7. Oktober 2024 | Interviews
„Vor allem in den ostdeutschen Bundesländern erwarten wir einen überdurchschnittlichen Anstieg der Arbeitslosenquoten“
Herr Wapler, welche Auswirkungen wird die auch 2025 voraussichtlich weiterhin schwache Wirtschaftsentwicklung auf die regionalen Arbeitslosenzahlen haben?
Wir erwarten für das kommende Jahr einen Anstieg der Arbeitslosenzahlen in allen Bundesländern. Laut den Prognosen fällt er in Niedersachsen mit 0,8 Prozent am geringsten aus. Den höchsten relativen Anstieg erwarten wir in Thüringen mit 5 Prozent. Betrachten wir allerdings nur die Arbeitslosenquote, gibt es zumindest mit Niedersachsen, Bremen und Nordrhein-Westfalen drei Bundesländer, bei denen wir erwarten, dass die Arbeitslosenquote stabil bleibt.
Welche Regionen trifft es besonders hart?
Vor allem in den ostdeutschen Bundesländern erwarten wir überdurchschnittliche Anstiege der Arbeitslosenquoten. Ausnahme hierbei ist Brandenburg, wo wir lediglich einen Anstieg der Quote um 0,1 Prozentpunkte, wie auch in vielen westdeutschen Bundesländern, erwarten. Dagegen steht in Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen ein Plus von 0,3 Prozentpunkten. Das bedeutet aber nicht, dass dort auch die Arbeitslosenquoten an sich am höchsten sind. Das wird den Prognosen zu Folge in Bremen und Berlin der Fall sein, also zwei Stadtstaaten.
Wir erwarten, dass die Beschäftigung in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen im kommenden Jahr zurückgehen wird
Auch die Beschäftigung wird nicht mehr in allen Regionen steigen, sondern teils stagnieren oder gar zurückgehen. Können Sie das näher ausführen?
Wir erwarten, dass die Beschäftigung in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen im kommenden Jahr zurückgehen wird. In Brandenburg bleibt sie praktisch gleich. Da Prognosen aber durch Unsicherheit und somit auch Ungenauigkeiten gekennzeichnet sind, berechnen wir Ober- und Untergrenzen, die greifen, falls sich die Rahmenbedingungen besser oder schlechter als erwartet entwickeln. Im positivsten Szenario ist in allen Bundesländern – auch den drei zuerst genannten – noch eine Beschäftigungszunahme möglich.
Nehmen durch diese unterschiedliche Entwicklung die regionalen Ungleichheiten zu?
Dadurch, dass in einigen ostdeutschen Bundesländern sowohl die Beschäftigung sinkt als auch die Arbeitslosigkeit steigt, erwarten wir dort stärkere Anstiege der Arbeitslosenquoten als anderswo. Aber wie gerade gesagt, es gibt auch im Westen, etwa in Bremen und Hamburg, Bundesländer mit relativ hohen Arbeitslosenquoten. Die Entwicklung von regionalen Ungleichheiten müssen wir insgesamt eher längerfristig betrachten. Wenn man zumindest die Spannweite der prognostizierten Arbeitslosenquoten von 11 Prozent in Bremen bis knapp 4 Prozent in Bayern anschaut, dann entspricht deren Differenz ziemlich genau dem, was wir schon in den letzten zehn Jahren beobachten. In diesem Zeitraum lag immer die Arbeitslosenquote in Bayern am niedrigsten und in Bremen am höchsten.
Hohe Anstiege der Arbeitslosigkeit erwarten wir sowohl in Großstädten als auch in sehr dünn besiedelten ländlichen Kreisen
Wer spürt stärker die Auswirkungen der Wachstumsschwäche, die ländlichen oder die städtischen Gebiete?
Wir haben in der Regionalprognose auch Siedlungsstrukturtypen betrachtet, und die zeigen uns: Die Beschäftigung geht vor allem in den ländlichen Gebieten zurück, in städtischen Gebieten steigt sie weiterhin. Hohe Anstiege der Arbeitslosigkeit erwarten wir dagegen sowohl in den Großstädten als auch in den sehr dünn besiedelten ländlichen Kreisen. Hier können wir also nicht sagen, Stadt oder Land macht den Unterschied.
Literatur
Heining, Jörg; Jahn, Daniel; Fuchs, Stefan; Rossen, Anja; Wapler, Rüdiger; Weyh, Antje (2024): Regionale Arbeitsmarktprognosen 2024/2025: Schwache Entwicklung der regionalen Arbeitsmärkte. IAB-Kurzbericht Nr. 20.
Keitel, Christiane (2024): „Vor allem in den ostdeutschen Bundesländern erwarten wir einen überdurchschnittlichen Anstieg der Arbeitslosenquoten“, In: IAB-Forum 7. Oktober 2024, https://www.iab-forum.de/regionalprognose-interview-herbst-24/, Abrufdatum: 23. November 2024
Autoren:
- Christiane Keitel