Trotz eines robusten Arbeitsmarktes und substanzieller Arbeitskräfteengpässe hat die Zahl der nicht besetzten Ausbildungsplätze ein bisher ungekanntes Ausmaß erreicht. Gleichzeitig gibt es eine nennenswerte Zahl Jugendlicher, die trotz vorhandenen Ausbildungsinteresses keine Ausbildung starten. Doch wie groß sind Probleme am Ausbildungsmarkt genau? Und haben sich die Ausbildungschancen von Jugendlichen, die maximal einen Hauptschulabschluss vorweisen können, trotz Bewerbermangels tatsächlich verschlechtert? Die Antworten auf diese Fragen hängen auch davon ab, welche Datenbasis man zugrunde legt.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) und das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) veröffentlichen regelmäßig Daten zum Geschehen am Ausbildungsmarkt. Die Datensätze beider Einrichtungen gehen in den jährlichen Berufsbildungsbericht des Bundesministerium für Bildung und Forschung ein, weisen jedoch einige Lücken und Unterschiede auf. Dies erschwert quantitative Aussagen zum Ausbildungsmarkt. Im Folgenden erläutern wir, welche Rückschlüsse aus den Daten gezogen werden können.

Längerfristige Entwicklung: Vom Arbeitgebermarkt zum Bewerbermarkt

Im September 2022 gab es nach Angaben des BIBB 475.143 neu abgeschlossene Ausbildungsverträge. Abbildung 1 zeigt die längerfristige Entwicklung, wie sie von den zuständigen Kammern übermittelt wird. Demnach ist die Zahl der Ausbildungsverträge seit 2007 deutlich zurückgegangen – besonders stark in der Finanzkrise 2008/2009 und in der Corona-Krise 2020.

Während bis 2007 die Nachfrage das Angebot übertraf (Arbeitgebermarkt), sank seither die Nachfrage langfristig stärker als das Angebot. Seit Beginn der 2010er Jahren übersteigt das Stellenangebot immer mehr die Bewerberzahl. Im Jahr 2022 lag das Stellenangebot diesen Angaben zufolge fast 10 Prozent über der Nachfrage. Die Zahl der nicht besetzten Stellen nimmt folglich immer mehr zu.

Die Abbildung zeigt die Entwicklung der Ausbildungsverträge sowie das Angebot und die Nachfrage an Ausbildungsplätzen zwischen 2005 und 2022. Seit 2007 ist die Zahl der Ausbildungsverträge deutlich zurückgegangen, insbesondere während der Finanzkrise 2008/2009 und der Corona-Krise 2020. Seit 2010 übersteigt das Stellenangebot immer mehr die Bewerberzahl. Im Jahr 2022 lag das Angebot mit fast 550.000 Ausbildungsplätzen fast 10 Prozent über der Nachfrage. Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung (2012, 2022): Berufsbildungsbericht 2012; Berufsbildungsbericht 2022; BIBB (2022): BIBB-Erhebung „Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zum 30.09“.

Auch die BA veröffentlicht Zahlen zum Ausbildungsmarkt. Diese enthalten allerdings nur die ihr gemeldeten Bewerbenden und Ausbildungsstellen. Gemäß dieser Zahlen ist der durch Corona bedingte Rückgang an Ausbildungsstellen inzwischen überwunden, während sich der Rückgang der Bewerberzahlen fortsetzt.

Die Zahl der von der BA registrierten Bewerbenden, die eine Ausbildung aufnehmen, betrug im September 2022 etwa 200.000. Sie umfasste somit nur knapp die Hälfte der durch das BIBB erfassten Ausbildungsverträge, die auf den Angaben der Kammern basieren.

Die Passungsprobleme haben zugenommen

Die Zahlen des BIBB machen deutlich, dass die Passungsprobleme zwischen Angebot und Nachfrage stark zugenommen haben: Sowohl Angebot als auch Nachfrage liegen deutlich über der Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge. Seit 2013 hat sich die Lücke fast stetig vergrößert – vor allem gegenüber dem Stellenangebot. Gemäß Abbildung 1 bleiben demnach mittlerweile fast 70.000 Ausbildungsplätze pro Jahr unbesetzt. Dies legt nahe, dass neben dem generellen Bewerbermangel das Profil der angebotenen Stellen und die Bewerberinteressen immer schlechter zueinander passen.

