Kurzarbeit hat sowohl in der Finanz- als auch in der Corona-Krise einen entscheidenden Beitrag geleistet, um den Arbeitsmarkt zu stabilisieren. Zugleich war und ist die Administration des Kurzarbeitergeldes eine immense Herausforderung für die Bundesagentur für Arbeit (BA). Im Interview mit dem IAB-Forum spricht BA-Managerin Eva Strobel über mögliche Reformansätze.

Frau Strobel, wie beurteilen Sie die allgemeine Wirksamkeit von Kurzarbeit, genau genommen von konjunkturellem Kurzarbeitergeld, wenn es um die Sicherung von Arbeitsplätzen geht?

Das Kurzarbeitergeld trägt dazu bei, dass Entlassungen und Arbeitslosigkeit vermieden werden können und so der Arbeitsmarkt in Krisenzeiten stabilisiert wird. Es ist zudem ein flexibles Instrument für die Betriebe, das ihnen in Krisenzeiten ermöglicht, eingearbeitete Arbeitskräfte zu halten und damit Arbeitsplätze auch in schwierigen Lagen zu sichern.

Wenn Sie den Einsatz dieses Instruments während der Finanzkrise, der Corona-Krise und der jüngsten Energiekrise miteinander vergleichen: Hat sich die Kurzarbeit aus Ihrer Sicht in allen drei Krisen gleichermaßen gut bewährt – soweit man das für die Energiekrise schon absehen kann? Oder sehen Sie da Unterschiede?

Kurzarbeit hat sich während der Finanzkrise und der Covid-19-Pandemie als hochwirksames Instrument bewährt, auch aufgrund der zeitlich befristeten Sonderregelungen. Zum Beispiel gab es einen erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld und eine Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge. Die Bedeutung des Kurzarbeitergeldes während der Covid-19-Pandemie unterscheidet sich insofern von der Finanzkrise, als im April 2020 knapp sechs Millionen Menschen konjunkturelle Kurzarbeit in Anspruch genommen haben. Das war ein historischer Höchststand. In der Spitze entsprach das drei Millionen Vollzeitbeschäftigten. Im Gegensatz zur Finanzkrise mussten zudem Betriebe Kurzarbeit in Anspruch nehmen, die zuvor noch nie in Kurzarbeit waren. Das galt vor allem für Betriebe aus dem Gastgewerbe, aus dem Kultur- und Freizeitbereich und für personenbezogene Dienstleistungen.

Und was waren oder sind die Besonderheiten bei der aktuellen Energiekrise?

Die Energiekrise unterscheidet sich insofern, als allein aufgrund der erhöhten Energiepreise eine Zahlung von Kurzarbeitergeld nicht möglich ist. Hierfür gibt es Wirtschaftshilfen, zum Beispiel die Strom- und Gaspreisbremse. Bei einer Störung der Lieferketten aufgrund der gestiegenen Energiepreise ist eine Zahlung von Kurzarbeitergeld dagegen grundsätzlich möglich. Das kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn sich ein Zulieferer entscheidet, die Produktion einzustellen, weil sie sehr viel Energie erfordert. Bei dem abnehmenden Betrieb entsteht dann ein Arbeitsausfall.

Der bisher stärkste Einsatz von Kurzarbeit, Sie hatten es ja erwähnt, erfolgte während der Corona-Krise. Wie groß war in dieser Zeit die Gefahr, dass auch Betriebe gefördert werden, die gar keine wirtschaftliche Zukunft haben?

Während der Corona-Krise wurde das Kurzarbeitergeld überwiegend aufgrund von behördlichen Anordnungen wie Lockdowns oder Kontaktbeschränkungen oder aufgrund von gestörten Lieferketten in Anspruch genommen. Aufgrund dieser Umstände kann weitgehend ausgeschlossen werden, dass Betriebe ohne wirtschaftliche Zukunft sozusagen künstlich am Leben erhalten wurden, da die Gründe für die Kurzarbeit überwiegend nicht in der wirtschaftlichen Situation des Betriebes lagen. Aber es kommt noch ein anderer Faktor hinzu.

Welcher?

