12. März 2025 | Gesamtwirtschaft
Die Kosten der Arbeitslosigkeit sind 2023 wieder deutlich gestiegen

Die Zahl der Arbeitslosen ist im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr um 7,9 Prozent auf 2.609.000 gestiegen – und ist damit nicht weit vom Höchstwert im ersten Corona-Jahr 2020 entfernt (2.695.000). Dabei ist die Zahl der arbeitslosen Leistungsempfänger im Rechtskreis des SGB III (Arbeitslosengeld) um 67.000 auf 875.000 Personen gestiegen (8,2 %), die der Leistungsempfänger im Rechtskreis des SGB II (Bürgergeld) um 124.000 auf 1.734.000 Personen (7,7 %). Der prozentuale Zuwachs fällt also ähnlich aus.
Die gesamten fiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit setzen sich aus Versicherungsleistungen und Sozialleistungen sowie den Mindereinahmen an Steuern und an Sozialversicherungsbeträgen zusammen. Sie lagen im Jahr 2023 bei 67,5 Milliarden Euro – ein Plus von 14,4 Prozent – und machten damit 1,61 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) aus. Der deutliche Rückgang um 0,25 Prozentpunkte der Wirtschaftsleistung zwischen den Jahren 2020 (1,77 % des BIP) und 2022 (1,52 %) ist also beendet.
Im Berichtsjahr 2023 kam es infolge der Zunahme der Arbeitslosigkeit und der höheren Regelsätze in der Grundsicherung zu erheblichen Kostensteigerungen. Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt haben sich die Kosten der Arbeitslosigkeit seit dem Jahr 2005 (3,2 %) fast halbiert.
Staatliche Ausgaben für Transferleistungen
Direkte Kosten der Arbeitslosigkeit entstehen durch die Transferzahlungen an Personen, die Arbeitslosengeld oder Bürgergeld beziehen. Im Jahr 2023 betrugen diese einschließlich der abgeführten Sozialversicherungsbeiträge knapp 41 Milliarden Euro und damit rund 60 Prozent der Gesamtkosten.
Dabei zahlte die Bundesagentur für Arbeit (BA) 15,5 Milliarden Euro an Versicherungsleistungen (23 % der Gesamtkosten), wovon 9,0 Milliarden Euro auf die Auszahlung des Arbeitslosengeldes und 6,5 Milliarden auf die Sozialversicherungsbeiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung entfielen, die für die Arbeitslosen abgeführt wurden.
Weitere direkte Kosten entstehen in der Grundsicherung durch das Bürgergeld (zuvor: Arbeitslosengeld II) und damit zusammenhängende Sozialleistungen wie die Kostenerstattung für Unterkunft und Heizung. Diese bildeten auch im Jahr 2023 mit 25,1 Milliarden Euro und einem Anteil von 37 Prozent den größten Block der gesamtfiskalischen Kosten (siehe Abbildung 1).
Mindereinnahmen der öffentlichen Haushalte
Die Arbeitslosigkeit verursacht nicht nur höhere staatliche Ausgaben. Sie führt wegen des geringeren Steueraufkommens und der niedrigeren Sozialbeiträge auch zu weniger Einnahmen bei den Gebietskörperschaften und bei den Trägern der gesetzlichen Sozialversicherung. Diese indirekten Kosten betrugen im Jahr 2023 insgesamt 26,8 Milliarden Euro und damit knapp 40 Prozent der Gesamtkosten. Bei der Berechnung dieser Mindereinnahmen wird vom durchschnittlichen Einkommen ausgegangen, das Arbeitslose erzielen könnten, wenn sie wieder eine Beschäftigung aufnehmen.
Die Gebietskörperschaften mussten im Jahr 2023 Steuerausfälle in Höhe von insgesamt 8,9 Milliarden Euro hinnehmen, was etwa 13 Prozent der Gesamtkosten entspricht. Dabei haben sie aufgrund der Ausfälle bei den Arbeitseinkommen 7,0 Milliarden weniger an Lohn- und Einkommensteuern eingenommen. Das Aufkommen der indirekten Steuern, wie der Umsatzsteuer, war um 1,9 Milliarden geringer, denn die Privathaushalte schränken in der Regel ihre Konsumausgaben ein, wenn ihr verfügbares Haushaltseinkommen durch Arbeitslosigkeit geschmälert wird.
Die Sozialversicherungsträger (Rentenversicherung, Kranken- und Pflegekassen sowie Bundesagentur für Arbeit) mussten im Jahr 2023 durch die Arbeitslosigkeit verursachte Mindereinnahmen in Höhe von 18,0 Milliarden Euro (knapp 27 Prozent der Gesamtkosten) in Kauf nehmen, da die abgeführten Beiträge für arbeitslose Leistungsbeziehende geringer sind als jene, die aus einem Arbeitseinkommen entrichtet würden.
