Die Arbeitswelt ändert sich rasant. Darum wird lebenslanges Lernen immer wichtiger. Das Qualifikationsniveau entscheidet mit darüber, in welchem Umfang sich Beschäftigte weiterbilden. Auch Persönlichkeitsmerkmale beeinflussen die Neigung sich weiterzubilden, insbesondere bei gut qualifizierten Beschäftigten.

Die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt ändern sich heutzutage mit nie dagewesener Geschwindigkeit. Während die Globalisierung den Wettbewerb zwischen Arbeitskräften verstärkt, werden viele Berufe durch technologische und ökologische Veränderungen beeinflusst oder sogar überflüssig. Hiervon sind insbesondere die Berufe betroffen, bei denen eher manuelle und routinemäßige Tätigkeiten im Vordergrund stehen. Diese sind leichter automatisierbar und werden traditionell von gering qualifizierten Arbeitskräften ausgeübt. Darüber hinaus deutet eine OECD-Studie aus dem Jahr 2023 darauf hin, dass Geringqualifizierte oft in umwelt- und klimaschädlichen Branchen beschäftigt sind, die zukünftig durch die Dekarbonisierung schrumpfen werden.

Deshalb ist es für Arbeitskräfte mit niedrigem Bildungsniveau besonders wichtig, sich beruflich weiterzubilden, erworbene Kenntnisse aufzufrischen oder gegebenenfalls umzuschulen. Gleichzeitig bilden sich Beschäftigte mit niedrigerem Bildungsniveau seltener weiter als ihre höher qualifizierten Kolleginnen und Kollegen. Wie Annette Trahms und Kolleg*innen in ihrer Studie aus dem Jahr 2021 belegen, weisen Geringqualifizierte die niedrigste Teilnahmequote an nicht-formaler Weiterbildung auf. Denn diese nimmt in der Regel mit steigendem Bildungsniveau zu.

Die Literatur unterscheidet drei Hindernisse für eine erfolgreiche Teilnahme am lebenslangen Lernen: situationsbedingte Hindernisse, die mit der persönlichen und familiären Situation zusammenhängen, institutionelle Hindernisse, die sich auf die Verfügbarkeit von Lernangeboten beziehen und dispositionelle Hindernisse, die sich auf Einstellung, Persönlichkeit und Erwartungen von Einzelpersonen beziehen (eine ausfürliche Analyse finden Sie in einem 2012 publizierten OECD-Report). Letztere werden im Folgenden näher analysiert. Dabei stützt sich die Analyse auf die psychologischen Konzepte „Kontrollüberzeugung“ und „Big Five“. Kontrollüberzeugung bezieht sich darauf, inwieweit ein Individuum glaubt, Ereignisse im Leben selbst steuern zu können und nicht durch externe Faktoren wie Glück bestimmt zu werden. Die Big Five sind eines der populärsten Modelle zur Abbildung der komplexen Persönlichkeitsstruktur eines Menschen in fünf Hauptfaktoren: Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus (für eine detaillierte Beschreibung der Konzepte siehe Infokasten „Persönlichkeitsmerkmale“).

Persönlichkeitsmerkmale

Das psychologische Konzept der Kontrollüberzeugung gibt an, inwieweit eine Person glaubt, Kontrolle über Geschehnisse in ihrem Leben zu haben. Diejenigen mit einer eher internalen Kontrollüberzeugung sind davon überzeugt, dass sie Ereignisse durch ihr eigenes Handeln und Verhalten steuern können. Personen mit einer eher externalen Kontrollüberzeugung glauben dagegen, dass der eigene Einfluss auf ihr Leben begrenzt ist. Alles, was ihnen widerfährt, ist meist das Ergebnis von unbeeinflussbaren Faktoren wie Schicksal oder Glück (Rotter 1966).

Die Big-Five Persönlichkeitsmerkmale teilen den Charakter eines Menschen in fünf Dimensionen ein (siehe Costa und McCrae, 1999): Offenheit für neue Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus.

