Einer IAB-Befragung zufolge haben Studentinnen andere Lohnvorstellungen als Studenten. So würden sie einen um 15,6 Prozent niedrigeren monatlichen Einstiegslohn akzeptieren als ihre männlichen Kommilitonen. Auch beim erwarteten monatlichen Einstiegslohn zeigt sich ein geschlechtsspezifischer Unterschied in ähnlicher Größenordnung. Dies liegt nicht nur daran, dass Frauen häufig andere Studienfächer wählen als Männer.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes verdienen Frauen im Schnitt 18 Prozent weniger als Männer. Grundsätzlich sind für diesen Gender-Pay-Gap viele unterschiedliche Faktoren verantwortlich. Doch selbst wenn man wichtige strukturelle Faktoren berücksichtigt und nur Beschäftigte mit gleicher Stellung, Qualifikation und Beruf miteinander vergleicht, verdienen Frauen im Durchschnitt immer noch 6 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Dies zeigt, dass die noch immer ungleichen Löhne von Frauen und Männern der tatsächlichen sozialen und wirtschaftlichen Gleichstellung der beiden Geschlechter in Deutschland im Weg stehen.

Die Beseitigung geschlechtsspezifischer Lohnunterschiede ist daher ein wichtiges Anliegen der Gleichstellungspolitik. In der öffentlichen Diskussion um Geschlechterungleichheit wird allerdings mitunter zu wenig beachtet, dass sich auch die Lohnvorstellungen, die Menschen vor ihrem Eintritt in den Arbeitsmarkt haben, geschlechtsspezifisch unterscheiden. Denn diese spiegeln die tatsächlichen Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen nicht nur wider, sondern können auch ihrerseits Einfluss auf die späteren Einkommenschancen haben.

So treffen die meisten Menschen Entscheidungen über ihre berufliche Laufbahn, lange bevor sie ihre erste Stelle tatsächlich antreten. Diese Entscheidungen wiederum können einschneidende und langfristige Folgen für die berufliche Zukunft haben und hängen ihrerseits auch davon ab, welche Lohnerwartungen junge Menschen vor ihrem Berufseinstieg haben. Wer sich beispielsweise mit einem niedrigeren Einstiegslohn zugunsten größerer Flexibilität im Job zufrieden gibt, wird möglicherweise andere berufliche Entscheidungen treffen als jemand, der für einen höheren Einstiegslohn schwierigere Arbeitsbedingungen in Kauf nimmt.

Hinzu kommt: Etwaige Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen, die bereits am Anfang der Karriere bestehen, könnten sich im weiteren Erwerbsleben fortsetzen oder sogar vergrößern.

Frauen haben geringere Lohnerwartungen und geben sich mit niedrigeren Einstiegslöhnen zufrieden als Männer

In der ökonomischen Literatur wurde bereits häufig darauf hingewiesen, dass Frauen und Männer schon vor ihrem ersten Job sehr unterschiedliche Verdiensterwartungen haben. Dies bestätigt eine Umfrage, die im Rahmen der BerinA-Studie („Berufseinstieg von Akademikerinnen und Akademikern“) durchgeführt wurde. Dabei wurden Studierende am Ende ihres Masterstudiums zu ihren Verdienstvorstellungen befragt. Zunächst wurden sie darum gebeten, den sogenannten Reservationslohn anzugeben, also das monatliche Mindestgehalt, für das sie bereit wären, die erste Stelle nach ihrem Abschluss anzunehmen. Anschließend wurden sie gefragt, welches monatliche Gehalt sie in ihrem ersten Job erwarten. Dabei zeigt sich bereits vor Eintritt in den Arbeitsmarkt, dass sich die Lohnerwartungen von Frauen und Männern deutlich voneinander unterscheiden (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1 zeigt die Verteilung der monatlichen Reservationslöhne und der erwarteten Monatslöhne beim Berufseinstieg von Studierenden am Ende ihres Masterstudium nach Geschlecht. Die Lohnerwartungen von Frauen und Männern unterscheiden sich deutlich voneinander: Weibliche Studierende würden im Durchschnitt einen monatlichen Einstiegslohn akzeptieren, der circa 15 Prozent niedriger ist, als der ihrer männlichen Kommilitonen. Bei dem erwarteten Monatsgehalt offenbart sich ebenfalls ein Unterschied von circa 15 Prozent. Frauen schätzen ihren Wert auf dem Arbeitsmarkt kurz vor Studienabschluss deutlich geringer ein als Männer. Quelle: Eigene Berechnungen mittels Daten aus der BerinA-Studie. © IAB

