Städtische Arbeitsmärkte bieten einen besonders guten Zugang zu Jobs, die das Sammeln wertvoller Arbeitserfahrung begünstigen. Dies erklärt zum Großteil, warum die Löhne von Beschäftigten in städtischen Arbeitsmärkten mit zunehmender Arbeitserfahrung schneller steigen als die Löhne von Beschäftigten in ländlichen Räumen. Der positive Effekt städtischer Arbeitserfahrung fällt bei deutschen und ausländischen Arbeitskräften im Durchschnitt ähnlich hoch aus. Geringqualifizierte Ausländer*innen profitieren davon dagegen weniger als ungelernte Deutsche, weil sie in Städten einen schlechteren Zugang zu Jobs mit hohem Lernpotenzial haben.

Das Lohnniveau in Städten ist im Schnitt höher als in ländlichen Regionen. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass Beschäftigte in großen städtischen Arbeitsmärkten produktiver sind, weil sie im Mittel über bessere Qualifikationen verfügen. Darüber hinaus wirkt sich auch das städtische Arbeitsmarktumfeld positiv auf die Arbeitsproduktivität aus. Diese Vorteile werden als Agglomerationseffekte bezeichnet.

Gilles Duranton und Diego Puga begründen diese Vorteile in einem 2004 erschienen Beitrag zum Beispiel damit, dass in großen städtischen Arbeitsmärkten bessere Möglichkeiten bestehen, Wissen auszutauschen und zu lernen. Mit der Arbeitserfahrung, die in großen Städten gesammelt wird, gewinnen Arbeitskräfte daher besonders wertvolles Erfahrungswissen hinzu. In der Folge steigen Produktivität und Löhne in den Städten schneller als in ländlichen Arbeitsmärkten, wie auch eine 2023 publizierte Analyse von Jan Cornelius Peters und Annekatrin Niebuhr für Deutschland zeigt.

In einer aktuellen Studie haben beide gemeinsam mit Duncan Roth untersucht, ob deutsche und ausländische Arbeitskräfte von diesen Agglomerationseffekten in Deutschland in gleichem Maße profitieren. Auf Grundlage einer Stichprobe aus den Integrierten Erwerbsbiografien (IEB) des IAB haben sie ermittelt, wie viel Arbeitserfahrung Personen in städtischen und ländlichen Regionen gesammelt haben und wie viel Erfahrung dabei auf verschiedene Berufe, Branchen und Betriebstypen entfällt.

Auf der Basis dieser Informationen haben die Autor*innen analysiert, wie sich die Arbeitserfahrung, die in unterschiedlich großen regionalen Arbeitsmärkten gesammelt wurde, auf den Lohn auswirkt. Dafür wurden Löhne von Beschäftigten mit ähnlichen individuellen Eigenschaften und Jobs miteinander verglichen, die in der Vergangenheit aber in unterschiedlich großen regionalen Arbeitsmärkten gearbeitet haben. Dabei werden vier Größenklassen von regionalen Arbeitsmärkten unterschieden (siehe Abbildung 1), die auf Basis der Zahl der Beschäftigten in einem Umkreis von 10 Kilometern um die Arbeitsortgemeinde gebildet wurden.

Abbildung 1 zeigt eine Karte mit den Gemeinden Deutschlands im Jahr 2019. Für jede Gemeinde wird angezeigt, ob es sich um eine sehr große, eine große, eine kleine oder eine sehr kleine Region handelt.

Arbeitserfahrung, die in großen städtischen Regionen gesammelt wird, führt zu einem höherem Lohnwachstum

Sowohl für deutsche wie für ausländische Beschäftigte zeigt sich: Der Lohn steigt mit zunehmender Arbeitserfahrung (siehe Abbildung 2). Allerdings steigt die Entlohnung für die deutschen Arbeitskräfte schneller als für ausländische. Arbeitserfahrung zahlt sich also für deutsche Arbeitskräfte im Schnitt mehr aus als für ausländische.

