In Deutschland lebten Mitte 2021 knapp 243.000 Menschen, die aufenthaltsrechtlich lediglich geduldet waren. Die neue Bundesregierung will ihnen den Übergang in sichere Aufenthaltstitel erleichtern – sofern es den Betroffenen gelingt, am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Die Arbeitsverwaltung ist daher mehr denn je gefordert, deren Erwerbsintegration in geeigneter Weise zu unterstützen. Dies kann auch dazu beitragen, den hohen Personalbedarf der Betriebe zu decken.

Menschen mit Duldungsstatus sind im Regelfall ehemalige Asylsuchende, deren Asylantrag abgelehnt wurde. Sie haben daher keine Aufenthaltserlaubnis erhalten und müssten eigentlich ausreisen (§ 60a und § 60b Aufenthaltsgesetz (AufenthG)). Ihre Abschiebung wird aber vorläufig ausgesetzt – etwa wegen gewaltsamer Auseinandersetzungen in der Herkunftsregion, unterbrochener Verkehrswege oder fehlender Personendokumente. Der Aufenthalt dieser Menschen in Deutschland wird daher „geduldet“. Unbegleitete Minderjährige, deren Rechtsvertretungen kein Asyl beantragt haben, können ebenfalls diesen Status haben.

Die zuständige Ausländerbehörde stellt eine Duldung für einen bestimmten Zeitraum aus, beispielsweise für fünf Monate. Bleiben die Hindernisse für eine Abschiebung bestehen, kann die Ausländerbehörde die Duldung bei Bedarf immer wieder verlängern. Mit diesen „Kettenduldungen“ leben die Betroffenen unter Umständen sehr lange in Deutschland.

Der Deutsche Bundestag weist auf Basis des Ausländerzentralregisters zum Stichtag 30. Juni 2021 knapp 243.000 Personen mit unterschiedlichen Duldungstiteln aus. Hauptherkunftsländer sind der Irak, Afghanistan, Nigeria, Russland, Serbien, Iran und Pakistan. Mehr als ein Viertel lebt seit mehr als fünf Jahren in Deutschland. Knapp ein Drittel ist weiblich. Gut ein Viertel sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Jünger als 30 Jahre sind knapp 60 Prozent. Insgesamt handelt es sich also um eine eher junge Altersgruppe.

Bereits in den letzten Jahren wurde geduldeten Menschen der Zugang zu Ausbildung und Arbeitsmarkt teilweise geöffnet

Menschen mit dem unsicheren Status der Duldung wurden vom Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt lange bewusst ausgeschlossen. Seit Mitte der 2000er Jahre gab es jedoch eine Reihe politischer und rechtlicher Änderungen, die ihnen zumindest teilweise den Zugang eröffnen. So können Ausländerbehörden unter bestimmten Voraussetzungen eine betriebliche Ausbildung oder eine Beschäftigung erlauben (lesen Sie zur betrieblichen Ausbildung von Menschen mit Duldung den IAB-Kurzbericht 1/2015 von Franziska Schreyer und anderen).

Diese Erlaubnis wird nur erteilt, wenn die Identität des geduldeten Menschen etwa durch Vorlage eines Personalausweises oder einer Geburtsurkunde als geklärt gilt. Andernfalls müssen die Betroffenen zum Beispiel durch Vorsprachen bei der Botschaft oder Beschaffung von Belegen aus dem Herkunftsland an der Klärung ihrer Identität mitwirken. Um eine Ausbildung oder Beschäftigung erlauben zu können, muss die Ausländerbehörde diese Mitwirkung als zureichend einstufen (lesen Sie hierzu einen Aufsatz von Angela Bauer und Franziska Schreyer aus dem Jahr 2019 und einen 2020 im IAB-Forum erschienenen Beitrag derselben Autorinnen).

Menschen mit einer „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“ (§ 60b AufenthG) sind aktuell von betrieblicher Ausbildung und Erwerbsarbeit ausgeschlossen; laut Deutschem Bundestag galt dies zum Stichtag 30. Juni 2021 für knapp 22.000 Menschen. Ähnliches gilt für Menschen, die aus als sicher eingestuften Herkunftsländern stammen, sofern sie nach dem 31. August 2015 Asyl beantragt haben (§ 60a AufenthG). Als sicher gelten zum Beispiel Bosnien und Herzegowina, Ghana, der Kosovo, Montenegro und der Senegal (Anlage II zu § 29a Asylgesetz). Geduldete Menschen aus diesen Ländern unterliegen im Regelfall einem Arbeitsverbot. Schulische Ausbildungen sind möglich, nicht aber betriebliche.

