Wenn es um die Erforschung des Arbeitsmarktes geht, hat sich das Forschungsdatenzentrum (FDZ) der Bundesagentur für Arbeit im IAB in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu einem der wichtigsten Datenanbieter für die internationale Forschungsgemeinschaft entwickelt. Der runde Geburtstag des FDZ wurde mit einer zweitägigen Festveranstaltung gefeiert.

Anlässlich des 20-jährigen Bestehens des Forschungsdatenzentrums (FDZ) der BA im IAB fand am 9. und 10. April dieses Jahres in Nürnberg eine zweitägige Festveranstaltung mit Gästen aus Wissenschaft, Politik und Praxis statt (sehen Sie hierzu auch das Video „Ein Leuchtturm im internationalen Datenmeer – 20 Jahre FDZ“ auf dem YouTube-Kanal des IAB). Am ersten Tag wurden die Erfolge des Forschungsdatenzentrums und seine Bedeutung für die internationale Forschungsgemeinschaft im Rahmen eines Festaktes gewürdigt. Der zweite Tag war einer internationalen Konferenz mit dem Titel „Investigating social inequalities using survey and register data“ gewidmet.

Fitzenberger: „Das IAB ist der Vorreiter für arbeitsmarktrelevante Datensammlung“

IAB-Direktor Prof. Bernd Fitzenberger, PhD, dankte zu Beginn des Festaktes Prof. Stefan Bender, der die Entstehung des FDZ von Anfang an begleitet und es bis 2016 – als Nachfolger von Dr. Annette Kohlmann – geleitet hat, wie auch dessen Nachfolgerin Dana Müller. Das IAB nehme eine Vorreiterrolle bei der Erhebung, Aufbereitung und Bereitstellung von Daten zur Arbeitsmarktforschung ein, sagte Fitzenberger mit Blick auf die Kernkompetenzen des Instituts und die Beweggründe für die Gründung eines eigenen Forschungsdatenzentrums vor 20 Jahren.

IAB-Direktor Prof. Bernd Fitzenberger, PhD (Mitte links), im Gespräch mit dem früheren IAB-Forschungsbereichsleiter Prof. Dr. Lutz Bellmann.

Bei der Festveranstaltung zum 20-jährigen Bestehen des FDZ gab es viele angeregte Gespräche, hier IAB-Direktor Professor Bernd Fitzenberger (Mitte links) mit dem früheren IAB-Forschungsbereichsleiter Professor Lutz Bellmann. Vorne im Bild: FDZ-Leiterin Dana Müller.

Nahles: „Sie können stolz darauf sein, dass Sie sich Ihren Markenkern und Ihr Alleinstellungsmerkmal bewahrt haben“

Auch Andrea Nahles, Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA) und frühere Bundesministerin für Arbeit und Soziales, lobte die wegweisende Arbeit des FDZ. Es habe wichtige Grundlagenarbeit in Bezug auf Datenschutzanforderungen, die Anonymisierung von Daten und den Datenzugang geleistet. Nahles hob zudem hervor, was das FDZ unter den derzeit 41 akkreditierten Forschungsdatenzentren einzigartig mache: „Hier besteht die Möglichkeit, Umfragedaten und Registerdatensätze für die Arbeitsmarktforschung zu verknüpfen und umfangreiche Feldexperimente durchzuführen.“

Nahles betonte, dass evidenzbasierte Politikberatung in Deutschland ohne die Daten des IAB undenkbar wäre. Die Forscherinnen und Forscher würden dem im Leitbild des Instituts formulierten Anspruch, eine wissenschaftliche Grundlage für fundierte arbeitsmarktpolitische Entscheidungen zu schaffen, mehr als gerecht.

Kaiser: „Die gute Arbeit des IAB bildet die Voraussetzung einer guten Arbeit des BMAS“

Dr. Yvonne Kaiser, Leiterin der Arbeitsmarktabteilung im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), hob hervor, dass das IAB eine wegweisende Rolle für ähnliche Forschungsdatenzentren auf internationaler Ebene einnehme. Die Qualität und Quantität der Datensätze, die das IAB bereitstelle, sei beeindruckend.