Allerdings basieren die BIBB-Zahlen nicht auf Gesamterhebungen von Angebot und Nachfrage. Vielmehr wird die vom BIBB erfasste Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge um Meldungen aus der BA-Statistik ergänzt. Basierend darauf wird das Angebot und die Nachfrage folgendermaßen berechnet:

  1. Zur Berechnung des Gesamtangebots addiert das BIBB die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge und die Zahl der bei der BA gemeldeten Ausbildungsstellen, die zum Ende des Beratungsjahrs unbesetzt geblieben sind („BIBB-Angebot“).
  2. Zur Berechnung der Gesamtnachfrage addiert das BIBB die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge und die zum 30. September bei der BA als unversorgt gemeldeten Bewerbenden, die laut BA keine Alternative, wie einen Studienplatz oder eine reguläre Beschäftigung, gefunden haben. Diese Zahl wird vom BIBB auch als „traditionelle Nachfrage“ bezeichnet.
  3. Davon zu unterscheiden ist die ebenfalls vom BIBB ausgewiesene „erweiterte Nachfrage“. Im Gegensatz zur traditionellen Nachfrage werden dort auch jene Bewerbenden berücksichtigt, die laut BA zum 30. September zwar ebenfalls noch unversorgt waren, aber Alternativen jenseits der beruflichen Ausbildung angegeben haben.

Im Folgenden wird gezeigt, dass es ein ungedecktes Angebot beziehungsweise eine ungedeckte Nachfrage in einer beachtlichen Größenordnung geben dürfte, die nicht bei der BA registriert sind und die nicht im „BIBB-Angebot“ (Punkt 1) beziehungsweise in der „(erweiterten) BIBB-Nachfrage“ (Punkt 2 oder 3) erfasst sind.

Das IAB-Betriebspanel weist traditionell einen sehr viel höheren Anteil an unbesetzten Ausbildungsstellen aus als BA und BIBB

Unabhängig von der verwendeten Datenbasis zeigt sich, dass sich das Problem der nicht besetzten Ausbildungsstellen über die Zeit hinweg verschärft hat. Legt man für die Entwicklung der unbesetzten Stellen das BIBB-Angebot zu Grunde (siehe Abbildung 1), so konnten im Jahr 2021 11,8 Prozent der angebotenen Ausbildungsstellen nicht besetzt werden. Laut IAB-Kurzbericht 3/2023, der sich auf Daten des IAB-Betriebspanels stützt, waren es sogar 27 Prozent (siehe Abbildung 2). Der Anteil dürfte deswegen so viel höher ausfallen, weil beim IAB-Betriebspanel auch die unbesetzten Stellen berücksichtigt werden, die nicht bei der BA gemeldet wurden. Im Jahr 2010 betrug die Nichtbesetzungsquote auf Basis der BIBB-Daten 3,4 Prozent und auf Basis des IAB-Betriebspanels 15 Prozent.

Auch auf der Bewerberseite ist die Datenlage unklar

Zur Bewerberseite liegen ebenfalls zum Teil sehr unterschiedliche Zahlen vor. Laut BIBB haben 2021 4,9 Prozent der Bewerbenden keine Ausbildungsstelle angetreten und laut BA auch keine Alternativen jenseits der beruflichen Ausbildung angegeben („traditionelle Nachfrage“). Rechnet man die „unversorgten“ Jugendlichen hinzu, die eine Alternative angegeben haben („erweiterte Nachfrage“), so steigt die Quote auf 12,5 Prozent. Im Jahr 2010 betrugen die entsprechenden Quoten 2,1 beziehungsweise 13,1 Prozent.

