Seit seiner Einführung im Jahr 2015 wurde der gesetzliche Mindestlohn von anfänglich 8,50 Euro pro Stunde in mehreren Schritten auf inzwischen 10,45 Euro erhöht. Die bis 2020 in Kraft getretenen Anhebungen blieben hinter der allgemeinen Lohnentwicklung zurück, womit auch der Anteil der davon betroffenen Betriebe deutlich sank. Die Anhebungen haben sich aus diesem Grund kaum negativ auf die Beschäftigung ausgewirkt.

Seit seiner Einführung im Jahr 2015 wurde der gesetzliche Mindestlohn von anfänglich 8,50 Euro pro Stunde auf Vorschlag der Mindestlohnkommission in mehreren, vergleichsweise moderaten Schritten erhöht. Die erste Erhöhung auf 8,84 Euro erfolgte zum 1. Januar 2017. Danach wurde der Mindestlohn jeweils zum 1. Januar der Jahre 2019, 2020 und 2021 auf 9,19 Euro, 9,35 Euro und 9,50 Euro angehoben, zuletzt in halbjährlichen Schritten auf bis zu 10,45 Euro zum 1. Juli dieses Jahres. Zum 1. Oktober 2022 soll der Mindestlohn schließlich auf 12 Euro pro Stunde steigen.

Anders als die bisherigen Anpassungen folgte die kommende Erhöhung jedoch nicht dem bislang gängigen Verfahren, nach dem die Mindestlohnkommission eine Empfehlung abgibt, die von der Politik qua Verordnung umgesetzt wird. Stattdessen kam es zu einer vom Bundestag beschlossenen Gesetzesänderung im Nachgang zur letzten Bundestagswahl, bei der eine starke Anhebung des Mindestlohns als politisches Ziel proklamiert worden war.

Wie sich diese Erhöhung auf den Arbeitsmarkt auswirken wird, bleibt abzuwarten (lesen Sie dazu auch den IAB-Kurzbericht 12/2022 von Erik-Benjamin Börschlein und anderen). Demgegenüber wurden die Arbeitsmarkteffekte der ersten drei Erhöhungen – inklusive der Anpassung zum 1. Januar 2020 – bereits durch das IAB evaluiert. Die detaillierten Ergebnisse dieser Evaluation, die im Auftrag der Mindestlohnkommission erfolgte, wurden in einem IAB-Forschungsbericht von Mario Bossler, Nicole Gürtzgen, Erik-Benjamin Börschlein und Jan Simon Wiemann (9/2022) veröffentlicht.

Bis 2020 sank der Anteil der von den Mindestlohnerhöhungen betroffenen Betriebe auf rund 7 Prozent

Im Rahmen dieser Studie wurde auf Basis des IAB-Betriebspanels zunächst der Anteil der Betriebe ermittelt, die vom Mindestlohn beziehungsweise den jeweiligen Erhöhungen betroffen waren. Von der Einführung des Mindestlohns waren noch knapp 16 Prozent der Betriebe betroffen, weil sie mindestens einen Beschäftigten hatten, der zuvor unterhalb des Mindestlohns entlohnt wurde. In den Folgejahren sank der Anteil der Betriebe, die nach eigenen Angaben von den jeweiligen Anhebungen des Mindestlohns betroffen waren, deutlich. So gaben bei der Erhöhung im Jahr 2020 noch etwa 7 Prozent der Betriebe an, eine Person unterhalb des Mindestlohns beschäftigt zu haben (siehe Abbildung). Dieses Muster deckt sich mit Zahlen des Statistischen Bundesamts, das für den gleichen Zeitraum eine sinkende Anzahl an Jobs berichtet, die direkt zum Mindestlohn entlohnt wurden.