Die Gäste der Festveranstaltung hörten den Beiträgen interessiert zu.

Dr. Yvonne Kaiser vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Mitte) betonte, dass die exzellente Arbeit des FDZ eine unerlässliche Grundlage für die Arbeit des BMAS darstelle und unterstrich wie Andrea Nahles die Relevanz der Forschung des IAB für eine wissenschaftlich fundierte Politikberatung.

Kaiser betonte, dass die exzellente Arbeit des FDZ eine unerlässliche Grundlage für die Arbeit des BMAS darstelle und bestätigte wie Nahles die Relevanz der Forschung des IAB für eine fundierte Politikberatung. Sie äußerte zudem den von vielen Forschenden geteilten Wunsch nach einer Verbesserung der Zugänglichkeit von Datenbeständen, die bislang nicht oder nur eingeschränkt von der Forschung genutzt werden dürfen, und nach einer effizienteren Verknüpfung von Datensätzen.

Dana Müller: „Unsere Datenfernverarbeitung ist nun der beliebteste Datenzugangsweg“

Dana Müller, die das FDZ – als Nachfolgerin des kommissarischen Leiters Dr. Jörg Heining – seit 2016 führt, skizzierte bedeutende Meilensteine in der Entwicklung des Forschungsdatenzentrums. Dazu gehört zweifellos die Einführung der Datenfernverarbeitungssoftware „Job Submission Application“ im Jahr 2015, kurz JoSuA. Dank dieser technologischen Innovation können externe Forschende ihre Auswertungsskripte seitdem zeit- und ortsunabhängig an das FDZ übermitteln und erhalten Zugang zu geprüften Ergebnissen, die selbstverständlich einer Datenschutzprüfung unterliegen.

Müller betonte außerdem, dass die Verknüpfung von Forschungsdaten von großem Interesse ist, denn sie verspricht hohen Erkenntnisgewinn, wie auch die Forschung des IAB im Bereich von Arbeitsmarktdaten gezeigt hat. Allerdings werde diese Möglichkeit derzeit aufgrund der restriktiven Gesetzeslage erheblich erschwert. Dies gilt insbesondere für die Verknüpfung von Daten, die in administrativen Prozessen, sogenannten Registern, erhoben werden.

Dana Müller leitet das FDZ im IAB.

Dana Müller, seit 2016 Leiterin des FDZ, betonte, dass die Verknüpfung von Forschungsdaten von großem Interesse ist, denn sie verspreche hohen Erkenntnisgewinn. Allerdings werde diese Möglichkeit derzeit aufgrund der restriktiven Gesetzeslage erheblich erschwert.

Von Wachter: „Kein anderes FDZ hat einen vergleichbaren Datensatz“

Till von Wachter, PhD, Professor für Volkswirtschaftslehre an der University of California Los Angeles und Direktor des California Census Research Data Center, berichtete von seiner langjährigen erfolgreichen Zusammenarbeit mit dem FDZ im IAB. Wachter hatte auch seine eigene Dissertation mit Daten des FDZ verfasst, die er währenddessen nach eigenen Worten „lieben lernte“.

Wachter hob die internationale Bedeutung des FDZ hervor und berichtete aus eigener Erfahrung, dass US-amerikanische Forschungsinstitute in Bezug auf die Geschwindigkeit und Effizienz des Zugangs zu Daten sowie deren Sammlung und Aufbereitung viel vom IAB lernen könnten. Das FDZ sei weltweit führend, so von Wachter. Kein anderes Forschungsdatenzentrum könne vergleichbare Datensätze vorweisen, die bis zu 40 Jahre zurückreichen.

