10. Dezember 2025 | Fachkräftebedarf
Fast sechs von zehn Betrieben gingen im ersten Halbjahr 2024 Kompromisse bei der Einstellung von Fachkräften ein
Die anhaltende wirtschaftliche Schwäche hinterlässt ihre Spuren auch bei der betrieblichen Arbeitsnachfrage. Wie Nicole Gürtzgen, Alexander Kubis und Martin Popp in einem aktuellen Beitrag für das IAB-Forum zeigen, ist die Zahl der offenen Stellen bereits seit 2023 rückläufig. Dennoch ist die Besetzung von Stellen für viele Betriebe nach wie vor mit Herausforderungen verbunden. Laut einer aktuellen Studie von Christian Hohendanner, Ute Leber und Michael Oberfichtner stellt die Gewinnung von Fachkräften aus betrieblicher Sicht das größte Personalproblem dar. So erwarteten rund zwei Drittel aller Betriebe im Jahr 2024 für die nahe Zukunft Schwierigkeiten, benötigte Fachkräfte zu bekommen. Das sind mehr als doppelt so viele wie vor zehn Jahren.
Probleme bei der Gewinnung von qualifiziertem Personal äußern sich vor allem darin, dass Betriebe die von ihnen angebotenen Stellen nicht besetzen können. Sie können zudem dazu führen, dass Betriebe bei der Einstellung verstärkt Kompromisse eingehen müssen. Gibt es nicht genügend Bewerbungen, die dem eigentlich gewünschten Profil entsprechen, so können Betriebe beispielsweise ihre Ansprüche an die Qualifikation potenzieller Beschäftigter herunterschrauben oder versuchen, die Zahl der (geeigneten) Bewerbungen zu steigern, indem sie schwer zu besetzende Stellen zu attraktiveren Konditionen ausschreiben.
Wie viele Betriebe und welche Betriebe gehen aber derartige Kompromisse ein? Und wie hat sich der Anteil der jeweils im ersten Halbjahr noch nicht besetzten Fachkraftstellen (bezogen auf die Summe aus den im ersten Halbjahr besetzten und nicht besetzten Fachkraftstellen) nach Angaben der Betriebe entwickelt? Auskunft hierüber gibt das IAB-Betriebspanel, dessen Ergebnisse unter anderem aufgrund unterschiedlicher Fragestellungen teils von denen der IAB-Stellenerhebung abweichen.
Der Anteil der bis Ende Juni 2024 unbesetzten Fachkraftstellen lag bei gut 40 Prozent
Im ersten Halbjahr 2024 konnten 41 Prozent aller Stellen für qualifizierte Tätigkeiten, die eine abgeschlossene Berufsausbildung, eine entsprechende Berufserfahrung oder einen Hochschulabschluss erfordern, nach Auskunft der Betriebe nicht oder noch nicht besetzt werden (siehe Abbildung 1). Das waren ein Prozentpunkt weniger als im Jahr zuvor und vier Prozentpunkte weniger als im Jahr 2022, aber nach wie vor (deutlich) mehr als in den Jahren vor der Corona-Krise.

Haben Betriebe unbesetzte Stellen, bedeutet das nicht unbedingt, dass sie die Suche nach Personal bereits abgebrochen haben. Vielmehr ist auch denkbar, dass manche Besetzungen erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt sind. Laut IAB-Stellenerhebung lag der Anteil aller offenen sozialversicherungspflichtigen Stellen, bei denen die Suche schließlich abgebrochen wurde, 2024 bei 16 Prozent.
Insgesamt zeigt sich ein recht heterogenes Bild: Während die Nichtbesetzungsquote in manchen Branchen beziehungsweise Größenklassen deutlich unter dem Durchschnitt lag und die Situation sich dort anscheinend etwas entspannt hatte, waren Betriebe in anderen Bereichen nach wie vor mit teils massiven Herausforderungen bei der Gewinnung von Fachkräften konfrontiert.
So war die Nichtbesetzungsquote im kleinstbetrieblichen Segment (Betriebe mit weniger als 10 Beschäftigten) mit 65 Prozent deutlich höher als im großbetrieblichen Segment (Betriebe mit 500 und mehr Beschäftigten), wo 17 Prozent aller Fachkraftstellen zum Befragungszeitpunkt unbesetzt waren (siehe Abbildung 2). Besonders hoch war dieser Anteil im Baugewerbe (63 Prozent), besonders niedrig hingegen in der öffentlichen Verwaltung (15 Prozent).

