16. Juli 2020 | Serie „Corona-Krise: Folgen für den Arbeitsmarkt“
To work or not to work? Eine Fallstudie zur Beschäftigungsstruktur von Studierenden und möglichen Auswirkungen der Corona-Krise
Ipek Yükselen , Malte Sandner , Nele Jugenheimer , Bernhard Christoph
Die Covid-19-Pandemie bringt unterschiedliche Belastungen für die Bevölkerung mit sich. Deutlich spürbar sind nicht zuletzt die dadurch bedingten Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Bei Studierenden gehen diese Einschränkungen zudem mit Problemen im universitären Lehrbetrieb einher. So wird die (rechtzeitige) Erbringung von Studienleistungen dadurch erschwert. Letzten Endes kann sogar der Studienerfolg gefährdet sein.
Durch das Herunterfahren der Aktivitäten in Wirtschaftsbereichen, die bislang gute Möglichkeiten für Nebentätigkeiten boten, können Studierende aber auch finanziell unter Druck geraten. Dies gilt umso mehr, da sie typischerweise geringfügigen Beschäftigungen nachgehen und hier sozialstaatliche Absicherungsmaßnahmen wie das Kurzarbeitergeld nicht greifen. Wenn die bisherige Tätigkeit wegfällt, kann dies also schnell zu erheblichen Einnahmeausfällen führen.
Dieses Problem hat auch auf politischer Seite Beachtung gefunden. So hat die Bundesregierung KfW-Studienkredite und Überbrückungshilfen von maximal 500 Euro für betroffene Studierende beschlossen. Allerdings liegen bislang kaum belastbare Zahlen über Jobverluste von Studierenden vor. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Betroffenen oftmals nicht in offiziellen Statistiken auftauchen, weil sozialpolitische Maßnahmen, die typischerweise auf Beschäftigte zielen, wegen der üblicherweise nicht sozialversicherungspflichtigen studentischen Tätigkeiten häufig nicht greifen.
Im Folgenden wird daher ein Überblick über die Struktur studentischer Erwerbsarbeit gegeben und abgeschätzt, inwieweit Studentenjobs in der aktuellen Krise weggefallen sind oder bedroht sein könnten – zum Beispiel, weil Betriebe geschlossen wurden oder nur noch eingeschränkt tätig sind. Grundlage der präsentierten Ergebnisse ist ein spezifischer Datensatz, in dem Absolventendaten der Universität Regensburg mit Prozessdaten der Bundesagentur für Arbeit verknüpft werden. Damit lassen sich detaillierte studienbezogene Informationen mit Angaben zur Erwerbstätigkeit während des Studiums und zum jeweiligen Arbeitgeber zusammenführen.
Einkommen aus Erwerbstätigkeit machen gut ein Viertel des studentischen Gesamtbudgets aus
Einkommen aus Erwerbstätigkeit neben dem Studium machen einen nicht unerheblichen Teil der studentischen Einkommen aus. Nach der letzten, im Jahr 2017 unter Leitung von Elke Middendorf publizierten Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, deren Daten aus dem Jahr 2016 stammen, beziehen bundesweit 61 Prozent der Studierenden Einkommen aus Erwerbstätigkeit von im Durchschnitt 385 Euro im Monat. Allerdings handelt es sich hierbei in den meisten Fällen nicht um die Haupteinkommensquelle der Studierenden.
Im Durchschnitt über alle Studierenden machen die Einkommen aus Erwerbstätigkeit 26 Prozent des studentischen Gesamtbudgets von durchschnittlich 917 Euro aus. Finanzielle Unterstützung durch die Eltern hat mit 51 Prozent des durchschnittlichen Gesamtbudgets nahezu den doppelten Umfang, und die große Mehrheit von 86 Prozent der Studierenden wird von den Eltern unterstützt.
Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) und sonstige Zahlungen machen mit jeweils 12 Prozent einen geringeren Anteil des studentischen Budgets aus. Insbesondere beim BAföG liegt dies allerdings daran, dass lediglich 25 Prozent der Studierenden BAföG beziehen. Erhält man BAföG-Leistungen, sind die Zahlungen mit durchschnittlich 435 Euro durchaus substanziell.