Die neue Bundesregierung formuliert in ihrem Koalitionsvertrag (siehe Seite 110) das Vorhaben, den speziellen Duldungstitel „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“ (§ 60b AufenthG) abzuschaffen. Arbeitsverbote für Eingewanderte, die bereits in Deutschland leben, sollen allgemein abgeschafft werden (siehe Infokasten „Auf einen Blick: Die Vorhaben der Bundesregierung für Menschen mit Duldung“). Damit dürfte auch Menschen aus als sicher eingestuften Herkunftsländern der Zugang zum Erwerbssystem rechtlich eröffnet werden. Diese Maßnahmen würden es insgesamt mehr geduldeten Menschen erlauben, eine betriebliche Ausbildung oder eine Beschäftigung aufzunehmen.

Auf einen Blick: Die Vorhaben der Bundesregierung für Menschen mit Duldung

  • Ausbildung: Anstelle von (Ausbildungs-)Duldung (§ 60a und § 60c AufenthG) soll künftig bereits während der Ausbildung eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden.
  • Beschäftigung: Künftig soll die bislang auf 30 Monate befristete Beschäftigungsduldung entfristet werden (§ 60d AufenthG).
  • Duldung für Personen mit ungeklärter Identität (§ 60b AufenthG): Soll abgeschafft werden.
  • Arbeitsverbote (§ 60a und § 60b AufenthG): Sollen abgeschafft werden.
  • Aufenthaltserlaubnis für gut integrierte Heranwachsende (§ 25a AufenthG): Senkung der Voraufenthaltsdauer von vier auf drei Jahre und Erhöhung der Altersgrenze von 21 auf 27 Jahre
  • Aufenthaltserlaubnis bei nachhaltiger Integration (§ 25b AufenthG): Senkung der Voraufenthaltsdauer von acht auf sechs Jahre bzw. von sechs auf vier Jahre bei Familien
  • Versicherung der Identität an Eides statt und Chancen-Aufenthaltsrecht als einjährige Aufenthaltserlaubnis auf Probe: Sollen neu im Aufenthaltsgesetz eingeführt werden.

Die neue Bundesregierung will verstärkt Aufenthaltserlaubnisse ermöglichen

Darüber hinaus will die Bundesregierung die Bleibeperspektiven für Menschen mit Duldung unter bestimmten Voraussetzungen verbessern. Ähnlich wie in Schweden spielt die erfolgreiche Teilhabe am Arbeitsmarkt dabei eine zentrale Rolle (siehe Infokasten „Der Spurwechsel in Schweden von der Flucht- in die Arbeitsmigration“).

Bei den im Folgenden skizzierten Vorhaben geht es im Kern darum, Menschen mit Duldung den Zugang zu einer Aufenthaltserlaubnis zu erleichtern. Letztere ist zwar auf ein bis drei Jahre befristet (und kann dann verlängert werden). Der Übergang aus der Duldung in die Aufenthaltserlaubnis ist rechtlich dennoch überaus bedeutsam, denn dadurch eröffnen sich den Betroffenen langfristige Perspektiven – bis hin zur deutschen Staatsbürgerschaft. Ehedem lediglich geduldete Menschen können sich mit einer Aufenthaltserlaubnis so nach und nach eine Zukunft in Deutschland aufbauen. Langfristige Perspektiven eröffnen sich damit auch für die Betriebe: Sie können dadurch mit längerfristig verfügbaren Fach- und Arbeitskräften rechnen.

Auszubildende und Betriebe sollen mehr Rechts- und Planungssicherheit erhalten

Zunächst zu den Vorhaben der neuen Bundesregierung im Bereich der Ausbildung: Bislang verbleiben junge Menschen, die eine betriebliche Ausbildung aufnehmen konnten, während der Ausbildung im unsicheren Duldungsstatus, oftmals in der sogenannten Ausbildungsduldung (§ 60c AufenthG). Der Deutsche Bundestag wies zum Stichtag 30. Juni 2021 gut 8.000 Menschen mit Ausbildungsduldungen aus. Erst nach Abschluss der Ausbildung haben sie die Chance, aus der Duldung in eine Aufenthaltserlaubnis zu wechseln (lesen Sie hierzu einen aktuellen Beitrag von Franziska Schreyer und anderen im IAB-Forum). Die Bundesregierung formuliert in ihrem Koalitionsvertrag (siehe Seite 110) ihren Plan, diesen Auszubildenden in Zukunft bereits während der Ausbildung den Aufenthalt zu erlauben. Diese Änderung soll Auszubildenden wie Betrieben mehr Rechts- und Planungssicherheit verschaffen.

