26. November 2021 | Serie „Corona-Krise: Folgen für den Arbeitsmarkt“
Die Mehrzahl der Betriebe hat schon vor der Corona-Krise Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeboten
Lutz Bellmann , Patrick Gleiser , Sophie Hensgen , Christian Kagerl , Eva Kleifgen , Susanne Kohaut , Ute Leber , Iris Möller , Michael Moritz , Duncan Roth , Jens Stegmaier , Matthias Umkehrer
Die Covid-19-Pandemie löste von Beginn an eine weltweite Gesundheits- und Wirtschaftskrise aus und hinterließ gravierende Spuren auch am deutschen Arbeitsmarkt. So waren gerade Wirtschaftssektoren, in denen Frauen überrepräsentiert sind, wie das Gastgewerbe oder Bildungseinrichtungen, von den Lockdown-Maßnahmen besonders betroffen. Umgekehrt arbeiten auch viele Frauen in systemrelevanten Branchen wie dem Einzelhandel oder der Pflege. Zugleich waren insbesondere Frauen durch das Schließen von Schulen und Kitas und den damit einhergehenden zusätzlichen Betreuungspflichten erheblich belastet. In der Pandemie haben sich zwar Männer etwas häufiger an der Betreuung beteiligt. Die Hauptlast liegt jedoch auch in Pandemiezeiten überwiegend bei den Frauen (lesen Sie dazu einen 2020 erschienenen Beitrag von Claudia Globisch und Christopher Osiander im IAB-Forum).
Für Berufstätige stellt sich somit mehr denn je die Frage, inwieweit ihre Arbeitgeber sie dabei unterstützen, Familie und Beruf zu vereinbaren. Entsprechende Maßnahmen gab es natürlich bereits vor der Corona-Krise, sie haben hierdurch aber noch einmal an Bedeutung gewonnen. Genaueren Aufschluss darüber geben unter anderem aktuelle Daten aus der 18. Welle der IAB-Betriebsbefragung „Betriebe in der Covid-19-Krise“, die im Oktober 2021 erhoben wurden. In der Befragung wird seit August 2020 im Abstand von etwa drei bis vier Wochen die Lage der Betriebe in Deutschland und die Auswirkungen der Corona-Krise auf betrieblicher Ebene untersucht (nähere Informationen über diese Erhebung bietet ein 2020 erschienener Beitrag von Lutz Bellmann und anderen im IAB-Forum).
Größere Betriebe bieten häufiger Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf an
Die Betriebe wurden in der Studie unter anderem gefragt, welche Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf sie aktuell anbieten und inwieweit diese im Zuge der Corona-Krise neu eingeführt wurden. Dabei zeigt sich folgendes Bild (siehe Abbildung 1):
- Insgesamt bieten 23 Prozent der Betriebe zusätzliche freie Tage an.
- 22 Prozent bieten organisatorische oder finanzielle Unterstützung bei der Kinderbetreuung.
- Rund 14 Prozent machen Angebote zur organisatorischen oder finanziellen Unterstützung bei der Pflege von Angehörigen.
- 15 Prozent unterstützen Familien beim Home-Schooling.
- 62 Prozent der Betriebe bieten besondere Möglichkeiten der Arbeitszeitgestaltung. Dies umfasst zum Beispiel die Option auf flexible Arbeitszeiten, Homeoffice oder die Ausweitung des bestehenden Arbeitszeitrahmens. Da die Kategorie relativ viele Einzelmaßnahmen umfasst, konnten sich hier vergleichsweise viele Betriebe zuordnen.
Unter den genannten Maßnahmen nimmt die Unterstützung beim Home-Schooling einen besonderen Platz ein, da dieses Phänomen erst im Zuge der Kontaktbeschränkungen und der Anordnung von Quarantäne massenhaft auftrat. Die Betriebe mussten dabei ad-hoc auf dieses Problem reagieren, entsprechende Angebote dürften vorher praktisch keine Rolle gespielt haben.