Auch bei den Absolventen der Universität Regensburg – untersucht wurden die Absolventenkohorten 2011 bis 2016 – ist Erwerbsarbeit während des Studium weit verbreitet. Zum jeweiligen Stichtag (1. Juni) lag der Anteil der beschäftigten Studierenden zwischen knapp 60 Prozent im Jahr 2011 und knapp 67 Prozent im Jahr 2016, was ungefähr dem bundesweiten Durchschnitt entspricht.
Betrachtet man hingegen den Anteil der Regensburger Studierenden, die irgendwann während ihres Studiums einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sind, so lag dieser mit Werten zwischen 80 und 90 Prozent deutlich höher. Da viele von ihnen im Verlauf ihres Studiums mehr als nur einen Job hatten, wird in diesen Fällen auf diejenige Beschäftigung abgestellt, die am längsten ausgeübt wurde.
Am häufigsten arbeiten Studierende an der Universität und in der Gastronomie
Ein erster Blick auf die Wirtschaftszweige zeigt, dass zwar viele junge Menschen, die in Regensburg studiert haben, in der Gastronomie gearbeitet haben (14,5% aller erwerbstätigen Studierenden) – mithin in einem von der Covid-19-Rezession sehr stark betroffenen Wirtschaftszweig (siehe Abbildung 1). Deutlich mehr waren jedoch im Bereich „Erziehung und Unterricht“ tätig (22,9 %) – vornehmlich als Hilfskräfte in der universitären Forschung und Lehre. Darüber hinaus arbeiteten Studierende häufig im Einzelhandel (13,5 %).
Ein jeweils deutlich geringerer Teil war im Gesundheitswesen (7,4 %) sowie in den Branchen „Freiberufliche, wissenschaftliche, technische Dienstleistungen“ (7,1 %), „Sonstiges verarbeitendes Gewerbe“ (5,2 %), „Information und Kommunikation“ (4,3 %), „Finanz- und Versicherungsdienstleistungen“ (2,8 %), „Sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen“ (3,8 %) und „Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen“ (2,7 %) tätig (siehe Abbildung 1). Nur knapp 16 Prozent arbeiteten außerhalb dieser zehn in der Abbildung ausgewiesenen Wirtschaftszweige.
Die Gastronomie ist besonders stark, das Bildungswesen eher schwach von Kurzarbeit betroffen
Eine studentische Beschäftigung an der Universität kommt nicht nur häufiger vor als eine studentische Tätigkeit in der Gastronomie. Sie dürfte in der Covid-19-Krise aller Wahrscheinlichkeit nach auch sicherer sein. Da einzelne Wirtschaftszweige davon unterschiedlich betroffen sind und daher in unterschiedlichem Umfang Kurzarbeit angezeigt haben, lässt sich zumindest grob abschätzen, wie gefährdet studentische Beschäftigung im jeweiligen Wirtschaftszweig ist (siehe Infokasten „Daten und Methoden“).
Über alle Wirtschaftszweige hinweg beläuft sich diesen Schätzungen zufolge der Anteil der erwerbstätigen Studierenden, deren Job durch die wirtschaftlichen Folgen der Krise gefährdet worden sein könnte, auf etwa 37 Prozent. Dieser Wert liegt aufgrund der Branchenstruktur der studentischen Beschäftigung über dem Anteil der Personen an allen Beschäftigten, für die Kurzarbeit angezeigt wurde, von etwa 30 Prozent.
Beim Blick auf einzelne Wirtschaftszweige lässt sich ein klarer Trend ablesen. Besonders betroffen ist die Gastronomie: Für etwas über 90 Prozent der Beschäftigten in diesem Bereich wurde Kurzarbeit beantragt. Ähnlich hoch sind die Zahlen im Wirtschaftszweig „Beherbergung“ (siehe „Aktuelle Daten und Indikatoren“). Ebenfalls hoch sind die Anteile in der Automobilindustrie (Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen) und im Wirtschaftszweig „Kunst, Unterhaltung, Erholung“.