In seinem Impulsvortrag diskutierte er Verbesserungsmöglichkeiten, die das IAB in Betracht ziehen könnte, „um die führende Position zu halten, die das FDZ derzeit innehat“ (sehen Sie hierzu auch das Video „Pioneers in World Class Data Access: Moving the Frontier in Labor Data from 2004 to 2024“ auf dem YouTube-Kanal des IAB). So könnten manche Studien durch den Zugang beispielsweise zu Gesundheits- oder Betriebsdaten zu noch effizienteren Analysen und aussagekräftigeren Ergebnissen gelangen, wenn sie diese „fehlenden“ Variablen mit einbeziehen könnten. Solche Daten hätten insbesondere für eine detailliertere Untersuchung des Einsatzes von Kurzarbeitergeld während der Covid-19-Pandemie von großem Interesse sein können, merkte von Wachter an. Um den Zugang zu solchen Daten zu ermöglichen, sei jedoch eine entsprechende Unterstützung durch die Politik erforderlich.

In der anschließenden Podiumsdiskussion warfen Gäste, die das FDZ schon seit vielen Jahren begleiten, einen Blick zurück auf die Gründung und Entwicklung des Forschungsdatenzentrums und diskutierten Impulse für die Zukunft.

Podiumsdiskussion mit Dr. Sandra Schaffner, Leiterin des FDZ Ruhr am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Prof. Stefan Bender, Leiter des Forschungsdaten- und Servicezentrums der Deutschen Bundesbank und Vorgänger von Dana Müller, Dr. Daniel Fuß, Leiter des Forschungsdatenzentrums am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe, Prof. Regina Riphahn, Ph.D., Inhaberin des Lehrstuhls für Statistik und empirische Wirtschaftsforschung an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Till von Wachter, Professor für Volkswirtschaftslehre an der University of California Los Angeles und Direktor des California Census Research Data Center, und Moderatorin Dr. Andrea Kargus vom IAB.

Warfen einen Blick zurück auf die Gründung und Entwicklung des FDZ und diskutierten Impulse für die Zukunft (von links): Dr. Sandra Schaffner, Leiterin des FDZ Ruhr am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Prof. Stefan Bender, Leiter des Forschungsdaten- und Servicezentrums der Deutschen Bundesbank, Dr. Daniel Fuß, Leiter des Forschungsdatenzentrums am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe, Prof. Regina Riphahn, Inhaberin des Lehrstuhls für Statistik und empirische Wirtschaftsforschung an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Till von Wachter, Professor für Volkswirtschaftslehre an der University of California Los Angeles und Direktor des California Census Research Data Center, und Moderatorin Dr. Andrea Kargus (IAB).

Schaffner: „Mit der Gründung des FDZ herrschte Goldgräberstimmung“

Dr. Sandra Schaffner, Leiterin des Forschungsdatenzentrums Ruhr am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, ließ die aufregende Zeit rund um die Gründung des FDZ im IAB Revue passieren und verglich die Stimmung mit der Aufbruchstimmung während des Goldrauschs im Wilden Westen. Sie selber habe damals Daten des IAB für ihre Diplomarbeit verwendet.

Schaffner betonte, dass die aktuelle Situation hinsichtlich der Datenverknüpfung eine andere Herausforderung darstelle. So erfordere der heutige Prozess, dass man zahlreiche Einzelunternehmen kontaktiere und um ihre Daten bitte. Dies setze voraus, dass die Unternehmen bereit seien, ihre Daten zu teilen, was oft nicht garantiert sei. Schaffner zeigt sich dennoch optimistisch, dass diese Hürden überwunden werden können, wenn man Geduld und Beharrlichkeit an den Tag legt, so wie es am IAB beziehungsweise FDZ der Fall sei.

Bender: „Data Science muss man können“

Stefan Bender, Leiter des Forschungsdaten- und Servicezentrums der Deutschen Bundesbank und Vorgänger von Dana Müller, erinnert sich gerne an die enthusiastische Zeit zu Beginn. Die Gründung des FDZ habe viele lehrreiche Erfahrungen mit sich gebracht. Er hob hervor, dass heute viele Forschungsdatenzentren das FDZ im IAB als Blaupause nutzten.