  • Offenheit für neue Erfahrungen umfasst den Grad der Aufgeschlossenheit für neue Lebensefahrungen.
  • Gewissenhaftigkeit beschreibt, wie ordentlich, strukturiert und pflichtbewusst Menschen sind.
  • Extraversion bezieht Merkmale des sozialen Verhaltens gegenüber anderen Menschen ein und bezeiht sich darauf, wie gesellig oder zurückhaltend sie sich bei sozialen Interaktionen verhalten.
  • Verträglichkeit umfasst Merkmale des Sozialverhaltens wie Vertrauen, Altruismus, Freundlichkeit und Kooperationsbereitschaft.
  • Neurotizismus schließlich ist das Gegenteil von emotionaler Stabilität.

Der Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsmerkmalen unter Berücksichtigung des jeweiligen Qualifikationsniveaus und lebenslangem Lernen ist noch unerforscht

Während die Bedeutung von Persönlichkeitsmerkmalen für lebenslanges Lernen gut belegbar sind, ist noch weitgehend unerforscht, welche Rolle hier das Qualifikationsniveau spielt. Marie Laible und Kolleginnen zeigen in ihrer Studie aus dem Jahr 2020, dass unter den Big-Five-Merkmalen Offenheit für neue Erfahrungen und Extraversion mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einer Teilnahme an Weiterbildung einhergehen, während eine 2022 publizierte Studie von Marco Caliendo und anderen zu dem Ergebnis gelangt ist, dass eine eher internale Kontrollüberzeugung – also der Glaube daran, Ereignisse im Leben selbst steuern zu können – mit einem größeren Weiterbildungengagement verbunden ist. Auch die Studien von Judith Offerhaus sowie von Didier Fouarge und Kollegen aus dem Jahr 2013 konnten nachweisen, dass Offenheit für neue Erfahrungen und eine internale Kontrollüberzeugung positiv mit der Weiterbildungsteilnahme zusammenhängen.

Dabei stellt sich die Frage, ob es bei den Auswirkungen von Persönlichkeitsmerkmalen auf die Inanspruchnahme von Weiterbildungsangeboten Unterschiede zwischen höher und gering qualifizierten Arbeitskräften gibt. Diese könnten die unterschiedlichen Teilnahmequoten verschiedener Qualifikationsgruppen an Weiterbildung erklären. Auf dieser Basis könnten sich dann unterschiedliche Instrumente zur Förderung von lebenslangem Lernen in Abhängigkeit vom jeweiligen Qualifikationsniveaus identifizieren lassen (weitere Informationen zu den Definitionen von Weiterbildung und der Messung des Qualifikationsniveaus der Beschäftigten finden Sie im Kasten „Daten und Methoden“).

Um diese Fragen beantworten zu können, nutzen die hier präsentierten Analysen Daten aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP). Sie konzentrieren sich ausschließlich auf die Teilnahme an berufsbezogener Weiterbildung und beziehen daher nur erwerbstätige Personen im Alter von 25 bis 64 Jahren ein. Bei der Betrachtung des lebenslangen Lernens aus einer Arbeitsmarktperspektive bleiben somit Bildungsmaßnahmen ohne beruflichen Bezug unberücksichtigt.

In der hier zugrunde liegneden Stichprobe ist die durchschnittliche Teilnahmequote an Weiterbildungsmaßnahmen innerhalb eines Jahres bei Geringqualifizierten mit 10 Prozent am niedrigsten. Sie bewegt sich um etwa 25 Prozent bei Personen mit mittlerem Qualifizierungsniveau und erreicht bei Hochqualifizierten einen Wert von etwa 40 Prozent.