Bei der Besetzung von Fachkraftstellen gehen Betriebe vor allem Kompromisse beim Einarbeitungsaufwand ein
Die Daten des IAB-Betriebspanels zeigen zudem, dass es den Betrieben nicht immer möglich war, ihre Stellen mit Personen zu besetzen, die in jeder Hinsicht ihren Vorstellungen entsprachen (hier bezogen auf alle Einstellungen für qualifierte Tätigkeiten im ersten Halbjahr 2024). Ein Großteil der Betriebe musste demnach Kompromisse bei der Rekrutierung eingehen. Dies war im ersten Halbjahr 2024 bei 57 Prozent der betreffenden Betriebe der Fall (siehe Abbildung 3). Gegenüber 2013, als eine vergleichbare Frage im IAB-Betriebspanel enthalten war, hat sich dieser Anteil damit mehr als verdoppelt.
Fragt man danach, welche Art von Kompromissen Betriebe bei mindestens einer Einstellung eingegangen sind, wird ein höherer Einarbeitungsaufwand an erster Stelle genannt. Dies gab gut ein Drittel (35 %) aller Betriebe, die qualifiziertes Personal einstellten, an. Jeweils rund ein Viertel dieser Betriebe machte darüber hinaus Zugeständnisse bei der Vergütung, der fachlichen Qualifikation sowie der Arbeitszeit. 21 Prozent der Betriebe waren bereit, bei mindestens einer eingestellten Person einen höheren Weiterbildungsbedarf zu akzeptieren, und 16 Prozent gingen Kompromisse bei den Sprachkenntnissen ein.
Bei weiteren Anforderungen machten die Betriebe hingegen seltener Zugeständnisse. 7 Prozent der Betriebe berichten von Zugeständnissen bei sozialen Kompetenzen, 5 Prozent bei gesundheitlichen und körperlichen Anforderungen (siehe Abbildung 3).

Die Häufigkeit und die Art der Kompromisse variiert von Branche zu Branche
Der Anteil der Betriebe, die nach eigenen Angaben bei der Einstellung von Fachkräften Kompromisse eingegangen sind, ist in den Bereichen „Bergbau/Energie/Wasserversorgung“ und „Verkehr/Lagerei“ sowie im verarbeitenden Gewerbe und im Handel besonders hoch. Hier gaben für das erste Halbjahr 2024 jeweils rund zwei Drittel aller Betriebe an, entsprechende Zugeständnisse gemacht zu haben.
Besonders niedrig lag dieser Anteil hingegen in den personenbezogenen Dienstleistungen. Dies dürfte aber mit dem relativ großen Anteil an kleineren Betrieben in diesem Wirtschaftszweig zusammenhängen. Denn kleinere Betriebe stellen im Schnitt seltener ein als große und müssen allein schon deswegen seltener Kompromisse eingehen.
Aufschlussreich sind die Unterschiede bei der Art der eingegangenen Kompromisse. So liegt der Anteil der Betriebe, die einen höheren Einarbeitungsaufwand akzeptieren, im verarbeitenden Gewerbe sowie im Bereich „Verkehr/Lagerei“ besonders weit über dem Durchschnitt.
Während Betriebe aus dem Finanz- und Versicherungswesen relativ häufig Zugeständnisse bei der Vergütung sowie der Weiterbildung machen, gehen vergleichsweise viele Betriebe aus dem Gesundheits- und Sozialwesen Kompromisse bei der Arbeitszeit, aber auch bei den gesundheitlichen und körperlichen Anforderungen ein.
Schließlich fällt auf, dass Betriebe aus dem Bereich „Verkehr/Lagerei“ sowie aus dem Baugewerbe deutlich häufiger als Betriebe aus anderen Branchen Kompromisse bei den Sprachkenntnissen machen.
Eine wesentliche Rolle bei der Erklärung dieser Unterschiede dürften – neben den bereits erwähnten Größeneffekten – unter anderem die in einer Branche jeweils vorherrschenden Tätigkeiten spielen. So dürften etwa Kompromisse bei Sprachkenntnissen eher in Wirtschaftszweigen mit vergleichsweise wenig Kundenkontakt vorkommen. Ebenso sollten vor allem Betriebe in Branchen mit weniger körperlich anstrengenden Tätigkeiten häufiger dazu bereit beziehungsweise in der Lage sein, Abstriche bei den körperlichen Anforderungen zu machen.
Wie weitere Analysen zeigen, hängen die Unterschiede aber auch mit der Stärke der jeweiligen Rekrutierungsschwierigkeiten zusammen. So sind Betriebe vor allem dann zu Kompromissen bereit, wenn sie (wiederholt) mit Besetzungsproblemen zu kämpfen haben.
Fazit
Trotz der schwachen Konjunktur und der rückläufigen Zahl an offenen Stellen stellte sich die Besetzung von Fachkraftstellen für viele Betriebe im Jahr 2024 weiterhin schwierig dar. So blieben im kleinstbetrieblichen Segment sowie in manchen Branchen wie dem Baugewerbe fast zwei Drittel aller im ersten Halbjahr 2024 von den Betrieben zu besetzenden Stellen für qualifizierte Tätigkeiten (zunächst) unbesetzt.