Des Weiteren plant die Bundesregierung, die Beschäftigungsduldung (§ 60d AufenthG), die bislang für 30 Monate erteilt wird, zu entfristen sowie ein „Chancen-Aufenthaltsrecht“ einzuführen. Es soll die bisherige Praxis der Kettenduldungen ablösen, die für Betroffene wie Betriebe hohe Unsicherheit schafft. Mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht können die Betroffenen unter bestimmten Voraussetzungen eine einjährige Aufenthaltserlaubnis auf Probe erhalten, um in dieser Zeit die Voraussetzungen für ein nicht näher konkretisiertes Bleiberecht zu erfüllen. Hierzu zählt insbesondere die eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts, die im Regelfall eine erfolgreiche Teilhabe am Arbeitsmarkt voraussetzt.

Für „gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende“ im Alter von bis zu 21 Jahren sieht das Aufenthaltsgesetz (§ 25a AufenthG) bereits jetzt Möglichkeiten vor, aus der Duldung in eine Aufenthaltserlaubnis zu wechseln. Erfolg in Schule und Ausbildung gilt dabei als ein Indikator für eine „gute Integration“ (zum Integrationsverständnis von Geflüchteten selbst lesen Sie den Beitrag von Stefan Röhrer im IAB-Forum aus dem Jahr 2021). In der Folge kann unter Umständen auch den Familien dieser jungen Menschen der Aufenthalt erlaubt werden.

Die Bundesregierung will nun die Voraussetzungen absenken: So soll die notwendige Voraufenthaltsdauer in Deutschland von bislang vier auf drei Jahre verkürzt und die Altersgrenze auf 27 Jahre erhöht werden.

Keine Altersbegrenzung besteht laut § 25b des Aufenthaltsgesetzes für Menschen mit Duldung und „nachhaltiger Integration“. Auch sie können eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Neben Deutschkompetenz und dem Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist die eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts eine wichtige Voraussetzung. Sie soll überwiegend durch Erwerbsarbeit gewährleistet sein. Bei § 25b Aufenthaltsgesetz plant die neue Bundesregierung eine Absenkung der Voraufenthaltsdauer, hier von bislang acht Jahren auf sechs Jahre und im Falle von Familien von sechs auf vier Jahre.

Mit sicheren Aufenthaltstiteln können die Betroffenen dem Arbeitsmarkt langfristig zur Verfügung stehen

Mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis ist rechtlich der Weg zu einer langfristigen Bleibeperspektive in Deutschland eröffnet: Ihr kann derzeit nach frühestens drei Jahren Aufenthalt die unbefristete Niederlassung und nach mindestens acht Jahren Aufenthalt die Einbürgerung folgen, sofern die Menschen dies wünschen (diese Voraufenthaltsfristen will die Bundesregierung ebenfalls verkürzen). Bei erfolgreicher (Arbeitsmarkt-)Integration können also ehemals „Geduldete“ die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen (lesen Sie hierzu einen 2018 im IAB-Forum erschienenen Beitrag von Franziska Schreyer und anderen).

Dem Arbeitsmarkt stünden damit langfristig wertvolle Fach- und Arbeitskräfte zur Verfügung. Diese werden vor allem aus demografischen Gründen künftig dringender denn je benötigt. Wie Johann Fuchs und Sabine Klinger in ihrem Beitrag im IAB-Forum aus dem Jahr 2020 darlegen, konnten Einwanderung sowie eine steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren den Einfluss der demografischen Alterung auf das sogenannte Arbeitskräftepotenzial bislang noch ausgleichen. Die Erwerbspartizipation von Deutschen stößt aber an ihre Grenzen. Umso wichtiger werden künftig Zuwanderung und eine hohe Erwerbsbeteiligung der bereits Zugewanderten.

In der Covid-19-Pandemie hat insbesondere der Mangel an Bewerbungen die Erholung am Ausbildungsmarkt behindert, wie Bernd Fitzenberger und andere in ihrem Beitrag im IAB-Forum aus dem Jahr 2022 zeigen. In vielen Berufen etwa im Handwerk oder im Gesundheitswesen sind Lehrstellen ohnehin nur schwer zu besetzen.

Auch junge Menschen mit Duldung haben das Potenzial, den Ausbildungsbedarf der Betriebe zumindest teilweise zu decken. Wie oben skizziert, gibt es bereits mit den bisherigen rechtlichen Regeln Möglichkeiten für Betriebe, diese auszubilden. Die Möglichkeiten  werden sich nochmals verbessern, wenn die Bundesregierung ihre skizzierten Vorhaben umsetzt. Dazu bedarf es aber nicht nur der Anstrengung der Betroffenen, sondern weiterer Akteure wie Betriebe, Berufsschulen und Ausländerbehörden. Auch Agenturen für Arbeit und Jobcenter sind hier gefordert.