Schwacher Zusammenhang zwischen internaler Kontrollüberzeugung und der Weiterbildungsbeteiligung bei Geringqualifizierten

Ein einfacher Vergleich der Kontrollüberzeugung zwischen Gruppen mit unterschiedlichem Bildungsniveau deutet bereits erste Unterschiede an. Der durchschnittliche Kontrollüberzeugungswert, gemessen auf einer Skala von 1 bis 7, liegt für Beschäftigte mit niedrigem Bildungsstand bei 4,5, bei solchen mit einem mittlerem Bildungsstand bei 4,8 und solchen mit einem hohem Bildungsstand bei 5,0. Erwachsene mit niedrigerem Bildungsniveau zeigen den geringsten Kontrollüberzeugungswert auf und scheinen größere Zweifel an ihrem persönlichen Einfluss auf die Ereignisse in ihrem Leben zu haben als besser qualifizierte Beschäftigte. Dies deutet auf eine potenziell wichtige Rolle der Kontrollüberzeugung für weitere Bildungsinvestitionen hin. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass Persönlichkeitsmerkmale über den Lebenszyklus hinweg als recht stabil angesehen werden, wie Robert McCrae und Paul Costa in ihrer Studie aus dem Jahr 1994 nachgewiesen haben, sollte bereits frühzeitig entsprechend investiert werden.

Erste Regressionsergebnisse zeigen, dass der Anstieg der Kontrollüberzeugung um eine Standardabweichung (was einer Veränderung um 0,88 Punkte auf der Kontrollüberzeugungsskala von 1 bis 7 entspricht) mit einer um 2,7 Prozentpunkte höheren Wahrscheinlichkeit einhergeht, dass eine Person innerhalb eines Jahres eine Weiterbildung absolviert. Wie Abbildung 1 zeigt, ist die Stärke dieses Zusammenhangs zwischen den Qualifikationsgruppen unterschiedlich, wobei sie für alle Gruppen statistisch verschieden von Null ist. Bei Hochqualifizierten und Erwachsenen mit mittlerem Qualifikationsniveau beträgt der Zusammenhang zwischen Kontrollüberzeugung und Weiterbildungsbeteiligung 2,2 bis 2,5 Prozentpunkte, bei Geringqualifizierten hingegen nur 1,6 Prozentpunkte.

Eine eher internale Kontrollüberzeugung korreliert positiv mit der Teilnahme an Weiterbildung, wobei dieser Zusammenhang bei Personen mit mittlerem und hohem Qualifikationsniveau etwas stärker ausgeprägt ist. Die Ergebnisse deuten demnach darauf hin, dass der Appell sich weiterzubilden bei Geringqualifizierten nur mäßigen Erfolg zeigt.

Abbildung 1 zeigt die Korrelation zwischen Kontrollüberzeugung und Weiterbildungsbeteiligung für alle betrachteten Qualifikationskategorien (gering, mittel und hoch qualifiziert). Es zeigt sich, dass die Kontrollüberzeugung in allen diesen Gruppen positiv mit der Weiterbildungsbeteiligung zusammenhängt, wobei das Ausmaß dieses Zusammenhangs bei höher qualifizierten Personen deutlich größer ist.

Bei den Geringqualifizierten korreliert nur die Offenheit für neue Erfahrungen mit der Weiterbildungsbeteiligung

Personen, die verschiedenen Qualifikationsgruppen angehören, unterscheiden sich nicht nur in Bezug auf ihre Kontrollüberzeugung, sondern auch in ihren Big-Five-Persönlichkeitsmerkmalen. Erwachsene mit niedrigem Bildungsstand sind weniger offen für neue Erfahrungen als Höherqualifizierte. Der Mittelwert dieses Persönlichkeitsmerkmals, gemessen auf einer Skala von 1 bis 7, liegt für die Gruppe der Geringqualifizierten bei 4,6, für die Gruppe der Hochqualifizierten ist dieses Merkmal mit 5,0 am stärksten ausgeprägt. Dennoch unterscheiden sich die einzelnen Gruppen auch hinsichtlich weiterer Persönlichkeitsdimensionen. Der Grad des Neurotizismus und der Verträglichkeit nimmt mit steigendem Bildungsniveau ab. Die Gewissenhaftigkeit ist bei Geringqualifizierten höher als bei Arbeitskräften mit mittlerem oder hohem Qualifikationsniveau. All diese Unterschiede können bei der beruflichen Entwicklung eine entscheidende Rolle spielen. Eine Studie von van Eijck und De Graaf aus dem Jahr 2004 zeigt, dass Persönlichkeitsmerkmale den Bildungserfolg beeinflussen.