Weibliche Studierende würden im Durchschnitt einen monatlichen Einstiegslohn akzeptieren, der um 523,28 Euro, also 15,6 Prozent, niedriger ist als der ihrer männlichen Kommilitonen. Bei dem erwarteten Monatsgehalt, das deutlich höher liegt, offenbart sich ebenfalls ein geschlechtsspezifischer Unterschied von 585,51 Euro beziehungsweise 14,7 Prozent. Somit schätzen Frauen selbst kurz vor Studienabschluss ihren Wert auf dem Arbeitsmarkt deutlich geringer ein als Männer.

Geschlechtsspezifische Unterschiede bei Lohnerwartungen haben mehrere Ursachen

Die Gründe für diese geschlechtsspezifischen Unterschiede lassen sich mit Hilfe einer sogenannten Dekompositionsanalyse ermitteln. Sie zeigt, welche Komponenten wie stark zur Erklärung der Differenzen zwischen weiblichen und männlichen Studierenden beitragen.

Wie Abbildung 2 verdeutlicht, tragen im Wesentlichen drei Mechanismen zur Erklärung der Lohnerwartungslücken zwischen den Geschlechtern bei: Unterschiede bei der Wahl des Studienfachs, unterschiedliche berufliche Präferenzen sowie eine Reihe von Persönlichkeitsmerkmalen, die geschlechtsspezifisch variieren. Diese Mechanismen werden im Folgenden genauer betrachtet.

Abbildung 2 zeigt den Beitrag einzelner Faktoren wie Persönlichkeitsmerkmale, berufliche Präferenzen, Wahl des Studienfachs sowie sonstige Faktoren und einen unerklärten Teil zu den monatlichen Reservationslöhnen und den erwarteten Monatslöhnen für Studierende am Ende ihres Masterstudiums. Besonders die Wahl des Studienfachs scheint die spätere Vergütung zu beeinflussen. Ein ebenfalls hoher Anteil fällt auf die unerklärlichen Faktoren, also Einflussgrößen, die sich in den vorliegenden Daten nicht beobachten lassen. Quelle: Eigene Berechnungen mittels Daten aus der BerinA-Studie. © IAB

Der „unerklärte“ Teil hingegen umfasst Einflussgrößen, die sich in den vorliegenden Daten nicht beobachten lassen. Dazu gehören geschlechtsspezifische Informationslücken, zum Beispiel in Bezug auf die Höhe von Gehältern in spezifischen Segmenten des Arbeitsmarkts, oder eine potenziell höhere Wahrscheinlichkeit bei Frauen, alleine aufgrund ihres Geschlechts einen niedrigeren Lohn zu erhalten als Männer.

Die Wahl des Studienfachs erklärt einen erheblichen Teil der beobachteten Unterschiede in den Lohnerwartungen

Studierende verschiedener Studienrichtungen haben nach ihrem Abschluss unterschiedlich gute Verdienstchancen. Bei männerdominierten Studiengängen sind die Einstiegslöhne nach dem Abschluss typischerweise höher als bei Studiengängen mit höherem Frauenanteil. Somit ist anzunehmen, dass die Unterschiede in den Lohnerwartungen zwischen Studentinnen und Studenten auf deren Studienwahl zurückzuführen sind. Schließlich sind geisteswissenschaftliche Fächer bei Frauen nach wie vor beliebter und bieten in der Regel schlechtere Beschäftigungs- und Verdienstchancen als viele MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik), die eher von Männern gewählt werden.

