Eine Diskriminierung aufgrund der Herkunft darf auf dem Arbeitsmarkt eigentlich nicht stattfinden. Eine neue Studie zeigt jedoch, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen bei der Einstellung benachteiligt werden. Die Redaktion des IAB-Forums hat bei den beiden Beteiligten aus dem IAB, Yuliya Kosyakova und Philipp Jaschke, nachgefragt.

Ein Team von Forschenden des IAB, des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung, des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung, der Universität Mannheim und des Collegio Carlo-Alberto in Turin untersuchte in zwei Befragungsexperimenten die Einstellungschancen fiktiver Bewerberinnen und Bewerber in fast 5.000 Unternehmen in Deutschland. Wie die neue Studie zeigt, werden bestimmte Bevölkerungsgruppen bei der Personalrekrutierung benachteiligt.

Frau Kosyakova, Herr Jaschke: Wie kann man sich die Experimente vorstellen, die Sie durchgeführt haben, um mehr über die Einstellungschancen im Ausland geborener Bewerberinnen und Bewerber sowie Angehöriger religiöser Minderheiten herauszufinden?

Foto von Philipp Jaschke

Philipp Jaschke ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsbereich „Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung“ am IAB.

Philipp Jaschke: Wir haben mit Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern in Deutschland zwei Befragungsexperimente durchgeführt: ein sogenanntes Listenexperiment und ein Vignettenexperiment.

Für das Listenexperiment haben wir eine Reihe zufälliger Merkmale von Bewerberinnen und Bewerbern genannt. Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sollten angeben, wie viele, aber nicht welche, dieser Merkmale einer Einstellung im Wege stünden. Ein Teil der Befragten sah dabei eine Liste mit Charakteristika, die nicht direkt mit unserem Forschungsinteresse zusammenhängen. Die anderen Befragten erhielten die gleiche Liste, ergänzt um zufällig ausgewählte, für uns relevante Merkmale wie Herkunft oder Religionszugehörigkeit. Daraus konnten wir schließen, wie häufig solche Merkmale im Durchschnitt der Befragten als Hinderungsgründe für eine Einstellung gesehen wurden. Durch den hohen Grad der Anonymität gehen wir davon aus, dass die Ergebnisse nahe an der „Wahrheit“ liegen, weil die Befragten wenig sozial erwünscht antworten.

Prof. Dr. Yuliya Kosyakova leitet den Forschungsbereich „Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung“ am IAB.

Yuliya Kosyakova: In dem Vignettenexperiment haben wir Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zu fiktiven Bewerberinnen und Bewerbern befragt, deren für eine Einstellung relevanten Merkmale – etwa Qualifikation – zufällig variiert wurden. Dieses Verfahren erlaubt es uns, bei ausreichend vielen Kombinationen statistisch abzuschätzen, welchen Einfluss bestimmte Merkmale haben.

Wichtig ist zu betonen, dass es bei realen Personalentscheidungen praktisch unmöglich ist, zu quantifizieren, wie genau sich Herkunftsland oder Religionszugehörigkeit auf die Einstellungschancen auswirken. Das liegt daran, dass sich Bewerberinnen und Bewerber in vielen weiteren Merkmalen unterscheiden, wie etwa Alter oder Qualifikation. Wir können nicht belegen, was für die Zusage oder Ablehnung letztendlich den Ausschlag gibt. Dafür sind aber die Experimente, die wir durchgeführt haben, besser geeignet.

 Was kam bei den beiden Experimenten heraus?

Jaschke: Das Listenexperiment zeigt, dass laut 15 Prozent der befragten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber muslimisch zu sein einer Einstellung in ihrem Unternehmen im Wege stünde. Etwa gleich viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben Vorbehalte bei der Einstellung von Geflüchteten. Gegenüber Bewerberinnen und Bewerbern, die religiöse Symbole tragen, liegt der Anteil mit etwa 25 Prozent noch höher.

Außerdem stellen wir in dem Vignettenexperiment fest, dass Bewerberinnen und Bewerber, die sich ansonsten nicht voneinander unterscheiden, also weder in Geschlecht, Alter, Vorhandensein von Kindern, Berufserfahrung oder anderem, deutlich geringere Einstellungschancen haben, wenn sie sich in ihrer Freizeit in einem muslimischen Kulturverein engagieren.

Gibt es dabei auch Unterschiede je nach Herkunft der Bewerberinnen und Bewerber?

Kosyakova: Ja, durchaus. Das Vignettenexperiment weist darauf hin, dass die Benachteiligung sich bei muslimischen Bewerberinnen und Bewerbern aus muslimisch geprägten Staaten wie Syrien und der Türkei zeigt, nicht jedoch bei Muslim*innen, die aus Deutschland, der Ukraine oder Russland stammen. Frühere Forschung zeigt ebenfalls, dass Diskriminierung gegenüber Musliminnen und Muslimen aus Ländern, die allgemein als autoritärer und geschlechterungleicher wahrgenommen werden, stärker ist.

