15. April 2024 | Internationale und regionale Arbeitsmärkte
Immer mehr Menschen pendeln aus Osteuropa nach Deutschland
Grenzpendler*innen machten schon immer nur einen kleinen Teil der Beschäftigten in Deutschland aus. Bis 2010 pendelten Menschen aus dem Ausland zum Arbeiten vor allem nach Westdeutschland. Dort waren es im Jahr 2010 knapp 66.500 Personen, in Ostdeutschland nur knapp 2.100 (siehe Abbildung 1). Ihr Anteil an allen Beschäftigten betrug damit im Osten seinerzeit nur 0,04 Prozent, im Westen 0,29 Prozent (eine ausführliche Analyse dazu finden Sie im IAB-Kurzbericht 9/2020 von Tanja Buch und anderen).
Zum 1. Mai 2011 trat die vollständige Arbeitsnehmerfreizügigkeit für Beschäftigte aus den 2004 neu beigetretenen osteuropäischen EU-Mitgliedsländern in Kraft. In der Folge stiegen die Zahl der Grenzpendler*innen und ihr Anteil an der Gesamtbeschäftigung kontinuierlich. Lediglich während der Covid-19-Pandemie kam es 2020 aufgrund kurzfristiger Reisebeschränkungen zu einer Stagnation in Ostdeutschland und zu einem leichten Rückgang im Westen. Schon 2021 lagen die Zahlen bereits wieder über dem Niveau von 2019.
Im Juni 2023 gab es knapp 144.100 Grenzpendler*innen nach West- und circa 73.200 nach Ostdeutschland. Das entspricht Beschäftigungsanteilen von 0,51 beziehungsweise 1,15 Prozent. Angesichts des vor allem demografisch bedingten Arbeitskräftemangels leisten Grenzpendler*innen damit einen zwar kleinen, aber wichtigen Beitrag für die deutsche Wirtschaft (eine allgemeine Analyse zur demografischen Herausforderung finden Sie im IAB-Kurzbericht 25/2021 sowie speziell zu Ostdeutschland in einem 2020 im IAB-Forum erschienenen Beitrag von Johann Fuchs und anderen).
Polen ist mittlerweile das mit Abstand wichtigste Herkunftsland
Wie Abbildung 2 zeigt, hat sich seit 2010 sowohl die Zahl als auch die herkunftsbezogene Zusammensetzung der Grenzpendler*innen deutlich geändert. Im Jahr 2010 kamen die meisten von ihnen noch aus Westeuropa, insbesondere aus Frankreich (rund 35.000). Im Jahr 2023 hingegen war Polen mit rund 94.200 Pendler*innen klar das Hauptherkunftsland.
Vergleicht man die Daten aus dem Jahr 2023 mit denen aus 2019, dem Jahr vor der Pandemie, so ist die Zahl der Grenzpendler*innen aus den westeuropäischen Ländern seitdem zurück gegangen. Die Anzahl der Grenzpendler*innen aus den osteuropäischen Ländern ist hingegen auch nach der Corona-Krise weiter gestiegen. Besonders eindrücklich im Falle Polens: Hier waren es 2019 gut 59.200 Pendler*innen, vier Jahre später bereits fast 35.000 mehr.
Gearbeitet wird nicht mehr nur in den Grenzregionen
Betrachtet man die Verteilung der Grenzpendler*innen über die Regionen Deutschlands hinweg, zeigen sich deutliche Unterschiede je nach Herkunftsregion (siehe Abbildung 3 sowie Tabelle 1). Grenzpendler*innen aus Westeuropa gehen ihrer Arbeit häufig direkt in den jeweiligen Grenzregionen nach. Pendler*innen aus Osteuropa sind dagegen viel stärker auch auf das Landesinnere verteilt. Zwar sind auch entlang der östlichen Grenze hohe Anteile von Grenzpendler*innen zu erkennen, man findet sie aber auch in von der Landesgrenze weiter entfernten Bundesländern wie Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Hessen.
In den meisten Bundesländern stehen Grenzpendler*innen aus Polen auf Platz 1 der jeweiligen Rangliste der Herkunftsländer. In Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland stellen Einpendler*innen aus Frankreich vor Polen den größten Anteil, in Bayern jene aus der Tschechischen Republik gefolgt von Österreich und Polen.
