9. Dezember 2020 | Serie „Corona-Krise: Folgen für den Arbeitsmarkt“
Weiterbildung in der Covid-19-Pandemie stellt viele Betriebe vor Schwierigkeiten
Lutz Bellmann , Patrick Gleiser , Christian Kagerl , Theresa Koch , Corinna König , Thomas Kruppe , Julia Lang , Ute Leber , Laura Pohlan , Duncan Roth , Malte Schierholz , Jens Stegmaier , Armin Aminian
Weiterbildung gewinnt insbesondere angesichts der zunehmenden Digitalisierung und Internationalisierung der Wirtschaft erheblich an Bedeutung. Seit Beginn dieses Jahrtausends ist denn auch ein deutlicher Anstieg der betrieblichen Weiterbildungsaktivitäten festzustellen. Er wurde nur durch die Wirtschafts- und Finanzkrise unterbrochen (lesen Sie dazu auch den IAB-Forschungsbericht 12/2020). Die massiven Umsatzeinbrüche und die vielfach teils drastisch verschlechterten Geschäftserwartungen der Betriebe führten damals dazu, dass sie ihr Weiterbildungsengagement reduzierten.
Dieses Muster scheint sich tendenziell auch in der Corona-Krise abzuzeichnen. Wie die IAB-Befragung „Betriebe in der Covid-19-Krise“ zeigt, hat zwar gut die Hälfte aller Betriebe in Deutschland seit Beginn der Krise im Februar dieses Jahres Weiterbildungsmaßnahmen für ihre Beschäftigten gefördert oder entsprechende Aktivitäten geplant. Sechs von zehn dieser Betriebe haben jedoch anschließend bereits begonnene oder geplante Weiterbildungen aufgrund der Covid-19-Pandemie wieder abgesagt.
Viele Weiterbildungsmaßnahmen konnten aufgrund der Kontaktbeschränkungen nicht durchgeführt werden
Der mit Abstand wichtigste Grund für die Absage war, dass Weiterbildungsmaßnahmen aufgrund der verhängten Kontaktbeschränkungen nicht durchgeführt werden konnten (siehe Abbildung 1). Darüber hinaus mussten vergleichsweise viele Weiterbildungen abgesagt werden, weil Lehrkräfte zum Beispiel aufgrund von Quarantäne oder einer Erkrankung nicht zur Verfügung standen oder Beschäftigte beispielsweise aufgrund von Betreuungspflichten nicht an der Weiterbildung teilnehmen wollten oder konnten.
Finanzielle Gründe und unsichere Geschäftserwartungen haben ebenfalls in manchen Betrieben dazu geführt, dass Qualifizierungen nicht wie geplant stattfanden. Ein knappes Fünftel der Betriebe, die Weiterbildungen absagten, gab schließlich an, dass hierfür keine zeitlichen Freiräume zur Verfügung standen. Dies dürfte etwa auf die Betriebe zutreffen, in denen die Nachfrage nach Gütern oder Diensten in den vergangenen Monaten besonders hoch war und in denen die Kapazitäten entsprechend stark ausgelastet waren.
Die Mehrheit der weiterbildenden Betriebe hat in der Krise E-Learning ausgebaut oder neu eingesetzt
Wenn Weiterbildungsmaßnahmen aufgrund von Kontaktbeschränkungen nicht stattfinden können, besteht eine Alternative darin, die Qualifizierung via E-Learning oder in einer anderen alternativen Lernform durchzuführen. Wie die Ergebnisse der Betriebsbefragung zeigen, haben fast zwei Drittel aller Betriebe, die seit Beginn der Krise die Weiterbildung ihrer Beschäftigten gefördert haben, diese in Form von E-Learning angeboten. Auf andere alternative Lernformen, zum Beispiel per Telefon oder über das Zusenden von Schulungsunterlagen, hat ein knappes Drittel der Betriebe gesetzt.
44 Prozent der weiterbildenden Betriebe haben dabei E-Learning während der Krise deutlich stärker genutzt als vor der Krise, ein gutes Drittel hat diese Lernform in der Krise neu eingeführt. Bei jedem fünften Betrieb ist das Niveau des E-Learnings im Vergleich zu der Zeit vor der Krise in etwa gleichgeblieben, in nur sehr wenigen Betrieben hat es sich verringert (siehe Abbildung 2).
