In den letzten Jahren gab es eine Vielzahl von Innovationen im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI). Die öffentliche Debatte schwankt zwischen der Befürchtung, dass viele Tätigkeiten künftig nicht mehr von Menschen erledigt werden und Arbeitsplätze wegfallen, und der Hoffnung, dass neue Tätigkeitsfelder und damit eine neue Qualität von Arbeit entstehen. In einer Studie untersuchen die IAB-Forscher Michael Stops und Lennert Peede unter anderem anhand einer Analyse von Stellenanzeigen aus den Jahren 2015 bis 2019, wie sich KI-Technologien in dieser frühen Phase bereits auf die Arbeitsnachfrage und die Beschäftigung auf Betriebsebene auswirkten.

Herr Peede, Herr Stops, wie haben sich die Stellenangebote im Bereich KI im Untersuchungszeitraum entwickelt?

Dr. Michael Stops ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe „Berufe in der Transformation“ am IAB.

Michael Stops: Im Jahr 2015, also im ersten Jahr unserer Untersuchung, fanden wir in weniger als einer von tausend Stellen einen Kompetenzbedarf mit direktem Zusammenhang zu KI-Technologien. Im Jahr 2019 waren es bereits mehr als zwei Stellen. Trotz des Anstiegs ist damit das Niveau der KI-Stellen in unserem Beobachtungszeitraum doch recht niedrig. Wir gehen auch deshalb davon aus, dass wir für unsere Studie eine recht frühe Phase der Einführung von KI-Technologien beobachten konnten. Und zwar in den Betrieben, die KI-Kompetenzen nachgefragt hatten.

Welche Auswirkungen auf die Beschäftigung konnten Sie in diesen Betrieben beobachten?

Lennert Peede ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe „Berufe in der Transformation“ am IAB.

Lennert Peede: Die Beschäftigung in diesen Betrieben entwickelte sich nicht viel anders als in Betrieben, die keine KI-Kompetenzen nachfragten – mit einer Ausnahme: Die Beschäftigung in hochkomplexen Tätigkeiten weist für Betriebe mit einem Bedarf an KI-Kompetenzen ein etwas höheres Wachstum aus. Unser Befund deutet damit darauf hin, dass diese Betriebe im Allgemeinen, aber eben auch speziell für ihre Aktivitäten zur Einführung von KI-Systemen, Personal mit höheren Qualifikationen benötigen.

Von größeren Verdrängungseffekten gehen wir in dieser frühen Phase nicht aus.

Wäre es nicht eher erwartbar, dass KI-Systeme Tätigkeiten und Funktionen übernehmen, die manche bisher benötigte Kompetenz überflüssig macht?

Stops: Wir haben auch das untersucht, indem wir darauf geschaut haben, wie sich der fachliche Kompetenzbedarf der Betriebe generell entwickelt. Dabei stellte sich heraus, dass der übrige Bedarf an Kompetenzen bei den Betrieben mit einem Bedarf an KI-Kompetenzen durchaus zurückgegangen ist; allerdings auf einem sehr geringen Niveau. Von größeren Verdrängungseffekten gehen wir also in dieser frühen Phase nicht aus.

Der Bedarf an KI-Kompetenzen hat sich von 2019 bis etwa 2022 verdoppelt.

Zum Zeitpunkt Ihrer Studie war allerdings der Einsatz von KI in Betrieben noch weniger verbreitet als heute. Wie schätzen Sie heute die Nachfrage nach KI-Kompetenzen ein?

Peede: Wir haben in der Tat seitdem weitere Messungen vorgenommen. Demnach hat sich der Bedarf seit 2019 bis etwa 2022 zunächst verdoppelt. Allerdings sehen wir auch, dass sich sowohl die Covid-19-Pandemie, die mit einem heftigen wirtschaftlichen Abschwung verbunden war, als auch die unter anderem durch die Energie-Krise bedingte Rezession in 2023 dämpfend auf die Nachfrage nach KI-Kompetenzen auswirkte. Unsere Befunde werfen weitere Fragen auf, die wir hoffentlich bald beantworten können.

Welche zum Beispiel?

Peede: Wie sich etwa die auf Large-Language-Modellen basierenden KI-Tools wie ChatGPT, Dall-E oder Aleph Alpha auswirken, die seit 2022 verfügbar sind. Wegen ihnen könnten Betriebe zunächst davon abgesehen haben, weiterhin Eigenentwicklungen im KI-Bereich zu versuchen, und stattdessen auf die nun verfügbaren „fertigen“ KI-Tools setzen. Damit würden ihre Belegschaften eher Anwendungskenntnisse benötigen und nicht unbedingt Kenntnisse, die die Entwicklung oder Implementierung von KI-Systemen erfordern.

KI ist kein Schicksal, ihr Einsatz wird bestimmt durch menschliche Entscheidungen.

Sehen Sie den künftigen Fortschritten im Bereich der Künstlichen Intelligenz in Bezug auf den Arbeitsmarkt eher mit Hoffnung oder Sorge entgegen?

Stops: Beides im besten Sinne. Wir hoffen darauf, dass KI-Anwendungen uns produktiver werden lassen und die Qualität sowohl der Arbeit als auch der Arbeitsergebnisse verbessert. Dabei ist KI kein Schicksal, sondern ihr Einsatz wird bestimmt durch menschliche Entscheidungen. Politik, Unternehmen und die Gesellschaft sollten Sorge dafür tragen, dass Voraussetzungen geschaffen werden für Erprobungsspielräume und letztlich für die Einführung solcher KI, die den Menschen bei der Erfüllung seiner Aufgaben unterstützt.

Literatur

Peede, Lennert; Stops, Michael (2024): Artificial intelligence technologies, skills demand and employment: evidence from linked job ads data. IAB-Discussion Paper Nr. 15.

 

Bild: Metamorworks/stock.adobe.com

DOI: 10.48720/IAB.FOO.20241127.01

Keitel, Christiane (2024): KI-Kompetenzen gefragt: Studie zeigt tendenziell steigende Nachfrage in Stellenanzeigen, In: IAB-Forum 27. November 2024, https://www.iab-forum.de/ki-kompetenzen-gefragt-studie-zeigt-tendenziell-steigende-nachfrage-in-stellenanzeigen/, Abrufdatum: 29. November 2024