29. März 2019 | Internationale und regionale Arbeitsmärkte
Regionale Arbeitsmarktprognosen (Stand: Frühjahr 2019)
Anja Rossen , Duncan Roth , Rüdiger Wapler , Antje Weyh , Marco Weißler
Alle Arbeitsmarktakteure sind bei Entscheidungen, die die künftige Entwicklung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt betreffen, auf Prognosen angewiesen – trotz aller Unsicherheit, mit der diese behaftet sind. In Anlehnung an die Arbeitsmarktprognose des IAB für Gesamtdeutschland, die im IAB-Kurzbericht 7/2019 sowie als Kurzfassung im IAB-Forum publiziert wurde, erstellt das Regionale Forschungsnetz des IAB daher Prognosen für verschiedene regionale Ebenen. Im Folgenden werden die Prognosen zur Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und der Arbeitslosen auf Ebene der Bundesländer präsentiert (Prognosen auf Ebene der Arbeitsagenturbezirke sowie zur quantitativen Entwicklung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im SGB II finden Sie auf der IAB-Website).
Das IAB geht in seiner aktuellen Frühjahrsprognose für Gesamtdeutschland davon aus, dass sich der konjunkturelle Aufschwung 2019 abschwächen wird. Für dieses Jahr wird eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts von 0,5 Prozent erwartet, nach 1,5 Prozent im Vorjahr. Dennoch dürfte sich 2019 die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt, wenn auch etwas abgeschwächt, weiter fortsetzen.
Regionale Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
Das IAB rechnet in seiner Bundesprognose mit einem weiteren Wachstum der Beschäftigung, das aber mit einem erwarteten Wert von 2,1 Prozent (im Vergleich zum Jahresdurchschnitt 2018) etwas niedriger ausfällt als in den Vorjahren. Diese Entwicklung zeigt sich auch bei den regionalen Beschäftigungsprognosen. Für das Jahr 2019 erwarten wir einen Beschäftigungszuwachs von 1,6 Prozent in Ostdeutschland und 2,2 Prozent in Westdeutschland. In beiden Landesteilen fallen diese Werte geringfügig niedriger aus als zuletzt.
Die vorliegende Regionalprognose stellt zugleich eine Aktualisierung der Ergebnisse der im IAB-Forum publizierten Herbstprognose dar, in der bereits die Entwicklung der Beschäftigung für das Jahr 2019 prognostiziert worden war. In der aktuellen Prognose liegt das erwartete Beschäftigungswachstum für das Jahr 2019 um etwa 120.000 Personen höher als damals prognostiziert. Diese Gesamtanpassung setzt sich aus einem Zuwachs in Westdeutschland (+140.000 Personen) und einem leichten Rückgang in Ostdeutschland (-20.000 Personen) zusammen. Ein Grund für die Anpassung der Beschäftigungsprognose in Westdeutschland ist, dass die Entwicklung der Beschäftigung in der zweiten Jahreshälfte 2018 günstiger verlief als noch im Herbst erwartet.
Die prognostizierte Beschäftigungsentwicklung variiert von Bundesland zu Bundesland deutlich (siehe Abbildung 1). Wie in den Vorjahren kann Berlin mit einer Wachstumsrate von 3,2 Prozent voraussichtlich den mit Abstand höchsten prozentualen Anstieg der Beschäftigung verzeichnen. In Westdeutschland dürften laut Prognose Hamburg, Schleswig-Holstein und Bayern überdurchschnittliche Wachstumsraten aufweisen. Am schwächsten fällt die Beschäftigungsentwicklung voraussichtlich in Sachsen-Anhalt und Thüringen mit jeweils 0,4 Prozent und im Saarland mit 1,0 Prozent aus. Im Rahmen der Prognoseintervalle ist in Sachsen-Anhalt und Thüringen auch ein leichter Rückgang der Beschäftigung möglich.
Regionale Entwicklung der Arbeitslosigkeit
Die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt setzt sich laut Bundesprognose auch bei der Arbeitslosigkeit fort. Das schwächere Wirtschaftswachstum dämpft jedoch den weiteren Abbau der Arbeitslosigkeit. Im Jahresdurchschnitt wird ein Rückgang um 140.000 Personen im Vergleich zum Vorjahr erwartet, was einem Rückgang von 6 Prozent entspricht. Mit 7,6 Prozent dürfte der Rückgang in Ostdeutschland relativ betrachtet stärker ausfallen als in Westdeutschland mit 5,5 Prozent. Damit fällt der erwartete Abbau der Arbeitslosigkeit niedriger aus als im Vorjahr. 2018 war die Zahl der Arbeitslosen im Osten noch um 9,1 Prozent, im Westen noch um 7,1 Prozent zurückgegangen.
Allerdings dürfte die Entwicklung der Arbeitslosigkeit im Jahr 2019 etwas günstiger ausfallen, als noch im Herbst erwartet. Insgesamt liegt die Arbeitslosenzahl im Jahresdurchschnitt um etwa 30.000 Personen niedriger, als noch im Herbst prognostiziert. Ursache dürfte die in West- und Ostdeutschland gleichermaßen günstigere Entwicklung der Arbeitslosenzahlen zum Jahresende 2018 sein.