Zu den Branchen mit einem vergleichsweise niedrigen Anteil an Kurzarbeitsmeldungen von etwa zehn Prozent oder weniger zählen neben dem Wirtschaftszweig „Erziehung und Unterricht“ mit den Hochschulen als wichtigstem Arbeitgeber der Studierenden unter anderem die Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, das Sozialwesen oder die öffentliche Verwaltung. Damit wiederum können auch die Studentenjobs in diesen Bereichen als vergleichsweise sicher gelten.
Allerdings ist diese Analyse mit gewissen Unsicherheiten behaftet. So könnte sich in einem Teil der betroffenen Betriebe die wirtschaftliche Situation besser entwickelt haben als erwartet und in der Folge die zunächst angezeigte Kurzarbeit nicht oder nur in geringerem Ausmaß realisiert werden. Außerdem könnten sich zumindest für einen Teil der Studierenden, die ihren Job verlieren, alternative Beschäftigungsmöglichkeiten ergeben. Zudem ist schwer einschätzbar, in welchem Umfang den Studierenden Einkommen aus anderen Quellen wie Zahlungen der Eltern oder BAföG zur Verfügung steht, das die ökonomischen Folgen eines Jobverlusts abfedert. Daher lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, inwieweit der Verlust der Erwerbstätigkeit wirklich eine ökonomische Härte für die einzelnen Studierenden bedeutet.
Alle diese Faktoren können dazu beitragen, dass die tatsächliche Situation der Studierenden positiver ausfällt als hier skizziert. Andererseits ist denkbar, dass gerade studentische und andere geringfügige Beschäftigung zuerst und eher abgebaut wird, bevor der Arbeitgeber Kurzarbeit für seine Stammbelegschaft beantragt.
Fazit
Auch im Fall der Studierenden der Universität Regensburg besteht die Gefahr, dass die gegenwärtige Corona-Krise zu Jobverlusten führt – nicht zuletzt, weil sie vergleichsweise häufig in Wirtschaftszweigen arbeiten, die von der Krise stark betroffen sind. Aufgrund der Verteilung der studentischen Beschäftigung über die verschiedenen Wirtschaftszweige und der Häufigkeit, mit der dort Kurzarbeit angezeigt wurde, lässt sich der Anteil der erwerbstätigen Studierenden, deren Job gefährdet oder bereits weggefallen ist, auf gut ein Drittel schätzen.
Geht man weiterhin davon aus, dass 60 bis 67 Prozent der Studierenden, also etwa zwei Drittel, erwerbstätig sind, ergibt sich ein Anteil von etwa 20 Prozent aller Studierenden der Universität Regensburg, der durch die momentane Situation potenziell in finanzielle Schwierigkeiten geraten könnte.
Da die Studierenden bei einem Wegfall ihrer Erwerbstätigkeit in der Regel nicht wie sozialversicherungspflichtig Beschäftigte abgesichert sind und eine unzureichende Studienfinanzierung das von den Studierenden bisher Erreichte in Frage stellen könnte, ist eine Unterstützung der Betroffenen von staatlicher Seite sinnvoll. Ob die hierfür vorgesehenen Nothilfen von bis zu 500 Euro für Studierende ohne jegliche Rücklagen auch in teureren Universitätsstädten tatsächlich ausreichen, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen. In jedem Fall sollte die Politik genau im Blick behalten, wie sich die finanzielle Lage der Studierenden in den kommenden Monaten entwickelt, um bei Bedarf schnell nachsteuern zu können.
Daten und Methoden
Um im ersten Schritt festzustellen, wie stark ein Wirtschaftszweig von der Krise betroffen ist, werden vorläufige Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zu angezeigter Kurzarbeit für die Monate März und April 2020 genutzt. Diese liegen wirtschaftszweigspezifisch vor und werden der Beschäftigtenzahl im Wirtschaftszweig insgesamt gegenübergestellt (hier stammen die letzten verfügbaren Zahlen vom September 2019). Dadurch lässt sich der Anteil der Beschäftigten eines Wirtschaftszweigs berechnen, deren Betriebe für sie Kurzarbeit angezeigt haben. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass angezeigte Kurzarbeit in der Folgezeit nicht zwangsläufig realisiert wird. Insofern stellen die präsentierten Ergebnisse die Obergrenze für eine tatsächliche Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld dar.