Regulär tragen die Arbeitgeber die während der Kurzarbeit anfallenden Beiträge zur Sozialversicherung alleine, wobei es während der Covid-19-Pandemie eine Ausnahme gab. Diese dem Betrieb verbleibenden Remanenzkosten sind eine Kostenbeteiligung durch den Betrieb. Mitnahmeeffekte können damit verhindert werden.

Wie bewerten Sie den Gesamtaufwand für das Kurzarbeitergeld, der durch die Pandemie verursacht wurde?

Die pandemiebedingte hohe Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld verursacht in der Abwicklung weiterhin hohe Aufwände in der abschließenden Prüfung der Auszahlungen.

Auch das dreistufige Vorgehen der Anzeige und Abrechnung von Kurzarbeitergeld war in der Corona-Krise ein großer bürokratischer und personeller Aufwand, sowohl für die Bundesagentur für Arbeit als auch für die Betriebe. Sehen Sie Möglichkeiten, den Einsatz von Kurzarbeit diesbezüglich noch effektiver zu gestalten?

Die Abwicklung des Kurzarbeitergeldes während der Covid-19-Pandemie hat die BA in der Tat massiv belastet. Dies ist auf die massenhafte Nutzung des Kurzarbeitergeldes und die langen Bezugsdauern zurückzuführen, aber auch auf das von Ihnen erwähnte dreistufige Verfahren.

Damit der Administrationsaufwand im Falle einer erneuten massenhaft notwendigen Inanspruchnahme künftig auf ein beherrschbares Maß reduziert werden kann, brauchen wir aus Sicht der BA ein geeignetes Instrument für krisenhafte Situationen. Im bestehenden System ist dies nur leistbar, wenn wir erhebliche Einschränkungen bei weiteren Aufgaben der BA, insbesondere im Vermittlungs- und Beratungsbereich, in Kauf nehmen.

Leistungsmissbrauch gab es nur in Einzelfällen.

Was hat die BA in der Corona-Krise getan, um einem massenhaften Missbrauch von Kurzarbeitergeld vorzubeugen?

Hervorzuheben ist, dass es nur in Einzelfällen vollzogenen oder versuchten Leistungsmissbrauch gab. Um die rechtskonforme Leistungsgewährung sicherzustellen, haben wir seinerzeit ein breites und auf Prävention ausgerichtetes Maßnahmenpaket umgesetzt. Dadurch konnten Verdachtsfälle aufgedeckt werden, bevor es zu einer tatsächlichen Schädigung kam.

Mit § 421c SGB III gibt es ja schon eine Sonderregelung im Zusammenhang mit Kurzarbeit. Danach kann auf eine Abschlussprüfung verzichtet werden, wenn der Gesamtauszahlungsbetrag 10.000 Euro nicht überschreitet. Wie beurteilen Sie diese Vereinfachungen bei den Abschlussprüfungen für Kurzarbeit?

Die BA begrüßt diese gesetzliche Regelung. Ohne sie wären die insgesamt 1,126 Millionen Abschlussprüfungen voraussichtlich erst im Jahr 2024 vollständig abgeschlossen. Mit dieser Sonderregelung können wir die Abschlussprüfungen zeitnah abschließen und frühzeitig Rechtssicherheit für alle Beteiligten herstellen. Unabhängig von der eingeführten Untergrenze ist aber eine Abschlussprüfung anlassbezogen bei Verdachtsfällen auf Leistungsmissbrauch oder auf Verlangen des Arbeitgebers oder der Betriebsvertretung durchzuführen.

Sind aus Ihrer Sicht weitere Vereinfachungen erforderlich?

Während der Covid-19-Pandemie haben wir beim Kurzarbeitergeld viele Erfahrungen und Erkenntnisse gewonnen. Diese werden im Rahmen eines umfangreichen Lessons-Learned-Prozesses gesammelt und bewertet. Dieser Prozess und dessen Ergebnisse bleiben abzuwarten.

Krisen-Kurzarbeitergeld sollte das bisherige Kurzarbeitergeld ergänzen, nicht ersetzen.

Wo sehen Sie die Möglichkeiten und Grenzen eines Notfall-Kurzarbeitergeldes?