Jeder zehnte Betrieb, der Kurzarbeit fährt, nutzt die ausgefallene Arbeitszeit, um seine Beschäftigten weiterzubilden
Kurzarbeit bietet theoretisch die Möglichkeit, dass sich die Beschäftigten während der ausgefallenen Arbeitszeit weiterqualifizieren. Von den 21 Prozent der Betriebe, die von Ende Oktober bis Anfang November 2020 Kurzarbeit nutzten, gab jeder zehnte an, die ausgefallene Arbeitszeit für die Weiterbildung seiner Beschäftigten einzusetzen. Hierbei handelt es sich insbesondere um Großbetriebe mit 250 und mehr Beschäftigten. Aus der Betriebsbefragung geht nicht hervor, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Qualifizierungsmaßnahmen teilgenommen haben. Wie Thomas Kruppe und Christopher Osiander in einem Beitrag für das IAB-Forum darlegen, traf dies jedoch im Juni dieses Jahres nur auf rund 5 Prozent aller Beschäftigten in Kurzarbeit zu.
Warum die meisten Betriebe auf Weiterbildung während der Kurzarbeit verzichten
Warum aber haben so viele Betriebe die durch die Kurzarbeit ausgefallene Arbeitszeit nicht für die Weiterbildung ihrer Beschäftigten eingesetzt? Um dies zu ergründen, wurden Betriebe befragt, die zwar generell Weiterbildung während der Krise angeboten haben, hierfür aber nicht die Ausfallzeiten während Kurzarbeit genutzt haben.
Nach Angaben dieser Betriebe verzichten 81 Prozent auf eine Weiterbildung während der Kurzarbeit, weil nicht absehbar sei, wann sie ihre Geschäftstätigkeit wieder in vollem Umfang aufnehmen können. 63 Prozent führen in dieser Zeit keine Weiterbildungen durch, weil diese nicht in den an die Kurzarbeit angepassten Arbeitsplan der Beschäftigten passen. Dieser Grund wird insbesondere von größeren Betrieben genannt. Die unsichere geschäftliche Zukunft wird von der Hälfte der Betriebe als Grund für den Verzicht auf (weitere) Weiterbildung während der Kurzarbeit angeführt. Dabei sind es eher kleinere Betriebe, die deswegen keine Qualifizierung während der Kurzarbeit durchführen.
Bemerkenswert ist schließlich, dass knapp 40 Prozent der betrachteten Betriebe das Thema Weiterbildung in der aktuellen Krisensituation für nachrangig halten (siehe Abbildung 3). Wie weiterführende Analysen zeigen, trifft dies vor allem auf jene Betriebe zu, die mit starken negativen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie zu kämpfen haben. Ein Drittel der Betriebe nutzt die Kurzarbeit nicht zur Weiterbildung ihrer Belegschaft, weil sie nach eigenem Bekunden keinen (zusätzlichen) Bedarf sehen.
Fazit
Während der Covid-19-Pandemie kann Weiterbildung oftmals nur unter erschwerten Bedingungen stattfinden. Viele Betriebe mussten geplante oder bereits begonnene Weiterbildungen aufgrund der Kontaktbeschränkungen absagen. Hinzu kommt, dass Betriebe aufgrund von finanziellen Engpässen und unsicheren Geschäftserwartungen oftmals nicht dazu bereit oder in der Lage sind, die Kosten für die Weiterbildung zu tragen. Dennoch hat rund ein Drittel der Betriebe auch während der Krise Weiterbildungen durchgeführt und dabei vor allem auf E-Learning gesetzt. Dabei haben viele Betriebe digitale Lernformen in den vergangenen Monaten neu eingeführt, andere wiederum im Vergleich zur Zeit vor der Krise ausgebaut.