Grenzpendler*innen aus Osteuropa gehen häufig einfachen Tätigkeiten nach
Grenzpendler*innen gehen je nach Herkunftsregion sehr unterschiedlichen Tätigkeiten nach (siehe Abbildung 4). So liegt das Anforderungsniveau der Tätigkeiten von Grenzpendler*innen aus Westeuropa im Schnitt deutlich höher als das jener aus Osteuropa. Im Juni 2023 übten 13 Prozent der Grenzpendler*innen aus Westeuropa komplexe Spezialistentätigkeiten aus, 14 Prozent gingen einer hochkomplexen Expertentätigkeiten nach. Bei den Grenzpendler*innen aus Osteuropa waren es nur 3 beziehungsweise 1 Prozent. Bei Letzteren dominierten mit 38 Prozent einfache Helfertätigkeiten (aus Westeuropa: 22 Prozent).
Im Zeitverlauf ist bei den Grenzpendler*innen aus den westeuropäischen Ländern eine leichte Polarisierungstendenz zu beobachten: Sowohl der Spezialisten- und Expertenanteil als auch der Helferanteil sind zulasten der Fachkraftanteile gestiegen. Anders bei den Grenzpendler*innen aus den osteuropäischen Ländern: Bei fast konstant niedrigen Spezialisten- und Expertenanteilen ist der Helferanteil dort sukzessive gesunken, während der Fachkraftanteil entsprechend zugenommen hat.
Unter osteuropäischen Grenzpendler*innen ist Fahrzeugführer*in der mit Abstand häufigste Beruf
Grenzpendler*innen aus West- und Osteuropa unterscheiden sich nicht nur nach dem Anforderungsniveau ihrer Tätigkeiten, sondern auch nach den Berufsinhalten. Bei Grenzpendler*innen aus Westeuropa dominieren Berufe aus dem Verarbeitenden Gewerbe wie Maschinen- und Fahrzeugtechnik- oder Metallberufe (siehe Tabelle 2). Daneben gibt es Schwerpunkte im Bereich Unternehmensführung und -organisation sowie in der Logistik, wobei Fahrzeugführer*innen erst auf Platz 7 zu finden sind.
Bei den Grenzpendler*innen aus Osteuropa stehen auf Platz 1 mit großem Abstand Fahrzeugführer*innen, gefolgt von Helfer*innen in der Logistik. Lagerhelfer*innen, die überwiegend aus Polen kommen, sind dabei häufig über Zeitarbeitsfirmen beschäftigt. Auch Maschinen- und Fahrzeugtechnikberufe sowie die Metallberufe spielen hier eine wichtige Rolle. Sie werden überwiegend von Grenzpendler*innen aus Polen und der Tschechischen Republik ausgeübt.
Schließlich sind Grenzpendler*innen aus den osteuropäischen Ländern überwiegend auf Helferpositionen im Baugewerbe und in der Landwirtschaft beschäftigt. Dabei sind Grenzpendler*innen aus Polen häufiger im Baubereich zu finden, jene aus Rumänien stärker in der Landwirtschaft.
Insgesamt fällt auf, dass Grenzpendler*innen aus den westeuropäischen Ländern sich über ein deutlich breiteres Berufsspektrum verteilen als jene aus den osteuropäischen. Von den Grenzpendler*innen aus Osteuropa konzentrieren sich 66 Prozent in den zehn häufigsten Berufen, bei denjenigen aus Westeuropa trifft das auf 42 Prozent zu.
Angesichts des wachsenden Arbeitskräftemangels ist der Befund von Bedeutung, dass viele der von Grenzpendler*innen ausgeübten Berufe überdurchschnittliche Vakanzzeiten aufweisen. Die Stellenbesetzung dauert hier also überdurchschnittlich lange.
Die durchschnittliche Vakanzzeit betrug im Jahr 2023 152 Tage (ohne Abbildung). Von den zehn am häufigsten von osteuropäischen Grenzpendler*innen ausgeübten Berufen weisen sieben überdurchschnittliche Vakanzzeiten auf (160 und mehr Tage). Besonders hoch sind diese bei den Helfer*innen im Hochbau (242 Tage) und bei den LKW-Fahrer*innen (213 Tage). Von der Top-10-Berufsliste der westeuropäischen Grenzpendler*innen haben fünf Berufe überdurchschnittliche Vakanzzeiten.
Fazit
Grenzpendler*innen aus dem Ausland sind eine kleine, aber kontinuierlich wachsende Gruppe von Beschäftigten auf dem deutschen Arbeitsmarkt. In Westdeutschland machen sie mittlerweile 0,5 Prozent aller Beschäftigten aus, in Ostdeutschland 1,15 Prozent. Grenzpendler*innen kommen heute vor allem aus Osteuropa. Die mit Abstand größte Gruppe kommt aus Polen, gefolgt von Menschen aus der Tschechischen Republik.
