Während die meisten Bundesländer ihre Ladenöffnungszeiten liberalisiert haben, hält Bayern bislang an seinen restriktiveren Regelungen fest. Aus diesem Grund hat sich die Zahl der Beschäftigten im Lebensmitteleinzelhandel dort weniger positiv entwickelt als in vergleichbaren Bundesländern.

Mit der Föderalismusreform von 2006 wurden die Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern neu geregelt. Seither dürfen die Bundesländer eigenständig über die jeweiligen gesetzlichen Ladenöffnungszeiten entscheiden.

Während die Geschäfte in Bayern und im Saarland weiterhin nicht vor 6 Uhr und nicht nach 20 Uhr öffnen dürfen, gelten in allen anderen Bundesländern liberalere Regelungen. Sie ermöglichen dem dortigen Einzelhandel zumindest von Montag bis Freitag längere Öffnungszeiten. So sind in vielen Bundesländern die werktäglichen Öffnungszeiten sogar gänzlich freigegeben.

Es erstaunt daher nicht, dass die Debatte über längere gesetzliche Ladenöffnungszeiten in Bayern immer wieder aufflammt. Eine politische Mehrheit für längere Öffnungszeiten zeichnet sich in Bayern dennoch nicht ab. So stimmte im Dezember 2019 die Mehrheit des bayerischen Landtages gegen längere Öffnungszeiten.

Die Befürworter von liberaleren Ladenschlussgesetzen erhoffen sich davon unter anderem positive Beschäftigungseffekte. Ob diese Hoffnungen berechtigt sind, haben Mario Bossler und Michael Oberfichtner in einer 2017 erschienenen Studie empirisch untersucht. Denn die theoretischen Überlegungen zu den möglichen Beschäftigungseffekten lassen a priori keine eindeutigen Schlussfolgerungen zu.

Positiv könnte sich einerseits auswirken, dass es einer Mindestanzahl an Beschäftigten bedarf, um ein Geschäft offen zu halten. Längere Öffnungszeiten könnten zudem die Umsätze im Einzelhandel steigern und so zu einer erhöhten Nachfrage nach Arbeitskräften führen.

Andererseits könnten längere Öffnungszeiten dazu führen, dass zu den Stoßzeiten weniger Kunden bedient werden müssen und daher weniger Personal erforderlich ist, um diese Zeiten abzudecken. In diesem Fall würden insgesamt vielleicht sogar weniger Beschäftigte benötigt.

Liberalisierung in den USA und Kanada zeigt positive Beschäftigungseffekte

Mehrere Studien aus den USA und Kanada sind der Frage nachgegangen, wie sich eine Lockerung der Öffnungszeiten am Sonntag auf die dortige Beschäftigung im Einzelhandel ausgewirkt hat. In Kanada führte dies laut einer Studie von Mikal Skuterud aus dem Jahr 2005 zu einem Beschäftigungsanstieg im Einzelhandel zwischen fünf und zwölf Prozent. Für die USA bezifferten eine Studie von Marten Goos aus dem Jahr 2004 und eine Studie von Michael Burda und Philippe Weil aus dem Jahr 2005 den Anstieg auf vier bis sechs Prozent. Allerdings sind diese Ergebnisse kaum auf die Situation in Deutschland übertragbar, da es hierzulande vor allem um längere Öffnungszeiten an Werktagen geht.

Um die Beschäftigungseffekte für Deutschland zu messen, haben Bossler und Oberfichtner mit den administrativen Beschäftigungsdaten des IAB die Beschäftigungs­entwicklung in Bayern mit der Entwicklung in Bundesländern verglichen, in denen ohne die Reform eine ähnliche Beschäftigungsentwicklung wie in Bayern zu erwarten gewesen wäre. Das Augenmerk der Studie lag dabei auf dem Lebensmitteleinzelhandel, da dieser die großzügigeren Regelungen auch tatsächlich nutzt und außerdem weniger stark vom Internethandel betroffen ist als andere Handelszweige.

In der Studie wurde die Beschäftigungsentwicklung in Bayern mit der in Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz verglichen, weil sich die Zahl der Beschäftigten im Lebensmitteleinzelhandel in diesen Bundesländern bis zur Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten sehr ähnlich entwickelt hat wie in Bayern (siehe Abbildung). Demnach ist die Annahme plausibel, dass die Entwicklung der Beschäftigung dort ohne eine Deregulierung weiterhin ähnlich wie in Bayern verlaufen wäre. Mit der Deregulierung stieg die Beschäftigung in diesen Bundesländern jedoch stärker als im bayerischen Einzelhandel. Die Deregulierung hat demnach zu einer Zunahme der Beschäftigung geführt – und zwar über das Ausmaß hinaus, welches sich aus der allgemeinen positiven Beschäftigungsentwicklung im deutschen Lebensmitteleinzelhandel für diesen Zeitraum ohnehin ergeben hat.

Abbildung: Änderung der Anzahl der Beschäftigten pro Geschäft im Lebensmitteleinzelhandel, 2003 bis 2008

Aufschlussreich ist insbesondere ein Vergleich der Jahre 2005 (vor der Deregulierung) und 2007 (nach der Deregulierung). Im Jahr 2005 waren im Lebensmitteleinzelhandel in einem bayerischen Geschäft durchschnittlich 10,19 Beschäftigte tätig und damit 0,53 weniger als in den anderen untersuchten Bundesländern (siehe Tabelle). Binnen zwei Jahren wuchs diese Differenz auf 0,94 Beschäftigte pro Geschäft.

