Ein ganzheitliches beschäftigungsbegleitendes Coaching ist seit 2019 ein verpflichtender Bestandteil bei den beiden neuen Förderinstrumenten zur Teilhabe von Langzeitarbeitslosen am Arbeitsmarkt. Ein wissenschaftliches Team des IAB hat Teilnehmende etwa ein Jahr nach ihrem Zugang in die Förderung befragt, wie sie im Rahmen des Coachings unterstützt werden und wie sie es bewerten. Die Ergebnisse sind in einem IAB-Kurzbericht (23/2022) veröffentlicht. Die Redaktion des IAB-Forums hat bei Claudia Wenzig und Cordula Zabel nachgehakt.

Frau Zabel, Frau Wenzig, Sie haben über 5.000 Geförderte zu ihrer Teilnahme am Coaching befragt. Welches Ergebnis hat Sie dabei überrascht?

Dr. Cordula Zabel

Dr. Cordula Zabel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsbereich „Grundsicherung und Aktivierung“ im IAB.

Cordula Zabel: Überrascht hat mich die hohe Zufriedenheit der Geförderten mit dem Coaching. Auf einer Skala von 0 bis 10 haben die Befragten mit einem Wert von durchschnittlich 8 dem Coaching insgesamt eine sehr gute Note erteilt. Auch mit spezifischen Coaching-Aspekten waren die Befragten sehr zufrieden. So hat die weit überwiegende Mehrheit zugestimmt, dass der Coach jederzeit ansprechbar war und sie dem Coach vertrauten.

Dr. Claudia Wenzig

Dr. Claudia Wenzig ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsbereich „Panel Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ im IAB.

Claudia Wenzig: Außerdem haben wir eine überraschend große Bandbreite an Themen vorgefunden, zu denen die Befragten gecoacht worden sind. Durchschnittlich erhielten die Geförderten in drei verschiedenen Bereichen ein Coaching. Etwa die Hälfte der Geförderten wurde zum Beispiel zum Umgang mit Behörden, zur Bewältigung persönlicher Probleme oder zu Problemen im Betrieb beraten. Auch Gesundheitsfragen oder die Organisation des Arbeitsalltags waren wichtige Themen.

Für wen und aus welchen Gründen hat der Gesetzgeber 2019 das verpflichtende Coaching eingeführt?

Wenzig: Aus früheren Modellprojekten, zum Beispiel beim Beschäftigungszuschuss, hat man gelernt, dass gerade Personen, die lange Jahre nicht mehr beschäftigt waren, vielfältigen Problemen gegenüberstehen, wenn sie wieder einer Arbeit nachgehen. Das können Schwierigkeiten mit der neuen Beschäftigung sein, aber auch Themen im privaten oder familiären Bereich. Oft hat das dazu geführt, dass die neuen Beschäftigungsverhältnisse vorzeitig beendet worden sind. Aber es hat sich auch gezeigt, dass ein begleitendes Coaching den Betroffenen helfen kann, solche Probleme zu lindern, sodass sie ihre Beschäftigung oder Maßnahme seltener abbrechen.

Diese Erkenntnisse hat der Gesetzgeber nun beim Teilhabechancengesetz beherzigt. Er hat hier erstmals ein ganzheitliches Beratungs- und Unterstützungsangebot in einem Regelinstrument für geförderte SGB-II-Leistungsbeziehende eingeführt. Beim Coaching können bei Bedarf sogar Angehörige einbezogen werden, oder Personen aus dem Förderbetrieb.

Das Coaching geht häufig über rein betriebliche Themen hinaus.

Würden Sie das Coaching anhand der Befragungsergebnisse als erfolgreich bewerten?

Zabel: Ein Gesamturteil kann ich noch nicht abgeben. Denn unsere erste Befragung, zu der wir aktuell berichten, fand im Schnitt etwas über ein Jahr nach Förderbeginn statt. Von den Geförderten selbst haben wir bislang ein eher positives Bild erhalten. Außerdem geht das Coaching häufig über rein betriebliche Themen hinaus, was sich mit dem Ziel einer ganzheitlichen Unterstützung deckt. Die Coaches beraten durchaus zu den Problemlagen, die wir als wichtigste Gründe für eine vorzeitige Beendigung der Förderung erkannt haben. Das sind neben möglichen Problemen im Betrieb eben auch gesundheitliche Themen.