Es ist daher schwierig zu beurteilen, welche Maßnahmen die Betriebe konkret dazu zählen. So ist denkbar, dass Betriebe ihren Beschäftigten die Unterstützung der Kinder im Home-Schooling erleichtert haben, indem sie organisatorisch reagiert haben (flexiblere Vereinbarungen bei der Erreichung von Zielen, veränderte Erwartungshaltung bei der Erreichbarkeit von Beschäftigten etc.) oder für Entlastung gesorgt haben, indem sie die private Nutzung von betrieblicher IT-Ausstattung erlaubt oder direkte Kosten bei Nachhilfeangeboten übernommen haben. Bei den anderen Maßnahmen ist dagegen festzustellen, dass die Mehrzahl der Betriebe bereits vor der Krise entsprechende Angebote gemacht hat.
Nur relativ wenige Betriebe haben erst in der Krise einschlägige Maßnahmen ergriffen:
- 4 Prozent der Betriebe haben in der Krise zusätzliche freie Tage eingeführt.
- 3 Prozent der Betriebe haben in der Krise erstmals Maßnahmen ergriffen, um ihre Belegschaften bei der Kinderbetreuung zu unterstützen; 2 Prozent der Betriebe haben dies zur Unterstützung bei der Pflege von Angehörigen getan.
- 9 Prozent der Betriebe haben seit Krisenbeginn besondere Möglichkeiten der Arbeitszeitgestaltung geschaffen. In diesem Zusammenhang dürfte die Ausdehnung der Homeoffice-Möglichkeiten eine größere Rolle spielen (lesen Sie dazu einen aktuellen Beitrag von Lutz Bellmann und anderen im IAB-Forum).
Dabei zeigt sich eine generelle Zunahme der Angebote mit steigender Betriebsgröße. So bieten knapp 40 Prozent der Großbetriebe mit 250 oder mehr Beschäftigten zusätzliche freie Tage, rund 30 Prozent Unterstützung bei der Kinderbetreuung und Pflege sowie gut 25 Prozent Unterstützung beim Home-Schooling an. 93 Prozent nennen außerdem besondere Möglichkeiten der Arbeitszeitgestaltung. In Kleinstbetrieben bis zu 9 Beschäftigten bieten dagegen rund 20 Prozent jeweils zusätzliche freie Tage oder Unterstützung bei der Kinderbetreuung an, 14 Prozent Unterstützung bei der Pflege, 13 Prozent Unterstützung beim Home-Schooling und 58 Prozent besondere Möglichkeiten der Arbeitszeitgestaltung.
Diese Unterschiede nach Betriebsgröße sollten allerdings nicht dahingehend interpretiert werden, dass kleinere Betriebe diesbezüglich weniger auf die Bedürfnisse ihrer Beschäftigten eingehen als größere. In kleineren Betriebe kommt es zum Beispiel häufiger vor, dass gar kein entsprechender Bedarf an solchen Maßnahmen besteht. Zugleich ist zu beachten, dass bei der Befragung eine Maßnahme schon dann gezählt wird, wenn nur ein einziger Beschäftigter darunter fällt. Dies ist naturgemäß bei größeren Belegschaften häufiger der Fall.
Im Hinblick auf die Einführung der genannten Maßnahmen bleiben die prozentualen Zuwächse über alle Größenklassen hinweg meist im einstelligen Bereich. Auch die Unterschiede zwischen den Betriebsgrößenklassen sind hier meist gering. Eine Ausnahme bilden die besonderen Möglichkeiten der Arbeitszeitgestaltung: 7 Prozent der Kleinst- und 15 Prozent der Großbetriebe gaben an, diese neu eingeführt zu haben.