Tabelle: Durchschnittliche Zahl der Beschäftigten pro Geschäft im Lebensmitteleinzelhandel, 2005 und 2007

Die Lockerung der Öffnungszeiten hatte demnach in den anderen Bundesländern einen Anstieg der Beschäftigung im Lebensmitteleinzelhandel um 0,41 Beschäftigte pro Geschäft zur Folge. Das entspricht einem Beschäftigungseffekt von etwa 4 Prozent. Im Mittel bewirkte die Deregulierung pro Geschäft ein Plus von 0,33 Teilzeitbeschäftigten (inklusive Minijobs) und 0,08 bei den Vollzeitbeschäftigen.

Analog zu den Ergebnissen der IAB-Studie kommt auch eine 2015 erschienene Studie von Annemarie Paul, die auf Befragungsdaten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) basiert, zu dem Ergebnis, dass sich die individuelle Beschäftigungswahrscheinlichkeit im Einzelhandel dank deregulierter Ladenöffnungszeiten erhöht hat.

Deregulierung hat nur in großen Geschäften zu Beschäftigungszuwachs geführt

Weiterhin wurde nach der Größe bereits bestehender Geschäfte differenziert. Demnach hat die Deregulierung nur die Beschäftigung in großen Geschäften erhöht. Für eine positive Beschäftigungsentwicklung in den kleineren Geschäften finden sich hingegen keine Belege. Die Ergebnisse weisen vielmehr darauf hin, dass die Beschäftigung durch die Deregulierung dort sogar leicht zurückgegangen sein könnte. Dies mag erklären, dass sich insbesondere viele Inhaber kleiner Einzelhandelsgeschäfte gegen eine Liberalisierung der Ladenschlusszeiten ausgesprochen haben.

Zudem wurden die Auswirkungen der Deregulierung auf die Bruttomonatslöhne der Beschäftigten geschätzt. Der Effekt auf die Monatslöhne ist tendenziell positiv, aber nicht statistisch signifikant und sollte deshalb mit Vorsicht interpretiert werden. Es findet sich jedenfalls keine Evidenz dafür, dass die Monatslöhne der Beschäftigten durch die Deregulierung unter Druck geraten wären oder dass sich eine Veränderung im Arbeitsvolumen deregulierter Geschäfte ergäbe, die über die Zahl der Beschäftigten hinausginge. Andere denkbare Auswirkungen für die Beschäftigten wie eine höhere Arbeitsbelastung oder eine veränderte Work-Life-Balance wurden in der Studie nicht untersucht.

Fazit

Die Ergebnisse der Untersuchung sprechen dafür, dass sich die Deregulierung des Ladenschlussgesetzes tendenziell positiv auf den Arbeitsmarkt im Lebensmitteleinzelhandel ausgewirkt hat. Insofern dürften auch Bayern und das Saarland, die bislang auf eine weitergehende Liberalisierung verzichtet haben, von einer solchen profitieren.

Wenn die bayerischen Geschäfte in ähnlicher Weise wie in den Vergleichsbundesländern auf die Liberalisierung reagierten, würde dies einen Zuwachs um rund 3.700 Beschäftigte im bayerischen Lebensmitteleinzelhandel implizieren – der Löwenanteil davon allerdings in Teilzeit.

Hinzugefügt sei jedoch, dass diese Analyse keinerlei Rückschlüsse auf die aktuelle Situation in der Corona-Krise zulässt. So lassen sich etwa mögliche Beschäftigungswirkungen, die sich aus den vorübergehend erweiterten gesetzlichen Ladenöffnungszeiten für bayerische Supermärkte ergeben, im Rahmen dieser Analyse nicht seriös beziffern. Denn ganz offensichtlich sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Zeiten von Corona gänzlich andere als bislang.

Literatur

Bossler, Mario; Oberfichtner, Michael (2017): The employment effect of deregulating shopping hours: Evidence from German food retailing. In: Economic Inquiry, 55(2), S. 757–777.

Burda, Michael; Weil, Philippe (2005): Blue Laws. Working Paper.

Goos, Maarten (2004): Sinking the Blues: Impact of Shop Closing Hours on Labor and Product Markets. CEP Discussion Paper 0664.

Paul, Annemarie (2015): After work shopping? Employment effects of a deregulation of shop opening hours in the German retail sector. In: European Economic Review, 80, S. 329–353.

Skuterud, Mikal (2005): The Impact on Sunday Shopping on Employment and Hours of Work in the Retail Industry: Evidence from Canada. In: European Economic Review, 49, S. 1953–1978.

Bossler, Mario; Oberfichtner, Michael; Pyka, Vinzenz (2020): Eine Deregulierung der Ladenöffnungszeiten hätte auch in Bayern zu mehr Beschäftigung im Lebensmitteleinzelhandel geführt, In: IAB-Forum 22. Mai 2020, https://www.iab-forum.de/eine-deregulierung-der-ladenoeffnungszeiten-haette-auch-in-bayern-zu-mehr-beschaeftigung-im-lebensmitteleinzelhandel-gefuehrt/, Abrufdatum: 25. December 2024

 

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