Das Bruttoinlandsprodukt stieg im ersten Quartal 2022 preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Der Angriff der Russischen Föderation auf die Ukraine verschärft Lieferengpässe und Preissteigerungen und belastet die wirtschaftliche Entwicklung. Die Erwartungen der Unternehmen für die nächsten Monate haben sich aber nach einem Einbruch im Vormonat zumindest stabilisiert. Auch wenn höhere Preise die Kaufkraft dämpfen, machen sich im Handel und dem Gastgewerbe die Lockerungen der coronabedingten Einschränkungen positiv bemerkbar. Die Erholung am Arbeitsmarkt setzt sich fort. Risiken stellen eine noch umfassendere Eskalation des Krieges und ein möglicher Stopp russischer Energielieferungen dar.

Weltwirtschaft

Das weltwirtschaftliche Umfeld hat sich durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine deutlich verschlechtert. Der Handel Russlands mit dem Westen ist eingebrochen. Sanktionen und Lieferengpässe haben die Preissteigerungen insbesondere beim Gas, aber auch bei anderen Rohstoffen noch verstärkt. Das aktuelle Infektionsgeschehen in China verschärft die Lieferengpässe weiter. So stauen sich in Shanghai wieder vermehrt Containerschiffe. Die Einschätzung der aktuellen Situation im Euroraum, in den USA und in China hat sich im April erneut verschlechtert. Die Erwartungen für die nächsten sechs Monate verharren nach dem kräftigen Einbruch im Vormonat auf niedrigem Niveau.

Außenhandel

Das Volumen des deutschen Außenhandels war noch zu Jahresbeginn größer als vor der Corona-Krise, trotz bestehender Lieferschwierigkeiten. Mit Beginn des Krieges Ende Februar ist der Außenhandel zurückgegangen, auch wenn auf Russland nur ein kleiner Teil der Exporte aus Deutschland entfällt. Die fehlende Nachfrage aus Russland kann zumindest in Betrieben mit vollen Auftragsbüchern zum Teil durch Absatzmärkte anderswo ersetzt werden. Die Abkühlung der Weltwirtschaft verstärkt jedoch den direkten Effekt auf die Exporte. So sind im März die Exporte in Nicht-EU-Staaten um 7,2 Prozent gegenüber dem Vormonat zurückgegangen. Die Exporterwartungen des Verarbeitenden Gewerbes haben sich aber im April nach dem Einbruch im März etwas erholt.

Investitionen

Das Wachstum der Investitionen wurde im vergangenen Jahr insbesondere durch Lieferengpässe gebremst. Nachdem sich die Auftragseingänge und die Umsätze bei den Investitionsgütern in den Vormonaten erholt hatten, gingen sie im Februar wieder zurück. Erneute Materialengpässe, Verteuerungen von Energie und Rohstoffen und die Unsicherheit über die weitere Entwicklung in der Ukraine belasten die Investitionsdynamik. Die Einschätzung der Lage der Investitionsgüterproduzenten und ihre Erwartungen für die kommenden Monate haben sich aber im April nach der Verschlechterung im Vormonat stabilisiert. Die Betriebe im Bauhauptgewerbe dagegen schätzen die aktuelle Lage und die Entwicklung der nächsten Monate etwas schlechter ein als im März.

Konsum

In den Wintermonaten wurde der Konsum durch die Corona-Regeln deutlich gedämpft. Durch den Wegfall der coronabedingten Einschränkungen beleben sich Bereiche wie der Handel oder das Gastgewerbe wieder. Im Gastgewerbe etwa stiegen die Umsätze im Februar saisonbereinigt gegenüber dem Vormonat um 3,5 Prozent, bleiben damit aber immer noch deutlich geringer als vor der Pandemie. Die Geschäftslage im Handel hat sich im April etwas verschlechtert. Die Erwartungen des Handels für die nächsten Monate haben sich aber nach dem kräftigen Rückgang im März stabilisiert. Das Konsumklima hat sich dennoch im April zum zweiten Mal in Folge erheblich eingetrübt. Da während der Pandemie mehr gespart wurde, ist beim Konsum zwar in den nächsten Monaten mit Nachholeffekten zu rechnen. Die aktuellen Preissteigerungen schwächen aber die Kaufkraft wieder.

Arbeitsmarkt

Die Lage am Arbeitsmarkt verbessert sich erneut. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung legte im Februar weiter zu. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit setzt sich im April fort, wenn auch langsamer als bisher. Auch die Unterbeschäftigung, die unter anderem auch Personen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen umfasst, sinkt weiter. Der Bestand an gemeldeten offenen Stellen steigt abermals auf einen neuen Höchstwert. Auch die Zahl der neu gemeldeten offenen Stellen hat nach einem Rückgang im Vormonat wieder zugenommen. Das IAB-Arbeitsmarktbarometer steigt leicht auch im zweiten Monat nach Kriegsbeginn und liegt nun auf einem sehr positiven Stand von 106,1 Punkten.   

doi: 10.48720/IAB.FOO.20220503.01

Gartner, Hermann; Weber, Enzo (2022): Einschätzung des IAB zur wirtschaftlichen Lage – April 2022, In: IAB-Forum 3. Mai 2022, https://www.iab-forum.de/einschaetzung-des-iab-zur-wirtschaftlichen-lage-april-2022/, Abrufdatum: 18. November 2024