Abbildung 3 zeigt den durchschnittlichen monatlichen Reservationslohn und den erwarteten Monatslohn nach Geschlecht und Studienrichtung sowie den darin enthaltenen Anteil von Frauen. Sie tendieren eher zu Fächern in den Geistes- oder Sozialwissenschaften, in denen die Gehaltserwartungen weit niedriger sind als in MINT-Fächern oder in den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Quelle: Eigene Berechnungen mittels Daten aus der BerinA-Studie. © IAB

Wie Abbildung 3 zeigt, tendieren Frauen weiterhin eher zu Fächern in den Geistes- oder Sozialwissenschaften, in denen die Gehaltserwartungen weit niedriger sind als in MINT-Fächern oder in den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften – insgesamt um bis zu 1.200 Euro pro Monat. Dass die Wahl des Studienfachs eine so große Bedeutung für die Erklärung der Lohnerwartungslücke hat, liegt also vor allem daran, dass Frauen sich sehr viel häufiger als Männer für Fächer entscheiden, die im späteren Arbeitsleben vergleichsweise schlechter entlohnt werden.

Die Fächerwahl ist jedoch nicht der alleinige Grund für die beobachteten Unterschiede. Immerhin gaben innerhalb aller vier Fächergruppen Studenten Reservations- und erwartete Löhne an, die immer noch zwischen 5,7 und 14,6 Prozent höher lagen als die ihrer Kommilitoninnen. Diese Unterschiede sind besonders groß unter Studierenden der Geisteswissenschaften (14,6% versus 11,7%) und am geringsten in den Sozialwissenschaften (5,7% versus 6,4%).

Obwohl also Unterschiede in der Studienwahl einen großen Teil der Unterschiede in den Lohnerwartungen erklären, schätzen Frauen ihren Wert auf dem Arbeitsmarkt auch dann systematisch geringer ein als ihre männlichen Kommilitonen, wenn sie sich für dasselbe Studienfach entschieden haben.

Frauen und Männer unterscheiden sich in ihren beruflichen Präferenzen

Geschlechtsspezifische Unterschiede in den beruflichen Präferenzen tragen ebenfalls substanziell zu den unterschiedlichen Lohnerwartungen bei. Dies lässt sich sowohl für den bevorzugten Sektor, also Privatwirtschaft oder öffentlicher Dienst, und die bevorzugte wöchentliche Arbeitszeit als auch für eine Reihe von weiteren Kriterien zeigen, die Frauen oder Männern wichtig sind, wenn sie sich für einen bestimmten Beruf entscheiden. Denn in allen drei Dimensionen unterscheiden sich die Präferenzen von Frauen und Männern signifikant voneinander.

Einerseits streben Männer häufiger eine Beschäftigung in der Privatwirtschaft an als Frauen. Während fast die Hälfte aller Studenten (48%) angab, ausschließlich in der Privatwirtschaft nach einem Job zu suchen, war dies bei weniger als einem Drittel der Studentinnen (32,1%) der Fall. Hingegen scheinen Frauen häufiger den öffentlichen Dienst bei der Jobsuche zu bevorzugen (16,9% versus 11,6%) oder für beide Sektoren gleichermaßen offen zu sein (42,9% versus 36%).

Dies dürfte ein Indiz dafür sein, dass Frauen häufig eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst gegenüber der Privatwirtschaft bevorzugen, da sie diese als sicherer wahrnehmen. Sie dürften deswegen eher als Männer dazu tendieren, in diesem Fall eine schlechtere Bezahlung in Kauf zu nehmen.

Andererseits bevorzugen die weiblichen Befragten im Schnitt eine geringere wöchentliche Arbeitszeit als die männlichen. Während mehr als jeder dritte Absolvent (34,9%) bereit wäre, mehr als 40 Stunden pro Woche zu arbeiten, möchte dies nur weniger als jede vierte angehende Absolventin tun (23,4%). Ebenso gaben Frauen fast doppelt so häufig an, dass sie ihre berufliche Karriere mit einer Teilzeitstelle beginnen möchten (6,5% versus 3,6%).