Im Jahr 2010, also vor der Einführung der vollständigen Freizügigkeit für Beschäftigte aus den 2004 und 2007 neu beigetretenen EU-Mitgliedsländern, kamen die meisten Grenzpendler*innen aus Frankreich. Während sich die Einpendler*innen aus Westeuropa vor allem in den unmittelbaren Grenzregionen konzentrieren, gehen jene aus Polen und Rumänien sehr häufig auch im Landesinneren ihrer Arbeit nach.
Grenzpendler*innen aus Osteuropa üben im Vergleich zu jenen aus Westeuropa häufiger Helfertätigkeiten aus, kaum aber Spezialisten- oder Expertentätigkeiten. Das Spektrum der ausgeübten Berufe ist dabei relativ schmal. Von den gut 150.000 Grenzpendler*innen aus den osteuropäischen Ländern arbeiten etwa 40.000 als LKW-Fahrer*innen und circa 15.000 als Lagerhelfer*innen.
Angesichts des teils gravierenden Arbeitskräftemangels stellen Grenzpendler*innen insbesondere in Ostdeutschland eine wichtige Ressource dar – auch weil sie oft in Engpassberufen beschäftigt sind. Es sollte daher dafür Sorge getragen werden, dass die Rahmenbedingungen in Deutschland für diese Menschen so attraktiv sind, dass sie auch künftig einer Erwerbstätigkeit in Deutschland nachgehen.
In aller Kürze
- Grenzpendler*innen sind Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft, die in Deutschland arbeiten, ihren Hauptwohnsitz aber im Ausland haben und täglich, wöchentlich oder saisonal zur Arbeit nach Deutschland die Grenze überqueren. Sie gehören seit Langem zum deutschen Arbeitsmarkt und machen mit knapp 220.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mittlerweile gut 0,6 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus.
- Bis 2010 kamen Grenzpendler*innen vor allem aus den westeuropäischen Nachbarländern nach Deutschland. Seit der Gewährung der vollständigen Arbeitnehmerfreizügigkeit für die neuen osteuropäischen EU-Beitrittsländer im Jahr 2011 sind die Zahlen der Grenzpendler*innen vor allem aus Polen und der Tschechischen Republik kontinuierlich gestiegen. So übersteigen diese Zahlen heute die der westeuropäischen Nachbarländer deutlich.
- Während der Corona-Krise stagnierten die Zahlen der Grenzpendler*innen aus Osteuropa im Jahr 2020, ab 2021 stiegen sie bereits wieder deutlich. Die Zahl der Grenzpendler*innen aus den westeuropäischen Nachbarländern sinkt seit der Corona-Krise hingegen leicht.
- Grenzpendler*innen aus Westeuropa üben im Vergleich zu jenen aus Osteuropa häufiger Spezialisten- und Expertentätigkeiten aus und seltener Tätigkeiten auf Helferniveau. Außerdem sind sie stärker auf das Verarbeitende Gewerbe konzentriert, während die osteuropäischen Grenzpendler*innen besonders häufig im Bereich Verkehr und Lagerei beschäftigt sind.
Infokasten „Daten und Methoden“
Grenzpendler*innen sind gemäß den Regelungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Freizügigkeit für Arbeitnehmende Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit, die auf dem Weg von ihrem Wohnsitz zum Arbeitsort eine nationale Grenze überschreiten. Während Einpendler*innen aus dem Ausland mit deutscher Staatsangehörigkeit nicht unter diesen Begriff fallen, zählen Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft zu den Grenzpendler*innen, wenn sie vom Unternehmen in Deutschland mit ihrer ausländischen Staatsangehörigkeit gemeldet werden.
In der Untersuchung wird nicht nach der Häufigkeit des Grenzübertritts unterschieden (zum Beispiel täglich, am Wochenende oder saisonal), da in der zu Grunde liegenden Datenbasis keine entsprechenden Informationen vorliegen. Je größer die Distanz zwischen dem Arbeitsort in Deutschland und dem Wohnort im Ausland ist (zum Beispiel für Einpendler*innen aus Rumänien oder Ungarn), desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit für tägliches Pendeln. Wahrscheinlicher ist, dass die Person einen Zweitwohnsitz am Arbeitsort hat, der in den verwendeten Sozialversicherungsdaten jedoch nicht enthalten ist. Zudem liegen hier nicht die konkreten Wohnorte im Ausland vor (zum Beispiel Brüssel), sondern lediglich das jeweilige Land (zum Beispiel Belgien).