Laut einer Studie von Judith Offerhaus aus dem Jahr 2013 sinkt die Wahrscheinlichkeit, an Weiterbildung teilzunehmen, mit einer stärkeren Ausprägung von sozialer Verträglichkeit und Neurotizismus. Neurotische Menschen könnten beispielsweise aufgrund ihrer emotionalen Instabilität den mit Weiterbildung einhergehenden Mehraufwand, zunehmende berufliche Verantwortung oder Stress meiden. Sozial verträglichere Personen könnten von einer Weiterbildungsteilnahme absehen, um möglicherweise Unstimmigkeiten zwischen Kolleg*innen zu vermeiden, wenn die Bildungsmaßnahme eine Umverteilung von Verantwortungsbereichen oder Arbeitsaufgaben zum Ziel hat. Je gewissenhafter, extrovertierter und offener Menschen sind, desto wahrscheinlicher ist es dagegen, dass sie sich weiterbilden. Gewissenhafte Personen könnten aufgrund ihres gut strukturierten Arbeitsablaufs und der beharrlichen Verfolgung langfristiger Ziele eine hohe Weiterbildungsbeteiligung aufweisen. Extrovertierte Menschen könnten sich weiterbilden, um den Austausch mit anderen zu verstärken und um sich auf Führungsaufgaben vorzubereiten, da Extrovertiertheit ein Prädiktor für Führungspositionen ist.

Zu guter Letzt wird die Offenheit für neue Erfahrungen mit intellektueller Neugier und der Bereitschaft, Neues zu erlernen, in Verbindung gebracht. Eine Auswertung des Zusammenhangs zwischen den Big-Five Persönlichkeitsmerkmalen und der Weiterbildungsbeteiligung einzelner Qualifikationsgruppen (siehe Abbildung 2) zeigt, dass nur die Offenheit für neue Erfahrungen bei allen Beschäftigten einen positiven und statistisch signifikanten Effekt hat. Dieser Zusammenhang ist jedoch bei Erwachsenen mit mittlerer und hoher Qualifikation stärker ausgeprägt als bei Geringqualifizierten. In den beiden erstgenannten Gruppen entspricht ein Anstieg der Offenheit für neue Erfahrungen um eine Standardabweichung (was einer Veränderung um 1,03 Punkte auf der Skala von 1 bis 7 entspricht) einem Anstieg der Wahrscheinlichkeit, innerhalb eines Jahres an Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen, um 4 bis 5 Prozentpunkte. Dagegen beträgt der Anstieg in der letztgenannten Gruppe nur 1,5 Prozentpunkte.

Was die Extraversion betrifft, zeigt sich nur für Beschäftigte mit mittlerem (2,4 Prozentpunkte) und hohem Qualifikationsniveau (1,6 Prozentpunkte) ein positiver Zusammenhang mit der Teilnahme an Weiterbildung (hier entspricht eine Standardabweichung 1,14 Punkten auf der Skala von 1 bis 7). Auf ähnliche Weise ist auch ein Zusammenhang von Neurotizismus und Weiterbildungsbeteiligung nur bei mittel- und höher gebildeten Arbeitskräften ausgeprägt. Eine Standardabweichung bei diesem Persönlichkeitsmerkmal (entspricht 1,23 Punkten auf der Skala von 1 bis 7) geht für Arbeitskräfte mit mittlerem beziehungsweise hohem Qualifikationsniveau mit einem Rückgang der Weiterbildungswahrscheinlichkeit innerhalb eines Jahres um 2,1 beziehungsweise 3,0 Prozentpunkte einher. Außerdem beschränkt sich der positive Zusammenhang zwischen sozialer Verträglichkeit und einer Teilnahme an Weiterbildung auf hochqualifizierte Erwachsene.