Im zweiten Schritt werden diese Informationen verwendet, um abzuschätzen, wie stark Studierende mit Nebentätigkeiten in den einzelnen Wirtschaftszweigen von der gegenwärtigen Situation betroffen sind. Dabei nutzen wir den Anteil der von angezeigter Kurzarbeit Betroffenen als Näherungswert für die potenzielle Gefährdung studentischer Beschäftigung in einem Wirtschaftszweig. Diese beziehen wir dann im Anschluss auf die gegebene Struktur der studentischen Beschäftigung, um zu sehen, was dies für die Studierenden insgesamt bedeutet (zu den detaillierten Ergebnissen siehe „Aktuelle Daten und Indikatoren“).
Bei diesem Vorgehen gehen wir von der Annahme aus, dass eine kritische Situation in einem Wirtschaftszweig die Studierenden in ähnlicher Weise betrifft wie die regulären Beschäftigten. Allerdings ist die Gefahr, dass eine wirtschaftlich angespannte Lage des Arbeitgebers zum Verlust der Beschäftigung führt, bei Studierenden wohl meist höher als bei regulären Beschäftigten. Für letztere kann der Arbeitgeber in einer wirtschaftlichen Notlage Kurzarbeitergeld beantragen: Arbeitgeber können dadurch Kosten reduzieren und gleichzeitig das Arbeitsverhältnis aufrechterhalten. Zudem ist der Arbeitnehmer finanziell abgesichert. Da Studierende – aufgrund ihrer zumeist geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse – in der Regel keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben, dürfte in den meisten Fällen eine Kündigung die einzige Möglichkeit des Arbeitgebers sein, um die mit dem Arbeitsverhältnis verbundenen Kosten zu reduzieren.
Darüber hinaus wird vorausgesetzt, dass sich studentische Beschäftigte nicht in spezifischen Betrieben innerhalb eines Wirtschaftszweigs konzentrieren oder, falls doch, diese Betriebe im Hinblick auf ihre Betroffenheit von der gegenwärtigen Krise dem Gesamtdurchschnitt des Wirtschaftszweigs entsprechen. Weiter wird unterstellt, dass die Situation der Studierenden in Regensburg derjenigen der Studierenden im übrigen Bundesgebiet im Großen und Ganzen ähnelt.
Literatur
Middendorff, Elke; Apolinarski, Beate; Becker, Karsten; Bornkessel, Philipp; Brandt, Tasso; Heißenberg, Sonja; Poskowsky, Jonas (2017): Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2016. 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks durchgeführt vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung. Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2019): Beschäftigte nach Wirtschaftszweigen (WZ 2008) (Quartalszahlen). Deutschland. Stichtag: 30. September 2019.
Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2020a): Angezeigte Kurzarbeit (Zeitreihe Monatszahlen). Deutschland, West/Ost, Länder, Kreise und Agenturen für Arbeit. März 2020. Endgültige Daten.
Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2020b): Angezeigte Kurzarbeit (Zeitreihe Monatszahlen). Deutschland, West/Ost, Länder, Kreise und Agenturen für Arbeit. April 2020. Vorläufige Daten 01.–26.04.2020.
Yükselen, Ipek; Sandner, Malte; Jugenheimer, Nele; Christoph, Bernhard (2020): To work or not to work? Eine Fallstudie zur Beschäftigungsstruktur von Studierenden und möglichen Auswirkungen der Corona-Krise, In: IAB-Forum 16. Juli 2020, https://www.iab-forum.de/to-work-or-not-to-work-eine-fallstudie-zur-beschaeftigungsstruktur-von-studierenden-und-moeglichen-auswirkungen-der-corona-krise/, Abrufdatum: 21. November 2024
Autoren:
- Ipek Yükselen
- Malte Sandner
- Nele Jugenheimer
- Bernhard Christoph