5. Juni 2019 | Arbeitsmarkt im Strukturwandel
Familienfreundliche Personalpolitik – alles andere als „Gedöns“!
Corinna Frodermann , Ann-Christin Bächmann , Marina Hagen , Daniela Grunow , Dana Müller
Immer mehr Betriebe in Deutschland bieten Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf an. Das zahlt sich für Betriebe und Beschäftigte gleichermaßen aus. Denn familienfreundliche Maßnahmen tragen dazu bei, dass Frauen schneller und häufiger in ihren alten Betrieb zurückkehren.
Ein vormaliger Bundeskanzler hielt Frauen- und Familienpolitik noch für „Gedöns“. Dies hat sich grundlegend geändert: Heutzutage stellen Frauen etwa die Hälfte der deutschen Erwerbsbevölkerung und sind für die deutsche Wirtschaft unverzichtbar. Frauen übernehmen allerdings – insbesondere nach der Geburt eines Kindes – nach wie vor einen größeren Teil der Haushalts- und Familienarbeit als Männer. Deshalb ist für sie der Spagat zwischen Familie und Beruf in der Regel deutlich schwieriger. Dies birgt auch Nachteile für die Arbeitgeber. Die Betriebe sind daher zunehmend daran interessiert, ihre Beschäftigten bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu unterstützen.
Beschäftigte, die von ihrem Betrieb Unterstützung im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erfahren, sind zufriedener und motivierter bei der Arbeit. Der Vorteil für die Arbeitgeber: Sie können gerade ihre Leistungsträgerinnen leichter im Betrieb halten. Dies zeigt unter anderem eine Studie von Marcus M. Butts, Wendy J. Casper und Tae S. Yang aus dem Jahr 2013.
Anteil der Betriebe mit Kinderbetreuungsangeboten hat sich seit 2002 vervierfacht
Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, setzen immer mehr Betriebe auf familienfreundliche Angebote. Dazu zählen, angelehnt an den Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit, insbesondere die folgenden Maßnahmen:
- Kinderbetreuungsangebote (zum Beispiel Betriebskindergärten und -krippen oder entsprechende finanzielle Unterstützung)
- Angebote in der Elternzeit (zum Beispiel Weiterbildung)
- Maßnahmen zur Frauenförderung (zum Beispiel Mentoringprogramme)
- Langzeitkonten zur Freistellung für Familienzeiten.
Der Anteil an Betrieben, die nach eigenen Angaben mindestens eine dieser Maßnahmen anbieten, ist seit 2002 über alle Betriebsgrößen hinweg deutlich gestiegen (eine ausführliche Analyse dazu finden Sie im IAB-Kurzbericht 18/2018).
Den stärksten Anstieg verzeichnen die Kinderbetreuungsangebote: Während im Jahr 2002 lediglich zwei Prozent der deutschen Betriebe über solche Angebote verfügten, lag dieser Anteil im Jahr 2016 bei fast acht Prozent. Stark zugelegt haben auch die Angebote in der Elternzeit, die mittlerweile in fast zehn Prozent der Betriebe genutzt werden können. Maßnahmen zur Frauenförderung und Langzeitkonten zur Freistellung für Familienzeiten spielen hingegen nach wie vor eine untergeordnete Rolle (siehe Abbildung 1).
Der öffentliche Dienst ist Vorreiter
Inwieweit Betriebe familienfreundliche Maßnahmen anbieten, hängt von vielen Faktoren ab. So engagieren sich Großbetriebe im Schnitt stärker – auch wenn die kleinen und mittleren Betriebe inzwischen nachziehen. In Betrieben mit einem hohen Anteil an Frauen und qualifizierten Beschäftigten ist das Angebot an familienfreundlichen Maßnahmen meist ebenfalls größer.
Relativ familienfreundlich, etwa im Vergleich zum Verarbeitenden Gewerbe oder dem Handel, zeigt sich beispielsweise der öffentliche Dienst – möglicherweise auch, weil er unter einem stärkeren Legitimationsdruck steht als die Privatwirtschaft oder so seine Attraktivität als Arbeitgeber verbessern kann.