Datengrundlage ist die Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit jeweils zum 30. Juni eines Berichtsjahres. Betrachtet werden alle dort erfassten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit ausländischer Staatsangehörigkeit, deren Wohnort sich im Ausland befindet. Die Analyse bezieht sich auf den Zeitraum 2010 bis zum aktuellsten Berichtsjahr 2023.
Unberücksichtigt bleiben geringfügig Beschäftigte, Selbstständige, Personen, die aus dem Ausland entsandt wurden, sowie andere Formen der Arbeitsmigration nach Deutschland, wie sie von der europäischen Gesetzgebung unterschieden werden (siehe Wagner/Hassel 2017). In ein Gastland entsandte Beschäftigte mit einer sogenannten A1-Bescheinigung und teilweise auch Saisonbeschäftigte werden nicht als Beschäftigte in Deutschland erfasst, wenn sie ihre Sozialversicherungsbeiträge im Heimatland entrichten. Die Zahl ausgestellter A1-Bescheinigungen für nach Deutschland entsandte Beschäftigte stieg zwischen 2010 und 2016 von rund 250.000 auf 440.000, vor allem aufgrund der Zuwächse aus osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten (De Wispelaere/Pacolet 2017).
Die Beschäftigungsstatistik wurde im Jahr 2023 einer Teilrevision unterzogen (Bundesagentur für Arbeit 2023). Dabei ging es im Besonderen um die nachträgliche und rückwirkende Korrektur von Angaben zum Wohnort der Beschäftigten. Die von der Meldebehörde gemachten Wohnortangaben werden in der Beschäftigungsstatistik vorrangig vor den Angaben der Unternehmen zum Wohnort verwendet. In der Vergangenheit blieben in bestimmten Fallkonstellationen jedoch die Angaben der Meldebehörde unberücksichtigt. Dies wurde nun nachträglich korrigiert. Diese Korrekturen haben zu einer starken Reduzierung von Wohnorten im Ausland zugunsten von Wohnorten in Deutschland geführt. Demzufolge war die in der Beschäftigungsstatistik ermittelte Zahl der Grenzpendler*innen in der Vergangenheit überzeichnet.
Literatur
- Grenzpendler*innen sind Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft, die in Deutschland arbeiten, ihren Hauptwohnsitz aber im Ausland haben und täglich, wöchentlich oder saisonal zur Arbeit nach Deutschland die Grenze überqueren. Sie gehören seit Langem zum deutschen Arbeitsmarkt und machen mit knapp 220.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mittlerweile gut 0,6 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus.
- Bis 2010 kamen Grenzpendler*innen vor allem aus den westeuropäischen Nachbarländern nach Deutschland. Seit der Gewährung der vollständigen Arbeitnehmerfreizügigkeit für die neuen osteuropäischen EU-Beitrittsländer im Jahr 2011 sind die Zahlen der Grenzpendler*innen vor allem aus Polen und der Tschechischen Republik kontinuierlich gestiegen. So übersteigen diese Zahlen heute die der westeuropäischen Nachbarländer deutlich.
- Während der Corona-Krise stagnierten die Zahlen der Grenzpendler*innen aus Osteuropa im Jahr 2020, ab 2021 stiegen sie bereits wieder deutlich. Die Zahl der Grenzpendler*innen aus den westeuropäischen Nachbarländern sinkt seit der Corona-Krise hingegen leicht.
- Grenzpendler*innen aus Westeuropa üben im Vergleich zu jenen aus Osteuropa häufiger Spezialisten- und Expertentätigkeiten aus und seltener Tätigkeiten auf Helferniveau. Außerdem sind sie stärker auf das Verarbeitende Gewerbe konzentriert, während die osteuropäischen Grenzpendler*innen besonders häufig im Bereich Verkehr und Lagerei beschäftigt sind.
Grenzpendler*innen sind gemäß den Regelungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Freizügigkeit für Arbeitnehmende Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit, die auf dem Weg von ihrem Wohnsitz zum Arbeitsort eine nationale Grenze überschreiten. Während Einpendler*innen aus dem Ausland mit deutscher Staatsangehörigkeit nicht unter diesen Begriff fallen, zählen Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft zu den Grenzpendler*innen, wenn sie vom Unternehmen in Deutschland mit ihrer ausländischen Staatsangehörigkeit gemeldet werden.