Betriebe des Gesundheits- und Sozialwesens unterstützen häufig Eltern oder pflegende Angehörige
Bei der branchenspezifischen Betrachtung fällt auf, dass Betriebe des Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesens in praktisch allen untersuchten Bereichen überdurchschnittlich häufig Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf anbieten. Hingegen liegt etwa das Gastgewerbe in fast allen Dimensionen unterhalb des Durchschnitts. Andere Branchen wiederum, wie das Verarbeitende Gewerbe oder der Groß- und Einzelhandel, bewegen sich eher im Mittelfeld.
Bei der Einführung einschlägiger Maßnahmen während der Pandemie zeigten sich Betriebe des Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesens in den meisten Bereichen mindestens so aktiv wie der Durchschnitt der Betriebe (siehe Abbildung 2). Jeweils 4 Prozent der Betriebe dieses Sektors haben in dieser Zeit zusätzliche freie Tage (alle Betriebe: ebenfalls 4 %) sowie finanzielle oder organisatorische Unterstützung bei der Kinderbetreuung (alle Betriebe: 3 %) oder der Pflege Angehöriger (alle Betriebe: 2 %) eingeführt. Lediglich bei den in der Pandemie neu geschaffenen besonderen Möglichkeiten der Arbeitszeitgestaltung (nicht aber beim aktuellen Niveau) liegt diese Branche mit 5 Prozent deutlich unter dem Gesamtdurchschnitt von 9 Prozent. In dieser Branche dürften die dafür erforderlichen Spielräume aber geringer ausfallen, da viele Tätigkeiten auch einen organisatorischen Rahmen benötigen, der nicht beliebig flexibilisiert werden kann.
Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass viele Betriebe aus dem Verarbeitenden Gewerbe (12 %) sowie aus dem Bereich „Sonstige Dienstleistungen, Information und Kommunikation“ (11 %) während der Pandemie besondere Möglichkeiten der Arbeitszeitgestaltung eingeführt haben, während dies beispielsweise im Gastgewerbe kaum der Fall war (2 %). Aufgrund der relativ geringen Fallzahlen sind die hier berichteten Unterschiede allerdings mit Vorsicht zu interpretieren.
Fazit
Aufgrund von Kontaktbeschränkungen, Abstands- und Hygieneregelungen in der Covid-19-Pandemie und den damit verbundenen Schul- und Kitaschließungen waren Beschäftigte mit Kindern stark belastet. Dies gilt insbesondere für Frauen, die häufiger als Männer Betreuungspflichten übernehmen. Viele Betriebe haben ihren Beschäftigten bereits vor der Pandemie besondere Möglichkeiten der Arbeitszeitgestaltung angeboten, damit diese Familie und Beruf besser vereinbaren können. Darüber hinausgehende Unterstützungsmaßnahmen bei der Kinderbetreuung oder der Pflege von Angehörigen werden demgegenüber deutlich seltener angeboten. Schließlich bieten circa 15 Prozent aller Betriebe Unterstützung beim Home-Schooling an.
Bellmann, Lutz; Gleiser, Patrick; Hensgen, Sophie; Kagerl, Christian ; Kleifgen, Eva; Kohaut, Susanne; Leber, Ute; Möller, Iris; Moritz, Michael; Roth, Duncan; Stegmaier, Jens; Umkehrer, Matthias (2021): Die Mehrzahl der Betriebe hat schon vor der Corona-Krise Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeboten, In: IAB-Forum 26. November 2021, https://www.iab-forum.de/die-mehrzahl-der-betriebe-hat-schon-vor-der-corona-krise-massnahmen-zur-besseren-vereinbarkeit-von-familie-und-beruf-angeboten/, Abrufdatum: 22. December 2024
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Autoren:
- Lutz Bellmann
- Patrick Gleiser
- Sophie Hensgen
- Christian Kagerl
- Eva Kleifgen
- Susanne Kohaut
- Ute Leber
- Iris Möller
- Michael Moritz
- Duncan Roth
- Jens Stegmaier
- Matthias Umkehrer