Mütter kehren schneller und häufiger in familienfreundliche Betriebe zurück
Familienfreundliche Maßnahmen zahlen sich für Betriebe und Beschäftigte gleichermaßen aus. Denn sie tragen dazu bei, dass Frauen nach der Geburt des ersten Kindes schneller zu ihrem früheren Arbeitgeber zurückkehren. So steigt der Anteil derjenigen Mütter, die nach Ablauf des gesetzlichen Elterngeldanspruchs von zwölf Monaten wieder in ihrem alten Betrieb arbeiten, in familienfreundlichen Betrieben mit mindestens einer der oben genannten Maßnahmen deutlich schneller an. Drei Jahre nach Geburt des Kindes sind im Schnitt etwa 80 Prozent der Mütter wieder dort tätig – über 10 Prozentpunkte mehr als in Betrieben ohne familienfreundliche Maßnahmen (siehe Abbildung 2).
Davon profitieren die Betriebe, da kürzere Erwerbsunterbrechungen den Verlust an Humankapital mindern (weil beispielsweise berufliche Qualifikationen in der Regel umso stärker an Wert verlieren, je länger die Erwerbstätigkeit unterbrochen wird). Betriebliche Investitionen in das Humankapital der Mütter bleiben somit erhalten und zahlen sich weiterhin aus.
Eine frühere Erwerbsrückkehr von Müttern verbessert deren Karrierechancen
Zudem verringert die frühere Rückkehr von Müttern in den Beruf die Karrierenachteile, die aus familienbedingten Erwerbsunterbrechungen resultieren. So hat eine 2004 erschienene Studie von Andrea Ziefle gezeigt, dass solche Erwerbsunterbrechungen häufig mit Lohneinbußen und schlechteren Aufstiegschancen verbunden sind.
Bietet ein Betrieb familienfreundliche Maßnahmen an, kehren die Mütter nicht nur schneller, sondern im Schnitt auch häufiger zu ihrem Arbeitgeber zurück (siehe Abbildung 3). Das zahlt sich ebenfalls aus, denn neben der Dauer der Erwerbsunterbrechung beeinflussen auch potenzielle Arbeitgeberwechsel nach der Geburt eines Kindes die Karrierechancen von Müttern. Dies belegt ebenfalls die oben erwähnte Studie von Andrea Ziefle. Demnach verzeichnen Mütter, die nach einer familienbedingten Erwerbsunterbrechung zu ihrem vorherigen Arbeitgeber zurückkehren, geringere Lohneinbußen als solche, die den Arbeitgeber wechseln.
Ein Wiedereinstieg beim bisherigen Arbeitgeber wird zudem rechtlich unterstützt: Eltern, die innerhalb von drei Jahren nach der Geburt eines Kindes ihre Erwerbstätigkeit wieder aufnehmen, haben in Deutschland einen gesetzlichen Rückkehranspruch auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz bei demselben Arbeitgeber.
Mehr als ein Fünftel der Mütter wechseln den Arbeitgeber
Dennoch setzen nicht alle Mütter nach der Geburt eines Kindes ihre Erwerbstätigkeit bei ihrem bisherigen Arbeitgeber fort. Das gilt auch, wenn sie innerhalb des gesetzlich zugesicherten Kündigungsschutzes auf den Arbeitsmarkt zurückkehren. Von allen Müttern, die innerhalb von drei Jahren nach der Geburt ihres Kindes ihre Erwerbstätigkeit wieder aufnehmen, kehren 78 Prozent zu ihrem bisherigen Arbeitgeber zurück, 22 Prozent wechseln hingegen den Arbeitgeber.
Die Entscheidung von Müttern, den Arbeitgeber zu wechseln, hängt auch davon ab, wie familienfreundlich der Betrieb ist, in dem sie vor der Erwerbsunterbrechung beschäftigt waren: Weniger als 20 Prozent der Frauen, die vor ihrer Erwerbsunterbrechung in einem Betrieb mit mindestens einer familienfreundlichen Maßnahme gearbeitet haben, wechseln danach ihren Arbeitgeber. Demgegenüber entscheiden sich fast 30 Prozent der Frauen, die vormals in Betrieben ohne familienfreundliche Maßnahmen beschäftigt waren, für einen anderen Arbeitgeber.
Fazit
Zusammenfassend sprechen die dargestellten Ergebnisse dafür, dass sich Investitionen in familienfreundliche Maßnahmen sowohl für Mütter als auch für Betriebe auszahlen. Durch die kürzeren Unterbrechungsdauern und die geringere Neigung, den Arbeitgeber zu wechseln, können Mütter besser an ihre bisherige Karriere anknüpfen und diese fortsetzen, ohne firmenspezifisches Arbeitsvermögen zu verlieren. Gleichzeitig bleiben arbeitgeberseitige Investitionen in das Humankapital der Mütter im Betrieb erhalten und können schneller wieder genutzt werden.