Diese Werte fallen deutlich höher aus, wenn man stattdessen die sogenannte Zahl der institutionell erfassten ausbildungsinteressierten Jugendlichen des BIBB zugrundelegt. Diese umfasst alle Personen, die im Jahresverlauf entweder einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen haben oder zumindest zeitweise bei der BA als Bewerbende gemeldet waren. Hierzu wird zu den Ausbildungsverträgen des BIBB die Gesamtzahl der Bewerbenden bei der BA addiert und die Zahl der von der BA erfassten Einmündungen in Ausbildung abgezogen, um Doppelzählungen zu vermeiden. Diese Berechnung unterstellt, dass die BA alle neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge der von ihr erfassten Bewerbenden als Einmündungen erfasst.

Legt man die Zahl aller institutionell erfassten Ausbildungsinteressierten zu Grunde, so belief sich der Anteil der ausbildungsinteressierten Jugendlichen, die keine Ausbildung aufgenommen haben, im Jahr 2010 auf 33,9 Prozent und im Jahr 2021 auf 33,1 Prozent (siehe Abbildung 2).

Die hier genannten Zahlen verdeutlichen die große Schwierigkeit, den tatsächlichen Umfang des Angebots an und der Nachfrage nach Ausbildungsplätzen quantitativ zu bestimmen. Ein Teil der institutionell erfassten Ausbildungsinteressierten könnte eine Ausbildung aufnehmen, ohne dass dies durch die BA erfasst wird. Darüber hinaus fehlen Daten zu Bewerbenden, die bei der BA nicht registriert sind und keinen Ausbildungsvertrag abschließen.

Die Abbildung zeigt den Anteil der unbesetzten Ausbildungsstellen und der „unversorgten“ Ausbildungsinteressierten zwischen 2010 und 2021. Der Anteil der ausbildungsinteressierten Jugendlichen, die aber keine Ausbildung aufgenommen haben, blieb mit Werten knapp über 30 Prozent relativ stabil. Im Gegensatz dazu stieg der Anteil an unbesetzten Ausbildungsstellen von 15 auf etwa 28 Prozent. Quelle: Nichtbesetzungsquote Leber et al. (2023) und Nichteinmündungsquote nach BIBB.

Die rückläufige Zahl ausbildungsinteressierter Jugendlicher legt zwar die Vermutung nahe, dass der zunehmende Wettbewerb um immer weniger Bewerbende deren Chancen auf einen Ausbildungsplatz erhöht. Der Vergleich zwischen 2010 und 2021 zeigt jedoch, dass dies nicht der Fall ist. Denn der Anteil der Jugendlichen, die eine betriebliche Ausbildung aufnehmen, steigt nicht, obwohl immer mehr Ausbildungsstellen nicht besetzt werden können.

Dies dürfte an zunehmenden Passungsproblemen zwischen Stellenangebot und Ausbildungsinteressierten liegen. Möglicherweise bleibt einem Teil der Jugendlichen der Zugang in eine Ausbildung verwehrt, weil ihre schulischen Qualifikationen oder sozialen Grundkompetenzen den Anforderungen der Betriebe nicht genügen. Um genaueren Aufschluss über diese Problematik zu erhalten, werden im Folgenden die Anteile der Jugendlichen, die eine Ausbildung aufnehmen, jeweils differenziert nach deren Schulabschlüssen dargestellt.

Im Jahr 2020 haben fast ein Drittel weniger Jugendliche die Hauptschule verlassen als zehn Jahre zuvor

Die Nachfrage am Ausbildungsmarkt wird von der Entwicklung der Jahrgangstärken der Schulabsolvierenden sowie deren Verteilung auf die verschiedenen Schulabschlüsse beeinflusst. Laut Berufsbildungsbericht 2022 sind die Jahrgangsstärken der Jugendlichen, die die Schule verlassen, zwischen 2010 und 2020 im Schnitt um 13 Prozent zurückgegangen.

Bei den Hauptschulen betrug dieser Rückgang sogar 31 Prozent: Lag die Zahl der Hauptschulabsolvierenden im Jahr 2010 noch bei 179.800, so sank diese bis 2020 auf 123.700. Der Anteil der Jugendlichen mit Hauptschulabschluss an allen Schulabsolvierenden nahm damit im gleichen Zeitraum von 20,8 auf 16,5 Prozent ab (siehe Abbildung 3). Einschränkend ist hier darauf hinzuweisen, dass auch Schulabschlüsse von Personen gezählt werden, die im Schulsystem verbleiben, um gegebenenfalls einen höheren schulischen Abschluss zu erreichen.