Dabei variieren die prognostizierten Rückgänge wiederum zwischen den einzelnen Bundesländern (siehe Abbildung 2). Im Osten verzeichnen Sachsen (-8,3 %), Mecklenburg-Vorpommern (-8,0 %) und Berlin (-7,7 %) einen überdurchschnittlichen Rückgang der Arbeitslosigkeit, im Westen ist dies in Schleswig-Holstein (‑7,3 %), Hessen (-6,0 %) sowie Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen (beide -5,8 %) der Fall. Dass die Zahl der Arbeitslosen in Westdeutschland insgesamt langsamer sinkt als in Ostdeutschland, ist auch darauf zurückzuführen, dass in den relativ bevölkerungsstarken Ländern Bayern und Baden-Württemberg vergleichsweise geringe Rückgänge der Arbeitslosigkeit erwartet werden (-4,1 % bzw. -5,3 %).
Ein Blick auf die beiden Rechtskreise zeigt, dass der prognostizierte Abbau der Arbeitslosigkeit mehrheitlich auf den Bereich der sozialen Grundsicherung (SGB II) entfällt: Dort wird bundesweit ein Rückgang um 124.000 Personen erwartet – 8,1 Prozent weniger als im Vorjahr. Der Abbau fällt dabei im Westen mit 7,4 Prozent geringer aus als im Osten mit 9,9 Prozent.
Größere Unterschiede zeigen sich erneut auf Ebene der Bundesländer (siehe Abbildung 3): Am stärksten dürfte die Zahl der Arbeitslosen im SGB II in Sachsen (-10,8 %), Thüringen (-9,8 %) und Sachsen-Anhalt (-9,7 %) zurückgehen. In Bremen beträgt der Rückgang dagegen voraussichtlich nur 3,7 Prozent.
Im Bereich der Arbeitslosenversicherung (SGB III) hingegen wird bundesweit nur ein geringerer Rückgang um 17.000 Personen oder 2,1 Prozent erwartet. Mit 2,3 Prozent fällt, relativ betrachtet, der Abbau der Arbeitslosigkeit im SGB III in Ostdeutschland leicht höher aus als in Westdeutschland mit 2,1 Prozent. Dabei werden für Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern (jeweils -4,8 %) und Hessen (-4,1 %) die höchsten relativen Rückgänge prognostiziert (siehe Abbildung 4).
Die Prognoseintervalle für die Entwicklung der Arbeitslosigkeit insgesamt liegen sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland vollständig im negativen Bereich. Mithin ist ein fortgesetzter Rückgang der Arbeitslosigkeit in beiden Landesteilen sehr wahrscheinlich. In Bremen und Bayern hingegen ist sowohl ein Rückgang als auch ein Anstieg der Arbeitslosigkeit mit den Prognoseintervallen vereinbar. Bei der SGB-III-Arbeitslosigkeit gilt dies für jedes Bundesland, so dass sich hier keine eindeutige Entwicklung abzeichnet. Demgegenüber liegen die Prognoseintervalle für die Arbeitslosigkeit im SGB II durchweg im negativen Bereich. Dort steht also mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit ein weiterer Rückgang zu erwarten.
Fazit
Die regionalen Arbeitsmarktprognosen für das Jahr 2019 fallen positiv aus, da sowohl ein fortgesetzter Beschäftigungsaufbau als auch ein weiterer Rückgang der Arbeitslosigkeit erwartet wird – wenn auch mit etwas verhaltenerer Dynamik als im Jahr 2018. Für Westdeutschland gehen die Prognosen von einem etwas kräftigeren Beschäftigungswachstum aus als für Ostdeutschland, während der Abbau der Arbeitslosigkeit voraussichtlich in den neuen Bundesländern stärker ausfallen wird. Der Rückgang ist dabei mehrheitlich auf den Bereich des SGB II zurückzuführen.
Innerhalb der beiden Landesteile finden sich in beiden Dimensionen deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern. Im Vergleich zu den Veränderungen der jeweiligen Landesteile wird für Schleswig-Holstein und Berlin sowohl ein überdurchschnittliches Beschäftigungswachstum als auch ein überdurchschnittlicher Abbau der Arbeitslosigkeit erwartet – anders als in Bremen, dem Saarland, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen, wo es sich genau umgekehrt verhält.
Trotz der robusten Arbeitsmarktentwicklung in den letzten Jahren zeigen sich wachsende strukturelle Probleme auf dem Arbeitsmarkt: So passt das verfügbare Arbeitskräfteangebot zunehmend weniger zur Arbeitskräftenachfrage der Betriebe. Während sich in manchen Arbeitsmarktsegmenten und Regionen Fachkraftengpässe abzeichnen, die das Beschäftigungswachstum hemmen, übersteigt in anderen Bereichen das Arbeitsangebot die Zahl der gemeldeten Stellen bei weitem.