Neben der bereits genannten hohen Zufriedenheit hat auch mehr als die Hälfte der Befragten angegeben, dass sich ihre persönliche Lage durch das Coaching verbessert hat. Ob das Coaching auch längerfristig seitens der Geförderten positiv bewertet wird, werden wir allerdings erst anhand der Ergebnisse der nachfolgenden Erhebungen feststellen können.

Mehr als ein Drittel wünscht ein zusätzliches Coaching für Themen, die bislang zu kurz kamen.

Wenzig: Erwähnenswert ist zudem, dass viele Geförderte bereits in der ersten Erhebung noch Bedarf an weitergehender Unterstützung äußerten: Mehr als ein Drittel hat angegeben, dass sie ein zusätzliches Coaching für Themen gewünscht hätten, die bislang zu kurz kamen. Es gibt also schon noch Potenzial für Optimierung.

Zu welchen Themen hätten sich die Geförderten weitere Unterstützung gewünscht?

Wenzig: Am häufigsten haben die Befragten den Wunsch nach einem zusätzlichen Coaching zu Problemen im Betrieb genannt, zur Organisation ihres Arbeitsalltags und zum Umgang mit Behörden. Vor allem diejenigen, die das Förderinstrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ in Anspruch genommen und lange Zeit Leistungen der Grundsicherung bezogen hatten, haben sich dazu noch mehr Beratung zu Gesundheitsfragen gewünscht.

Zabel: Interessant ist auch, was Personen genannt haben, die ihre Förderung vorzeitig beendet haben. Bei ihnen sehen wir, dass sie sich im Vergleich zu den anderen noch häufiger weitere Unterstützung vor allem zu Aspekten ihrer Beschäftigung gewünscht hätten, die sie bislang nicht erhalten haben – zur Organisation ihres Arbeitsalltags und Anpassung von Arbeitsbedingungen, aber auch bei gesundheitlichen Problemen und beim Umgang mit der Covid-19 Pandemie.

Wir raten zu einer großen Bandbreite von Coaching-Themen, um den doch sehr unterschiedlichen Bedarfen gerecht zu werden.

Mit der Bürgergeldreform plant die Bundesregierung das Coaching für Langzeitarbeitslose auszuweiten – und zwar unabhängig von der Teilnahme an Fördermaßnahmen. Welchen Rat möchten Sie angesichts der Befragungsergebnisse dazu auf den Weg geben?

Wenzig: Zunächst einmal spricht Vieles für das Vorhaben. Wenn ein Coaching unabhängig von der Teilnahme am Sozialen Arbeitsmarkt möglich sein wird, können erwerbsfähige Leistungsberechtigte mit vielfältigen Problemlagen noch besser und vor allem individueller unterstützt werden. Ein Ziel des Coachings könnte unter anderem sein, die Beschäftigungsfähigkeit zu steigern, damit es den Betroffenen besser gelingt, eine Arbeit zu finden und aufzunehmen. Was wir angesichts unserer Befragungsergebnisse raten können: Bei der Umsetzung sollte auf eine große Bandbreite von Coaching-Themen geachtet werden – damit man den doch sehr unterschiedlichen Bedarfen der Leistungsberechtigten noch besser gerecht werden kann.

Literatur

Mustafa Coban, Zein Kasrin, Claudia Wenzig, Joachim Wolff, Cordula Zabel (2022): Beschäftigungsbegleitende Betreuung im Sozialen Arbeitsmarkt: Geförderte sind mehrheitlich zufrieden mit dem Coaching, IAB-Kurzbericht Nr. 23.

 

doi: 10.48720/IAB.FOO.20221213.01

 

 

Keitel, Christiane (2022): „Die Geförderten erteilen dem Coaching eine gute Note“, In: IAB-Forum 13. Dezember 2022, https://www.iab-forum.de/die-gefoerderten-erteilen-dem-coaching-eine-gute-note/, Abrufdatum: 26. December 2024

 

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