Eine der wichtigsten Kompetenzen in diesem Bereich ist laut Bender die Data Science, zu Deutsch „Datenwissenschaft“. Daher seien im Forschungsdaten- und Servicezentrum der Deutschen Bundesbank neben Ökonomen auch Fachleute aus anderen Disziplinen tätig, wie zum Beispiel ein Mediziner, der Gesundheitsdaten in die Datenbanken integriert. Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit verbessert laut Bender die Qualität der Daten und die Effizienz der Prozesse.

Er wies allerdings darauf hin, dass das mühsame Zusammenstellen von Daten zu Fehlern führen könne. Deshalb sprach auch er sich für eine Lockerung der Datenschutzgesetze zumindest für neutrale Forschungszwecke aus. Indem man das Bewusstsein für die Bedeutung solcher Daten schärft, hofft Bender, eine breitere Akzeptanz für Änderungen im Datenschutz zu schaffen.

Von Wachter: „Man muss als Datennutzer Vertrauen schaffen“

Till von Wachter bewertete die „Top-Publikationen des IAB als internationalen Türöffner“. Nach seiner Einschätzung gelten die Datensätze des IAB auch in den USA als äußerst hochwertig, weil vergleichbare Datensätze dort schwer zu erstellen seien. Als Beispiel erwähnte er die verknüpften Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Datensätze des FDZ.

Von Wachter berichtete von seinen Erfahrungen aus Kalifornien, wo er die Politik davon überzeugen konnte, den Zugang zu Daten für Kooperationszwecke freizugeben, um unter anderem Haushaltskosten verringern zu können. Dabei musste er vor allem Juristen und Datenschützer davon überzeugen, dass es nicht um den Zugriff auf persönliche Daten einzelner Personen ging. Das Wichtigste sei, Vertrauen zu schaffen und zu zeigen, dass Forschung auf diese Weise von großem Nutzen sein kann, betonte von Wachter.

Riphahn: „Die Arbeit des FDZ kann sich wirklich sehen lassen“

Prof. Regina Riphahn, Ph.D., die den Lehrstuhl für Statistik und empirische Wirtschaftsforschung an der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg innehat, war noch Studentin, als das Forschungsdatenzentrum des IAB gegründet wurde. Sie entschied sich damals, wegen des FDZ nach Nürnberg zu kommen.

Die von Till von Wachter angesprochene Überzeugungsarbeit sei in Deutschland leider schwer zu leisten, weil die Gesetzeslage es den Beteiligten erlaube zu sagen: „Das dürfen wir schlichtweg nicht.“ Riphahn hob hervor, dass politische Entscheidungen von der Bereitstellung und Nutzung verlinkter Forschungsdaten deutlich profitieren könnten. So hätte der Staat während der Pandemie Kosten einsparen können, wenn es in Bezug auf Forschungsdaten eine größere Bereitschaft zur Zusammenarbeit gegeben hätte.

Sie ermutigte jedoch dazu, alle verfügbaren Ressourcen zu nutzen und das Beste aus der aktuellen Situation zu machen. „Und das Beste kann sich wirklich sehen lassen!“, betonte sie.

Fuß: „Komplexität ist nicht die Herausforderung, sondern die Verknüpfung von Datensätzen“

Dr. Daniel Fuß, Leiter des Forschungsdatenzentrums am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi), erinnerte sich ebenfalls an die Anfangszeit des FDZ und beschrieb diese Phase, die durch fehlende Routine erschwert wurde, als eine Zeit, die mit „unheimlich viel Arbeit“ verbunden war.

Wie für die anderen Diskutantinnen und Diskutanten liegt für Fuß die größte Herausforderung der Datenverknüpfung in den derzeitigen gesetzlichen Datenschutzvorgaben. „Ein deutschlandweites Bildungsverlaufsregister wäre zum Beispiel ein Quantensprung für das LIfBi“, sagte Fuß. Er stimmte Sandra Schaffner zu, dass das Engagement und der Einsatz aller Forschenden am IAB entscheidend dazu beitrügen, Einschränkungen wett zu machen.