Schließlich zeigten sich erhebliche Unterschiede bei den Kriterien, die weibliche und männliche Befragte bei der Stellensuche als bedeutsam erachten. Im Vergleich zu Frauen sind Männern einkommens- und karrierebezogene Kriterien wie „Angebotenes Gehalt“ (46,3% versus 37,4%) oder „Gute Karrieremöglichkeiten“ (28,0% versus 18,0%) häufiger sehr wichtig. Für Frauen hingegen sind nicht monetäre Auswahlkriterien bei der Jobsuche tendenziell wichtiger als für Männer. Dies gilt zum Beispiel für „Gute Arbeitsbedingungen“ (26,5% versus 18,7%) oder eine „Angenehme Arbeitsatmosphäre“ (29,3% versus 20,9%).

Persönlichkeitsmerkmale, die bei Männern im Schnitt stärker ausgeprägt sind, sind oft mit höheren Lohnerwartungen verbunden

Persönlichkeitsmerkmale spielen bei der Erklärung von geschlechtsspezifischen Lohnunterschieden eine umso größere Rolle, je höher der Lohn ist. Wie unter anderem Matthias Collischon in einem 2022 erschienenen Beitrag für das IAB-Forum gezeigt hat, wirken sich Persönlichkeitsmerkmale auf den Gender-Pay-Gap aus. Auch die Auswertung der BerinA-Befragungsdaten bestätigt dies. Demnach können Persönlichkeitsmerkmale 7 bis 9 Prozent der Unterschiede in den Lohnerwartungen von Hochschulabsolventinnen und -absolventen erklären.

In der BerinA-Befragung wurden Informationen zu sechs verschiedenen Persönlichkeitsmerkmalen erhoben, die für die Erklärung von geschlechtsspezifischen Unterschieden beim Reservationslohn und bei den Lohnerwartungen potenziell relevant sind (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4 zeigt die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei ausgewählten Persönlichkeitsmerkmalen (Selbstüberschätzung, Verhandlungsbereitschaft, wahrgenommene Karrierechancen, Selbstbewusstsein, Geduld und Risikobereitschaft) von Studierenden als Standardabweichung. Männliche Befragte wiesen bei jedem Merkmal höhere Werte auf als die weiblichen. Die Merkmale wirken sich auf den Gender-Pay-Gap aus und können 7 bis 9 Prozent der Unterschiede in den Lohnerwartungen von Hochschulabsolventinnen und -absolventen erklären. Quelle: Eigene Berechnungen mittels Daten aus der BerinA-Studie. © IAB

Die Ergebnisse zeigen, dass die männlichen Befragten bei jedem einzelnen erfassten Merkmal höhere Werte aufweisen als die weiblichen. Männer gaben im Schnitt also an, risikofreudiger und geduldiger zu sein, ein höheres Selbstbewusstsein und bessere Karriereaussichten zu haben. Sie zeigten sich außerdem eher bereit, mit ihrem Arbeitgeber über ihren Lohn zu verhandeln. Auch überschätzten sie ihre akademischen Leistungen öfter als Frauen. Der geschlechtsspezifische Unterschied fällt für die Risikopräferenz der Befragten am stärksten, für die Einschätzung des eigenen Selbstbewusstseins am schwächsten aus.

Es ließ sich ebenfalls zeigen, dass bei vier dieser sechs Merkmale eine stärkere Ausprägung mit höheren wahrgenommenen Verdienstmöglichkeiten einhergeht. Lediglich bei zwei Dimensionen trifft dies nicht zu: Studierende, die sich als überdurchschnittlich geduldig einstufen oder ihre akademischen Leistungen überschätzen, geben im Schnitt keine höheren Reservationslöhne oder Lohnerwartungen an.

