24. Februar 2025 | Frauen
Auswirkungen der Wechseljahre auf die Arbeitswelt – ein unterschätztes Tabuthema
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Von den sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen in Deutschland sind 5,4 Millionen beziehungsweise 34,5 Prozent zwischen 40 und 54 Jahre alt. Etwa zwei Drittel (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2024) von ihnen leiden unter Wechseljahresbeschwerden. Diese individuellen Beschwerden beeinträchtigen nicht nur die Gesundheit der Frauen, sie können auch negative soziale und ökonomische Folgen haben.
Die erste deutschlandweite Online-Befragung (2023) zu den Auswirkungen von Wechseljahresbeschwerden am Arbeitsplatz wurde von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin durchgeführt. Demnach werden körperliche und geistige Erschöpfung, Schlafstörungen und Reizbarkeit sehr häufig als Symptome genannt – mit entsprechend negativen Auswirkungen auf die Arbeit. So können sich die Betroffenen vielfach schlechter konzentrieren, fühlen sich häufiger gestresst und reagieren nicht selten gereizter.
Zugleich sind die Wechseljahre (zur Definition von Wechseljahren siehe Infokasten Wechseljahre) häufig ein gesellschaftliches Tabuthema, von einzelnen Ausnahmen abgesehen. Immerhin hat es das Thema in Deutschland inzwischen in die Politik geschafft. So forderte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in einem Antrag aus dem Jahr 2024 die Erarbeitung einer nationalen Menopausen-Strategie nach internationalem Vorbild.
Mögliche Reaktionen auf Beschwerden: reduzierte Arbeitsstunden oder vorgezogener Ruhestand
Bedeutend für den Arbeitsmarkt sind insbesondere Entscheidungen, die betroffene Frauen als mögliche Reaktion auf ihre Wechseljahresbeschwerden treffen. So geben die befragten Frauen der Berliner Studie unter anderem an, Auszeiten von der Arbeit zu nehmen, ihre Arbeitszeit zu reduzieren oder ihren Job zu wechseln. Sie verzichten außerdem in vielen Fällen auf eine Erhöhung der Arbeitszeit, eine Beförderung oder ziehen ihren Ruhestand vor.
Angesichts der Fachkräfteengpässe, die sich aufgrund der demografischen Entwicklung weiter verschärfen werden, kann Deutschland nicht auf die Arbeitsleistung einer quantitativ relevanten, gut ausgebildeten und gut positionierten Gruppe verzichten, die nach der Familienphase nochmals am Arbeitsmarkt durchstarten könnte. Zugleich werden mehr empirisch fundierte Informationen über diese Thematik benötigt, denn bisher existieren kaum repräsentative empirische Analysen für den deutschen Arbeitsmarkt. Nur auf einer solchen Grundlage ist eine evidenzbasierte Beratung möglich, aus der sich zielgerichtete Maßnahmen ableiten lassen.
Warum das Thema nicht nur für die Betroffenen selbst relevant ist
Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt manifestieren sich nicht nur auf individueller, sondern auch auf gesamtwirtschaftlicher und betrieblicher Ebene.
Aus individueller Sicht können sich die Wechseljahre auf unterschiedliche Weise auf die Arbeit beschäftigter Frauen auswirken. Wie bereits erwähnt können die gegebenenfalls resultierenden gesundheitlichen Beschwerden die Konzentration und Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz beeinträchtigen. Die betroffenen Frauen fallen außerdem möglicherweise häufiger aus, was wiederum die Produktivität und die Teamdynamik beeinträchtigen kann.
Und schließlich könnten sich die Frauen während dieser Lebensphase fragen, wie sie ihre beruflichen Ambitionen mit den physischen und emotionalen Herausforderungen der Wechseljahre in Einklang bringen können. Dies kann sich negativ auf ihre berufliche Laufbahn auswirken. Sie verzichten möglicherweise auf bestimmte Karrierewege, reduzieren ihre Arbeitsstunden oder steigen früher aus dem Erwerbsleben aus. All dies kann wiederum bestehende Geschlechterungleichheiten am Arbeitsmarkt verstärken.
Sheila de Liz hat in ihrer Veröffentlichung aus dem Jahr 2022 zudem darauf hingewiesen, dass Frauen über das Thema „Wechseljahre“ kaum aufgeklärt sind und somit auch nicht zwingend deren Beginn bei sich selbst erkennen. Frauengesundheit wird vielfach eher mit Schwangerschaft und der Geburt von Kindern verbunden, weniger mit dem Phänomen der Wechseljahre.
Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ist die hohe absolute Zahl der potenziell Betroffenen bedeutend. Von den 5,4 Millionen sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen zwischen 40 und 54 Jahren ist zwar nur etwa zwei Drittel betroffen. Die Altersabgrenzung ist sehr konservativ gewählt, denn es können Beschwerden sowohl vor dem Alter 40 als auch nach dem Alter 54 auftreten. Zudem umfasst die Zahl nur sozialversicherungspflichtig Beschäftige, es fehlen Selbständige und Beamtinnen (siehe Infobox Wechseljahre).
Zudem ist der Anteil dieser Altersgruppe in einigen Berufsgruppen überdurchschnittlich hoch, zum Beispiel in Berufen der Fachkrankenpflege mit 38,8 Prozent. Handelt es sich zudem noch um typische Frauenberufe mit einem Frauenanteil von 70 Prozent und mehr, in denen überdies starke personelle Engpässe bestehen, dürfte das Problem nochmal deutlich an Brisanz gewinnen.
Im Ergebnis sind auch die Betriebe betroffen. Wenn die oben genannten Wechseljahresbeschwerden zu Fehlzeiten, Leistungsminderungen, Arbeitszeitreduktionen oder gar zum Wechsel des Arbeitgebers führen, schwächt dies die Produktivität der Betriebe, insbesondere in Branchen mit einem hohen Frauenanteil.
Während Betriebe vergleichsweise häufig Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie ergreifen (lesen Sie dazu auch den IAB-Kurzbericht 18/2018 von Corinna Frodermann und anderen) oder in der betrieblichen Gesundheitsförderung bevorzugt Themen wie Stressbewältigung, Bewegung oder Suchtprävention behandeln, hat das Thema „Wechseljahre“ in der betrieblichen Personalpolitik bislang bestenfalls Nischencharakter.
Das Thema darf nicht ignoriert werden
Bettina Röttig hat in ihrer Veröffentlichung aus dem Jahr 2023 auf die kritischen Stimmen hingewiesen, die eine Beschäftigung mit dem Thema für kontraproduktiv halten, weil es Klischees und Stereotype fördere. Uns geht es, wie Röttig selbst, nicht um das Problematisieren geschlechtsspezifischer Unterschiede, sondern darum zu erkennen, was uns verloren geht, wenn wir uns nicht mit dem Thema beschäftigten. Vielmehr können Wirtschaft und Gesellschaft davon profitieren, wenn sie sich damit besser auseinandersetzen. Im Kern geht es darum, weibliche Fachkräfte zu behalten und zu gewinnen sowie Geschlechterungleichheiten in den Karrierewegen abzubauen.
Die jüngste Debatte im Deutschen Bundestag in Reaktion auf einen entsprechenden Antrag der Unionsfraktion („Gesamtgesellschaftliches Bewusstsein für die Wechseljahre der Frau – Für eine nationale Menopausen-Strategie nach internationalem Vorbild“) zeigt allerdings, dass das Thema in der Politik kontrovers, und in Teilen unsachlich geführt wird. Es gibt gewichtige Argumente dafür, sich mit den Auswirkungen der Wechseljahre auf die Arbeitswelt zu befassen und intensiver als bisher darüber zu forschen. Konkret geht es um die folgenden Ziele:
- Zunächst geht es darum, das Bewusstsein und das Verständnis für die teils erheblichen Herausforderungen zu stärken, die Frauen in den Wechseljahren erleben.
- Zweitens muss das Ziel sein, wirtschaftliche Nachteile wie Ausfallzeiten und Fluktuation möglichst zu vermeiden, indem die Arbeitsbedingungen für die Betroffenen verbessert werden. Die Betriebe sollten Maßnahmen ergreifen, um ein unterstützendes Arbeitsumfeld zu schaffen, das die Produktivität und das Wohlbefinden fördert.
- Drittens geht es um Enttabuisierung und Entstigmatisierung: Offene Gespräche können helfen, das Stigma rund um die Wechseljahre abzubauen und Frauen ermutigen, ihre Erfahrungen mit anderen betroffenen Frauen zu teilen und sich gegebenenfalls die nötige Unterstützung durch den Betrieb zu suchen.
