Dass neue Technologien alte verdrängen, ist kein Novum. Doch was passiert mit Beschäftigten, die noch in alten Technologien ausgebildet wurden und Konkurrenz durch Berufseinsteiger bekommen, deren technologisches Wissen up to date ist? Eine Fallstudie aus der Metallindustrie liefert dazu interessante Aufschlüsse.  

Über die Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt wird heftig gestritten. Glaubt man Elon Musk, dem Gründer von Tesla und SpaceX, werden Roboter und künstliche Intelligenz bald in der Lage sein, jegliche menschliche Arbeitskraft zu ersetzen. Mitunter wird aber auch die gegenteilige These vertreten, dass neue Technologien neue Beschäftigungsfelder für den Menschen schaffen, so dass die Beschäftigung in Zukunft sogar steigen könnte.

Einig sind sich die meisten Experten indes darin, dass fundamentale technologische Innovationen Arbeitsbedingungen, Arbeitsumfeld und Berufsbilder teils stark verändern dürften. Demnach müssen Beschäftigte in Zukunft häufiger als bisher neue Kenntnisse und Fähigkeiten erlernen, während bereits erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten unter Umständen an Wert verlieren.

Damit wird eine kontinuierliche Fort- und Weiterbildung nach Abschluss der beruflichen oder akademischen Ausbildung immer wichtiger. So glaubt Rendall Stephenson, Vorstandsvorsitzender des amerikanischen Telefonkonzerns AT&T, dass Beschäftigte künftig nur dann mit dem technologischen Wandel Schritt halten können, wenn sie sich mindestens fünf bis zehn Stunden pro Monat über Onlinekurse fortbilden.

Weiterbildung ist für Beschäftigte und Betriebe mit hohen Kosten verbunden

Allerdings beginnt genau hier das Problem: Denn Fort- und Weiterbildungen sind mit hohen direkten und indirekten Kosten verbunden – für Beschäftigte, die bereits voll im Berufsleben stehen, aber auch für die Betriebe. Neben den direkten Fortbildungskosten, etwa für Kursgebühren und -materialien, entstehen entweder zusätzliche Kosten für die Betriebe, wenn Fort- und Weiterbildungskurse während der regulären Arbeitszeit stattfinden, oder zusätzliche Belastungen für die Beschäftigten, wenn sich diese in ihrer Freizeit fortbilden müssen.

Im Gegensatz zu Beschäftigten gehen Studenten, Auszubildende und Schüler in der Regel keiner entlohnten Vollzeittätigkeit nach und können einen Großteil ihrer Zeit damit verbringen, sich neue Kenntnisse und neues Wissen anzueignen. Darüber hinaus werden die Curricula für Schulen, Ausbildungs- und Studiengänge stetig an neuere technologische Entwicklungen angepasst.

Junge Absolventinnen und Absolventen sind daher im Umgang mit neuen Technologien häufig versierter als Beschäftigte, die bereits seit einiger Zeit im Berufsleben stehen. So betonte ein ehemaliger Managing Director der Forschungs- und Entwicklungseinheit von SAP kürzlich in einem Interview, dass ein 20-Jähriger bereits heute wertvoller für sein Unternehmen sei als ein 35-Jähriger.

Gleichwohl gibt es bis dato nur wenige wissenschaftlich fundierte Kenntnisse darüber, wie sich fundamentale technologische Änderungen in der Berufs- und Arbeitswelt langfristig auf die Erwerbsverläufe von Beschäftigten auswirken. Aus diesem Grund hat das IAB gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität Bournemouth diesen Zusammenhang anhand eines Fallbeispiels aus der Metallindustrie untersucht.

CNC-Technologie hat Arbeitsprozesse und Arbeitsumfeld in der Metallindustrie substanziell verändert

Vor der Einführung computergesteuerter Maschinen in der Metallindustrie produzierten Facharbeiter in den spanenden Metallberufen Präzisionsmetallteile wie Schrauben, Kolben oder Zahnräder an manuellen und semi-manuellen Fräs-, Dreh- und Bohrmaschinen. Semi-manuelle Maschinen werden in der Regel durch einen Motor angetrieben, der allerdings von Menschen direkt bedient und nicht durch ein Computerprogramm gesteuert wird.

Mit der Einführung von CNC-Maschinen (Computer Numerical Control Machines) vor rund 30 Jahren änderte sich dies substanziell. CNC-Maschinen integrieren verschiedene manuelle Maschinen und werden von einem Computer gesteuert. Sie erlauben daher eine schnellere, präzisere, flexiblere und kostengünstigere Produktion von Metallteilen.