Torte zum 20-jährigen Bestehen des FDZ.

Das 20-jährige Bestehen des FDZ wurde auch mit einer festlichen Torte gewürdigt.

Erforschung sozialer Ungleichheiten mithilfe von Survey- und Registerdaten

Die wissenschaftliche Konferenz am zweiten Tag der Veranstaltung zum 20-jährigen Bestehen des FDZ widmete sich in zwei Keynotes und sechs Panelsitzungen der Erforschung sozialer Ungleichheiten mithilfe von Survey- und Registerdaten.

In seinem Eröffnungsvortrag „Why Do Union Jobs Pay More? New Evidence on an Old Question“ sprach Thomas Lemieux, Professor an der Vancouver School of Economics der University of British Columbia, über die Gründe, warum Beschäftigungsverhältnisse besser bezahlt sind, wenn sie gewerkschaftsgebunden sind.
Er stellte dabei zwei Haupterklärungsansätze gegenüber: den „Firm Selection“-Kanal, nach dem Gewerkschaften häufiger in produktiveren Firmen vertreten sind, die auch höhere Löhne zahlen, und den „Rent Extraction“-Kanal, nach dem Gewerkschaften Beschäftigten dabei helfen, einen größeren Teil der wirtschaftlichen Überschüsse des Unternehmens abzuschöpfen.

Mit Hilfe kanadischer administrativer Firmendaten, die besonders für diese Fragestellung geeignet sind, konnte die Bedeutung dieser beiden Kanäle erstmals untersucht werden. Dabei zeigte sich, so Lemieux, dass in Kanada 38 Prozent des Gewerkschaftseffekts durch Selektion und 62 Prozent durch Extraktion erklärt werden.

Marie Evertsson, Professorin für Soziologie an der Universität Stockholm, hielt die zweite Keynote mit dem Titel „Stimulating (in)equality? The earnings penalty in female same-sex and different-sex couples transitioning to parenthood in Denmark, Finland, Norway, and Sweden“. Der Blick auf gleichgeschlechtliche Paare ist neu. Bislang beschränkten sich Untersuchungen zu Lohneinbußen auf heterosexuelle Paare im Übergang zur Elternschaft in der Wissenschaft. Dabei zeigte sich, dass Mütter stärker als Väter von solchen Lohneinbußen betroffen sind.

Evertsson stellte Ergebnisse aus einem Forschungsprojekt vor, in dem vier nordische Länder miteinander verglichen werden, die für ihre familienfreundlichen Wohlfahrtssysteme bekannt sind, aber Unterschiede in der Arbeitsmarkt- und Familienpolitik aufweisen. Dabei wird die Einkommensentwicklung von gleich- und heterosexuellen Paaren, die sich in bestimmten Merkmalen ähneln, drei Jahre vor und fünf Jahre nach der ersten Geburt verglichen.

Die Ergebnisse zeigen, dass der institutionelle Kontext in Finnland eine ungleiche Aufteilung von bezahlter Arbeit und Betreuung fördert und sowohl bei gleichgeschlechtlichen als auch bei heterosexuellen Paaren zu großen Einkommensnachteilen für die leibliche Mutter führt. In Dänemark, Norwegen und Schweden hingegen sind die Nachteile bei gleichgeschlechtlichen Paaren deutlich geringer.

Dieser Befund deutet darauf hin, dass eine politische Förderung der Gleichstellung Einkommenseinbußen abfedern und zur Abnahme der Bedeutung des Geschlechts beitragen kann.

Blick ins Auditorium

Blick ins Auditorium

Panel: Löhne und Lohnungleichheit

Im Panel zu Löhnen und Lohnungleichheit stellte Dr. Mattis Beckmannshagen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin die Ergebnisse seiner Studie zur Entwicklung der Ungleichheit in den Erwerbseinkommen im Lebensverlauf vor. Er nutzte hierfür kombinierte administrative Daten und Survey-Daten des Sozio-oekonomischen Panels und der Deutschen Rentenversicherung. Beckmannshagen konnte zeigen, dass die Erwerbseinkommen für die Geburtskohorten zwischen 1935 und 1973 im Mittel nur wenig gestiegen sind, deren Verteilung sich aber deutlich verschoben hat, insbesondere zwischen Frauen und Männern,.