Die Arbeitslosenversicherung muss bei Arbeitslosen komplett auf Einnahmen verzichten, da vom Arbeitslosengeld und vom Bürgergeld keine Beiträge abgeführt werden. Die höchsten Beitragsausfälle verzeichnete mit 9,9 Milliarden Euro die Rentenversicherung. Den Krankenkassen sind durch die Arbeitslosigkeit Einnahmen in Höhe von 5,1 Milliarden Euro entgangen, bei der Arbeitslosenversicherung waren es 1,8 Milliarden, bei der Pflegeversicherung 1,1 Milliarden Euro.
Den größten Ausgabenblock trägt der Bundeshaushalt mit 32 Prozent der Gesamtkosten, gefolgt von der Bundesagentur für Arbeit mit 26 Prozent und der Rentenversicherung mit 15 Prozent (siehe Abbildung 2).
Veränderung der gesamtfiskalischen Kosten nach Kostenarten und Kostenträgern
Aufgeschlüsselt nach Kostenarten entwickelten sich die Komponenten der Kosten der Arbeitslosigkeit recht unterschiedlich (vgl. Abbildung 3): Die Sozialleistungen (SGB II) stiegen nominal um 15,5 Prozent, die Versicherungsleistungen (SGB III) um 15,0 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Wegen der hohen Inflation im Jahr 2023 war die reale Erhöhung relativ zum BIP deutlich geringer. Bei den Sozialleistungen betrug der relative Anstieg zum BIP 7,0 Prozent, bei den Versicherungsleistungen 6,5 Prozent. Die durchschnittliche Inflationsrate für private Haushalte betrug im Berichtsjahr 5,9 Prozent, wobei einkommensschwache Haushalte von der hohen Teuerungsrate stärker betroffen waren.
Bei den Kostenträgern hatten fast alle öffentlichen Budgets mit steigenden Kosten zu kämpfen. Bund und Gemeinden haben mit Blick auf die Kosten der Arbeitslosigkeit fast wieder das Niveau des Referenzjahres 2005 erreicht. Noch stärker sind diese bei der Renten- und insbesondere bei der Pflegeversicherung gestiegen. Dort übertreffen sie sogar das bisherige Rekordjahr 2021 deutlich – Tendenz weiter steigend. Lediglich die Länder konnten ihr Kostenniveau in den letzten Jahren senken. Die Belastung der Bundesagentur für Arbeit als Träger der Arbeitslosenversicherung ist wegen der höheren Arbeitslosigkeit erstmals seit 2020 wieder gestiegen. Sie bleibt aber nach wie vor deutlich unter dem Niveau von 2005 (vgl. Abbildung 4).
Ausgaben für Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik
In Deutschland werden erhebliche Mittel für Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik ausgegeben. Sie zielt darauf ab, Arbeitslosigkeit und Hilfebedürftigkeit zu vermeiden oder zumindest die Dauer solcher Zeiten zu verkürzen. Sie besteht insbesondere aus Beratung und Unterstützung der Vermittlung, Förderung der beruflichen Erstausbildung und Qualifizierungsmaßnahmen sowie beschäftigungsbegleitenden und Beschäftigung schaffenden Maßnahmen. Die Kosten der aktiven Arbeitsmarktpolitik werden aus systematischen Gründen nicht zu den gesamtfiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit gezählt. Zum Teil refinanzieren sich diese Ausgaben durch Einsparungen bei den Kosten der Arbeitslosigkeit. Die Summe der aktiven Maßnahmen beziehungsweise der Leistungen der BA wird im Folgenden unter Arbeitsmarktpolitik zusammengefasst.
Die Leistungen der Arbeitsmarktpolitik entwickeln sich überwiegend antizyklisch und stabilisieren so die konjunkturelle Entwicklung und den Arbeitsmarkt. Dementsprechend verdreifachten sich die Ausgaben für Arbeitsmarktpolitik von etwa 11 Milliarden Euro im Jahr 2019 auf über 33 Milliarden Euro im Jahr 2020. Dabei hat allein die Auszahlung des Kurzarbeitergeldes den Haushalt der Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2020 mit fast 23 Milliarden Euro belastet.
Im Jahr 2023 betrugen die Gesamtausgaben für Arbeitsmarktpolitik 12 Milliarden Euro, wobei die Zahlungen für das Kurzarbeitergeld mit 1,3 Milliarden Euro bezogen auf das Niveau vor der Corona-Krise vergleichsweise hoch blieben.
Fazit
Die fiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit stiegen von 59 Milliarden Euro im Jahr 2022 auf 67,5 Milliarden im Jahr 2023, was 1,61 Prozent des Bruttoinlandsproduktes entspricht. Damit kehrte sich der Abwärtstrend bei den Kosten der Arbeitslosigkeit, die zwischen 2020 und 2022 von 1,77 Prozent des BIP auf 1,52 Prozent gesunken waren, wieder um.
Aufgrund der weiter gestiegenen Arbeitslosenzahlen und der abermaligen deutlichen Erhöhung des Regelsatzes in der Grundsicherung Anfang 2024 ist von einer weiteren Zunahme der Kosten der Arbeitslosigkeit im Jahr 2024 auszugehen. Im Jahr 2025 wird dagegen die Nullrunde beim Regelsatz dämpfend wirken. Auch im Zuge dieser Ausschläge bei der Kostenentwicklung liegt es daher nahe, den Anpassungsmechanismus so zu ändern, dass eine zeitnahe, aber kontinuierliche Inflationsanpassung erfolgt.