Agenturen für Arbeit und Jobcenter sind gefordert

Menschen mit Duldung beziehen bei Hilfebedürftigkeit Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Sie werden aber in Bezug auf ihre Integration in Ausbildung und Beschäftigung von den Agenturen für Arbeit betreut. So haben sie im Regelfall einen Rechtsanspruch auf Berufsorientierung, Beratung und Vermittlung.

Bei rechtlichem Zugang zum Arbeitsmarkt haben geduldete Menschen grundsätzlich auch Zugang zu Förderleistungen des Sozialgesetzbuches III. So können bei Vorliegen der Voraussetzungen zum Beispiel Qualifizierungsmaßnahmen oder Eingliederungszuschüsse gewährt werden.

Sofern jedoch der Zugang zum Arbeitsmarkt rechtlich ausgeschlossen ist (zum Beispiel, weil Ausländerbehörden wegen als unzureichend eingestufter Mitwirkung an der Identitätsklärung ein absolutes Arbeitsverbot aussprechen), kommen Vermittlungs- und Qualifizierungsmaßnahmen beziehungsweise Förderleistungen nicht in Betracht.

Junge Menschen mit Duldung, die eine berufliche Ausbildung anstreben, sind bei ihrer beruflichen Orientierung und bei ihrer Suche nach Ausbildungsstellen ebenfalls von den Agenturen für Arbeit zu unterstützen. Bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen, die im Übrigen auch für Deutsche gelten, können sie an ausbildungsvorbereitenden Maßnahmen wie der betrieblichen Einstiegsqualifizierung teilhaben. Ferner haben sie Zugang zu ausbildungsbegleitenden Maßnahmen (Informationen zu Förderinstrumenten wie ausbildungsbegleitende Hilfen oder assistierte Ausbildung finden Sie auf den Seiten der Bundesagentur für Arbeit).

Künftig dürften für den Personenkreis und interessierte Betriebe auch die Jobcenter an Bedeutung gewinnen: Setzt die Regierung ihr geplantes Chancen-Aufenthaltsrecht als einjährige Aufenthaltserlaubnis auf Probe um, dürften die Betroffenen bei Hilfebedürftigkeit in die Zuständigkeit des Sozialgesetzbuches II und damit der Jobcenter fallen. Diese können mit ihrem Förderinstrumentarium geflüchtete Menschen bei der Arbeitsmarktintegration unterstützen, wie Zein Kasrin und Koautoren im IAB-Kurzbericht 7/2021 zeigen. Diese Unterstützung ist beim Chancen-Aufenthaltsrecht, für dessen Dauer die Bundesregierung lediglich ein Jahr vorsieht, ganz besonders wichtig.

Nähere Informationen zu den Ansprüchen von geflüchteten und geduldeten Menschen auf Betreuungs- und Förderleistungen durch die Agenturen für Arbeit und Jobcenter gibt ein 2021 herausgegebener Leitfaden für Mitarbeitende der Arbeitsverwaltung sowie eine ebenfalls 2021 neu aufgelegte Broschüre von Barbara Weiser.

Die Unterstützung der Menschen auf ihrem Weg in Ausbildung und Arbeitsmarkt durch die Arbeitsverwaltung – seien es Agenturen für Arbeit oder Jobcenter – ist bereits jetzt von hoher Bedeutung. Sie wird noch bedeutsamer, wenn die Ampelkoalition ihre im Koalitionsvertrag skizzierten Vorhaben umsetzt. So sind eine erfolgreiche Ausbildung und die eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts über Erwerbsarbeit die rechtlichen Voraussetzungen dafür, um aus der unsicheren Duldung in eine nachhaltige Bleibeperspektive wechseln zu können.

Fazit

Bereits jetzt gibt es für Menschen, die zunächst nur geduldet sind, verschiedene Möglichkeiten, an Ausbildung und Erwerbsarbeit teilzuhaben. Diese Möglichkeiten werden durch die Vorhaben der neuen Bundesregierung erweitert. Sie will den betroffenen Menschen vor allem den Übergang aus der unsicheren Duldung in eine Aufenthaltserlaubnis erleichtern. Damit können die Menschen nach und nach ein Leben für sich und ihre Nachkommen in Deutschland aufbauen. Auch dem Arbeitsmarkt käme dies zu Gute, denn Menschen mit Bleiberecht stehen dem Arbeitsmarkt auch langfristig zur Verfügung. Die Arbeitsverwaltung ist nun stärker denn je gefordert, die Menschen bestmöglich bei der Integration in Ausbildung und Arbeitsmarkt zu unterstützen. Denn diese Integration wird für die Betroffenen immer mehr zu einer rechtlichen Voraussetzung, um längerfristig in Deutschland bleiben zu können. Mit dieser Unterstützung hilft die Arbeitsverwaltung gleichzeitig den Betrieben mit ihren Personalbedarfen. Ihre Unterstützung ist also doppelt wichtig – für die betroffenen Menschen, aber auch für den Arbeitsmarkt, der künftig mehr denn je die Potenziale von Eingewanderten benötigen wird.