Insgesamt könnten Persönlichkeitsmerkmale also ein weiterer Grund dafür sein, warum weibliche Studierende deutlich niedrigere Löhne erwarten oder akzeptieren würden als ihre Kommilitonen. Denn sie sind nach eigenen Angaben im Schnitt weniger risikobereit, haben ein geringeres Selbstbewusstsein, schätzen ihre Karriereaussichten als schlechter ein und sind seltener dazu bereit, ihr Gehalt zu verhandeln, als es bei Männern der Fall ist.

Fazit

Während viele politische Maßnahmen in der Regel auf bereits bestehende geschlechtsspezifische Lohnunterschiede abzielen, sollte es auch darum gehen, schon dem Entstehen solcher Gefälle entgegenzuwirken. Sicherlich ist es hilfreich, Mädchen und junge Frauen zu ermutigen, sich stärker für besser bezahlte – und typischerweise von Männern dominierte – Berufe zu öffnen. Allerdings legen die hier präsentierten Ergebnisse nahe, dass dies allein nicht ausreichen wird, damit sich die je nach Geschlecht unterschiedlichen Lohnvorstellungen angleichen.

Daher ist es wichtig, Persönlichkeitsmerkmale bei Mädchen und jungen Frauen zu stärken, die – zumindest statistisch – mehr Erfolg auf dem Arbeitsmarkt versprechen. Viele frühere Untersuchungen legen zum Beispiel nahe, dass Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern teilweise auf Unterschiede in deren Verhandlungsverhalten zurückzuführen sind. Da Männer in der Regel selbstbewusster und risikobereiter sind, verhandeln sie häufiger und erfolgreicher mit potenziellen Arbeitgebern über ihr Gehalt als Frauen. Hier könnten Seminare und Workshops, zum Beispiel Verhandlungstrainings, die sich speziell an Frauen richten, dazu beitragen, die Verhandlungserfolge von Frauen zu verbessern.

Der Umstand, dass trotz verschiedener Erklärungsfaktoren weiterhin ein großer Teil der beobachteten Geschlechterlücke unerklärt bleibt, deutet darauf hin, dass diese Unterschiede teils auch durch geschlechtsspezifische Unterschiede in nicht erfassten Merkmalen begründet sind. So wäre denkbar, dass Frauen aus bestimmten Gründen systematisch schlechter über die Verdienstmöglichkeiten nach Studienabschluss informiert sind als Männer. Daher ist zu prüfen, inwieweit sich die bestehenden Informationskanäle zu den berufsspezifischen Karriere- und Verdienstmöglichkeiten noch verbessern lassen.

Studierende sollten also so gut wie möglich darüber informiert sein, was sie nach ihrem Studium auf dem Arbeitsmarkt erwarten können – unabhängig von ihrem Geschlecht. So könnten umfassende Informationskampagnen mit besonderem Fokus auf junge Frauen an Schulen wie an Universitäten dazu beitragen, den Gender-Pay-Gap bei Arbeitsmarkteintritt zu reduzieren. Infolgedessen würden sich wahrscheinlich auch die geschlechtsspezifischen Lohnerwartungen stärker angleichen.

Programme etwa, die Schülerinnen und Studentinnen gezielt mit Vertreter*innen aus bislang eher männerdominierten Branchen und Berufsfeldern zusammenbringen, könnten dabei helfen, Frauen für tendenziell besser bezahlte Berufe zu gewinnen, für die sie sich ansonsten eher nicht interessiert hätten.

Geringere Lohnerwartungen von Frauen können dazu führen, dass sie nicht gleichermaßen hohe Löhne aushandeln wie Männer. Das kann wiederum das geschlechtsspezifische Lohngefälle verschärfen. Die Politik sollte daher versuchen, auch solche Faktoren in den Blick zu nehmen, die mittelbar dazu beitragen, dass Frauen im Schnitt schlechtere Einstiegslöhne erhalten als Männer. So könnte eine größere Lohntransparenz Frauen dabei helfen, ihre Lohnerwartungen an die von Männern in gleichen oder ähnlichen Berufen anzugleichen und ihnen so eine günstigere Ausgangsposition für Lohnverhandlungen zu verschaffen.