Die Abbildung zeigt die Anteile der Schulabschlüsse an den Schulabsolvierenden und bei neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen sowie den Anteil derjenigen, die eine betriebliche Ausbildung aufnehmen in den Jahren 2010 und 2020. Der Anteil der Jugendlichen mit Hauptschulabschluss an allen Schulabsolvierenden nahm von 20,8 auf 16,5 Prozent ab. Bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen ging dieser Anteil um fast zehn Prozent zurück. Dagegen ist der Anteil der Jugendlichen mit Studienberechtigung an den neuen Ausbildungsverträgen von knapp 21 auf über 23 Prozent gestiegen. Der Anteil der Jugendlichen mit mittlerem Abschluss hat um knapp 4 Prozent zugenommen. Quelle: BIBB-Berufsbildungsbericht 2022; Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2012; Statistisches Bundesamt, Allgemeinbildende Schulen Schuljahr 2020/2021, Wiesbaden; eigene Berechnungen.

Angesichts dieser Entwicklung ist es wenig überraschend, dass auch der Anteil der Jugendlichen mit Hauptschulabschluss an allen neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen zurückgeht. Allerdings fällt dieser Rückgang von 32,9 Prozent im Jahr 2010 auf 23,3 Prozent im Jahr 2020 etwas stärker aus, als es der Rückgang der Hauptschulabschlüsse erwarten ließe.

Sinken die Ausbildungschancen von Jugendlichen mit Hauptschulabschluss, weil ihnen immer mehr Studienberechtigte Konkurrenz machen?

Laut einer aktuellen Studie für die Bertelsmann Stiftung machen immer mehr Studienberechtigte eine Berufsausbildung und schmälern so die Ausbildungschancen für Jugendliche mit Hauptschulabschluss. Empirisch lässt sich diese These jedoch nur bedingt halten. Problematisch ist zunächst, dass diese Studie nicht zwischen betrieblicher und schulischer Berufsausbildung unterscheidet. Denn der Anteil der Jugendlichen mit Hauptschulabschluss ist in der schulischen Ausbildung mit 18 Prozent geringer als in der betrieblichen Ausbildung mit 23,3 Prozent (vgl. Abbildung 3).

Es ist es daher sinnvoll, die betriebliche Ausbildung separat zu betrachten. Dabei ist zunächst Folgendes festzuhalten: Der Anteil der Jugendlichen mit Studienberechtigung an den neuen Ausbildungsverträgen ist zwischen 2010 und 2020 von 20,9 auf 23,4 Prozent gestiegen – etwas stärker als deren Anteil an allen Schulabsolvierenden (siehe Abbildung 3). Bei Jugendlichen mit mittlerem Abschluss hat dieser Anteil noch deutlicher zugenommen, nämlich von 42,9 auf 46,7 Prozent. Dies entspricht in etwa deren anteiligem Zuwachs an allen Schulabsolvierenden.

Dass der Anteil der Auszubildenden mit Hauptschulabschluss sinkt, dürfte also zu einem großen Teil schlicht daran liegen, dass auch der Anteil der Schulabsolvierenden mit Hauptschulabschluss sinkt. Im Gegenzug steigen die Anteile der drei anderen Gruppen sowohl an den Schulabsolvierenden als auch an denjenigen, die eine betriebliche Ausbildung aufnehmen.