Der Spurwechsel in Schweden von der Flucht- in die Arbeitsmigration

Im Jahr 2008 führte Schweden die Möglichkeit ein, unter bestimmten Voraussetzungen aus der „Spur“ Fluchtmigration in die „Spur“ Arbeitsmigration zu wechseln (und umgekehrt). Konkret können Asylsuchende, deren Anträge abgelehnt werden, seither innerhalb von zwei Wochen eine Aufenthaltserlaubnis zu Arbeitszwecken beantragen. Zu den Voraussetzungen zählt, dass sie zum Zeitpunkt der Ablehnung des Asylantrags bereits seit mindestens vier Monaten erwerbstätig waren und der Betrieb ihre Weiterbeschäftigung für mindestens zwölf Monate anbietet. Art und Umfang der Erwerbsarbeit sind unwesentlich, Tarifverträge sowie branchenübliche Arbeitsbedingungen müssen aber eingehalten werden. Der Bruttolohn pro Monat muss umgerechnet mindestens rund 1.200 Euro betragen.

Mit dem System des Spurwechsels und dem damit ermöglichten Brückenschlag zwischen Flucht- und Arbeitsmigration betrat Schweden im internationalen Vergleich Neuland. Wesentliches Motiv war es, Unternehmen die Weiterbeschäftigung ihres Personals zu ermöglichen und hierfür eine pragmatische Lösung zu schaffen: Abgelehnte Asylsuchende können im Betrieb in Schweden verbleiben und müssen nicht vom Herkunftsland aus eine erneute Einreise, nun als Arbeitsmigrantin oder Arbeitsmigrant, anstrengen.

Genauere Informationen zum Spurwechsel in Schweden können Sie dem Beitrag von Bernd Parusel aus dem Jahr 2018 sowie den Seiten der Swedish Migration Agency entnehmen.

Literatur

Bauer, Angela; Schreyer, Franziska (2020): Die Gründe für eine ungeklärte Identität von Geflüchteten sind vielfältig. In: IAB-Forum, 21.07.2020.

Genge, Joachim (2021): Geflüchtete: Arbeitsmarktzugang und -förderung. Ein Leitfaden für Mitarbeitende von Arbeitsagentur und Jobcenter. Berlin.

Kasrin, Zein; Stockinger, Bastian; Tübbicke, Stefan (2021): Aktive Arbeitsmarktpolitik für arbeitslose Geflüchtete im SGB II: Der Großteil der Maßnahmen erhöht den Arbeitsmarkterfolg. IAB-Kurzbericht Nr. 7.

Klinger, Sabine; Fuchs, Johann (2020): Wie sich der demografische Wandel auf den deutschen Arbeitsmarkt auswirkt. In: IAB-Forum, 02.06.2020.

Parusel, Bernd (2018): Spurwechsel für abgelehnte Asylsuchende – warum und wie? In: NetzwerkFluchtforschung, FluchtforschungsBlog vom 13.09.2018.

Schreyer, Franziska; Bauer, Angela; Getu Lakew, Solomon (2022): Geduldete Menschen in Ausbildung: Betroffene und Betriebe haben bislang wenig Rechtssicherheit. In: IAB-Forum, 09.03.2022.

Weiser, Barbara (2021): Rahmenbedingungen des Arbeitsmarktzugangs von Geflüchteten. Unter welchen Voraussetzungen dürfen Asylsuchende, schutzberechtigte Personen sowie Migrantinnen und Migranten mit Duldung arbeiten und welche Möglichkeiten der Förderung gibt es? Berlin.

 

DOI: 10.48720/IAB.FOO.20220523.01

Schreyer, Franziska (2022): Menschen mit Duldung als Potenziale für Ausbildung und Arbeitsmarkt: Was die Ampelregierung ändern will, In: IAB-Forum 23. Mai 2022, https://www.iab-forum.de/menschen-mit-duldung-als-potenziale-fuer-ausbildung-und-arbeitsmarkt-was-die-ampelregierung-aendern-will/, Abrufdatum: 21. November 2024