Ein erster Schritt in diese Richtung war der Erlass des „Entgelttransparenzgesetzes“ aus dem Jahr 2017. Allerdings hat eine entsprechende Evaluation gezeigt, dass sich dessen Wirksamkeit bislang in Grenzen hält. Daher bedarf es weiterer Maßnahmen, um die Lohntransparenz auf allen Ebenen zu verbessern, insbesondere in Institutionen, die nicht unter bereits bestehende gesetzliche Regelungen fallen.

Feste Gehaltsbestandteile könnten ebenfalls dazu beitragen, der Rolle von individuellen Lohnverhandlungen, und damit indirekt geschlechtsspezifischen Lohnunterschieden, entgegenzuwirken. Laut einer 2020 veröffentlichten Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Instituts der Hans-Böckler-Stiftung ist nur circa die Hälfte aller Beschäftigten in Deutschland durch Tarifverträge abgedeckt – Tendenz fallend. Die Ausweitung des Geltungsbereichs von Tariflöhnen oder tariflich festgesetzter Entgeltbestandteile durch entsprechende Anreize für die Unternehmen könnte sich hier als hilfreich erweisen. Ob solche Maßnahmen der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern effektiv entgegenwirken können, lässt sich allerdings nur über entsprechende wissenschaftliche Studien eindeutig klären.

In aller Kürze

  • Es besteht nach wie vor ein Lohngefälle zwischen Frauen und Männern. Dieses dürfte zumindest zum Teil mit geschlechtsspezifischen Unterschieden in den Lohnerwartungen vor Eintritt in den zu tun haben.
  • Weibliche Studierende erwarten im Schnitt einen Einstiegslohn, der um knapp 15 Prozent geringer ist als der ihrer männlichen Kommilitonen. Außerdem sind sie bereit, einen Job zu einem geringeren Gehalt anzunehmen.
  • Die geschlechtsspezifische Lohnerwartungslücke lässt sich auf mehrere Ursachen zurückführen: Frauen entscheiden sich häufiger für Studienfächer, die später eher niedriger entlohnt werden, und wählen tendenziell sicherere, aber schlechter bezahlte Jobs. Außerdem sind sie weniger risikobereit und haben ein geringeres Selbstbewusstsein als männliche Studierende.
  • Diese Faktoren erklären jedoch nicht die gesamte Lohnerwartungslücke. Der unerklärte Teil von circa 32 Prozent könnte auf Informationslücken oder andere unbeobachtete Faktoren zurückzuführen sein.
  • In jedem Fall sind politische Maßnahmen notwendig, um weibliche Studierende bei ihrem Einstieg in den Arbeitsmarkt zu unterstützen und dem Entstehen von geschlechtsspezifischen Lohnunterschieden schon frühzeitig entgegenzuwirken.

Literatur

Collischon, Matthias (2022): Persönlichkeitsmerkmale tragen insbesondere bei hohen Einkommen zur Lohnlücke zwischen den Geschlechtern bei.  In: IAB-Forum, 18.01.2022.

Lübker, Malte; Schulten, Thorsten (2020): Tarifbindung in den Bundesländern: Entwicklungslinien und Auswirkungen auf die Beschäftigten. 2., aktualisierte Auflage. Elemente qualitativer Tarifpolitik, No. 87, Hans-Böckler-Stiftung, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut.

Website der IAB-Stellenerhebung

 

DOI: IAB.FOO.20230906.01

Bild: Tomertu/stock.adobe.com

Setzepfand, Paul; Yükselen, Ipek (2023): Weibliche Studierende geben sich potenziell mit deutlich niedrigeren Einstiegslöhnen zufrieden als ihre männlichen Kommilitonen, In: IAB-Forum 6. September 2023, https://www.iab-forum.de/weibliche-studierende-geben-sich-potenziell-mit-deutlich-niedrigeren-einstiegsloehnen-zufrieden-als-ihre-maennlichen-kommilitonen/, Abrufdatum: 17. November 2024