Es scheint in kleinen Firmen weitaus häufiger vorzukommen als in großen, dass Musliminnen und Muslime geringere Einstellungschancen haben

Welche Unterschiede zeigen sich zwischen den Unternehmen?

Jaschke: Es scheint in kleinen Firmen weitaus häufiger vorzukommen als in großen, dass Musliminnen und Muslime geringere Einstellungschancen haben. Nach Sektoren differenziert sind Vorbehalte im Dienstleistungssektor seltener. Dies könnte damit zusammenhängen, dass diese Firmen bereits mehr Erfahrungen mit Beschäftigten gesammelt haben, die einer Minderheit in Deutschland angehören.

Kosyakova: Überrascht hat uns, dass selbst ein Arbeitskräftemangel allem Anschein nach nicht dazu führt, dass die Gruppen bessere Chancen haben, die sonst auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt sind. Firmen, die nach eigenen Angaben unter Arbeitskräfteknappheit leiden, berichten zwar höhere Einstellungschancen für deutsche Bewerberinnen und Bewerber, nicht aber für ausländische. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass Betriebe bestimmte Gruppen bei Einstellungsentscheidungen benachteiligen.

Sie haben die Daten nicht nur nach Herkunft und Religionszugehörigkeit, sondern auch nach Geschlecht ausgewertet. Was beobachten Sie da?

Jaschke: Wie schon in früheren Studien zeigt sich, dass Frauen bei Einstellungsprozessen starke Nachteile haben, wenn sie Kinder haben. Selbst Unternehmen, die unter Arbeitskräfteknappheit leiden, weichen von diesem Verhalten selten ab. Offensichtlich sehen diese Firmen weder die Einstellung von ausländischer Bewerberinnen und Bewerber noch von Müttern als Möglichkeit zur Lösung für ihr Arbeitskräfteproblem an.

Können sich Firmen eine solche Haltung wirklich noch leisten?

Kosyakova: Letztendlich muss jede Firma das für sich entscheiden. Jedoch sehen wir schon die Gefahr, dass insbesondere die Bemühungen zur Fachkräftegewinnung aus dem Ausland gebremst werden könnten. Die Menschen, die durch das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz in den deutschen Arbeitsmarkt gelangen, müssen am Ende von den betroffenen Firmen ja auch eingestellt werden. Momentan sieht es so aus, dass ein Teil der Arbeitskräfteknappheit daher rühren könnte, dass das vorhandene Arbeitskräftepotenzial nicht optimal genutzt wird.

Trotz Gesetzen und Regelungen sehen wir in der Praxis nach wie vor, dass bestimmte Gruppen benachteiligt sind

Was sagt das über unsere gesellschaftlichen Integrationsbemühungen aus?

Jaschke: Trotz Gesetzen und Regelungen, die Menschen in verschiedensten Lebensbereichen – auch auf dem Arbeitsmarkt – gleiche Chancen einräumen sollen, sehen wir in der Praxis nach wie vor, dass bestimmte Gruppen benachteiligt sind. Offensicht muss noch stärker aufgeklärt werden, dass Diskriminierung nicht nur für die darunter leidenden Menschen individuell, sondern auch für die rekrutierenden Firmen nachteilig ist. Eben weil das zur Verfügung stehenden Arbeitskräfteangebot nicht optimal genutzt wird und deswegen möglicherweise Produktion überhaupt nicht oder nur zu höheren Personalkosten stattfindet.

Was kann man tun, um vor allem antimuslimische Vorurteile abzubauen und solche diskriminierenden Praktiken zu unterbinden?

Kosyakova: Das ist ein ganz eigener Forschungszweig. Natürlich können verschiedene Ansätze wie Informationskampagnen und gesetzliche Regelungen einen Beitrag leisten. Wichtiger noch ist, dass die gesamte Gesellschaft begreift, dass Diskriminierung am Ende uns allen schadet.

Literatur

Jaschke, Philipp; Kosyakova, Yuliya; Auer, Daniel; Hunkler, Christian; Salikutluk, Zerrin; Sprengholz, Maximilian (2025): Immigrants’ recruitment chances in the German labor market: Evidence from large-scale survey experiments. IAB-Forschungsbericht Nr. 6.

 

Bild: Mediteraneo/stock.adobe.com

DOI: 10.48720/IAB.FOO.20250320.01

Keitel, Christiane (2025): Studie zeigt: Muslimische Bewerberinnen und Bewerber haben auf dem Arbeitsmarkt geringere Chancen, In: IAB-Forum 20. März 2025, https://www.iab-forum.de/studie-zeigt-muslimische-bewerberinnen-und-bewerber-haben-auf-dem-arbeitsmarkt-geringere-chancen/, Abrufdatum: 25. March 2025

 

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