Die Ende des Jahres 2019 vorhandenen Reserven der BA in Höhe von 25,8 Milliarden Euro wurden im Zuge der Corona-Krise komplett aufgebraucht. Im Jahr 2023 wurden erstmals wieder 3 Milliarden Euro in die Rücklage eingestellt, was etwa 0,07 Prozent des BIP entspricht.
Die BA benötigt eine Finanzreserve, um in Rezessionen nicht sofort auf die Liquiditätshilfen des Bundes zurückgreifen zu müssen. Das IAB empfiehlt eine Rücklage in Höhe von mindestens 0,65 Prozent des BIP, um eine normale Rezession abfedern zu können. In den nächsten Jahren steht die BA also vor der Herausforderung, wieder eine ausreichend hohe Rücklage aufzubauen.
Methodischer Hinweis
Die Einführung des Bürgergeldes zum 1. Januar 2023 machte eine umfassende Revision des Rechenwerks zu den Kosten der Arbeitslosigkeit erforderlich. Diese Revision wurde genutzt, um auch methodische Verbesserungen aufzunehmen. Für den Erhalt einer Zeitreihe ohne Brüche seit 2005 wurden diese für die Vorjahre implementiert. Die Werte für die Jahre vor 2023 können daher von den bereits publizierten Angaben abweichen.
Bei der Berechnung der Mindereinnahmen wird von einem durchschnittlichen Einkommen ausgegangen, welches Arbeitslose bei einer Beschäftigung erzielen könnten. Dabei werden tatsächlich erzielte Arbeitseinkommen nach Abgang aus bestehender Arbeitslosigkeit getrennt nach Rechtskreisen zu Grunde gelegt.
In aller Kürze
- Die gesamtfiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit betrugen im Jahr 2023 67,5 Milliarden Euro. Sie lagen damit um 14,4 Prozent über dem Vorjahreswert. Die steigenden Kosten resultieren vor allem aus einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen sowie aus einer deutlichen Erhöhung der Regelsätze in der Grundsicherung.
- Die Transferleistungen des Arbeitslosengeldes und des Bürgergeldes machten rund 60 Prozent der Gesamtkosten aus. Hinzu kommen Mindereinnahmen des Staates an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen (circa 40 Prozent).
- Den größten Block der Gesamtkosten bilden mit 25,1 Milliarden Euro und einem Anteil von 37,2 Prozent die Sozialleistungen nach dem SGB II, welche auch die Kostenerstattung für Unterkunft und Heizung beinhalten.
- Die Kosten für die öffentlichen Haushalte fallen vor allem beim Bund (32 %), der Bundesagentur für Arbeit (26 %) und der Rentenversicherung (15 %) an.
- Im zeitlichen Verlauf sanken die Kosten der Bundesagentur für Arbeit besonders stark. Sie lagen im Jahr 2023 nur noch bei gut der Hälfte des Niveaus von 2005. Im SGB-II-Bereich sind die Kosten seit 2019 hingegen deutlich gestiegen.
- Aufgrund der gestiegenen Arbeitslosenzahlen und der abermaligen Erhöhung des Regelsatzes Anfang 2024 ist von einer weiteren Steigerung der Kosten der Arbeitslosigkeit im Jahr 2024 auszugehen.
- Für die Zukunft bleibt es eine Herausforderung für die Bundesagentur für Arbeit, Finanzreserven zu bilden. Im Jahr 2023 konnte erstmals nach der Covid-19-Pandemie wieder eine Rücklage in Höhe von 3 Milliarden Euro gebildet werden. 2024 ist die Rücklage wegen der schwierigen Arbeitsmarktsituation aber kaum noch gestiegen.
Literatur
Hausner, Karl Heinz; Weber, Enzo Weber (2017): Einnahmen und Ausgaben der Arbeitslosenversicherung: BA-Haushalt stabilisiert die Konjunktur. IAB-Kurzbericht Nr. 3.
Hausner, Karl Heinz; Weber, Enzo (2023): Braucht die Bundesagentur für Arbeit nach den Erfahrungen der Corona-Krise höhere Rücklagen? In: IAB-Forum, 6.3.2023.
Weber, Enzo (2023): Diese Maßnahmen braucht es jetzt, damit sich Arbeit wieder lohnt. Focus Online, 27.12.2023.
doi: 10.48720/IAB.FOO.20250312.02
Hausner, Karl Heinz; Weber, Enzo; Yilmaz, Yasemin (2025): Die Kosten der Arbeitslosigkeit sind 2023 wieder deutlich gestiegen, In: IAB-Forum 12. März 2025, https://www.iab-forum.de/die-kosten-der-arbeitslosigkeit-sind-2023-wieder-deutlich-gestiegen/, Abrufdatum: 12. March 2025
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Autoren:
- Karl Heinz Hausner
- Enzo Weber
- Yasemin Yilmaz