Beratenen weisen wiederkehrende Muster auf: Erstens Personen, bei denen die Arbeitslosigkeit nach einer langen Phase beruflicher Stabilität und Spezialisierung eintritt; zweitens Personen, bei denen wiederholte Arbeitslosigkeit auf eine von beruflicher Instabilität geprägte Erwerbskarriere folgt; drittens Personen, die keine Ausbildung haben, Gelegenheitsjobs ausüben und in einem eher jungen Alter arbeitslos werden.
- Gemeinsam ist den INGA-Beratungen die ausgeprägte Berücksichtigung lebenssituativer und biografischer Aspekte durch die Fachkräfte. Dadurch kann der Anspruch von INGA hinsichtlich Ganzheitlichkeit und Individualität in der Praxis weitgehend eingelöst werden.
- Die von der regulären Vermittlung ausgehende und teils stockende Überstellung von Arbeitslosen zu INGA sowie die Abbildung der Beratungserfolge im Controlling erweisen sich als organisatorisches Spannungsfeld in den Agenturen für Arbeit. Durch eine Anfang des Jahres 2024 erfolgte Zielgruppenanpassung in INGA wird das Problem der Überstellung potenziell entschärft, die Erreichung der Controlling-Ziele hingegen eher erschwert.
Die qualitative Studie
Der vorliegende Beitrag ist im Rahmen der IAB-Studie „Betreuung arbeitsmarktferner Arbeitsloser“ (BafAlo) entstanden, die das IAB seit Mai 2023 in Kooperation mit dem Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) umsetzt. Hierbei werden spezialisierte Beratungsangebote für arbeitsmarktferne Arbeitslose in den Arbeitsagenturen (SGB III, INGA) und Jobcentern (SGB II, beschäftigungsorientiertes Fallmanagement (bFM)) mittels qualitativer Methoden und standardisierter Befragungen (ONJOB für das bFM im SGB II) untersucht. Die Analyse stützt sich auf Beobachtungen von Beratungsgesprächen und problemzentrierte Vorab- und Anschlussinterviews mit Beratenden und Beratenen sowie die nicht-teilnehmende Beobachtung von Gruppenveranstaltungen und Interviews mit Teamleitungen. Im Zeitraum von November 2023 bis April 2024 wurden je Rechtskreis zwölf Beobachtungen einschließlich Interviews an unterschiedlichen Standorten durchgeführt. Durch die Berücksichtigung unterschiedlicher Fallkonstellationen soll für beide spezialisierten Beratungsangebote ein vertieftes Verständnis über die beratenen Personenkreise (und die Ursachen ihrer Arbeitsmarktferne), die Beratungspraktiken sowie die organisationalen Rahmenbedingungen gewonnen werden.
Bild: contrastwerkstatt/stock.adobe.com
DOI: 10.48720/IAB.FOO.20241104.01
Globisch, Claudia ; Fuchs, Philipp ; Feldens, Stefan (2024): Wie Arbeitsagenturen arbeitsmarktferne Arbeitslose durch spezialisierte Beratung unterstützen, In: IAB-Forum 4. November 2024, https://www.iab-forum.de/wie-arbeitsagenturen-arbeitsmarktferne-arbeitslose-durch-spezialisierte-beratung-unterstuetzen/, Abrufdatum: 5. November 2024
Autoren:
- Claudia Globisch
- Philipp Fuchs
- Stefan Feldens