- Schließlich gilt es, die Politik für die Notwendigkeit politischer und gesellschaftlicher Veränderungen zu sensibilisieren. Empirisch fundierte Forschungsergebnisse können hierzu einen entscheidenden Beitrag leisten. Denn nur auf einer solchen Basis kann Politik passgenaue Richtlinien entwickeln, um die faktische Gleichstellung der Geschlechter voranzubringen. Zu diesem Zweck müssen die verschiedenen Lebensphasen von Arbeitnehmerinnen, darunter eben auch die lange Phase der Wechseljahre, bei der Konzeption einschlägiger Förderprogramme angemessen berücksichtigt werden.
Wir brauchen Daten
Die erste Studie für Deutschland, die sich dem Thema der Wechseljahre bei der Arbeit widmet, haben Andrea Rumler und Julia Memmert 2024 publiziert. Mit Hilfe einer Onlinebefragung und Interviews mit Expertinnen und Experten verschiedener Disziplinen entwickelte das Projektteam Unterstützungsangebote, die Betriebe in ihr Gesundheitsmanagement integrieren können.
Aufbauend auf diesen ersten Erkenntnissen für Deutschland bedarf es weiterer Forschungsaktivitäten. Hierzu gilt es, weitere Datengrundlagen zu schaffen, um mehr Erkenntnisse über die Wechseljahresbeschwerden und ihre Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit von Frauen zu erzielen. Ideal wären Befragungen von Frauen im erwerbsfähigen Alter von Mitte 30 bis Mitte 60, die aus einer Zufallsstichprobe stammen. Dabei sehen wir das stärkste Potenzial in größeren Stichproben, um unterschiedliche Gruppen von Frauen in den Blick nehmen zu können, zum Beispiel Frauen in unterschiedlichen Berufen. Dabei sollten nach Möglichkeit Längsschnitterhebungen durchgeführt werden, denn Wechseljahressymptome ändern sich im Zeitverlauf.
Ebenso bedarf es der Einbindung von Betrieben, um mögliche Änderungen im Erwerbsverhalten von Frauen innerhalb von Betrieben untersuchen zu können. Dabei geht es auch darum, inwieweit Betriebe die Thematik in ihren eigenen Maßnahmen aufgreifen und welche Wirkung diese erzielen. Geeignet sind hierfür verknüpfte Betriebs- und Beschäftigtenbefragungen, um sowohl die Angaben von weiblichen Beschäftigten als auch die Angaben der Betriebe auswerten zu können, in denen diese tätig sind.
Schließlich sollten die Ergebnisse anderer Länder für die Forschung und Politik in Deutschland berücksichtigt werden. Beispielhaft genannt seien hier die Studien von Carol Atkinson und anderen aus 2021 oder von Alex Bryson und anderen aus 2022, die jeweils die Situation in Großbritannien untersucht haben.
Der Beitrag des IAB
Das IAB verfügt über eine Reihe an laufenden Längsschnittbefragungen von Personen und Betrieben wie das Panel „Arbeitsmarkt- und soziale Sicherung“, das Linked-Personnel-Panel oder das IAB-Betriebspanel. Es gilt zu prüfen, inwieweit die bestehenden Erhebungen mit Fragemodulen zur Thematik ergänzt werden können. Ziel ist es, die Zahl der betroffenen erwerbstätigen und erwerbsfähigen Frauen genauer zu ermitteln und die individuellen sowie betrieblichen Auswirkungen der Wechseljahre zu erforschen sowie das Datenmaterial der nationalen und internationalen Forschung zugängig zu machen.
Infobox „Wechseljahre“
Die Wechseljahre beschreiben den Zeitraum der hormonellen Umstellung der Frau, die zum Ende der Fruchtbarkeit führen. Sie werden in drei Phasen unterteilt. Die erste Phase ist die Prämenopause, die zwischen 30 und 45 Jahren beginnt und mit schwachen Veränderungen des Hormonhaushaltes verbunden ist. Die Perimenopause folgt nach der Prämenopause und kann bis zu zehn Jahre dauern. Sie reicht bis zwei Jahre nach der Menopause. Die Menopause selbst markiert die letzte Menstruation einer Frau, die aber erst dann mit Sicherheit bestimmt werden kann, nachdem zwölf Monate lang keine erneute Menstruation aufgetreten ist.