Ob und inwieweit sich die Chancen auf eine betriebliche Ausbildung für Jugendliche mit Hauptschulabschluss verschlechtert und für solche mit Studienberechtigung verbessert haben, lässt sich hieraus jedoch nicht ableiten. Hierzu kann an dieser Stelle nur eine grobe Überschlagsrechnung erfolgen, die in Abbildung 3 ausgewiesenen Übergangsquoten sind allenfalls Näherungswerte. Um diese zu ermitteln, wurden folgende Berechnungen durchgeführt:

  • Die Zahl der neuen Ausbildungsverträge nach Schultyp wird ins Verhältnis zur Zahl der Jugendlichen gesetzt, die von der Schule abgehen.
  • Um die Zahl der Schulabsolvierenden zu berechnen, wird der Durchschnitt der Abgangsklassen gebildet, die zeitlich ein bis drei Jahre vor Beginn der Ausbildung liegen. Den ausbildungsinteressierten Schulabsolvierenden steht es prinzipiell offen, nach wie vielen Jahren sie eine Ausbildung aufnehmen. Hierzu liegen in Deutschland keine Verlaufsdaten vor (siehe hierzu Berufsbildungsbericht 2022).

Das Durchschnittsalter zu Beginn der Ausbildung ist in den letzten Jahren gestiegen

Laut Berufsbildungsbericht 2022 ist das Durchschnittsalter zu Beginn der betrieblichen Ausbildung von 19,2 Jahren im Jahr 2008 auf 19,9 Jahre im Jahr 2022 gestiegen. Dieser Anstieg dürfte nicht zuletzt daher rühren, dass der Anteil der Auszubildenden mit Hochschulzugangsberechtigung wächst. Gleichzeitig legen die Zahlen nahe, dass ein Großteil der Übergänge in den ersten drei Jahren nach Abschluss der Schule stattfindet.

Die in Abbildung 3 berechnete Übergangsquote von Jugendlichen mit Hauptschulabschluss ist von 95 Prozent im Jahr 2010 auf 84 Prozent im Jahr 2020 zurückgegangen. Der Rückgang als solcher deckt sich zwar mit den Befunden der Bertelsmann-Studie, fällt allerdings sehr viel geringer aus als dort ausgewiesen. Es ist zu vermuten, dass  die inzwischen deutlich kleinere Gruppe der Hauptschulabsolvierenden eine im Schnitt ungünstigere Struktur im Hinblick auf ihre Ausbildungschancen aufweist. Dies müsste jedoch genauer analysiert werden, was an dieser Stelle allerdings nicht geleistet werden kann.

Weiterhin ergibt sich ein schwacher Rückgang der Übergangsquoten für Jugendliche mit mittlerem Abschluss und mit Studienberechtigung. Letzteres steht tendenziell im Widerspruch zur Annahme der Bertelsmann-Studie, dass sich immer mehr Jugendliche mit Abitur für eine Ausbildung entscheiden. Angesichts der Tatsache, dass die hier erfassten Schulabsolvierenden, die keine Studienberechtigung haben, einen weiteren höheren Schulabschluss erwerben können, lässt sich jedoch nicht abschließend beurteilen, wie stark sich die Übergangsquoten für Jugendliche mit unterschiedlichen Schulabschlüssen tatsächlich verändert haben.

Fazit: Die Datenlage zum Ausbildungsmarkt weist Lücken auf

Der Ausbildungsmarkt befindet sich in der Krise, denn die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge geht seit Ende der 2000er Jahre deutlich zurück. Die Daten der BA und des BIBB legen nahe, dass sich der Ausbildungsmarkt immer stärker von einem Arbeitgebermarkt zu einem Bewerbermarkt verschiebt.

Allerdings sind sowohl Angebot als auch Nachfrage in beiden Datenbeständen untererfasst. So legen die Daten des IAB-Betriebspanels ein sehr viel höheres Stellenangebot nahe – und damit eine inzwischen sehr hohe Quote an Ausbildungsstellen, die unbesetzt bleiben. Demnach wäre von einem ausgeprägten Bewerbermangel auszugehen. Andererseits ist die Zahl der potenziell Ausbildungsinteressierten sehr viel höher als die Ausbildungsplatznachfrage, wie sie von der BA oder dem BIBB berichtet werden. Mithin verbleibt trotz hoher Nichtbesetzungsquote vermutlich eine nennenswerte Zahl von Jugendlichen, die ihren Ausbildungswunsch nicht umsetzen können.