Allerdings erfordert die Bedienung von CNC-Maschinen andere Kenntnisse und Fähigkeiten als bei klassischen Fräs- oder Drehmaschinen, beispielsweise Programmierkenntnisse. Überdies mussten die spanenden Maschinenmechaniker nun erlernen, wie die neuartigen CNC-Maschinen mit verschiedenen Werkzeugen bestückt und an den Verarbeitungsprozess von verschiedenen Produkten angepasst werden. Dies hat die Arbeitsprozesse und das Arbeitsumfeld in der Metallindustrie substanziell verändert. Dementsprechend wurde auch die Berufsausbildung für spanende Maschinenmechaniker in den späten 1980er-Jahren an die neuen Gegebenheiten angepasst.

Die Fallstudie: Auswirkungen des Markteintritts von Absolventen mit Ausbildung an CNC-Maschinen

Die Einführung der CNC-Technologie ist daher ein gutes Fallbeispiel, um die Auswirkung fundamentaler technologischer Änderungen auf die Erwerbsverläufe der betroffenen Beschäftigten zu untersuchen. In einer Langzeitstudie wurde daher analysiert, wie sich der Arbeitsmarkteintritt von jungen Facharbeitern, die an CNC-Maschinen ausgebildet wurden, auf die Karrieren von spanenden Maschinenmechanikern ausgewirkt hat, die bereits vor Einführung der CNC-Technologie ausgebildet wurden.

Dabei zeigt sich, dass zwar relativ viele Facharbeiter, die noch an den manuellen Maschinen ausgebildet worden, in ihren Betrieben weiterbeschäftigt wurden. Ihre Karrierepfade haben sich im langfristigen Durchschnitt aber stärker verändert als die der Kontrollgruppe, deren Berufsbild von keiner vergleichbaren technologischen Umwälzung betroffen war. Diese Veränderungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Unter den Facharbeitern, die noch an den alten Maschinen ausgebildet wurden, stieg durch die Konkurrenz der technologisch besser ausgebildeten Kollegen die Wahrscheinlichkeit, den Ausbildungsberuf zu verlassen, um 10 Prozent.
  • Ein überproportional hoher Anteil wechselte in andere Sektoren, insbesondere in den Dienstleistungsbereich.
  • Besonders bemerkenswert: Der Anteil derjenigen, die sich zum Meister oder Techniker fortbildeten, sank durch die Änderung des Ausbildungscurriculums dramatisch.
  • Die Auswirkungen auf das Arbeitslosigkeitsrisiko der Betroffenen sind vergleichsweise gering: Es hat langfristig gesehen durch die technologische Umwälzung nicht zugenommen. Die Dauer der Arbeitslosigkeit stieg nach der Ausbildungsreform allenfalls leicht und nur vorübergehend an.
  • Facharbeiter, die an den manuellen Maschinen ausgebildet wurden, verzeichnen aufgrund dieser Faktoren im Durchschnitt Einkommensverluste.  Diese summieren sich auf circa 90 Prozent eines Jahresgehaltes über eine Periode von 25 Jahren – sind also insgesamt noch relativ moderat.

Demgegenüber haben Lehrlinge, die an der CNC-Maschine ausgebildet wurden, im Vergleich zur Kontrollgruppe später keine Lohnverluste und kein höheres Arbeitslosigkeitsrisiko zu tragen. Auch verbleiben sie langfristig eher in ihrem Beruf als Facharbeiter ohne CNC-Ausbildung.

Fazit

Die Fallstudie zeigt: Neue Technologien führen keineswegs zwingend dazu, dass Facharbeiter, die noch in alten Technologien ausgebildet wurden, vermehrt arbeitslos werden. Vielen gelang es zumindest bisher, stabile Erwerbskarrieren in neuen Berufen aufzubauen. Dennoch können technologische Veränderungen langfristige Konsequenzen für die Erwerbsverläufe von Beschäftigten haben, etwa im Hinblick auf ihre Aufstiegs- und Einkommenschancen.

Geht man davon aus, dass neue Technologien wie cyber-physische Systeme oder das „Internet der Dinge“ die Arbeitswelt in Zukunft noch stärker und schneller verändern werden, als dies etwa mit der Einführung der CNC-Technologie der Fall war, dürften lebenslanges Lernen und kontinuierliche Weiterbildung in Zukunft noch wichtiger werden, um langfristige negative Konsequenzen im Berufsleben zu vermeiden.

Janssen, Simon (2019): Entwerten neue Technologien bisheriges Berufswissen? Lehren aus einer empirischen Fallstudie, In: IAB-Forum 7. März 2019, https://www.iab-forum.de/entwerten-neue-technologien-bisheriges-berufswissen-lehren-aus-einer-empirischen-fallstudie/, Abrufdatum: 18. November 2024