Die Abbildung zeigt den Anteil der betroffenen Betriebe bei der Mindestlohneinführung und den Mindestlohnerhöhungen bis 2020. Lag dieser Anteil bei der Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 noch bei knapp 16 Prozent, so sank dieser Anteil bis 2020 kontinuierlich. In diesem Jahr waren nur noch knapp 8 Prozent von der Erhöhung des Mindestlohns betroffen. Quelle: IAB-Betriebspanel

Größere Beschäftigungsverluste durch den Mindestlohn sind bislang ausgeblieben

Im Rahmen der eingangs erwähnten Studie wurden die Wirkungen der Einführung und der sukzessiven Erhöhung des Mindestlohns unter anderem auf die betriebliche Entlohnung und Arbeitsnachfrage sowie auf die betriebliche Produktivität, die Gewinne und die Investitionstätigkeit untersucht. Demnach sind die im Vorfeld befürchteten größeren Beschäftigungsverluste sowohl nach der Mindestlohneinführung als auch nach den darauf folgenden drei Anhebungen ausgeblieben. Während sich betroffene Betriebe in ihrer Beschäftigung infolge der Mindestlohneinführung etwas schlechter entwickelt haben als nicht betroffene Betriebe, blieben die folgenden drei Anpassungen des Mindestlohns für die Beschäftigung weitestgehend ohne nachteilige Folgen.

Dies deckt sich mit einem weiteren Ergebnis der Studie, demzufolge betroffene Betriebe ihre Löhne nach den ersten drei Anpassungen des Mindestlohns im Vergleich zu nicht betroffenen Betrieben nicht deutlich erhöht haben. Grund hierfür dürfte sein, dass die hier betrachteten Mindestlohnerhöhungen hinter der allgemeinen Lohnentwicklung und der Entwicklung der Tariflöhne zurückgeblieben sind. Zu dieser Einschätzung kamen Erik-Benjamin Börschlein, Mario Bossler und Jan Simon Wiemann auf Basis einer Analyse, die sie 2021 auch in einem Beitrag für das IAB-Forum publiziert haben.

Weiterhin zeigt sich, dass der geringfügige Rückgang der Beschäftigung nach der Einführung des Mindestlohns im Wesentlichen auf eine Zurückhaltung bei den Neueinstellungen und weniger auf eine Zunahme der Entlassungen zurückzuführen ist. Die geschätzten Effekte auf die Beschäftigung durch den Mindestlohn lassen sich bis einschließlich 2020 insgesamt auf einen Rückgang um hochgerechnet rund 76.000 Beschäftigungsverhältnisse kumulieren. Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Betrieben in Ost- und Westdeutschland sowie zwischen solchen mit hohem und niedrigem Wettbewerbsdruck. Nachteilige Effekte auf die Beschäftigung gab es hauptsächlich in Ostdeutschland sowie in Betrieben, die einem hohen Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind. Eine 2022 veröffentlichte Studie von Christian Dustmann und anderen zeigt in diesem Zusammenhang, dass Personen, die infolge der Mindestlohneinführung ihre Beschäftigung verloren haben, häufig in produktivere Betriebe wechseln konnten.

Betroffene Betriebe mussten Gewinneinbußen zwischen 7 und 9 Prozent hinnehmen

Infolge der Mindestlohneinführung lassen sich zudem deutliche Gewinneinbußen der Betriebe nachweisen. Diese lagen zwischen 7 und 9 Prozent. Während die Personalkosten mindestlohnbedingt gestiegen sind, hat sich die Produktivität derselben Betriebe nach Einführung des Mindestlohnes nicht signifikant geändert. Die ersten beiden Mindestlohnerhöhungen in den Jahren 2017 und 2019 hingegen blieben für die betrieblichen Gewinne – ähnlich wie für die Beschäftigung – ohne Folgen. Die betriebliche Produktivität hingegen scheint zumindest im Zuge der zweiten Erhöhung geringfügig profitiert zu haben.

Mit Blick auf die längerfristigen Beschäftigungswirkungen stellt sich die Frage, ob betroffene Betriebe über die Veränderung der Beschäftigung hinaus weitere Anpassungen vornehmen. So wäre beispielsweise denkbar, dass diese Betriebe vermehrt in Sachkapital investieren, um langfristig teurer gewordene Arbeit zum Beispiel durch Maschinen zu ersetzen. Diese Vermutung lässt sich jedoch auf Basis der Evaluation nicht bestätigen. Vielmehr scheinen sich die betroffenen Betriebe infolge der Einführung des Mindestlohns bei Investitionen in Sachkapital zurückgehalten zu haben. Diese Reaktion schwächte sich jedoch in den Folgejahren wieder ab, war also nicht von dauerhaftem Charakter.

