9. April 2018 | Dossier zum BA-Modellprojekt „Mach es einfach“
Der direkte Draht: Neue Kooperationsformen zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberberatung
In allen drei Agenturen, die am Modellprojekt „Mach es einfach“ der BA teilnahmen, gab es – wie in der Bundesagentur üblich – getrennte Teams für die Betreuung von Arbeitgebern und Arbeitsuchenden. In zwei der drei Agenturen wurden arbeitnehmer- und arbeitgeberorientierte Fachkräfte in gemischten Teams eingesetzt (Variante I), in der dritten wurde die Spezialisierung in arbeitnehmer- und arbeitgeberorientierte Fachkräfte teilweise aufgehoben (Variante II). In beiden Fällen ging es darum, eine passgenauere Beratung von Arbeitgebern und eine nachhaltigere Vermittlung von Arbeitsuchenden in Arbeit zu erreichen.
Variante I: Gemischte Teams aus arbeitnehmer- und arbeitgeberorientierten Fachkräften
In Ergänzung zu dem üblichen computergestützten Abgleich der Qualifikationen von Arbeitsuchenden mit den Stellenanforderungen, im Fachjargon als „Matching“ bezeichnet, setzten zwei der drei teilnehmenden Agenturen auf eine stärker am Einzelfall ausgerichtete, direkte Kommunikation zwischen arbeitnehmer- und arbeitgeberorientierten Fachkräften in gemischten Teams.
Gemeinsame Außendienste bei den Arbeitgebern
Eine wesentliche Neuerung der Arbeit in den gemischten Teams waren gemeinsame Außendienste von arbeitnehmer- und arbeitgeberorientierten Fachkräften in den Betrieben. Damit wurden verschiedene Ziele verfolgt: Neben der Akquise neuer Arbeitgeber als Kunden für die Arbeitsvermittlung sollten bestehende Kontakte zu Arbeitgebern intensiviert und diese über das erweiterte Dienstleistungsangebot der für sie zuständigen Arbeitsagentur informiert werden.
Außerdem sollten durch die Außendienste bestimmte Gruppen von Arbeitgebern, darunter kleine und mittlere Unternehmen, gezielt aufgesucht und angesprochen werden. Man versprach sich davon nicht zuletzt einen Reputationsgewinn bei den Arbeitgebern – und damit eine höhere Bereitschaft der Betriebe, offene Arbeits- und Ausbildungsstellen an die Arbeitsagenturen zu melden.
Fachkräfte mit Arbeitnehmerspezialisierung nahmen bei den gemeinsamen Außendiensten teilweise gezielt Bewerbungsunterlagen von Arbeitsuchenden mit. So konnten sie deren Einstellungschancen direkt mit Personalverantwortlichen in den Betrieben diskutieren. Dabei schlugen sie auch Personen vor, die den Stellenanforderungen zunächst nicht zur Gänze entsprachen, um gerade schwerer Vermittelbaren eine Chance auf eine Anstellung zu geben. Um deren Einstellungsmöglichkeiten zu verbessern, informierten sie die Arbeitgeber außerdem über Möglichkeiten der geförderten Weiterbildung. Die arbeitnehmerorientierten Fachkräfte selbst empfanden den bisher eher unüblichen direkten Draht zu Arbeitgebern als hilfreich, um ihr Wissen über die Einstellungspraxis der Betriebe und die daraus resultierenden Anforderungen an Arbeitsuchende in bestimmten Branchen zu vertiefen.
Direkter persönlicher Kontakt zwischen Arbeitgeberberatern und Arbeitsuchenden
Die arbeitgeberorientierten Fachkräfte in den gemischten Teams berieten auch Arbeitsuchende. So versah eine Agentur beispielsweise die in ihrem Wartebereich veröffentlichten Stellenangebote anders als bisher mit einem Hinweis auf die jeweils zuständigen Arbeitgeberberater. So konnten Arbeitsuchende diese direkt ansprechen und sich bei ihnen über die offenen Stellen, die damit verbundenen Qualifikations- und Leistungsanforderungen sowie potenzielle Erwartungen der entsprechenden Arbeitgeber informieren.
Auch die arbeitgeberorientierten Fachkräfte bewerteten den direkten Kontakt mit den Arbeitsuchenden positiv. Die im persönlichen Gespräch gewonnenen Kenntnisse über Qualifikationen, Interessen und Präferenzen der Arbeitsuchenden wurden häufig als sehr hilfreich erachtet, um Arbeitgebern konkrete Einstellungsempfehlungen geben zu können.