Angesichts der Vorteile, die familienfreundliche Maßnahmen für berufstätige Eltern und Betriebe gleichermaßen haben, stellt sich die Frage, weshalb nach wie vor nur eine Minderheit von Betrieben familienfreundliche Maßnahmen anbietet. Empfehlenswert wäre es daher, Arbeitgeber umfassender über die Möglichkeiten und Bedingungen vereinbarkeitsfördernder Maßnahmen aufzuklären. Hier könnten Betriebs- und Personalräte sowie die öffentliche Hand gezielt informieren. Auch Betriebe, die bereits familienfreundliche Maßnahmen anbieten, könnten ihr Wissen weitergeben. Die betriebliche Personalpolitik muss sich im Zusammenhang mit der Vereinbarkeitsfrage auch neuen Herausforderungen stellen: Zum einen nehmen auch immer mehr Väter Elternzeit in Anspruch. Zum anderen steigen die individuellen Anforderungen der Beschäftigten an die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Angesichts zunehmender Engpässe auf dem Arbeitsmarkt sind die Unternehmen gut beraten, ihre Personalpolitik stärker auf diese Bedürfnisse auszurichten.
Literatur
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2016): Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit 2016.
Butts, Marcus. M.; Casper, Wendy J.; Yang, Tae S. (2013). How important are work–family support policies? A meta-analytic investigation of their effects on employee outcomes. Journal of Applied Psychology, 98(1), S. 1-25.
Frodermann, Corinna; Bächmann, Ann-Christin; Hagen, Marina; Grunow, Daniela; Müller, Dana (2018): Betriebliche Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Mütter kehren schneller zu familienfreundlichen Arbeitgebern zurück. IAB-Kurzbericht Nr. 18.
Ziefle, Andrea (2004). Die individuellen Kosten des Erziehungsurlaubs. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 56 (2), S. 213–231.
Dieser Beitrag ist im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsprojekts „FAMILY FRIENDLY Firms & Careers“ entstanden – einer Kooperation zwischen dem IAB und der Goethe-Universität Frankfurt.
Daten und Methoden
Die Datenbasis der Untersuchung bilden die Linked-Employer-Employee-Daten des IAB (LIAB), die aus Betriebsdaten des IAB-Betriebspanels und aus Personendaten der Prozessdaten der Bundesagentur für Arbeit (Integrierte Erwerbsbiografien) bestehen.
Das IAB-Betriebspanel ist eine seit 1993 jährlich durchgeführte Wiederholungsbefragung von rund 16.000 Betrieben. Die Grundgesamtheit stellen alle Betriebe mit mindestens einem sozialversicherungspflichtig Beschäftigten dar. Relevant für die vorgestellten Analysen sind die Wellen 2002, 2004, 2008, 2012 und 2016, da in diesen Jahren Informationen zu den betrachteten familienfreundlichen Maßnahmen erhoben wurden.
Für Analysen auf der Beschäftigtenseite wurden die Integrierten Erwerbsbiografien verwendet. Diese ermöglichen es, Erwerbsverläufe – bestehend etwa aus Zeiten der Beschäftigung, des Leistungsbezugs oder der Arbeitsuche – tagesgenau zu untersuchen.
Für die dargestellten Analysen zur Unterbrechungsdauer und zu den Arbeitgeberwechseln nach der Geburt eines Kindes wurden alle Frauen identifiziert, die im Jahr 2008 ihr erstes Kind geboren haben. Anschließend wurden im ersten Schritt die Rückkehrdauern der Mütter zum gleichen Arbeitgeber berechnet und im zweiten Schritt für alle Mütter, die innerhalb von drei Jahren auf den Arbeitsmarkt zurückgekehrt sind, die Arbeitgeberwechsel untersucht. Arbeitgeberwechsel werden über eine Änderung der Betriebsnummer bei Wiedereinstieg identifiziert. Somit kann es vorkommen, dass es sich beim Arbeitgeberwechsel lediglich um einen Betriebsstättenwechsel handelt, sprich um einen Arbeitsplatzwechsel innerhalb eines Unternehmens.
Frodermann, Corinna ; Bächmann, Ann-Christin ; Hagen, Marina; Grunow, Daniela; Müller, Dana (2019): Familienfreundliche Personalpolitik – alles andere als „Gedöns“!, In: IAB-Forum 5. Juni 2019, https://www.iab-forum.de/familienfreundliche-personalpolitik-alles-andere-als-gedoens/, Abrufdatum: 17. November 2024
Autoren:
- Corinna Frodermann
- Ann-Christin Bächmann
- Marina Hagen
- Daniela Grunow
- Dana Müller