In der Untersuchung wird nicht nach der Häufigkeit des Grenzübertritts unterschieden (zum Beispiel täglich, am Wochenende oder saisonal), da in der zu Grunde liegenden Datenbasis keine entsprechenden Informationen vorliegen. Je größer die Distanz zwischen dem Arbeitsort in Deutschland und dem Wohnort im Ausland ist (zum Beispiel für Einpendler*innen aus Rumänien oder Ungarn), desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit für tägliches Pendeln. Wahrscheinlicher ist, dass die Person einen Zweitwohnsitz am Arbeitsort hat, der in den verwendeten Sozialversicherungsdaten jedoch nicht enthalten ist. Zudem liegen hier nicht die konkreten Wohnorte im Ausland vor (zum Beispiel Brüssel), sondern lediglich das jeweilige Land (zum Beispiel Belgien).
Datengrundlage ist die Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit jeweils zum 30. Juni eines Berichtsjahres. Betrachtet werden alle dort erfassten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit ausländischer Staatsangehörigkeit, deren Wohnort sich im Ausland befindet. Die Analyse bezieht sich auf den Zeitraum 2010 bis zum aktuellsten Berichtsjahr 2023.
Unberücksichtigt bleiben geringfügig Beschäftigte, Selbstständige, Personen, die aus dem Ausland entsandt wurden, sowie andere Formen der Arbeitsmigration nach Deutschland, wie sie von der europäischen Gesetzgebung unterschieden werden (siehe Wagner/Hassel 2017). In ein Gastland entsandte Beschäftigte mit einer sogenannten A1-Bescheinigung und teilweise auch Saisonbeschäftigte werden nicht als Beschäftigte in Deutschland erfasst, wenn sie ihre Sozialversicherungsbeiträge im Heimatland entrichten. Die Zahl ausgestellter A1-Bescheinigungen für nach Deutschland entsandte Beschäftigte stieg zwischen 2010 und 2016 von rund 250.000 auf 440.000, vor allem aufgrund der Zuwächse aus osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten (De Wispelaere/Pacolet 2017).
Die Beschäftigungsstatistik wurde im Jahr 2023 einer Teilrevision unterzogen (Bundesagentur für Arbeit 2023). Dabei ging es im Besonderen um die nachträgliche und rückwirkende Korrektur von Angaben zum Wohnort der Beschäftigten. Die von der Meldebehörde gemachten Wohnortangaben werden in der Beschäftigungsstatistik vorrangig vor den Angaben der Unternehmen zum Wohnort verwendet. In der Vergangenheit blieben in bestimmten Fallkonstellationen jedoch die Angaben der Meldebehörde unberücksichtigt. Dies wurde nun nachträglich korrigiert. Diese Korrekturen haben zu einer starken Reduzierung von Wohnorten im Ausland zugunsten von Wohnorten in Deutschland geführt. Demzufolge war die in der Beschäftigungsstatistik ermittelte Zahl der Grenzpendler*innen in der Vergangenheit überzeichnet.
Literatur
Buch, Tanja; Carstensen, Jeanette; Hamann, Silke; Otto, Anne; Seibert, Holger; Sieglen, Georg (2020): Grenzpendler aus dem Ausland: Immer mehr Beschäftigte in Deutschland mit ausländischem Wohnort. IAB-Kurzbericht Nr. 9.
Bundesagentur für Arbeit (2023): Beschäftigungsstatistik – partielle Revision 2023. Grundlagen: Methodenbericht 2023/12.
Fuchs, Johann; Söhnlein, Doris; Weber, Brigitte (2021): Projektion des Erwerbspersonenpotenzials bis 2060: Demografische Entwicklung lässt das Arbeitskräfteangebot stark schrumpfen. IAB-Kurzbericht Nr. 25.
Fuchs, Johann; Kropp, Per; Matthes, Britta (2020): Die fehlende Generation: Ostdeutschland steht vor einer massiven demografischen Herausforderung. In: IAB-Forum, 22.04.2020.
Wagner, Bettina; Hassel, Anke (2017): Arbeitsmigration oder Auswanderung? Eine Analyse atypischer Arbeitsmigration nach Deutschland. In: WSI-Mitteilungen Nr. 6, S. 409–420.
Bild: Maurice Tricatelle/stock.adobe.com;
DOI: 10.48720/IAB.FOO.20240415.01
Seibert, Holger (2024): Immer mehr Menschen pendeln aus Osteuropa nach Deutschland, In: IAB-Forum 15. April 2024, https://www.iab-forum.de/immer-mehr-menschen-pendeln-aus-osteuropa-nach-deutschland/, Abrufdatum: 12. December 2024
Diese Publikation ist unter folgender Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht: Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International (CC BY-SA 4.0): https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de
Autoren:
- Holger Seibert