Zugleich steigen die Löhne deutlich schneller, wenn die Arbeitserfahrung in sehr großen statt in sehr kleinen Regionen gesammelt wurde. Dieser Lohnzuschlag aufgrund von städtischer Arbeitserfahrung fällt für beide Gruppen ähnlich aus.

Ein Beispiel: Sowohl ein deutscher als auch ein ausländischer Beschäftigter, die 20 Jahre Arbeitserfahrung in einer sehr großen Region sammeln, erfahren dadurch im Schnitt ein Lohnwachstum, das um rund 9 Prozent höher ist als das Lohnwachstum eines Beschäftigten, der 20 Jahre Arbeitserfahrung in einer sehr kleinen Region sammelt. In Abbildung 1 ist dies daran erkennbar, dass der Abstand zwischen der durchgezogenen und der gestrichelten blauen Linie in etwa gleich groß ist wie der Abstand zwischen der durchgezogenen und der gestrichelten grünen Linie.

Abbildung 2 zeigt den Lohnzuwachs, den Arbeitskräfte mit steigender Arbeitserfahrung im Durchschnitt erfahren. Dabei wird unterschieden zwischen (i) deutschen Beschäftigten in sehr großen Regionen, (ii) deutschen Beschäftigten in sehr kleinen Regionen, (iii) ausländischen Beschäftigten in sehr großen Regionen und (iv) ausländischen Beschäftigten in sehr kleinen Regionen. Nach 20 Jahren Arbeitserfahrung beträgt der kumulierte Lohnzuwachs deutscher Beschäftigter, die immer in sehr großen Regionen gearbeitet haben, etwa 130 %. Deutsche Beschäftigte in sehr kleinen Regionen verzeichnen im gleichen Zeitraum ein Lohnwachstum von 110 %, ausländische Beschäftigte in sehr großen Regionen von etwa 90 % und ausländische Beschäftigten in sehr kleinen Regionen von etwas weniger als 80 %.

Ungelernte ausländische Arbeitskräfte profitieren relativ wenig von der Arbeitserfahrung, die sie in großen Städten sammeln

Während ausländische Beschäftigte im Mittel also in gleichem Maße von städtischer Arbeitserfahrung profitieren wie deutsche, trifft dies auf ausländische Arbeitskräfte ohne abgeschlossene Berufsausbildung nicht zu. Gegenüber ungelernten Deutschen fällt der Vorteil großer Arbeitsmärkte für geringqualifizierte Ausländer um rund 37 Prozent geringer aus. Für ausländische Beschäftigte mit abgeschlossener Berufsausbildung und jene mit einem Hochschulabschluss ist ein entsprechender Nachteil gegenüber entsprechend qualifizierten deutschen Beschäftigten dagegen nicht festzustellen.

Eine aktuelle Studie von Fabian Eckert und Ko-Autoren zeigt, dass die unterschiedliche Qualität der Arbeitsplätze in städtischen und ländlichen Regionen einen erheblichen Teil der Agglomerationsvorteile erklären kann. Auch der positive Effekt, der von Arbeitserfahrung aus großen städtischen Arbeitsmärkten in Deutschland ausgeht, basiert offenbar überwiegend auf der Spezialisierung großer Städte auf bestimmte Typen von Arbeitsplätzen, wie Annekatrin Niebuhr, Jan Cornelius Peters und Duncan Roth in ihrer aktuellen Studie zeigen.

Berücksichtigt man, in welchen Berufen und Branchen die Erfahrung gesammelt wurde, und ob es sich um große oder kleine Betriebe handelte, lassen sich rund 80 Prozent des Lohnaufschlags, der mit der Erfahrung aus sehr großen Arbeitsmärkten einhergeht, darauf zurückführen.

So wird in großen urbanen Arbeitsmärkten mehr Erfahrung in wissensintensiven Dienstleistungsunternehmen und in Großbetrieben gesammelt. Dort finden sich auch häufiger Berufe, in denen anspruchsvolle analytische und interaktive Tätigkeiten ausgeübt werden. Gleichzeitig hat diese Art der Arbeitserfahrung einen relativ starken positiven Effekt auf den Lohn. Eine denkbare Erklärung hierfür ist, dass diese Arbeitsplätze mehr Möglichkeiten bieten, sich neues Wissen und neue Fähigkeiten anzueignen.