Leyla Gilgen von der Universität Bern kam anhand französischer administrativer Arbeitsmarktdaten zu dem Ergebnis, dass eine höhere Konzentration auf den Produktmärkten mit höherer Lohnungleichheit zwischen Firmen innerhalb des gleichen Wirtschaftszweigs zusammenhängt. Dieser Zusammenhang wird vor allem durch die produktivsten Firmen getrieben.

Etwa die Hälfte dieses Effekts ist darauf zurückzuführen, dass die produktivsten Firmen in besonders konzentrierten Produktmärkten höhere Löhne für die gleiche berufliche Tätigkeit zahlen, die andere Hälfte durch Sortierungs-Effekte, da besonders produktive Firmen relativ häufig Tätigkeiten nachfragen, die generell gut bezahlt werden.

Prof. Dr. Elke Jahn, die am IAB und an der Universität Bayreuth tätig ist, machte anhand deutscher administrativer Arbeitsmarktdaten des IAB deutlich, dass Arbeitgeber in Deutschland eine erhebliche Marktmacht auf dem Arbeitsmarkt haben, insbesondere im Niedriglohnbereich. Zwar nutzen sie diese Marktmacht nicht vollständig. Dennoch schlagen sich circa 40 Prozent ihrer potenziellen Marktmacht in niedrigeren Löhnen nieder. Damit weicht der deutsche Arbeitsmarkt deutlich vom „Ideal“ vollständigen Wettbewerbs ab.

Panel: Geschlechterungleichheit

Im Panel zur Geschlechterungleichheit zeigte IAB-Forscherin Dr. Ann-Christin Bächmann mithilfe deutscher Befragungsdaten und administrativer Daten des IAB, dass die Geschlechterlücke in der Nutzung von Homeoffice in der Covid-19-Pandemie geschlossen werden konnte, da die Nutzung von Homeoffice bei den Frauen stärker stieg als bei den Männern. Ersteres fand vor allem in Berufen mit hohem Homeoffice-Potenzial statt.

Dr. Christian Zimpelmann vom Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit in Bonn untersuchte mit niederländischen Befragungsdaten den Einfluss, den die Nutzung von Remotearbeit auf die Geschlechtergerechtigkeit bei der Verteilung von Kinderbetreuung hat. Dabei zeigt sich, dass seit der Covid-19-Pandemie mehr Väter diese Möglichkeit nutzen und diese Väter auch einen größeren Teil der Kinderbetreuung übernehmen. Somit könnte Remotearbeit zu einer größeren Geschlechtergerechtigkeit bei der Kinderbetreuung beitragen.

Riccarda Rosenball von der Universität Graz zeigte mit deutschen Befragungsdaten und administrativen Daten des IAB, dass Lohnlücken zwischen weiblichen und männlichen Beschäftigten in exportierenden Firmen geringer sind als in nicht exportierenden Firmen. Diese Unterschiede lassen sich darauf zurückführen, dass exportierende Firmen häufiger hochqualifizierte Frauen einstellen und Frauen am Beginn ihrer Karriere bessere Karrieremöglichkeiten bieten.

Panel: Beruflicher Wandel

Im Panel zum Thema „Beruflicher Wandel“ setzte sich Prof. Dr. Jørgen Modalsli von der Oslo Metropolitan Universität in seiner Präsentation mit Veränderungen in der Berufs- und Einkommensstruktur in Norwegen zwischen 1980 und 2019 auseinander. Dabei konnte er auf Basis norwegischer administrativer Daten Hinweise für eine Polarisierung der männlichen Beschäftigten und eine berufliche Weiterentwicklung der weiblichen Beschäftigten finden.