Fazit

Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Evaluation, dass die betroffenen Betriebe infolge der Einführung des Mindestlohnes die Beschäftigung geringfügig reduziert und einen Teil ihrer Gewinne eingebüßt haben. Demgegenüber haben sich die ersten drei Anhebungen des Mindestlohnes kurzfristig kaum auf die Beschäftigung, die Produktivität und die Gewinne der Betriebe ausgewirkt. Dies dürfte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass die hier betrachteten Mindestlohnerhöhungen hinter der allgemeinen Lohnentwicklung und der Entwicklung der Tariflöhne zurückgeblieben sind.

Aus den vorliegenden Erkenntnissen zur Mindestlohneinführung und den bisherigen Erhöhungen lässt sich vorsichtig schlussfolgern, dass der Mindestlohn moderat über die bisherige Höhe hinaus angehoben werden kann, ohne dass ein wesentlicher Beschäftigungseinbruch zu erwarten wäre.

Allerdings lassen diese Ergebnisse keine Prognose über die Beschäftigungswirkung der für Oktober dieses Jahres beschlossenen Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro zu. Ausgehend von 9,60 Euro im Jahr 2021 steigt der Mindestlohn allein innerhalb des Jahres 2022 in drei Schritten um insgesamt 25 Prozent. Der Anhebungsschritt auf 12 Euro macht dabei immerhin 15 Prozent aus – und fällt somit wesentlich stärker aus als die bisherigen. Wie im IAB-Kurzbericht 12/2022 von Erik-Benjamin Börschlein und anderen ausgeführt, betrifft er damit einen wesentlich größeren Anteil der Beschäftigungsverhältnisse. Wie sich dies kurz- und längerfristig auf die Beschäftigung auswirken wird, ist eine offene Forschungsfrage.

Literatur

Börschlein, Erik-Benjamin; Bossler, Mario; Wiemann, Jan Simon (2021): Gesetzlicher Mindestlohn: 2022 dürfte der Rückstand gegenüber der Tariflohnentwicklung aufgeholt sein. In: IAB-Forum, 15.02.2021.

Bossler, Mario; Gürtzgen, Nicole; Börschlein, Erik-Benjamin; Wiemann, Jan Simon (2022): Auswirkungen des Mindestlohnes auf Betriebe und Unternehmen, Endbericht für die Mindestlohnkommission. IAB-Forschungsbericht Nr. 9.

Börschlein, Erik-Benjamin; Bossler, Mario; Gürtzgen, Nicole; Teichert, Christian (2022): 12 Euro Mindestlohn betreffen mehr als jeden fünften Job. IAB-Kurzbericht Nr. 12.

Dustmann, Christian; Lindner, Attila; Schönberg, Uta; Umkehrer, Matthias; Vom Berge, Philipp (2022): Reallocation effects of the minimum wage. The Quarterly Journal of Economics, Vol. 137, No. 1, pp. 267–328.

Hutter, Christian; Weber, Enzo (2022): Die Arbeitsagenturen erwarten von der Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro mehrheitlich keine Auswirkungen auf die Beschäftigung, In: IAB-Forum, 13. September 2022.

Jaenichen, Ursula (2022): Mindestlohnbeschäftigte in der Corona-Pandemie – Sonderauswertung zu den Folgen der Corona-Pandemie für Beschäftigte im Mindestlohnbereich. IAB-Forschungsbericht Nr. 12.

In aller Kürze
  • Der Mindestlohn wurde von ursprünglich 8,50 Euro pro Arbeitsstunde im Jahr 2015 in mehreren Schritten auf heute 10,45 Euro angehoben.
  • Die Erhöhungen des Mindestlohns in den Jahren 2017, 2019 und 2020 wurden vom IAB eingehend evaluiert.
  • Es lassen sich keine bedeutenden betrieblichen Maßnahmen in Reaktion auf diese Anpassungen nachweisen.
  • Die Erhöhungen hatten jedoch auch keine nennenswerte Lohnwirkung, weil sie kaum mit der allgemeinen Lohnentwicklung Schritt gehalten haben.

DOI: 10.48720/IAB.FOO.20220919.01

Börschlein, Erik-Benjamin; Bossler, Mario; Gürtzgen, Nicole (2022): Die bisherigen Erhöhungen des Mindestlohns haben der Beschäftigung bislang kaum geschadet, In: IAB-Forum 19. September 2022, https://www.iab-forum.de/die-bisherigen-erhoehungen-des-mindestlohns-haben-der-beschaeftigung-bislang-kaum-geschadet/, Abrufdatum: 5. November 2024