Ungelernte Ausländer*innen haben schlechteren Zugang zu Jobs mit hohem Lernpotenzial

Die unterschiedliche Zusammensetzung der Arbeitsplätze nach Beruf, Branche und Betriebsgröße in städtischen und ländlichen Regionen ist auch für den relativ geringen Wert der Arbeitserfahrung, die geringqualifizierte ausländische Arbeitskräfte in Städten sammeln, von Bedeutung.

Der geringere Lohnzuschlag für Erfahrung aus großen Regionen, den ausländische Arbeitskräfte ohne abgeschlossene Berufsausbildung gegenüber ungelernten deutschen Arbeitskräften erhalten, lässt sich vollständig auf die unterschiedliche Zusammensetzung der Erfahrung nach Berufen, Branchen und Betriebsgröße zurückführen. Die ausländischen geringqualifizierten Beschäftigten sammeln städtische Arbeitserfahrung häufiger in Jobs geringerer Qualität als ungelernte Deutsche.

Abbildung 3 zeigt die Zusammensetzung der Arbeitserfahrung von deutschen und ausländlichen geringqualifizierten Arbeitskräften, in Abhängigkeit davon wo die Erfahrung gesammelt wurde. Sowohl für deutsche als auch für ausländische Geringqualifizierte nimmt der Anteil manueller Routinetätigkeiten an der Erfahrung mit der Regionsgröße ab, während der Anteil analytischer und interaktiver Tätigkeiten zunimmt. Hinsichtlich der Branchenzusammensetzung zeigt sich mit steigender Regionsgröße u. a. ein Rückgang des Anteils der Erfahrung aus nicht wissensintensiver Produktion und ein Anstieg des Anteils nicht wissensintensiver und wissensintensiver Dienstleistungen. Die Erfahrung nach Betriebsgröße ändert sich mit steigender Regionsgröße unter anderem insofern, dass der Anteil von Erfahrung aus Betrieben mit 50 bis 249 Beschäftigten abnimmt, während der Anteil aus Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten steigt.

Geringqualifizierte Ausländer*innen erlangen je nach Regionsgröße zwischen 70 und 80 Prozent ihrer Arbeitserfahrung in manuellen Berufen. Auch wenn dieser Anteil mit zunehmender Regionsgröße sinkt, entfallen im Schnitt noch 39 Prozent der in sehr großen Regionen gesammelten Arbeitserfahrung auf manuelle Routinetätigkeiten und 31 Prozent auf manuelle Nichtroutine-Tätigkeiten (siehe Abbildung 3). Arbeitserfahrung in diesen Jobs erhöht den Lohn aber nur in vergleichsweise geringem Maße. Bei ungelernten Deutschen entfallen nur 51 Prozent der in großen Städten gesammelten Erfahrung auf diese Tätigkeiten.

Entsprechende Befunde sind auch bei einer Differenzierung nach Branchen erkennbar. So sind ungelernte Ausländer, die in Großstädten arbeiten, seltener im öffentlichen Sektor und in wissensintensiven Dienstleistungsbranchen beschäftigt als ungelernte Deutsche. Gleichzeitig sind dies aber Sektoren, in denen relativ wertvolle Arbeitserfahrung gesammelt werden kann. Mit Blick auf die Größe der Betriebe lässt sich dagegen kein Nachteil für ausländische Arbeitskräfte feststellen.

Fazit

Arbeitserfahrung, die in großen städtischen Regionen gesammelt wird, führt zu einem schnelleren Lohnwachstum. Hiervon profitieren deutsche und ausländische Arbeitskräfte im Durchschnitt in gleichem Maße. Lediglich für ungelernte ausländische Beschäftigte ist festzustellen, dass der Vorteil, in großen Städten gearbeitet zu haben, geringer ausfällt als für ungelernte Deutsche.