Dr. Boris Ivanov, der am IAB und am ZEW tätig ist, beleuchtete Veränderungen in beruflichen Tätigkeiten zwischen der Mitte der 1970er Jahre und dem Jahr 2010 anhand des deutschen Mikrozensus. Dabei betrachtete er auch die Auswirkungen dieser Veränderungen auf Verdienste, Beschäftigung und berufliche Mobilität auf Basis der Stichprobe der Integrierten Arbeitsmarkbiographien (SIAB), die vom IAB-FDZ bereitgestellt wird. Ivanov zeigte, dass gerade Personen, die in Berufen tätig sind, die einem großen Wandel unterworfen sind, nach Betriebsschließungen deutlich höhere Verdiensteinbußen hinnehmen müssen als Personen in Berufen, die sich weniger stark verändern.

Panel: Makroökonomie und Arbeitsmärkte

Ein weiteres Panel befasste sich mit dem Thema „Makroökonomie und Arbeitsmärkte“. Prof. Dr. Heiko Stüber von der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit in Schwerin argumentierte mit Hilfe deutscher administrativer Arbeitsmarktdaten des IAB, dass junge Menschen, die in einem ungünstigen makroökonomischen Umfeld in den deutschen Arbeitsmarkt einsteigen, zwar langanhaltende Einkommensnachteile zu verzeichnen haben. Diese Nachteile, so Stüber, würden aber zumindest zum Teil durch nicht pekuniäre Vorteile aufgehoben. Dieser gegenläufige Effekt wird auf circa 17 Prozent des reinen Einkommensverlusts geschätzt, weshalb die Konsequenzen für Einkommen und Wohlfahrt nicht gleich sind.

Martin Groiss von der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main zeigte anhand deutscher administrativer Arbeitsmarktdaten, die vom FDZ im IAB bereitgestellt wurden, dass geldpolitische Schocks Auswirkungen auf die Lohnungleichheit haben. Insbesondere eine unerwartete Lockerung der Geldpolitik verringert die Lohnungleichheit, da sie zu stärkeren Lohnanstiegen im unteren Bereich der Lohnverteilung führt.

Panel: Studien- und Berufswahl

Im Panel zur Studien- und Berufswahl stellte Svenja Flechtner, Junior-Professorin an der Universität Siegen, Ergebnisse einer Studie vor, in der sie den Zusammenhang von Charakteristiken von Abiturienten und der Wahl des Studiengangs untersucht. Für ihre Analyse nutzt sie das DZHW-Studienberechtigtenpanel. Für dieses Panel des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) werden seit 2008 Schüler*innen im letzten Jahr vor ihrem Abitur befragt. Die Daten enthalten unter anderem Selbsteinschätzungen zu Fähigkeiten in bestimmten fachlichen Bereichen, Angaben zum Perzentil in der Notenverteilung und zu Persönlichkeitsmerkmalen. Die Studie von Flechtner zeigt, dass sowohl individuelle Charakteristika wie Geschlecht, Migrationshintergrund oder soziale Herkunft als auch Fähigkeiten zwar einen signifikanten, aber ökonomisch vernachlässigbaren Anteil an der Erklärung der Studienwahl haben.

IAB-Forscher Dr. Adrian Lerche nutzte die Ausweitung der Karriereberatung von Schüler*innen für ein kontrolliertes Feldexperiment, um den Einfluss der Beratung auf den weiteren Bildungsweg zu untersuchen. Lerche machte deutlich, dass die Reform die Häufigkeit persönlicher Karriereberatung in den Schulen der Treatment-Gruppe erhöht hat. Mit einer persönlichen Karriereberatung steige die Wahrscheinlichkeit für ein Überbrückungsjahr und eine Ausbildung.

Dr. Claudia Finger vom Wissenschaftszentrum Berlin stellte ihre Forschung zum Zusammenhang von Zulassungstests für Studiengänge und Diversität vor. Für die Aufnahme eines Medizinstudiums verlangen einige Universitäten in Deutschland einen Zulassungstest. Finger zeigte mithilfe der Daten des Bewerberregisters, dass Zulassungstests die Geschlechterdiversität erhöhen und den Anteil von Studierenden aus sozio-ökonomisch niedrigeren Schichten verringern.