Aufgrund des demografischen Wandels wird das weitere Wachstum der Beschäftigung künftig immer stärker durch die zunehmende Knappheit an Arbeitskräften begrenzt, auch wenn Zuwanderung und steigende Erwerbsneigung von Frauen und Älteren den negativen Einfluss des demografischen Wandels derzeit noch überlagern.
Methodische Hinweise
Für die regionale Arbeitsmarktprognose finden verschiedene ökonometrische Modelle Anwendung, die sowohl vergangene Werte als auch Komponenten wie das Niveau, den Trend, die Saison und den Konjunkturzyklus berücksichtigen. Bei relativ kleinen regionalen Einheiten ist zudem davon auszugehen, dass die Entwicklung in räumlich nahen Regionen auch stark von den Entwicklungen in den Nachbarregionen beeinflusst wird. Solche räumlichen Abhängigkeiten werden in weiteren Modellen berücksichtigt. Gegenüber den bisherigen Prognosen ist die Gruppe der Modelle um ein Verfahren erweitert worden, das die Bestandszahlen anhand der Zu- und Abgänge in Form eines sogenannten Stock-Flow-Modells berechnet.
Um die Vor- und Nachteile dieser Vielzahl an Modellen auszugleichen, wird für die Prognose anschließend ein Durchschnitt über die verschiedenen Modelle gebildet. Bei diesem sogenannten Pooling fließen für jede Gebietseinheit nur solche Modelle in die endgültige Prognose ein, deren Entwicklung eine möglichst geringe Abweichung von der Prognose für Gesamtdeutschland aufweist. Gleichzeitig gehen die Werte der nationalen Prognosen – in denen wiederum nationale und internationale Einflüsse berücksichtigt werden – als weitere Erklärungsgröße in das Gesamtmodell für jede regionale Einheit ein. Darüber hinaus werden die prognostizierten Arbeitslosen- und Beschäftigtenzahlen mit den Einschätzungen aus den zehn regionalen Einheiten des IAB abgeglichen, wodurch auch das Vor-Ort-Wissen regionaler Expertinnen und Experten Beachtung findet.
Prognosen sind per Definition mit Unsicherheit behaftet. Aus diesem Grund werden sowohl Unter- als auch Obergrenzen der Prognosen berechnet. Diese sind so ermittelt, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von circa 66 Prozent der später tatsächlich realisierte Wert innerhalb dieser Grenzen liegt. Für eine ausführliche Erklärung der Methodik siehe den Beitrag von Hans-Uwe Bach et al. im „Handbuch Arbeitsmarkt 2009“.
Literatur
Bach, Hans-Uwe; Feil, Michael; Fuchs, Johann; Gartner, Hermann; Klinger, Sabine; Otto, Anne; Rhein, Thomas; Rothe, Thomas; Schanne, Norbert; Schnur, Peter; Spitznagel, Eugen; Sproß, Cornelia; Wapler, Rüdiger; Weyh, Antje; Zika, Gerd (2009): Der deutsche Arbeitsmarkt – Entwicklungen und Perspektiven. In: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Nürnberg (Hrsg.), Handbuch Arbeitsmarkt 2009. IAB-Bibliothek 314. Bielefeld: Bertelsmann, S. 64-78.
Fuchs, Johann; Gehrke, Britta; Hummel, Markus; Hutter, Christian; Klinger, Sabine; Wanger, Susanne; Weber, Enzo; Zika, Gerd (2019): IAB-Prognose 2019: Trotz Konjunkturflaute: Arbeitsmarkt hält Kurs. IAB-Kurzbericht Nr. 7.
Fuchs, Johann; Gehrke, Britta; Hummel, Markus; Hutter, Christian; Klinger, Sabine; Wanger, Susanne; Weber, Enzo; Zika, Gerd (2019): Arbeitsmarktprognose 2019: Trotz Konjunkturflaute hält der Arbeitsmarkt Kurs, In: IAB-Forum vom 25.03.2019.
Rossen, Anja; Roth, Duncan; Wapler, Rüdiger; Weißler Marco; Weyh, Antje (2019): Regionale Arbeitsmarktprognosen 1/2019. Aktuelle Daten und Indikatoren.
Rossen, Anja; Roth, Duncan; Wapler, Rüdiger; Weyh, Antje (2018): Regionale Arbeitsmarktprognosen (Stand: Herbst 2018). In: IAB-Forum vom 27.09.2018 .
Rossen, Anja; Roth, Duncan; Wapler, Rüdiger; Weyh, Antje; Weißler, Marco (2019): Regionale Arbeitsmarktprognosen (Stand: Frühjahr 2019), In: IAB-Forum 29. März 2019, https://www.iab-forum.de/regionale-arbeitsmarktprognosen-2019-1/, Abrufdatum: 17. November 2024
Autoren:
- Anja Rossen
- Duncan Roth
- Rüdiger Wapler
- Antje Weyh
- Marco Weißler