Dieser Nachteil ist darauf zurückzuführen, dass die ausländischen Arbeitskräfte häufiger als die deutschen in Jobs tätig sind, in denen sich weniger wertvolle Erfahrung sammeln lässt. Ihr Zugang zu Arbeitsplätzen mit hohem Lernpotenzial scheint eingeschränkter zu sein als der ungelernter Deutscher.

Wenn ausländische Erwerbspersonen nicht in gleichem Umfang die Vorteile großer Arbeitsmärkte nutzen können, trägt dies zu Arbeitsmarktergebnissen bei, die nach wie vor ungünstiger sind als die der deutschen Arbeitskräfte, wie eine 2022 publizierte Studie von Stephan Brunow und Oskar Jost zeigt.

Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, die den Zugang zu Arbeitsplätzen mit einem höheren Lernpotenzial in großen Städten verbessern, können dazu beitragen, die Unterschiede im Arbeitsmarkterfolg zwischen Deutschen und Ausländern zu reduzieren. Damit arbeitsmarktpolitische Instrumente hier an den richtigen Stellen eingesetzt werden können, bedarf es aber noch umfassenderer Erkenntnisse über die konkreten Hemmnisse, die den Zugang zu besseren Jobs für ungelernte Ausländer bislang erschweren.

In aller Kürze

  • Arbeitserfahrung, die in großen Städten gesammelt wird, führt zu einem schnelleren Lohnwachstum als Arbeitserfahrung, die in ländlichen Regionen erworben wird. Hiervon profitieren deutsche und ausländische Arbeitskräfte im Durchschnitt in gleichem Maße.
  • Der erwartete Lohnanstieg einer Erwerbsperson mit 20 Jahren Arbeitsmarkterfahrung ist um rund 9 Prozent höher, wenn sie die Erfahrung ausschließlich in den größten städtischen Regionen gesammelt hat und nicht in den kleinsten Arbeitsmarktregionen.
  • Für ungelernte ausländische Beschäftigte fällt der Vorteil, in großen Städten gearbeitet zu haben, um rund 37 Prozent geringer aus als für ungelernte Deutsche.
  • Der Nachteil der ungelernten ausländischen Arbeitskräfte ist darauf zurückzuführen, dass sie seltener als ungelernte Deutsche in Jobs mit hohem Lernpotenzial tätig sind.

Literatur

Brunow, Stephan; Jost, Oskar (2022): Wages of skilled migrant and native employees in Germany: new light on an old issue. In: International Migration Review, 56, S. 410–432.

Duranton, Gilles; Puga, Diego (2004): Micro-foundations of urban agglomeration economies. In: von J. V. Henderson und J. F. Thisse (Hrsg.), Handbook of Regional and Urban Economics, Volume 4, S. 2063-2117.

Eckert, Fabian; Hejlesen, Mads; Walsh, Conor (2022): The return to big-city experience: Evidence from refugees in Denmark. In: Journal of Urban Economics, 130, 103454.

Niebuhr, Annekatrin; Peters, Jan Cornelius; Roth, Duncan H.W. (2024): Dynamic agglomeration effects of foreigners and natives – The role of experience in high-quality sectors, tasks and establishments. In: Regional Science and Urban Economics, 108, 104040.

Peters, Jan Cornelius; Niebuhr; Annekatrin (2023): Accumulating valuable work experience: the importance of large firms and big cities. IAB-Discussion Paper Nr. 4.

 

Bild: Jürgen Fälchle/stock.adobe.com

DOI: 10.48720/IAB.FOO.20241204.01

Niebuhr, Annekatrin; Peters, Jan Cornelius; Roth, Duncan (2024): Geringqualifizierte ausländische Arbeitskräfte profitieren weniger von den Vorteilen städtischer Arbeitsmärkte als deutsche, In: IAB-Forum 4. Dezember 2024, https://www.iab-forum.de/geringqualifizierte-auslaendische-arbeitskraefte-profitieren-weniger-von-den-vorteilen-staedtischer-arbeitsmaerkte-als-deutsche/, Abrufdatum: 12. December 2024

 

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