Mögliche Symptome der Perimenopause sind Kopfschmerzen, Depressionen oder Gelenkschmerzen, welche viele Betroffene nicht mit den Wechseljahren in Verbindung bringen. Daran anschließend folgt die Postmenopause, die Symptome der Wechseljahre nehmen ab (vgl. de Liz 2022).
Unsere Zahlen unterscheiden sich von der Kampagne #wirsind9Millionen. Während die dort berichtete Zahl von neun Millionen alle Frauen in Deutschland zwischen 40 und 55 Jahren umfasst, bezieht sich die in diesem Beitrag genannte Zahl auf die sozialversicherungspflichtig erwerbstätigen Frauen zwischen 40 und 55 Jahren
In aller Kürze
- Ein gutes Drittel der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen ist zwischen 40 und 54 Jahre alt, etwa zwei Drittel haben Wechseljahresbeschwerden.
- Oft beeinflussen Symptome wie Schlafstörungen, Hitzewallungen oder Konzentrationsprobleme die Leistungsfähigkeit der Frauen bei der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeiten.
- Diese Beeinträchtigungen im Erwerbsleben können dazu führen, dass Frauen Beförderungen ausschlagen, ihre Arbeitszeit reduzieren oder frühzeitig in Rente gehen.
- Einschlägige arbeitsmarktbezogene empirische Studien sind für Deutschland kaum vorhanden. Es fehlt somit auch eine empirische Grundlage für das Ausmaß der Betroffenheit und für adäquate Handlungsempfehlungen für Frauen und Betriebe.
- Das IAB versucht, eine entsprechende Datenbasis aufzubauen, um eine empirische Grundlage für Wissenschaft und Praxis bereitzustellen.
Literatur
Atkinson, Carol; Carmichael, Fiona; Duberley, Jo (2021): The Menopause Taboo at Work: Examining Women’s Embodied Experiences of Menopause in the UK Police Service. Work, Employment and Society, 35(4), S. 657-676.
Bryson, Alex; Conti, Gabriella; Hardy, Rebecca; Peycheva, Darina; Sullivan, Alice (2022): The consequences of early menopause and menopause symptoms for labour market participation. Social Science & Medicine, Volume 293, 114676.
Bundesministerium für Gesundheit (2024): Betriebliche Gesundheitsförderung.
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2024): Mögliche Beschwerden in den Wechseljahren.
De Liz, Sheila (2022): Women on Fire – Alles über die fabelhaften Wechseljahre. Rowohlt Polaris: Hamburg.
Deutscher Bundestag (2024): Gesamtgesellschaftliches Bewusstsein für die Wechseljahre der Frau – Für eine nationale Menopausen-Strategie nach internationalem Vorbild. Antrag der Fraktion der CDU/CSU. Drucksache 20/12983.
Frodermann, Corinna; Bächmann, Ann-Christin; Hagen, Marina; Grunow, Daniela; Müller, Dana (2018): Betriebliche Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Mütter kehren schneller zu familienfreundlichen Arbeitgebern zurück. IAB-Kurzbericht Nr. 18.
Röttig, Bettina (2023): Menopause am Arbeitsplatz.
Rumler, Andrea; Memmert, Julia (2024): Forschungsprojekt MenoSupport. Ergebnisse der ersten deutschlandweiten Befragung zum Thema Wechseljahre am Arbeitsplatz.
STG Mitarbeiterberater (2024): Wer reißt für uns das Fenster auf? Frauen stärken in den Wechseljahren.
Stuck, Silke; Essig, Ute; Ballwieser, Dennis (2024): Wechseljahre und Beruf: Wie Frau damit umgeht. Über Tabus, die keine sein sollten.
Wissenschaftliche Literatur (überwiegend englisch) zum Thema „Menopause im Erwerbsleben“ finden Sie im gleichnamigen Dossier auf der IAB-Infoplattform.
Bild: insta_photos/stock.adobe.com
DOI: 10.48720/IAB.FOO.20250224.01
Burkert, Carola; Müller, Dana (2025): Auswirkungen der Wechseljahre auf die Arbeitswelt – ein unterschätztes Tabuthema, In: IAB-Forum 24. Februar 2025, https://www.iab-forum.de/auswirkungen-der-wechseljahre-auf-die-arbeitswelt-ein-unterschaetztes-tabuthema/, Abrufdatum: 25. February 2025
Diese Publikation ist unter folgender Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht: Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International (CC BY-SA 4.0): https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de
Autoren:
- Carola Burkert
- Dana Müller