Von den Betrieben, die aktuell in Kurzarbeit sind, nutzt nur jeder zehnte die ausgefallene Arbeitszeit für Weiterbildungszwecke. Tun Betriebe dies nicht, begründen sie dies zumeist damit, dass es nicht absehbar sei, wann sie ihre Geschäftstätigkeit wieder in vollem Umfang aufnehmen können. Allerdings verzichten auch immerhin knapp vier von zehn Betrieben auf eine Qualifizierung ihrer Mitarbeiter während der Kurzarbeit, weil sie das Thema Weiterbildung aktuell für nachrangig halten. Dies gilt vor allem für Betriebe, die mit starken negativen Auswirkungen der Pandemie konfrontiert sind. Dass diese Firmen derzeit mit einer Fülle an anderen Schwierigkeiten zu kämpfen haben und daher keine Weiterbildung durchführen, ist nachvollziehbar. Dennoch könnte sich dies für die Betriebe selbst wie für ihre Beschäftigten langfristig als nachteilig erweisen.
Insgesamt ist festzuhalten, dass weniger Betriebe unter den gegenwärtigen Bedingungen in die Qualifizierung ihrer Beschäftigten investieren. Es wären also noch Potenziale vorhanden, um betriebliche Weiterbildung gerade in der aktuellen Krise auszubauen. Mit dem Qualifizierungschancengesetz und dem Arbeit-von-morgen-Gesetz fördern die Arbeitsagenturen die Weiterbildung von Beschäftigten, indem sie Kursgebühren und teilweise auch Lohnkosten für die Dauer der Weiterbildungsmaßnahme übernehmen. Bislang wird diese Förderung allerdings nur vergleichsweise wenig in Anspruch genommen (lesen Sie dazu auch den IAB-Kurzbericht 24/2020).
Dabei kommt der betrieblichen Weiterbildung nicht zuletzt angesichts des rapiden technologischen Wandels eine wachsende Bedeutung zu. So stellt etwa der krisenbedingte Digitalisierungsschub steigende Anforderungen an die digitalen, aber auch an die fachlichen und sozialen Kompetenzen der Belegschaften. Weiterbildung kann insofern dazu beitragen, deren Beschäftigungschancen zu sichern. Den Betrieben wiederum hilft sie, ihre langfristige Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und etwaigen Fachkräfteengpässen vorzubeugen.
Literatur
Bellmann, Lutz; Kagerl, Christian; Koch, Theresa; König, Corinna; Leber, Ute; Schierholz, Malte; Stegmaier, Jens; Aminian, Armin (2020): Was bewegt Arbeitgeber in der Krise? Eine neue IAB-Befragung gibt Aufschluss. In: IAB-Forum, 25.09.2020.
Dettmann, Eva; Fackler, Daniel; Müller, Steffen; Neuschäffer, Georg; Slavtchev, Viktor; Leber, Ute; Schwengler, Barbara (2020): Innovationen in Deutschland – Wie lassen sich Unterschiede in den Betrieben erklären? Ergebnisse aus dem IAB-Betriebspanel 2019, IAB-Forschungsbericht Nr. 12.
Kruppe, Thomas; Osiander, Christopher (2020): Kurzarbeit im Juni 2020: Rückgang auf sehr hohem Niveau. In: IAB-Forum, 30.06.2020.
Kruppe, Thomas; Lang, Julia (2020): Geförderte Weiterbildung Beschäftigter: Trotz erweiterter Möglichkeiten noch ausbaufähig. IAB-Kurzbericht Nr. 24.
Bellmann, Lutz; Gleiser, Patrick; Kagerl, Christian ; Koch, Theresa; König, Corinna ; Kruppe, Thomas; Lang, Julia; Leber, Ute; Pohlan, Laura; Roth, Duncan; Schierholz, Malte ; Stegmaier, Jens; Aminian , Armin (2020): Weiterbildung in der Covid-19-Pandemie stellt viele Betriebe vor Schwierigkeiten, In: IAB-Forum 9. Dezember 2020, https://www.iab-forum.de/weiterbildung-in-der-covid-19-pandemie-stellt-viele-betriebe-vor-schwierigkeiten/, Abrufdatum: 18. December 2024
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Autoren:
- Lutz Bellmann
- Patrick Gleiser
- Christian Kagerl
- Theresa Koch
- Corinna König
- Thomas Kruppe
- Julia Lang
- Ute Leber
- Laura Pohlan
- Duncan Roth
- Malte Schierholz
- Jens Stegmaier
- Armin Aminian