Variante II: Die Generalistenlösung – Betreuung von Arbeitsuchenden und Arbeitgebern aus einer Hand
Die dritte Modellagentur ging in ihrer Neuorganisation der Beratung und Vermittlung noch einen Schritt weiter: Hier wurde die Spezialisierung in arbeitnehmer- und arbeitgeberorientierte Fachkräfte in Teilen aufgehoben. Viele Vermittlungsfachkräfte berieten also Arbeitgeber und Arbeitsuchende gleichermaßen. Die Zuständigkeiten wurden dabei nach Branchen verteilt, in denen die Fachkräfte jeweils beide Marktseiten betreuten. Mit der „Vermittlung aus einer Hand“ wurden die bestehenden Strukturen und Abläufe der Beratung und Vermittlung grundlegend neugestaltet. Die Fachkräfte eigneten sich die beruflichen Grundlagen der jeweils anderen Spezialisierung in Schulungen an und setzten diese nach kurzer Zeit im Kontakt mit Arbeitsuchenden und Arbeitgebern praktisch um.
Arbeitsuchende mit schweren gesundheitlichen Einschränkungen und/oder anderen Hemmnissen, die eine schnelle Arbeitsaufnahme erschweren, wurden weiterhin in einem Spezialteam betreut. Gleiches galt für spezielle Arbeitgeberanfragen etwa zur Kurzarbeit.
Fazit
Für die Modellagenturen stellten die neuen Formen der Zusammenarbeit zwischen arbeitnehmer- und arbeitgeberorientierter Vermittlung eine Möglichkeit dar, ihre Vermittlungsprozesse der jeweiligen lokalen Situation am Arbeitsmarkt anzupassen. In vielen Fällen ging die Bildung gemischter Teams mit einer Neuaufteilung der Schwerpunkte bei der Betreuung von Arbeitsuchenden und Arbeitgebern einher, zum Beispiel wenn Zuständigkeiten statt nach Branchen nun nach Regionen verteilt wurden. Arbeitnehmer- wie arbeitgeberorientierte Fachkräfte mussten sich daher nicht nur in die neuen Aufgabengebiete einarbeiten, sondern sich auch auf zusätzliche Abstimmungsbedarfe in und zwischen den Teams einstellen. Fachkräfte in den gemischten Teams berichteten jedoch auch von einem intensiveren Austausch, einer effizienteren Zusammenarbeit und einer fallbezogenen Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen der jeweils anderen Spezialisierung. Das gegenseitige Verständnis innerhalb der Teams sei dadurch gestiegen. Auch habe man von neuen Erfahrungen bei der Beratung von Arbeitsuchenden und Arbeitgebern profitiert.
Höhere Anforderungen an die Beteiligten waren mit der Einführung der Generalistenlösung verbunden. Die Fachkräfte verwiesen insbesondere auf die notwendige Einarbeitung in ein zusätzliches Aufgabengebiet mit neuen rechtlichen Grundlagen und auf die kommunikativen Anforderungen im Umgang mit den zusätzlich zu betreuenden Kunden. Zudem befürchteten die Beteiligten, dass sie als „Generalisten“ ihre durch die Spezialisierung erworbenen beruflichen Kenntnisse in geringerem Umfang zum Einsatz bringen konnten. Ein Teil der Fachkräfte sah die Umstellung daher gerade zu Beginn kritisch. Zum Ende des Beobachtungszeitraums der Begleitforschung mehrten sich aber die positiven Stimmen, etwa was den umfassenderen Marktüberblick in den betreuten Branchen anbelangt.
Dass alle Modellagenturen die Zusammenarbeit von arbeitgeber- und arbeitnehmerorientierter Vermittlung verändert haben, zeigt, dass diese hier offenbar Verbesserungsbedarf gesehen haben. Aus den Erfahrungen der drei Agenturen lassen sich jedoch keine Rückschlüsse auf die Sinnhaftigkeit einer Flächenumsetzung ziehen. Das alles in allem positive Resümee der drei Modellagenturen dürfte auch darauf zurückzuführen sein, dass die Neuerungen den lokalen Gegebenheiten angepasst waren und – im Rahmen eines größeren Veränderungsprozesses – gemeinsam mit den Beschäftigten umgesetzt wurden.
Literatur
Freier, Carolin; Kupka, Peter; Senghaas, Monika; Wuppinger, Johanna (2017): Innovation und lokale Gestaltungsspielräume in der Arbeitsvermittlung * Begleitforschung zum Modellprojekt „Mach es einfach“. IAB-Forschungsbericht Nr. 4
Senghaas, Monika; Wuppinger, Johanna (2018): Der direkte Draht: Neue Kooperationsformen zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberberatung, In: IAB-Forum 9. April 2018, https://www.iab-forum.de/der-direkte-draht-neue-kooperationsformen-zwischen-arbeitnehmer-und-arbeitgeberberatung/, Abrufdatum: 18. November 2024
Autoren:
- Monika Senghaas
- Johanna Wuppinger