Ein Kurzarbeitergeld für krisenhafte Lagen sollte nur genutzt werden, wenn Umstände vorliegen, bei denen eine massenhafte Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld besteht oder akut droht, die durch die BA nicht im normalen Verfahren administriert werden kann. Diese Umstände können sich aufgrund eines staatlichen Eingriffs ergeben, zum Beispiel bei einem Lockdown oder einer staatlichen Zuteilung von Gas wegen einer extremen Gasmangellage. Ein Kurzarbeitergeld für krisenhafte Lagen sollte nur für einen befristeten Zeitraum Anwendung finden. Verfahrenserleichterungen wie vereinfachte Auszahlungsverfahren, pauschalisierte Beträge und reduzierte Verpflichtungen zur Nachprüfung sollte es also nur in solchen Ausnahmesituationen geben. Das Kurzarbeitergeld für krisenhafte Lagen sollte eine Ergänzung zum bisherigen Kurzarbeitergeld sein, kein Ersatz. Und es sollte anders als das reguläre Kurzarbeitergeld durch Mittel des Bundes finanziert werden, nicht durch Beitragsmittel.

Kurzarbeit, so die Idee der Politik, soll ja auch dafür genutzt werden, damit die Betriebe ihre Beschäftigten in dieser Zeit weiterbilden. Welche Anreize gibt es dafür?

Bis Ende Juli 2023 wird den Betrieben für die Beschäftigten, die in Kurzarbeit sind und sich gleichzeitig qualifizieren, nach § 106a SGB III die Hälfte der Sozialversicherungsbeiträge erstattet. Für berufliche Weiterbildungsmaßnahmen, die während der Kurzarbeit begonnen wurden, werden zusätzlich unter bestimmten Voraussetzungen und abhängig von der Betriebsgröße die Lehrgangskosten bis zum Ende der Maßnahme bezuschusst. Das gilt auch, wenn die Weiterbildung über die Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes hinaus andauert.

Im Mai 2022 haben weniger als ein Prozent der Betriebe in Kurzarbeit diese dafür genutzt, um ihre Beschäftigten weiterzubilden.

Bisher war der Erfolg allerdings sehr begrenzt. Woran liegt das?

Das ist richtig. Im Mai 2022 lag der Anteil der Betriebe in Kurzarbeit, die diese Möglichkeit genutzt haben, bei unter einem Prozent. Denn Weiterbildung ist aus Sicht der Arbeitgeber oftmals nicht kompatibel mit der schlecht planbaren Kurzarbeit. Dazu kommt, dass bis Dezember 2021 aufgrund der Sonderregelung allen Betrieben die Beiträge zur Sozialversicherung zu hundert Prozent erstattet wurden – also unabhängig von etwaiger Weiterbildung der von Kurzarbeit betroffenen Beschäftigten.

Ein weiterer Grund ist, dass Phasen der Kurzarbeit für manche Unternehmen häufig nicht der ideale Zeitpunkt für Weiterbildung sind. So müssen zunächst existenzielle Probleme gelöst werden, die von Betrieben als dringlicher betrachtet werden als die Weiterbildung von Beschäftigen. Zudem müssen Arbeitgeber während der Kurzarbeit Möglichkeiten ausloten, um den Leistungsbezug schnellstmöglich zu beenden.

Wo müsste man aus Ihrer Sicht ansetzen, damit mehr Betriebe in Kurzarbeit diese zur Weiterbildung ihrer Beschäftigten nutzen?

Sehr wichtig ist aus meiner Sicht die gute Beratung der Arbeitgeber zu diesem Instrument. Neben der persönlichen Beratung wurden die entsprechenden Informationen im Internet bereits ausgeweitet und zum Beispiel ein Erklärvideo eingestellt.

Zur Person

Eva Strobel war bis Ende Januar 2023 Geschäftsführerin des Geschäftsbereichs „Förder- und Geldleistungen“ in der Bundesagentur für Arbeit und davor Leiterin der Regionaldirektion Baden-Württemberg.

 

doi: 10.48720/IAB.FOO.20230228.01

Schludi, Martin (2023): „In der Krise hat sich Kurzarbeit als hochwirksames Instrument bewährt“, In: IAB-Forum 28. Februar 2023, https://www.iab-forum.de/in-der-krise-hat-sich-kurzarbeit-als-hochwirksames-instrument-bewaehrt/, Abrufdatum: 18. November 2024