Aber auch wenn Betriebe Fachkräfte eingestellt haben, entsprachen diese nicht immer zur Gänze ihren Erwartungen. Laut IAB-Betriebspanel ging mehr als die Hälfte aller Betriebe, die 2024 qualifiziertes Personal einstellten, Kompromisse ein. Dabei waren sie vor allem bereit, einen höheren Einarbeitungsaufwand zu akzeptieren oder Zugeständnisse bei der fachlichen Qualifikation, der Vergütung oder der Arbeitszeit zu machen.
Diese betriebliche Kompromissbereitschaft erhöht die Chancen für Personen, die sich unter anderen Arbeitsmarktbedingungen möglicherweise nicht behauptet hätten. Dies ist volkswirtschaftlich sinnvoll, da so ein bislang noch nicht voll ausgeschöpftes Arbeitskräftepotential besser genutzt wird.
Um Fachkräfteengpässen zu begegnen, setzen Betriebe aber auch auf weitere Strategien. So zeigt ein aktueller Beitrag von Ute Leber und Barbara Schwengler, dass hierzu vor allem Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen zählen. Dazu gehören nicht zuletzt auch solche, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern, sowie Maßnahmen im Bereich der Aus- und Weiterbildung.
Die heute bestehenden Fachkräfteengpässe werden sich in den kommenden Jahren demografiebedingt weiter verschärfen. Daher sind die Betriebe stärker denn je gefordert, drohenden Mangelsituationen durch möglichst umfassende Maßnahmen vorzubeugen. Die Politik wiederum sollte die Betriebe in ihren Bemühungen so gut wie möglich unterstützen, etwa durch den Ausbau von Eingliederungsförderungen.
In aller Kürze
- Im Jahr 2024 waren 41 Prozent aller Stellen für qualifizierte Tätigkeiten bis Ende Juni unbesetzt. Das sind etwas weniger als im Vorjahr, aber nach wie vor deutlich mehr als vor der Corona-Krise.
- Von den Betrieben, die 2024 Fachkräfte eingestellt haben, gingen 57 Prozent in mindestens einem Einstellungsfall Kompromisse ein. Dabei machten sie vor allem Zugeständnisse beim Einarbeitungsaufwand.
- Relativ selten waren dagegen Kompromisse bei den sozialen Kompetenzen sowie gesundheitlichen und körperlichen Anforderungen.
Literatur
Gürtzgen, Nicole; Kubis, Alexander; Popp, Martin (2025): IAB-Monitor Arbeitskräftebedarf 1/2025: In den meisten Branchen ist das Stellenangebot rückläufig. In: IAB-Forum, 20.6.2025.
Gürtzgen, Nicole; Kubis, Alexander; Popp, Martin (2025): IAB-Monitor Arbeitskräftebedarf 2/2025: Die Vakanzrate ist wieder auf das Niveau der zweiten Corona-Lockdown-Phase zurückgefallen. In: IAB-Forum, 15.9.2025.
Hohendanner, Christian; Leber, Ute; Oberfichtner, Michael (2025): Aktuelle Ergebnisse aus dem IAB-Betriebspanel 2024: Mehr als acht von zehn Betrieben erwarten Personalprobleme. IAB-Kurzbericht Nr. 7.
Kubis, Alexander (2025): IAB-Stellenerhebung 2/2025: Die meisten Neueinstellungen gehen nach wie vor auf Jobwechsel zurück. In: IAB-Forum, 4.9.2025.
Leber, Ute; Schwengler, Barbara (2025): Betriebliche Aus- und Weiterbildung als Strategien der Fachkräftesicherung. In: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, Jg. 54, H. 1, S. 8-12.
Bild: nito/stock.adobe.com
DOI: 10.48720/IAB.FOO.20251210.01
Grau, Katrin; Leber, Ute; Schwengler, Barbara (2025): Fast sechs von zehn Betrieben gingen im ersten Halbjahr 2024 Kompromisse bei der Einstellung von Fachkräften ein, In: IAB-Forum 10. Dezember 2025, https://iab-forum.de/fast-sechs-von-zehn-betrieben-gingen-im-ersten-halbjahr-2024-kompromisse-bei-der-einstellung-von-fachkraeften-ein/, Abrufdatum: 10. December 2025
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Autoren:
- Katrin Grau
- Ute Leber
- Barbara Schwengler

Katrin Grau ist seit Mai 2024 als Fachkraft in der Forschung im Bereich „Betriebe und Beschäftigung“ am IAB beschäftigt.
Dr. Ute Leber ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsbereich „Betriebe und Beschäftigung“ am IAB und leitet dort zudem gemeinsam mit Prof. Dr. Silke Anger den Forschungsbereich „Bildung, Qualifizierung und Erwerbsverläufe“.
Barbara Schwengler ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsbereich „Betriebe und Beschäftigung“ am IAB.