Insgesamt zeigt sich, dass von den Big-Five-Persönlichkeitsmerkmalen die Offenheit für neue Erfahrungen und Extraversion positiv mit der Teilnahme an Weiterbildung zusammenhängen. Während sich die Dimension Offenheit für neue Erfahrungen auf alle Qualifikationsgruppen auswirkt, ist der Effekt der Dimension Extraversion nur bei Personen mit mittlerem und hohem Qualifikationsniveau nachweisbar. Neugier oder Einfallsreichtum anzusprechen, kann somit ein geeigneter Ansatz sein, um alle Beschäftigten zur Teilnahme an Weiterbildung zu motivieren. Die Einbeziehung der sozialen Dimensionen hingegen scheint nur bei Erwachsenen mit mittlerer und hoher Qualifikation Anreize schaffen zu können. In Bezug auf die Dimension Neurotizismus ist der Zusammenhang mit der Weiterbildungsbeteiligung bei Geringqualifizierten zwar negativ, aber nicht signifikant. Eine nervöse, leicht besorgte oder gestresste Person zu sein, sollte daher bei gering qualifizierten Erwachsenen nicht zu einer geringeren Weiterbildungswahrscheinlichkeit führen.

Abbildung 2 zeigt die Korrelation zwischen den einzelnen Big-Five-Persönlichkeitsmerkmalen und der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen für alle betrachteten Qualifikationskategorien (gering-, mittel- und hochqualifiziert). Bei den Geringqualifizierten steht nur die Offenheit für Erfahrungen in einem positiven Zusammenhang mit der Weiterbildungsbeteiligung. Bei Personen mit mittlerer und hoher Qualifikation stehen sowohl Offenheit für Erfahrungen als auch Extraversion in einem positiven Zusammenhang mit der Weiterbildungsbeteiligung. Bei den höher qualifizierten Erwachsenen steht außerdem Neurotizismus in einem negativen Zusammenhang mit der Weiterbildungsbeteiligung.

Fazit

Persönlichkeitsmerkmale von Beschäftigten wie Kontrollüberzeugung, Offenheit für neue Erfahrungen, Extraversion, Neurotizismus und soziale Verträglichkeit korrelieren mit der Wahrscheinlichkeit, an Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen. Das gilt jedoch nicht für alle Qualifikationsgruppen gleichermaßen. Bei Geringqualifizierten stehen nur eine internale Kontrollüberzeugung und Offenheit für neue Erfahrungen in einem positiven Zusammenhang mit der Teilnahme an lebenslangem Lernen. Einerseits weisen diese Ergebnisse darauf hin, wie wichtig es ist, frühzeitig in sozio-emotionale Fähigkeiten zu investieren, die sich positiv auf die Teilnahme an Weiterbildung auswirken.

Andererseits scheinen verschiedene Qualifikationsgruppen auf unterschiedliche Weise zu beruflicher Weiterentwicklung motiviert zu werden. Daher sollten sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitsagenturen und Jobcenter individuelle Persönlichkeitsmerkmale unter Berücksichtigung des Qualifikationsniveaus der Beschäftigten in den Blick nehmen. Vorteilhaft wäre auch die Bewertung, welche Aspekte einer Weiterbildungsmaßnahme hervorgehoben werden können, um zur Teilnahme zu motivieren (z. B. die Erweiterung vorhandener Kenntnisse oder die Nutzung beruflicher Netzwerke). Alles in allem scheinen Persönlichkeitsmerkmale nicht nur ein wichtiger Indikator für den Bildungserfolg in frühen Lebensphasen zu sein, sondern auch im späteren Berufsleben für die Teilnahme an Weiterbildung eine Rolle zu spielen. Für eine umfassende Bewertung der Beteiligung an Weiterbildung durch unterschiedlich qualifizierte Arbeitskräfte können auch andere Persönlichkeitsmerkmale (z. B. Risikoaversion, Optimismus), institutionelle und situative Hindernisse sowie das Angebot an Weiterbildungsmaßnahmen entscheidend sein.

Daten und Methoden

Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist die größte und am längsten laufende deutsche Panelstudie mit derzeit rund 30.000 Befragten pro Jahr. Das SOEP liefert unter anderem Informationen über die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen, Persönlichkeitsmerkmale und Bildungserfolge.