Es fehlen also präzise Daten zu Angebot und Nachfrage am Ausbildungsmarkt. Ebendiese wären aber nötig, um empirisch belastbarere Empfehlungen geben zu können, wie sich die Berufsorientierung verbessern und die geplante Ausbildungsgarantie effektiv umsetzen ließe (Überlegungen zur Ausbildungsgarantie haben Bernd Fitzenberger und Hans Dietrich in einem 2022 im IAB-Forum erschienenen Beitrag vorgelegt).

Sinnvoll wären repräsentative Erhebungen zu den Ausbildungsinteressierten und zum Angebot von Ausbildungsstellen. Sie sollten ergänzt werden um detaillierte Verlaufsanalysen zum Übergang von Schule in Ausbildung auf Basis von repräsentativen Längsschnittdaten.

In aller Kürze
  • Sowohl die BA als auch das BIBB veröffentlichen regelmäßig Daten zum Ausbildungsgeschehen. Beide Datenquellen bilden allerdings nicht den gesamten Ausbildungsmarkt ab, sowohl das Stellenangebot als auch die Zahl der potenziell Ausbildungsplatzinteressierten sind dort untererfasst.
  • Unabhängig von der verwendeten Datenbasis wird im Zeitverlauf aber deutlich: Das Stellenangebot übersteigt zunehmend die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen. Die Zahl der nicht besetzten Stellen steigt.
  • Die Entwicklungen deuten auf zunehmende Passungsprobleme hin. Diese könnten auch erklären, weshalb die Chancen auf eine betriebliche Ausbildung für Jugendliche mit Hauptschulabschluss nicht steigen, obwohl immer mehr Ausbildungsstellen nicht besetzt werden können.
  • Die Nachfrage nach und die Übergänge in eine Ausbildung werden stark von den jeweiligen Jahrgangstärken und dem relativen Gewicht der verschiedenen Bildungsabschlüsse innerhalb eines Jahrgangs beeinflusst. Demografiebedingt nahm die Jahrgangsstärke in den letzten Jahren ab.
  • Der Rückgang des Anteils an Jugendlichen mit Hauptschulabschluss an allen neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen dürfte vor allem damit zusammenhängen, dass deren Zahl besonders stark geschrumpft ist.
  • Für eine angemessene Beurteilung der Probleme am Ausbildungsmarkt und die Ableitung tragfähiger arbeitsmarktpolitischer Empfehlungen müssen die bestehenden Datenlücken geschlossen werden.

Literatur

Bertelsmann Stiftung (2023): Immer mehr Abiturient:innen machen eine Ausbildung.

Bundesministerium für Bildung und Forschung (2012): Berufsbildungsbericht 2012. Bundesinstitut für Berufsbildung.

Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Berufsbildungsbericht 2022. Bundesinstitut für Berufsbildung.

Dietrich, Hans; Fitzenberger, Bernd (2022): Duale Ausbildung unter Druck: Was kann eine Ausbildungsgarantie leisten?

Fitzenberger, Bernd; Heusler, Anna; Houstecká, Anna; Wicht, Leonie (2022): Stellenangebot, Bewerbungen und neue Ausbildungsverträge: Passungsprobleme am Ausbildungsmarkt nehmen in der Corona-Krise weiter zu. IAB-Kurzbericht Nr. 19.

Leber, Ute: Roth, Duncan; Schwengler, Barbara (2023): Die betriebliche Ausbildung vor und während der Corona-Krise: Besetzungsprobleme nehmen zu, Anteil der Betriebe mit Ausbildungsberechtigung sinkt. IAB-Kurzbericht Nr. 3.

Beitragsbild: Atelier211/stock.adobe.com

doi: 10.48720/IAB.FOO.20230621.01

Fitzenberger, Bernd; Heusler, Anna; Wicht, Leonie (2023): Die Vermessung der Probleme am Ausbildungsmarkt: Ein differenzierter Blick auf die Datenlage tut not, In: IAB-Forum 21. Juni 2023, https://www.iab-forum.de/die-vermessung-der-probleme-am-ausbildungsmarkt-ein-differenzierter-blick-auf-die-datenlage-tut-not/, Abrufdatum: 17. September 2024