Panel: Elternschaft

Ein weiteres Panel befasste sich mit Studien zur Elternschaft. María Alexandra Castellanos von der Universidad Carlos III de Madrid untersucht den Einfluss von Haushalts- und Kinderbetreuungsdienstleistungen in Spanien auf die Ungleichheiten von Eltern auf dem Arbeitsmarkt unter Anwendung eines verknüpften Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Datensatzes, dem „Continuous Sample of Working Lives“.

Castellanos verwendet für ihre Analysen einen quasiexperimentellen Rahmen, den Migrationsboom in Spanien, der zu einem verstärkten und günstigen Angebot an haushaltsnahen Dienstleistungen und an Kinderbetreuungsdienstleistungen führte. Wie die Ergebnisse zeigen, hat die Ausdehnung haushaltsnaher Dienstleistungen durch Migrantinnen die Lohnlücke der Einheimischen, die mit Elternschaft einhergeht, verringert.

Susanne Schmid von der Universität Oldenburg stellte erste Ergebnisse aus einem Kooperationsprojekt vor, in dem der Zusammenhang zwischen dem Alter der Mutter, ihrer beruflichen Laufbahn und der Entwicklung des Kindes analysiert wird. Zur Anwendung kommen verknüpfte Daten des Nationalen Bildungspanels der Startkohorte 1, die im FDZ zur Verfügung stehen. Erste Ergebnisse zeigen, dass verbesserte kindliche Fähigkeiten weitgehend auf der mütterlichen Erziehung, dem Wohlbefinden und den familiären Umständen beruhen.

Dr. Simone Schüller vom Deutschen Jugendinstitut München präsentierte Ergebnisse zu Dynamiken der Aufteilung der elterlichen Kinderbetreuung während der Covid-19-Pandemie bis zum Frühjahr 2022 anhand der im FDZ verfügbaren Daten des Hochfrequenten Online-Personen-Panels (IAB-HOPP).Nach Schüllers Analysen können Homeoffice-Angebote für Väter die geschlechtsspezifischen Ungleichheiten bei der Aufteilung der elterlichen Kinderbetreuung verringern, während die Bereitstellung von Homeoffice-Optionen für Mütter diese Ungleichheiten aufrechterhalten.

In einer Poster-Session stellten fünf junge Wissenschaftler*innen aus dem In- und Ausland ausgewählte Forschungsprojekte vor, die sich auf Daten des FDZ stützen:

  • The Persistence of Employment Gaps in Couples – To what extent do relative female-to-male wage opportunities matter? (Luisa Hammer, IAB)
  • Temp agency work: A stepping stone for the unemployed? (Anna Herget, FAU Erlangen-Nürnberg)
  • The Role of Gender and Fairness Norms in the Social Acceptance of Outsourcing Housework (Dr. Anja Wunder, IAB)
  • The Making of a Ghetto – Residential Moving and Neighborhood Segregation (Edith Zink, Universität Kopenhagen)
  • Beliefs about Labor Market Discrimination  and Support for Affirmative Action (Dr. Sekou Keita, IAB)

Schnappschuss von der Postersession

Schnappschuss von der Postersession

Schnappschuss von der Postersession

Auf der Postersession wurden verschiedene Forschungsprojekte präsentiert.

Fotos: Tabea Hartmann, Kurt Pogoda (beide IAB)

Videos zur Veranstaltung auf dem YouTube-Kanal des IAB:

 

Bächmann, Ann-Christin ; Müller, Dana; vom Berge, Philipp; Umkehrer, Matthias; Wolter, Stefanie; Wallheinke, Anna; Zimmermann, Florian (2024): Vor 20 Jahren begann die Erfolgsgeschichte des FDZ, In: IAB-Forum 30. Dezember 2024, https://www.iab-forum.de/vor-20-jahren-begann-die-erfolgsgeschichte-des-fdz/, Abrufdatum: 2. January 2025

 

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