Die vorliegende Studie verwendet für die Kontrollüberzeugung und die Big-Five-Persönlichkeitsmerkmale analog zu Marie Laible et al. (2020) altersunabhängige, standardisierte Mittelwerte für alle Befragungswellen einer Person. Bei der Kontrollüberzeugung stehen höhere Werte für eine internale Kontrollüberzeugung.
Berufsbezogenes lebenslanges Lernen bezieht sich auf die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen, die der Vertiefung oder Erweiterung bestehender beruflicher Qualifikationen oder dem Erwerb eines beruflichen oder akademischen Abschlusses innerhalb des letzten Jahres dienten.

Schließlich wird anhand der Internationalen Standardklassifikation für das Bildungswesen (ISCED) eine Unterscheidung nach dem Qualifikationsniveau vorgenommen. Laut dieser Klassifikation verfügen gering qualifizierte Personen über einen Abschluss der Sekundarstufe I (ISCED 0-2), Personen mit mittlerer Qualifikation über einen Abschluss der (Post)Sekundarstufe II (ISCED 3-4) und die Gruppe der hochqualifizierten Personen über einen Abschluss oberhalb der (Post)Sekundarstufe II (ISCED 5-8).
Für die Regressionsanalysen wird ein Random-Effects-Model verwendet, um zeitkonstante unbeobachtete individuelle Merkmale zu berücksichtigen. Folgende Merkmale gehen als Kontrollvariablen ein: Geschlecht, Alter, Art der Beschäftigung (Vollzeit oder Teilzeit), Art des Arbeitsvertrags (unbefristet oder befristet), Migrationsstatus, Partnerschaftsstatus, Vorhandensein von Kindern unter 18 Jahren im Haushalt und Haushaltseinkommen. Die Standardfehler sind auf der individuellen Ebene geclustert.

In aller Kürze

  • Geringqualifizierte haben eine weniger ausgeprägte Kontrollüberzeugung als höher qualifizierte Beschäftigte und somit größere Zweifel an ihrem eigenen Einfluss auf die Ereignisse in ihrem Leben.
  • Angehörige verschiedener Qualifikationsgruppen unterscheiden sich auch in Bezug auf ihre Big-Five-Persönlichkeitsmerkmale; der größte Unterschied besteht im Merkmal „Offenheit für neue Erfahrungen“. Hier weisen Geringqualifizierte niedrigere Werte auf.
  • Eine stärkere Kontrollüberzeugung hängt bei allen Qualifikationsgruppen mit einer höheren Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen zusammen, mit einem etwas stärkeren Zusammenhang bei höher qualifizierten Personen.
  • Von den Big-Five-Persönlichkeitsmerkmalen weist nur die Offenheit für neue Erfahrungen bei allen Beschäftigtengruppen eine positive und statistisch signifikante Beziehung zur Weiterbildungsbeteiligung auf.
  • In der Gruppe der höher qualifizierten Beschäftigten geht Extraversion mit einer höheren Weiterbildungsteilnahme einher, während Neurotizismus in einem negativen Zusammenhang mit der Teilnahme an Weiterbildung steht.
  • Je nach Persönlichkeitsstruktur und Qualifikation der Beschäftigten können unterschiedliche Anreize erfolgversprechend für eine steigende Weiterbildungsteilnahme sein.

Literatur

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Costa, P. T. und R. R. McCrae (1999). A Five-Factor Theory of Personality. In: John O. P., R. W. Robins und L. A. Pervin, (Hrsg.) (2010): Handbook of Personality: Theory and Research. New York: Guilford Press.

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DOI: 10.48720/IAB.FOO.20241216.01

Kern, Jana; Galkiewicz, Agata Danuta (2024): Wer ist offen für lebenslanges Lernen? Die Rolle von Persönlichkeitsmerkmalen und Qualifikationen, In: IAB-Forum 16. Dezember 2024, https://www.iab-forum.de/wer-ist-offen-fuer-lebenslanges-lernen-die-rolle-von-persoenlichkeitsmerkmalen-und-qualifikationen/, Abrufdatum: 18. December 2024

 

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